Stellungnahme - Plattform für Menschenrechte Salzburg

Medieninformation, 26. 02. 2016
Verbotszonen lösen das Armutsproblem nicht
Mit der geplanten Ausweitung der Zonen für ein sektorales
Bettelverbot in der Stadt Salzburg wird ein in der Praxis erfolgloses
Modell forciert, das die wirklichen Probleme nicht löst.
Die Einführung der Verbotszonen im vorigen Jahr wurde damit begründet, dass dadurch die
zu erwartende Anzahl der Bettelnden gesenkt werden könne. Dieser Effekt ist offenbar nicht
eingetreten und soll nun mit einer Ausweitung der Verbotszonen erreicht werden.
Tatsächlich dürfte es durch die Verbotszonen nur zu einer Verlagerung der Standorte in
andere Stadtteile gekommen sein.
Mit der Ausweitung wird also ein Modell forciert, das in der Praxis keinen Erfolg zeitigt, weil
es an der falschen Stelle ansetzt: Die eigentlichen Konfliktfelder rund um die
Armutsmigration in Salzburg liegen nicht so sehr im „Betteln“ selber, sondern im Bereich der
fehlenden legalen Übernachtungsorte sowie der fehlenden sanitären Infrastruktur für die
Notreisenden. Sie haben keine Lagerorte für ihren Besitz. Es gibt weder Mülltonen noch
mobile Toiletten für sie, was zu nachvollziehbaren Problemen führt.
Die Forderungen, welche die Plattform für Menschenrechte bei der Einführung der
Verbotszonen im vorigen Jahr formuliert hatte, sind deshalb nach wie vor aktuell:
1. Es braucht dringend eine ganzjährige, fixe Notunterkunft, die zumindest für einen
Teil der ArmutsmigrantInnen dauerhaft zur Verfügung steht. Diese ganzjährige
Unterkunft ist in Planung, die Caritas soll dafür jede nur mögliche Unterstützung
erhalten.
2. Es braucht dringend ein Angebot für Mütter bzw. Familien mit minderjährigen
Kindern, um diese Kinder adäquat versorgen zu können, ohne sie von ihren Eltern zu
trennen.
3. Für die weiterhin obdachlos bleibenden ArmutsmigrantInnen braucht es Plätze, an
denen eine legale Übernachtungsmöglichkeit im Freien mit entsprechender
sanitärer Infrastruktur (mobile Toiletten) besteht.
4. Das mobile Gesundheitsangebot (Virgilbus) soll fortgeführt und – wo nötig und
möglich – ausgebaut werden.
Verstoß gegen Menschenrechte und unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte
Aus menschenrechtlicher Sicht bedeutet eine Verbotszone nichts anderes, als dass hier ein
„absolutes Bettelverbot“ gilt. Ein solches Verbot hat der Verfassungsgerichtshof aber bereits
als grundrechtswidrig erkannt. Und zwar mit Hinweis auf Artikel 10 der Europäischen
Menschenrechtskonvention, der das Recht auf freie Kommunikation beinhaltet. Demnach
muss es einem Menschen erlaubt sein, in der Öffentlichkeit auf seine Notlage aufmerksam
zu machen. Es ist integraler Bestandteil von Grund- und Menschenrechten, dass sie
universell, unveräußerlich und unteilbar sind. Ihre Universalität bedeutet, dass sie überall, an
jedem Ort für alle Menschen gültig sind. Es gehört zum Wesensverständnis von
Menschenrechten, dass staatliche Instanzen nicht „menschenrechtsfreie Zonen“ errichten
bzw. diese beliebig ausweiten können.
Eingriffe in die Freiheit der Meinungsäußerung können unter anderem nur erfolgen, wenn
sie notwendig sind für die öffentliche Sicherheit bzw. der Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ordnung dienen. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund ist in § 29 Abs. 2 des
Salzburger Landessicherheitsgesetzes daher ausdrücklich festgehalten, dass eine Verordnung
ein grundsätzlich straffreies Betteln an bestimmten Orten nur verbieten kann, wenn eine
Benützung dieses öffentlichen Ortes erschwert wird oder ein sonstiger Missstand vorliegt.
Schon im Rahmen der bestehenden Verordnung konnte die Stadt Salzburg nicht aufzeigen,
aufgrund welcher konkreten Missstände es neben dem bereits bestehenden Bettelverbot
einer eigenen kommunalen Verordnung bedurfte. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen
Gründen z. B. in den Verbotszonen in der Altstadt die Anwesenheit von BettlerInnen die
Benützung dieser Orte erschweren oder aufgrund ihrer Anzahl ein Missstand vorliegen
sollte. Die in der Verordnung zitierten öffentlichen Orte sind bereits durch die Einheimischen
und Touristen stark frequentiert. Eine zusätzliche Ausweitung der bereits bestehenden
Verbotszonen ließe sich noch weniger rechtfertigen.
Kontakt:
Dr. Josef Mautner
Tel.: 0676/8746-7555
[email protected]