13. Sonntag im Jahreskreis

In den Erzählungen der Chassidim von Martin Buber findet sich folgende Geschichte:
Ein Vater brachte seinen Sohn zu einem jüdischen Lehrer, einem Rabbi, und klagte: »Er hat
im Lernen keine Ausdauer!« Der Rabbi sagte: »Lass ihn mir eine Weile hier!« Als er mit dem
Jungen allein war, legte er sich hin und bettete das Kind an sein Herz. Schweigend hielt er es
am Herzen, bis der Vater kam. »Ich habe ihm ins Gewissen geredet«, sagte er, »in Zukunft
wird es ihm an Ausdauer nicht fehlen.«
Der Junge wurde später selbst Rabbi, und wenn er diese Begebenheit erzählte, fügte er hinzu: »Damals habe ich gelernt, wie man einen Menschen bekehrt.«
Eine andere Geschichte lautet ähnlich: Eine Kinderpsychotherapeutin empfiehlt Müttern von
verhaltensgestörten Kindern, dass sie ihnen anbietet, sich auf ihren Bauch
zu legen. Die Kinder dürfen noch einmal Baby sein, spürbar mit der Mutter verbunden. Erfahrungen aus ihrer Praxis belegen, dass diese Methode sehr heilsam ist.
Dass Berührungen gut tun und sich häufig heilsam auswirken, können wir selbst immer wieder erfahren. Wir begegnen Menschen und begrüßen sie mit Handschlag. Wenn es sich um
gute Freunde handelt, umarmen wir sie. Wenn Menschen sich nach langer Trennung wiedersehen, schließen sie sich in die Arme und drücken sich. Offensichtlich reichen Worte häufig nicht, um die wohltuende Gegenwart eines anderen wahrzunehmen. Man möchte ihn
körperlich spüren.
Wir kennen das Bild, wie Eltern ihren kleinen Kindern die Arme entgegenhalten mit dem Ruf:
Wer kommt in meine Arme?
Am Krankenbett kann man erleben, wie gut es einem Patienten tut, wenn ihm ein nahestehender Mensch die Hand hält.
Berührungen sind heilsam, vor allem, wenn sie ein Ausdruck der Liebe sind.
Jesus heilt immer wieder Kranke durch körperlichen Kontakt. Das heutige Evangelium ist ein
Beispiel dafür. Bei der Frau mit langjährigen Blutungen genügte sogar das Berühren seines
Gewandes, um geheilt zu werden.
Der Kontakt mit Jesus ist offensichtlich über die Maßen heilsam. Er kann sogar Tote ins Leben zurückholen, wie wir bei der Auferweckung der Tochter des Synagogenvorstehers Jaïrus
sehen. Er fasste das Kind an der Hand und sagte, sie solle aufstehen.
Jesus hat zweifellos heilende Hände. Natürlich heilt er nicht automatisch. Der Glaube der
Betroffenen muss hinzukommen. Darum sagt Jesus zu der geheilten Frau: »Dein Glaube hat
dir geholfen.« Im Falle des Mädchens waren es der Glaube und das Vertrauen des Vaters.
So ist es ja auch bei unseren Berührungen. Nur wenn der Empfänger weiß, dass der andere
ihm positiv zugewandt ist und Liebe mitbringt, werden sie Wirkung zeigen.
Ich denke an einen alten Mann, der zu seinem Geburtstag von seiner Tochter ein Paket erhielt. Als er beim Auspacken enttäuscht nach etwas suchte, fragte ihn seine Betreuerin:
»Was suchen Sie?« Er antwortete: »Es ist keine Liebe drin!« Tatsächlich hatte die Tochter
nur ihre Pflicht erfüllt, allerdings ohne Liebe. Zeichen sind aber wertlos, wenn sie keine Liebe
enthalten.
Bei Jesus war das ganz anders: Seine Zeichen, ja Kontakte waren voller Liebe. Sie wirkten
Wunder, wenn die Menschen diese wahrnahmen. Sie spürten eine Liebe, die letztlich von
Gott kam und deshalb so heilsam war.
Die Kirche hat den Auftrag, das Wirken Jesu fortzusetzen. Von Jesus geht eine Kraft aus, die
Leben schenkt. Er berührt die Menschen auch heute noch durch die Sakramente. Sie sind die
„Berührungen durch Gott“:
Taufe – Wasser, Salbung, Handauflegung
Buße – Handauflegung
Firmung: Handauflegung und Salbung
Krankensalbung: Handauflegung und Salbung
Der Empfang der Sakramente ist wie das Berühren seines Gewandes, wie das Spüren seiner
Hand. Er ist bei uns als der Heiland der Welt.
Ein Kreuz ohne Arme in einer Kirche enthält die Unterschrift: »Ich habe keine anderen Hände
als die euren!«
Jesus setzt sein Handeln fort durch uns. Wir können, wie der Rabbi in der Eingangsgeschichte
oder wie die Mutter mit ihrem Kind, Menschen Nähe schenken, die auf Heil warten. Wir
können Sakramente spenden und empfangen und Kontakt mit Jesus erfahrbar machen.
So geschieht Heil nicht nur damals, sondern auch heute.