Transpirationsschutz von Blättern

Vergleich des Transpirationsschutzes von Blättern
mesophytischer und immergrüner Arten
Protokoll für das Modul biol 109 „Kommunikation und Medienkompetenz“
von Peter Schreiberling
Einleitung
Prinzipiell ist die Atmosphäre für Landpflanzen durch das Risiko der Austrocknung ein extrem
lebensfeindliches
Medium. Wenn
Pflanzen, die
der Atmosphäre
exponiert sind, nicht
austrocknungstolerant sind, müssen sie Anpassungen besitzen, die einen Wasserverlust
verhindern. Die Transpiration wird in homoiohydren Pflanzen insbesondere durch eine für Wasserdampf nahezu undurchlässige Cuticula beschränkt. Da die Cuticula gleichzeitig auch die CO2Diffusion unterbindet, konnten effektive Cuticulae nur gemeinsam mit Spaltöffnungen evoluieren,
die die CO2-Aufnahme in das Blattinnere ermöglichen, aber die Transpiration gleichzeitig flexibel
regulieren. Durch eine Veränderung der Porenweite beschränken Spaltöffnungen die Transpiration
auf die Zeiten, in denen die CO2-Aufnahme für die Photosynthese erforderlich ist und auf ein Maß,
das keine Gefährdung durch Austrocknung birgt.
Bei Wassermangel können Pflanzen ihre Spaltöffnungen schließen. Dann ist vor allem die
Wasserpermeabilität der Cuticula eine für das Überdauern von Dürre entscheidende Eigenschaft.
Die Cuticula besteht hauptsächlich aus Cutin, einem Polyester von Hydroxy-Fettsäuren, in das
Wachse ein- und aufgelagert sind, sowie aus Polysacchariden und Wachsen. Während der innere
Teil der Cuticula relativ gut permeabel ist für Wasser, stellen eine äußere mit Wachs imprägnierte
Schicht und aufgelagerte Wachse die entscheidende Barriere für die Wasserdiffusion dar.
Bestimmend für die Permeabilität für Wasser ist also nicht die Dicke der Cutinschicht, sondern die
Qualität der Wachsimprägnierung und -auflage. Das bedeutet, dass Pflanzen, die besonders
effiziente Wachse auf und in ihre Cuticula einlagern können, besser gegen Austrocknung
geschützt sind. Da auf der anderen Seite die Synthese einer solch wasserdichten Cuticula relativ
aufwändig ist, sollte man erwarten, dass die Wasserpermeabilität der Cuticula zwischen Pflanzen
stark variiert, je nach dem Grad der Trockenheit, der die Pflanzen natürlicherweise ausgesetzt
sind.
Der zeitliche Austrocknungsverlauf von abgeschnittenen Blättern ist kennzeichnend für derartige
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Anpassungen an Trockenheit und erlaubt eine einfache Abschätzung des Transpirationsschutzes
von Blättern. Eine solche Kurve zeigt zunächst eine rasche Abnahme des Wassergehaltes solange
die Stomata noch geöffnet sind. Anschließend folgt eine lange lineare Austrocknungsperiode, die
weitgehend durch die cuticuläre Transpiration bestimmt ist (Lösch 2000).
Im temperaten Klima Mitteleuropas gibt es keine ausgeprägte Trockenperiode, in der
Niederschläge ausbleiben. Dennoch ist durch die niedrigen Bodentemperaturen im Winter die
Wasseraufnahme stark erschwert, insbesondere wenn der Boden gefriert. Daher kann man den
herbstlichen Laubabwurf der meisten Bäume als eine Anpassung an diese reduzierte
Wasserverfügbarkeit deuten. Dementsprechend würde man erwarten, dass Pflanzen, die ihre
Blätter im Winter behalten, also „immergrün“ sind, Blätter mit einem guten Transpirationsschutz
besitzen
(Burghardt
und
Riederer
2003).
Deshalb
sollte
in
diesem
Versuch
der
Austrocknungsverlauf von abgeschnittenen Blättern zweier immergrüner Pflanzen mit dem von
mesophytischen Arten verglichen werden, um den Transpirationsschutz semiquantitativ zu
erfassen. Es wurde erwartet, dass die immergrünen Blätter deutlich langsamer das Wasser
verlieren als die mesophytischen.
Material und Methoden
Am Vortag wurden je ein Blatt von Efeu (Hedera helix L.), Brombeere (Rubus fruticosus L.) und
Kiefer (Pinus sylvestris L.) im Botanischen Garten in Kiel abgeschnitten und mit Wasser
aufgesättigt, indem sie in eine feuchte Kammer gelegt wurden. Eine Pflanze der Ackerbohne (Vicia
faba L.) wurde - ebenfalls am Vortag - gewässert und in eine transparente Plastiktüte gehüllt an ein
Nord-Fenster gestellt. Ein Blatt wurde zum Vorverdunkeln in Aluminiumfolie gewickelt.
Am Versuchstag wurden je ein vorverdunkeltes sowie ein lichtadaptiertes Blatt von V. faba
abgeschnitten. Diese sowie alle anderen Blätter wurden trockengetupft und die Schnittstellen mit
Schliff-Fett verschmiert. Anschließend wurde das jeweilige Sättigungsgewicht (FGsätt) durch
Wiegen auf einer Waage mit 0,1 mg Auflösung (AW-224, Sartorius AG, Göttingen) bestimmt. Die
Blattflächen wurden mit Hilfe eines Blattflächenmessgerätes (LI-3100C, LI-COR, Lincoln,
Nebraska, USA) erfasst.
Die Blätter wurden zur Beschleunigung des Austrocknens in eine Klimatruhe (Rumed, Rubarth
Apparate GmbH, Laatzen) bei einer Temperatur von 40°C gelegt. Zunächst wurden die Blätter alle
5 Minuten und später alle 10 Minuten zum Wiegen entnommen. Nach ca. 100 Minuten wurden die
Blätter in einem Mikrowellenofen bis zur Gewichtskonstanz getrocknet und das Trockengewicht
(TG) bestimmt.
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Aus den jeweiligen Frischgewichten zur Zeit t (FG) wurden der relative Wassergehalt (RWG) und
die Transpirationsrate (E) gemäß den folgenden Formeln berechnet.
Relativer Wassergehalt (WG in Relation zum maximalen Wassergehalt):
RWG= aktueller Wassergehalt/ Sättigungswassergehalt= (FG-TG)/(FGsätt-TG)
Transpirationsrate:
E= ((FG1-FG2) MH2O-1 A-1 (t2-t1))-1 * 1000 (mmol m-2 s-1)
MH2O= 18,015 g/Mol
A= einfache Blattfläche (m2)
t2= Zeit bei jeweiliger Messung (s)
t1= Zeit der vorigen Messung (s)
Um eine Austrocknungskurve zu erhalten wurde der relative Wassergehalt (RWG) gegen die Zeit
aufgetragen.
Ergebnisse
Der Austrocknungsverlauf von Blättern zeigt die Ausprägung des Transpirationsschutzes.
Typischerweise sieht eine solche Kurve wie folgt aus: Zunächst nimmt der Wassergehalt so lange
rasch ab, bis die Stomata geschlossen sind. Ab diesem Zeitpunkt verläuft die Austrocknung mit
deutlich geringerer Rate und wird nun vor allem durch die Wasserpermeabilität der Cuticula
bestimmt. In Abb. 1 wird dies exemplarisch für zwei Blätter von V. faba demonstriert, von denen
eines vor dem Abschneiden vorverdunkelt wurde und deshalb vermutlich geschlossene Stomata
aufweist. Hier fällt der Wassergehalt von Anfang an mit einer gleichmäßigen Rate ab. Dagegen
sieht man beim vorbelichteten Blatt während der ersten 10 Minuten einen steilen Abfall des
Wassergehaltes, bevor die Kurve umknickt und ab der 20. Minute mit einer Rate abfällt, die der
des vorverdunkelten Blattes sehr ähnlich ist.
Abb. 1: Änderung des relativen Wassergehalts eines vorverdunkelten und eines
vorbelichteten Blattes von Vicia faba über die Zeit.
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Der Wasserverlust von Efeublättern (Abb.2, blaue Linie) war erheblich geringer als der von V. faba.
Hier zeigte sich eine kurze Phase raschen Sinkens des Wassergehaltes und anschließend blieben
die Werte annähernd konstant. Bei P. sylvestris, der zweiten untersuchten immergrünen Art,
konnte ebenfalls eine Kurve mit zwei unterschiedlichen Steigungen beobachtet werden (Abb. 2,
rote Linie). Hier war das Umschwenken der Steigung deutlich langsamer als bei V. faba.
Abb. 2: Änderung des Wassergehaltes über die Zeit bei jeweils einem Blatt von
Hedera helix und Rubus fruticosus sowie 6 Nadeln von Pinus sylvestris.
Weil R. fruticosus eine Art ist, die ihre Blätter lange in den Winter hinein behält, wurde sie mit in
den Versuch aufgenommen. Bei ihr zeigte sich wieder eine ausgeprägte Zweiphasigkeit des
Wasserverlustes mit einer Rate, die noch steiler war als die von V. faba.
Abb. 3: Transpirationsraten der Blätter während der
ersten 5 Minuten der Austrocknung.
Abb. 4: Transpirationsraten der Blätter während der
zweiten Phase der Austrocknung. Die Werte stellen
Mittelwerte über die letzte Stunde dar.
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Für die erste Phase der Austrocknung und über ihre letzte Stunde wurden die Transpirationsraten
berechnet. Zu Beginn lag die Transpiration des belichteten Blattes von V. faba am höchsten,
gefolgt von der von R. fruticosus, während die übrigen drei sich in einer ähnlichen Größenordnung
bewegten. In der zweiten Phase waren die Raten um einen Faktor 10 niedriger. Hier zeigte nun
das verdunkelte Blatt von V. faba die höchste Rate. H. helix lag deutlich niedriger als alle anderen,
während die zweite immergrüne Art P. sylvestris ähnlich hohe Transpiration aufwies wie die
übrigen weichlaubigen Arten.
Diskussion
In diesem Versuch wurde die Hypothese verfolgt, dass immergrüne Arten einen hohen cuticulären
Transpirationsschutz aufweisen. Dies wurde durch die Bestimmung des Zeitverlaufs des Wasserverlustes abgeschnittener Blätter untersucht. Dabei war erwartet worden, dass ein zweiphasiger
Verlauf auftritt. Dies lässt sich eindeutig an den beobachteten Kinetiken bestätigen (Abb. 1 und 2).
Bei allen Arten knickte die Kurve des Wassergehalts nach einiger Zeit um. Die erste Phase des
Wasserverlustes wird der Transpiration bei offenen Stomata zugeschrieben (Burghardt und
Riederer 2003, Lösch 2000). Dies kann durch unseren Versuch bestätigt werden. Stomata
schließen im Dunkeln. Dementsprechend war die erste Phase beim vorverdunkelten Blatt der
Ackerbohne erheblich kleiner (Abb. 1) und folglich auch die Transpirationsrate nur ein Drittel der
des belichteten Blatts (Abb. 3). Dass die Stomata beim verdunkelten Blatt vermutlich nicht
vollständig geschlossen waren, erkennt man an der angedeuteten Zweiphasigkeit, die auch bei
diesem Blatt zu sehen war. Möglicherweise führte jedoch auch die kurze Zeit der Belichtung beim
Einlegen der Blätter in die Truhe zu einer geringfügigen Öffnung der Stomata. In der Truhe war es
ebenfalls nicht völlig dunkel.
Der Zeitpunkt des Umknickens von der ersten zur zweiten Phase war von Art zu Art
unterschiedlich. Bei H. helix geschah dies bereits innerhalb von 4 Minuten, während es bei P.
sylvestris wesentlich länger dauerte (Abb. 2). Für Nadelbäume ist es bekannt, dass sie ihre
Spaltöffnungen langsamer regulieren können als weichlaubige Arten.
Geht man davon aus, dass die zweite Phase der Austrocknung charakteristisch ist für die
cuticuläre Transpiration, dann stehen die Ergebnisse bei H. helix mit der Erwartung, dass
immergrüne Arten einen hohen cuticulären Transpirationsschutz besitzen, im Einklang. Diese Art
hatte während der zweiten Phase die bei weitem geringste Transpirationsrate (Abb. 4). R.
fruticosus ist eine Art, die zu Beginn des Winters grün bleibt und ihre Blätter nicht abwirft. Man
kann sie jedoch nicht als typisch immergrün bezeichnen, da sie beim Auftreten der ersten Fröste
ihre Blätter aufgrund von Frostschäden verliert. Daher ist es nicht erstaunlich, dass bei der
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Brombeere ein Verlauf des Wassergehaltes und eine Transpirationsrate auftraten, die denen von
V. faba weitgehend entsprachen. Nicht den Erwartungen entsprechend verhielt sich dagegen die
Kiefer, deren Transpiration in der Größenordnung der weichlaubigen Arten lag. Dies ist
überraschend, da ja auch der anatomische Bau der Kiefernnadeln eindeutig xeromorph ist und hier
nicht nur eine ausgeprägte Cuticula, sondern auch eine stark verholzte Zellwand der Epidermiszellen zum Verdunstungsschutz beitragen. Zu Beginn der Kurve war zu sehen, dass die Stomata
der Nadeln noch offen waren. Möglicherweise trug der langsame Stomataschluss noch über
längere Zeit zur Transpiration bei. Das Frischgewicht der Kiefernnadeln lag auch mit 0,08 g um
einen Faktor 10 niedriger als bei allen anderen Blättern. Damit sind natürlich diese Messungen
einem wesentlich stärkeren Wägefehler ausgesetzt. Dies ist auch sichtbar an dem Verlauf des
Wassergehaltes, der zu einem Zeitpunkt sogar zunimmt, was nur durch einen Fehler beim Wiegen
begründet werden kann. Generell ist auch zu sagen, dass hier keine Stichprobengrößen
verwendet wurden, die einem rigorosen wissenschaftlichen Anspruch entsprechen würden. Dies
war durch den Zeitmangel im Praktikum begründet. So ist es natürlich immer möglich, dass zufällig
ungewöhnliche Individuen benutzt wurden. Daher können die Ergebnisse hier nur als tendenzielle
Hinweise betrachtet werden.
Bezieht man diese Einschränkungen mit ein, so lässt sich dennoch sagen, dass die grundsätzlichen Erwartungen, dass ein zweiphasiger Verlauf der Wasserverlustkurve auftritt und dass die
immergrüne Art H. helix einen hohen cuticulären Transpirationsschutz aufweist, bestätigt werden
konnten.
Literatur
Burghardt M., Riederer M. (2003) Ecophysiological relevance of cuticular transpiration of
deciduous and evergreen plants in relation to stomatal closure and leaf water potential. Journal of
Experimental Botany 54: 1941-1949
Lösch R. (2000) Wasserhaushalt der Pflanzen. Quelle & Meyer - UTB. Wiebelsheim
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