Umfrage zur Berufsbegleitenden Weiterbildung

Umfrage zur Berufsbegleitenden Weiterbildung
zum Erzieher/zur Erzieherin unter Hamburger Kitas
In Hamburg steigt seit den letzten Jahren die Zahl der Menschen, die eine Berufsbegleitende
Weiterbildung zum Erzieher/ zur Erzieherin (BWB) machen, deutlich - besonders seit dem Schuljahr
2013/14. Dieses Ausbildungsmodell ist somit bei den Menschen, die Erzieher oder Erzieherin werden
wollen, immer beliebter. Gleichzeitig ermöglichen immer mehr Kitas die BWB, was auch hier eine
zunehmende Partizipation an dieser Ausbildungsform ausdrückt. Doch es war auch immer wieder
Kritik aus dem Kita-Feld zu hören, so dass wir es genauer wissen wollten und einen Fragebogen zur
Berufsbegleitenden Weiterbildung zur Erzieherin /zum Erzieher entwickelten.
Entwicklung der BWB in Hamburg an staatlichen Fachschulen
Im Frühjahr 2015 füllten 71 Kitas bzw. Träger diesen Fragebogen in auswertbarer Form aus. Eine sehr
große Mehrheit der Antwortenden gehört zu Trägern, die nur eine oder zwei Kitas betreiben (41), 15
gehören zu großen Träger mit mehr als acht Einrichtungen. In vier Fällen haben Träger mit mehr als
drei Einrichtungen für alle ihre Kitas geantwortet, in den meisten Fällen wurde aber als Kita
geantwortet. Der Einfachheit halber wird daher im Folgenden für die Antwortenden die Bezeichnung
‚Kitas‘ verwendet.
1
Die Ergebnisse sind zwar nicht repräsentativ, aber durchaus aufschlussreich. 39 Kitas beschäftigen
BWBler, 32 haben keine BWBler. Bei den Kitas ohne BWBler sind 442 Fachkräfte beschäftigt, davon
83 Männer, was einem Männeranteil von 18,8% entspricht. Die Kitas mit BWBlern beschäftigen 1079
Fachkräfte, davon allerdings nur 146 Männer. Sie haben somit einen Männeranteil von 13,5%.
Zum Zeitpunkt der Befragung hatten 48 Kitas Fachschulpraktikanten. 37 Fachschülerinnen und 15
Fachschüler machten ihr Praktikum in einer Kita ohne BWBler (Männeranteil: 28,8%). 74 Frauen und
24 Männer machten in der Gruppe der BWB-Kitas ihr Fachschulpraktikum (Männeranteil: 24,5%).
Frauen und Männer in der Kita
100%
90%
86,5%
80%
81,2%
75,5%
71,2%
70%
60%
mit BWBler
50%
40%
30%
20%
13,5%
10%
28,8%
24,5%
18,8%
ohne BWBler
0%
weibl. Fachkräfte männl. Fachkräfte Fachschülerinnen
Fachschüler
Auffällig ist, dass die Kitas mit BWBlern sowohl bezüglich Fachkräften als auch bezüglich
Fachschulpraktikanten durchschnittlich einen geringeren Männeranteil aufweisen. Interessant ist
daher die Frage, ob die BWB für sie eine Möglichkeit ist, mehr Männer in die Einrichtung zu
bekommen. Und in der Tat: von den 93 BWBlern sind 37 Männer, was einem Anteil von 40,2%
entspricht!
Die BWBler sind...
30,0%
25,0%
26,1%
26,1%
20,0%
15,0%
10,0%
13,0%
7,6%
5,0%
0,0%
2
13,0%
14,1%
16 haben eine abgeschlossene SPA-Ausbildung, 27 haben immerhin pädagogische Vorerfahrungen.
Aber 50 BWBler und damit 53,8% haben keine nennenswerte pädagogische Vorerfahrung und sind
somit richtige Quereinsteiger.
Die Vorbildung der BWBler:
60%
53,8%
50%
40%
29,0%
30%
17,2%
20%
10%
0%
eine abgeschlossene SPAAusbildung
Quereinsteiger mit pädagogischen
Vorerfahrungen (ohne SPAAusbildung)
Quereinsteiger ohne nennenswerte
pädagogische Vorerfahrung
Das verwundert wenig, wenn man auf die Motive zur Einstellung eines BWBlers schaut. 40,5%
nennen als Grund „weil er/sie weitere Fähigkeiten mitbringt (aus vorheriger Ausbildung)“. 27,0%
wollen ihr Team multiprofessioneller aufstellen und jeweils 21,6% haben sich wegen der größeren
Lebenserfahrung bzw. weil BWBler aufgrund des höheren Alters reifer sind, für sie entschieden.
Gründe für BWBler
80%
73,0%
70%
60%
51,4%
50%
27,0%
27,0%
27,0%
weil dies ein Weg ist, den
akuten Personalmangel zu
mildern
weil dies ein Weg ist,
unseren Personalschlüssel
zu verbessern
21,6%
wegen der größeren
Lebenserfahrung
20%
21,6%
weil er/sie wegen des
höheren Alters reifer ist
30%
weil wir unser Team
multiprofessioneller
aufstellen wollen
40,5%
40%
3
weil wir uns als
Ausbildungsbetrieb mit
gesell. Verantwortung und
Verantwortung für unsere
Zukunft verstehen
weil wir zukünftige
Fachkräfte so besser als
durch Fachschul- praktika
an uns binden wollen
0%
weil er/sie weitere
Fähigkeiten mitbringt (aus
vorheriger Ausbildung)
10%
Sieben Kitas ergriffen so die Chance, einen Mann zu bekommen. 51,4% hoffen, dass sie so zukünftige
Fachkräfte besser als durch die Fachschulpraktika an sich binden können. Einige weisen darauf hin,
dass sie ihre BWBler durch vorherige Tätigkeiten (SPA, BDF/FSJ, Aushilfstätigkeit) schon kannten. Die
BWB erscheint somit offenbar als geeignetes Mittel gegen den Fachkräftemangel für die einzelnen
Einrichtungen. Passend dazu sagen jeweils zehn, dass dies ein Weg sei, den akuten Personalmangel
zu mildern bzw. den Personalschlüssel zu verbessern. Bemerkenswert ist allerdings auch, dass fast
Dreiviertel sich als Ausbildungsbetrieb mit gesellschaftlicher Verantwortung und Verantwortung für
ihre Zukunft sehen.
70% der Kitas mit BWBlern finden es gut oder sehr gut, dass es die Möglichkeit zur BWB gibt, 27,0%
finden das so lala. Von den Kitas, die keine BWBler haben, will die Hälfte gerne BWBler einstellen.
Der Hauptgrund, warum sie keine BWBler haben, ist ein finanzieller: sie können sich keinen leisten.
An zweiter Stelle kommt mit 28,1% die Einschätzung, dass der Aufwand an Anleitung/Betreuung
gerade in der Anfangsphase zu hoch sei. (Von den Kitas mit BWB wird dies nicht bestätigt: 57,1 %
halten den Aufwand für mittelmäßig, knapp 18% für groß, genauso viele für gering.) 21,9% hätten
gerne jemanden, fanden aber keine geeigneten Bewerber.
92% der Arbeitgeber setzen ihre BWBler in der Kita ein, vier in der Ganztägigen Betreuung an
Schulen. Ein kleiner Träger stellte den ersten BWBler in Jahr 1995 ein, fünf weitere haben seit 2009
bzw. 2011 Erfahrungen. Alle anderen haben im Rahmen der Qualifizierungsoffensive seit 2012 ihren
ersten BWBler eingestellt, davon sieben 2012, elf 2013, acht 2014 und vier 2015.
15 Wochenstunden sind Pflicht für BWBler, was in 28,2% der Kitas so gehandhabt wird. In ebenso
vielen Einrichtungen arbeiten BWBler bis 20 Stunden. Fast die Hälfte setzt ihre BWBler bis zu 25
Stunden ein, und etwa 30% sogar noch mehr. In den Kitas, die mehrere BWBler beschäftigen, gibt es
sowohl das Modell, dass alle gleich viele Stunden arbeiten, als auch individuell unterschiedliche
Modelle.
4
So viele Wochenstunden arbeiten die BWBler
50%
46,2%
45%
40%
35%
30%
28,2%
28,2%
15 Stunden
bis 20 Stunden
30,8%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
bis 25 Stunden
mehr
Sehr interessant ist der Vergleich zwischen FachschulpraktikantInnen und BWBlern in mehreren
Kategorien. Die überwiegende Mehrheit hält BWBler für genauso gut bzw. sehr häufig sogar für
besser bezüglich fachlicher Eignung, sozialer Kompetenzen, Lernfähigkeit, eigenes Einbringen von
persönlichen Schwerpunkten, Bindungsaufbau zu den Kindern, Integrationsfähigkeit ins Team aber
auch bezüglich Personalaufwand zur Anleitung und Personaleinsatzplanung.
Beurteilung der BWBler im Vergleich zu
FachschulpraktikantInnen bezüglich ...
40
deutlich besser
35
30
etwas besser
25
genauso gut
20
15
etwas
schlechter
10
deutlich
schlechter
5
5
Ihrer Personaleinsatzplanung
Personalaufwand zur Anleitung
Integrationsfähigkeit ins Team
Bindungsaufbau zu den Kindern
persönlicher Schwerpunkte
Lernfähigkeit
sozialer Kompetenzen
fachlicher Eignung
0
Obwohl 50% der BWBler keine nennenswerte pädagogische Vorerfahrung haben, beurteilen 27 das
pädagogische Wissen, das die BWBler im ersten Jahr einbringen können, mit „befriedigend“ bzw.
„gut“. Zweimal wurde „sehr gut“ ausgewählt, sechsmal „ausreichend“ und einmal „mangelhaft“.
Die Zusammenarbeit mit den Fachschulen wird unterschiedlich beurteilt. Die Mehrheit verteilt die
Noten „gut“ oder „befriedigend“, 15 bewerteten sie mit „ausreichend“ oder „ungenügend“, je einer
mit „mangelhaft“ bzw. „sehr gut“. Es wird vielfach bemängelt, dass es nur sehr wenig Kontakt gibt.
Beurteilung der Zusammenarbeit mit den
Fachschulen
2,8% 2,7%
27,0%
24,3%
Sehr gut
gut
befriedigend
ausreichend
mangelhaft
ungenügend
16,2%
24,3%
Die Reaktionen der Eltern war mit sehr großer Mehrheit (30 von 36 Kitas) positiv bis sehr positiv. In
fünf Fällen waren sie eher kritisch, in einem Fall sogar ablehnend.
Mehr als Dreiviertel der BWB-Kitas will sich wieder für BWBler entscheiden, über die Hälfte würde
sogar gerne mehr BWBler einstellen können. Damit sind diese Kitas deutlich offener gegenüber
diesem Ausbildungsmodell als die Kitas, die keine BWBler haben – hier wollen nur 50% einen BWBler
einstellen. Auch sie haben als Hauptmotivation die „gesellschaftliche Verantwortung“ als
Ausbildungsbetrieb. Dass BWBler weitere Fähigkeiten mitbringen und die Kitas sich somit
multiprofessioneller aufstellen können, bewerten diese Kitas höher als die Hoffnung, dadurch
zukünftige Fachkräfte besser an sich binden zu können – dies steht bei den BWB-Kitas an zweiter
Stelle.
6
75,0%
62,5%
31,3%
37,5%
37,5%
43,8%
50,0%
Weil wir uns als
Ausbildungsbetrieb mit
gesellschaftlicher
Verantwortung und
Verantwortung für…
Weil er/sie weitere
Fähigkeiten mitbringt
(aus vorheriger
Ausbildung)
Weil wir unser Team
multiprofessioneller
aufstellen wollen
Weil wir hoffen, dass wir
zukünftige Fachkräfte so
besser als durch die
Fachschulpraktika an
uns binden können.
Weil dies ein Weg ist,
den akuten
Personalmangel zu
mildern
Wegen der größeren
Lebenserfahrung
Weil dies ein Weg ist,
den Personalschlüssel
zu verbessern
25,0%
Weil er/sie wegen des
höheren Alters reifer ist
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Gründe für Nicht-BWB-Kitas, einen BWBler
einzustellen
Bei beiden Kita-Gruppen spielt die Re-Finanzierung eine kritische Rolle, von den BWB-Erfahrenen
wird aber auch bemängelt, dass die BWBler durch Schule und Klausurphasen regelmäßig tageweise
ausfallen. Für alle Kitas gilt, dass sie aus arbeitsorganisatorischer Sicht mehr BWBler einstellen
könnten, als es ihnen aus finanzieller Sicht her möglich ist.
So überrascht es wenig, dass das momentan in Hamburg gültige Refinanzierungs- und
Anrechnungsmodell bei allen Kitas größtenteils auf Ablehnung stößt. Niemand vergab die Note „sehr
gut“, nur 4,3% halten es für“ gut“ und 21,3% für „befriedigend“, während 29,8 % es für „eher
schlecht“ halten und sogar 23,4% für „inakzeptabel“.
Beurteilung der aktuellen Refinanzierung der
BWBler
4,3%
23,4%
gut
21,3%
befriedigend
gerade so ausreichend
eher schlecht
29,8%
21,3%
inakzeptabel
Die Verbesserungsvorschläge haben den gemeinsamen Tenor, dass die Stadt die BWBler komplett
refinanzieren müsse und reichen von „richtige betriebliche Ausbildungsvergütung““ bis zu „Person
wird nicht auf den Personalschlüssel angerechnet, aber die Kita erhält Geld für die Ausbildung“.
7
Weitere Vorschläge sind „bessere Vernetzung zwischen Schule und Kita“, „bessere Verteilung der
Schultage in den verschiedenen Schulen“ bzw. „Unterricht nur nachmittags“
Eine knappe Mehrheit aller Befragten fühlt sich von der Behörde bzw. den Verbänden nicht
ausreichend über die Modalitäten der BWB informiert. Trotz dieser Kritikpunkte sehen 84% der BWBKitas in dieser Ausbildungsform ein tragfähiges Ausbildungsmodell. Von den Kitas ohne BWBler teilen
nur knapp 45% diese Ansicht. Der Hauptgrund für die Ablehnung ist bei beiden Gruppen weitgehend
gleich: die Finanzierungsregelung und zeitliche Einschränkung durch die Schultage.
FAZIT:
Die Berufsbegleitende Weiterbildung zum Erzieher/zur Erzieherin scheint ein guter Weg zu sein, den
Männeranteil in Kitas zu erhöhen. Echte Quereinsteiger sind sehr willkommen und machen mehr als
die Hälfte aus, weil sie die Teams multiprofessioneller aufstellen und weitere Fähigkeiten mitbringen.
Die Berufsbegleitende Weiterbildung wird als geeignetes Mittel erachtet, um zukünftige Fachkräfte
besser an die Einrichtung zu binden. Sie erscheint somit für die Zukunft, für einige auch für die
Gegenwart ein probates Mittel gegen den Fachkräftemangel. Und auch ein Weg, den Männeranteil in
den Kitas zu erhöhen.
Die Mehrheit der BWBler sind reine Quereinsteiger ohne nennenswerte pädagogische Vorerfahrung.
Trotzdem – oder gerade deshalb? – hält eine Mehrheit das Modell Berufsbegleitende Weiterbildung
grundsätzlich für gut und will (auch) in Zukunft BWBler einstellen. Größter Knackpunkt hierbei ist
allerdings das momentan in Hamburg gültige Refinanzierungsmodell, das auf recht breite Ablehnung
stößt. Außerdem fühlt sich eine knappe Mehrheit von der zuständigen Behörde bzw. den Verbänden
nicht ausreichend informiert.
Für potenzielle BWBler dürfte interessant sein, dass tendenziell zwischen 20 und 25 Wochenstunden
die Regel sind, was sich positiv auf die finanzielle Ausstattung der BWBler während ihrer Ausbildung
auswirkt.
Im Vergleich zu Fachschulpraktikanten schneiden BWBler in fachlicher, sozialer und organisatorischer
Hinsicht gleich gut oder sogar besser ab. Die Zusammenarbeit mit den Fachschulen könnte aus KitaSicht allerdings enger und besser verlaufen.
8