1 Buchkritik | Kenneth Frampton zur modernen Architektur Kenneth Frampton postuliert in seinem Buch „ Die Architektur der Moderne|Eine kritische Baugeschichte“, dass der Beginn des modernen Zeitalters regressiv auf einem neuartigen Geschichtsbild basiert, welches die vitruvianischen Proportionslehre in Frage stellt und somit konstitutiven Raum für die Architektur schafft. Er datiert den Beginn um die Mitte des 18. Jahrhunderts und charakterisiert die Gründung des Ecole d`Architecture 1747 als grundlegenden Antrieb für die Stilisierung der Moderne. Framptons Ausführungen sind stets sachlich und fundamentiert, welches auf seine beträchtliche Stoffsammlung zurückzuführen ist, die es ihm gestattet sein Buch durchaus als „ Wissensanregung“ zu definieren. So hatte die informative Form Framptons oft Vorrang vor Interpretationsausführungen, die die Materialvielfältigkeit eingehender analysieren. Jedoch besticht die Leichtigkeit, mit der der Autor formale Analytik und Subjektivismus, durch vorangestellte Zitate und gesellschaftsabhängige Interpretationsansätzen zu einem durchaus objektiven und glaubwürdigen Text kombiniert, der nur durch die Menge der verschiedenen Architekten und Bauwerke oberflächlich an Glanz verliert. Das Buch setzt sich aus drei voneinander themenunabhängigen Abschnitten zusammen, wobei jeder Teil einer Chronologie untergeordnet ist. Vorangestellt befindet sich Vorwort und Einleitung, in denen Absichten und Ausführungen des Autors determiniert werden und dem Leser der ideologische Horizont eröffnet wird, den Kenneth Frampton zur Grundlage seiner Architekturkritik macht. Der erste Teil ist geprägt durch die weitgreifende Bedeutung der kulturellen und technischen Entwicklung als Voraussetzung für die Architektur der Moderne. Währenddessen versucht Frampton im zweiten Teil unabhängiger und präziser auf die einzelnen Protagonisten einzugehen, welche jedoch kapitolographisch nicht in direkter Verknüpfung stehen, sondern „ für sich selbst sprechen“ . Im dritten Teil des Buches widmet sich Frampton den Auswirkungen und den Fortsetzungen bis zur Gegenwart. Framptons Charakterisierung der modernen Architektur manifestiert sich überwiegend in der Wechselbeziehung der evolutionären Entwicklung von Gesellschaft und Lebensraum, als Ausdruck eines komplexen Identitätsverlustes, welcher den kulturellen und sozialen Veränderungen durch Reformen und Revolutionen, politisch und geistlich, unterliegt. Das Bestreben „ sich den technischen Realitäten des 20. Jahrhunderts anzupassen“ führte in die kleinsten Dimensionen architektonischer Rationalisierung, um kostenund nutzungseffektive Bauformen zu entwickeln, die sich Sekundärelementen unterordnete. Stadt als Lebensraum bekommt aufgrund dieser vernunftorientierten Gedankenstrukturen eine völlig neue Bedeutung. Umwelt und neuartige Gedankenkategorien ließen sich nicht mehr ohne weiteres vereinbaren und man versuchte neue Formen zu entwickeln, welches Jürgen Habermas in einem Satz markus christian kutz|a00a|992834 2 resümiert „ Modern ist, was der Aktualität des Zeitgeistes zu objektivem Ausdruck verhilft. “. Dieser objektive Ausdruck lag erstmalig bei Cordemoy, der sich über die Ornamentik der klassischen|vitruvianischen Attribute hinwegsetzt, wobei dieses „hinwegsetzen“ auch durch- bzw. gerade mit Hilfe der Errungenschaften der industriellen Revolution, die durch die Fortschritte der metallverarbeitenden Industrie immer mehr Möglichkeiten für die Architekten offenbarte, neue Formen für neue Funktionen zu etablieren. Die Konstruktion wird zu einer exorbitanten Größe, der sich Cordemoy, Laugier und Soufflot zuwenden und so kommt es, dass Eisen und erweiternd der Skelettbau, der die Anwendung von Glas als architektonisches Instrument vereinfachte, zu wichtigen transitorischen Bauten, wie Passagen, Ausstellungen und Bahnhöfen, führte. Währenddessen formten sich aber auch Vertreter der Auffassung, es müsse auch möglich sein Konstruktion und Natürlichkeit der Architektur zu vereinen. Anhänger dieser Richtung sahen sich zu Boullées volumenhaften|platonischen Formen und Ledouxs ländlichen Utopien hingezogen, gleichwohl auch diese Richtung sich den neuen technischen und sozialen Bedürfnissen unterordnete, welches Ledoux in seiner Idealstadt Chaux 1804, als Verbindung von Arbeit und Leben, postuliert. Diese Verbindung von Arbeit und Leben war jedoch in den Anfangsjahren der modernen Bewegungen prekär, da mit der Dampfkraft der industriellen Revolution ein Entwurzelungsprozess erweckt wurde, der ausgehend von steigenden Geburtsraten, bessere Ernährungsstandards, wachsender Infrastruktur und dem allgemeinen Wandel des gesellschaftlichen Denkens zu einer unweigerlichen Verslummung führte, die nur durch extramurale Bewegung hätte gestoppt werden können. Besonders England hatte mit diesem Problem zu kämpfen. Der Kompromiss von Arbeitersiedlungen und deren Notwendigkeiten, rückführend auf die Einbindung städtischer Garten- und Parkanlagen, führten zu einer Dezentralisierung bestehender städtischer Konzentration und beeinflusst eine Typologie autonomer Kolonisation. Frampton sieht Morris und die Arts-and-Croft Bewegung als Urväter dieser modernen Auffassung, und vergleicht fortlaufend andere Bewegungen und Richtungen mit ihrem Programm. Adler und Sullivan, die er als Begründer des ingenieurgemäßen Stahlbaus gelten, nehmen bei Frampton einen sehr wichtigen Platz ein, sind sie doch wegweisend für die bedingungslosen Tendenzen der Bevölkerungsstruktur in den amerikanischen Großstädten Ende des 19. Jahrhunderts. Währenddessen Frank Lloyd Wright, Schüler Sullivans, diese Theorien aufgreift und versucht japanische Elemente metaphorisch in die westliche Architektur zu implantieren. Hierin sieht Frampton ohne Zweifel wichtige Ansatzpunkte für die Globalvisiertheit moderner Architektur. Viollet-le-Ducs, Mackintosh oder die Schule von Glasgow lassen für ihn neue Ansatzpunkte erkennen, jedoch analysiert er sie als historisch selbständige Bewegungen und Protagonisten. Zur Entwicklung der modernen Architektur fügte Adolf Loos einen entscheidenden Anteil bei mit seinen Behauptungen über die architektonische Wichtigkeit der Architektur und nicht der Kunst. Frampton sagt sogar, dass Loos einen Bruch in der markus christian kutz|a00a|992834 3 Modernen einleitete, der erst später durch Le Corbusiers freien Grundriss zur Vollendung stilisiert wird. Anders als zuvor in der Modernen versucht Loos im Wohnungsbau primär Raumgefühl vor der Offenlegung architektonischer Konstruktion als ornamentalischer Notwendigkeit zu gestalten. Diese Ansichten verfolgte Loos weiter, so wurden ungelöste und offenliegende Konstruktionen verkleidet, um Wohlbehagen und äußerliche Perfektion zu simulieren. Ausgangspunkt für Loos, waren seine Schriften „Ornament und Verbrechen“, in denen er das Ornament der Knechtschaft und Ausbeutung anklagt. Währenddessen entwickelte sich Les XX, welche sich in Anlehnung an die Arts-andCrafts Bewegung mit Nutzung und Gestaltung der gesamten Umwelt beschäftigten. Henry van der Velde griff diese Gedanken auf und charakterisierte ebenso wie Adolf Loos das Einfamilienhaus als denkbar wichtigste Institution, um einen Gesellschaftswandel zu implizieren. Jedoch versuchte er die Synthese aller Künste als Primärziel zu etablieren, welches er später in seinem Entwurf des Werkbundtheaters durch seine ausgereifte „Formkraft“- Ästhetik formulierte. Loos und van der Velde haben für Frampton die Geschichte der Modernen neu geprägt und sind noch heute wichtige Bestandteile architektonischen Schaffens. Da der Werkbund in einen ideologischen Konflikt gerät, bildet sich gegensätzlich der europäische Expressionismus, der ausgehend von Behne, Gropius und Taut seine Ansätze wieder in den Bedürfnissen der sozialen Schicht sieht. Als Produkt dieser Ideologie formulierte Taut den Kreis der „Gläsernen Kette“, welcher sich dem Licht, als göttliche Fügung und Wegweiser, verschrieben hat und um dessen Schönheit und Dringlichkeit für die Kultur kämpfen wollte. Dieses manifestiert sich in Tauts Glaspavillon, den er auf der Werkbundausstellung 1914 in Köln präsentiert. Die Nähe zu den neuen Gedanken der Sozialisten ließ die Moderne nicht los und artikulierte sich schließlich in den Ideen des Bauhauses der zwanziger Jahre und in der „Neuen Sachlichkeit“, die entscheidend von Gropius, Meyer und der Gruppe de Stijl gefördert wurden. Auch Le Corbusier fühlt sich dem utopischen Sozialismus hingetan. Er gilt als einer der bedeutensten Architekten der Moderne. Sein Glaube in Beton als Material der Moderne, ermöglichte ihm seine Architektur zu perfektionieren, welches er in seinen zahllosen Schriften grundiert und hieraus sein 5 Punkte System deduziert. Sein Spiel von Verschiedenheiten erweckt geistige und sinnliche Genüsse, die er beispiellos mit Jeanneret in die Städtebauliche Entwicklung mit einbezog. Le Corbusier war ein Meister des Palladianismus, er entwickelt vielfältige Rhythmuskombinationen, die er geschickt mit seinen Vorstellungen des „ objetstypes“ kombinierte. Diese zuweilen sehr karge Formensprache, die an Industrieelementisierung erinnerte, und zweifellos durch Beton als Baustoff, verstärkt wurde, fand auch Interesse bei einer anderen Korefähe der modernen Architektur. Ludwig Mies van der Rohe rationale Architektursprache begründet die These einer Vereinigung von Wissenschaft und Technologie sowie Kultur Ästhetik. Schlichte Herangehensweise und seine logisch konsequente Umsetzung überzeugte und prägte bis in die Gegenwart. Alles zu klaren und elementaren Formen zu markus christian kutz|a00a|992834 4 reduzieren, um so ein Verständnis der Visualisierung der inneren Struktur zu verdeutlichen, war das größte Hindernis in Mies Ehrlichkeit und Einfachheit. Sein Werk war der Architektur Schinkels verbunden, imitierte jedoch keine Stile. Es war der Technologie des Neuen verpflichtet in seiner Durchbildung auf schlichtes überzeugendes Design und Verkörperung der Konstruktion, sowie der Eigenschaften der verwendeten Materialien ausgelegt. Mies zeigt die Kunst des Gebäudes, das seine innere Struktur nach außen trägt, als das einzig Wahre auf, und setzt somit Sullivans Axiom „Form Follows Funktion“ den Begriff der Struktur entgegen. Für ihn artikuliert sich die Architektur eines Gebäudes nicht anhand der Funktionen und Bedürfnissen, die durchaus einer Wechselhaftigkeit unterliegen können, sondern in der Schwierigkeit dem Geist des Neuen Platz zu schaffen. Seine Vorstellung der modernen Architektur präsentiert sich in seinen Bürohausentwürfen der 20er Jahre in Berlin. „Größter Effekt mit geringstem Aufwand an Mitteln. Die Materialien sind Beton, Eisen, Glas.“ Die großen Glasflächen, welche nicht durch Stützen oder Profile unterbrochen wurden, drückten seine Vision der Darlegung von innerer Struktur nach Außen aus. Jedoch schafft Mies erst bei seinen Esplanade Apartment Buildings 900|910 seine Vorstellungen durch Hilfe einer „ curtain-wall“ zu etablieren. Seine architektonische Perfektion vollendet er schließlich bei seinen späten Apartmentbauten in Chicago, bei denen die Hülle als selbstständige Ebene vor der Konstruktion lag. Erfolg und Versagen der modernen Architektur lassen sich nicht in einen einfachen Kontext bringen. Frampton offenbart viele Ansätze, von denen die Geschichte der Modernen richtungsweisend beeinflusst wurde und wird. Jedoch sind einige nicht immer den Idealen der klassischen aufgeklärten Architektur entsprungen. Natürlich nicht, denn moderne Architektur definiert sich selbst, mag der Ein oder Andere einfügen, und das befürwortet Frampton durchaus. Allerdings muss man auch die Vulgarisierung der Architektur und ihre fortschreitende Entfremdung von der Gesellschaft, und nicht zuletzt die immer größer werdende Diskrepanz zwischen Architektur und Umwelt, als Risiko ansehen, dem die Moderne ausgeliefert ist. Diesem Risiko entgegnet Frampton mit zwei Thesen, die in ihren Lösungen einen Ausweg versprechen könnten. Die erste These folgt der Ideologie Mies van der Rohes, und seinem Prinzip des „ beinahe Nichts“, bei der er die Bauaufgabe auf den Status von Industriedesign im großen Maßstab reduziert und die Form durch die verglaste „Unsichtbarkeit“ zum Schweigen bringen will. Oppositionell dazu, auf „ Sichtbarkeit“ beruhend, und nach innen orientierende zweite Richtung, die sich meist durch eine Hülle aus Mauerwerk definiert, aber dennoch die Varianz von Mensch und Mensch| Mensch und Natur in sich vereint. Für Frampton liegt die Zukunft der modernen Architektur in diesem konstruktiven und schöpferischen Dialog. markus christian kutz|a00a|992834
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