2016-03-08_MA - Arbeit Henri Beck gekürzt neu

Ausländische Fachkräfte als Mittel gegen den perspektivischen
Pflegenotstand in der Thüringer Altenpflege
Universität Erfurt,
Erziehungswissenschaftliche Fakultät,
Studiengang „Master Erziehungswissenschaft – Innovation und Management im
Bildungswesen“
Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades eines
Master of Arts (M.A.)
vorgelegt von
Henri Beck (B.A.)
Erstgutachter: PD Dr. Mattias Vonken
Zweitgutachter: Dr. Dietmar Heisler
Eingereicht am: 31.08.2015
Für Fragen stehe ich Ihnen gerne unter [email protected] zur Verfügung.
Inhaltsverzeichnis
0.
Vorwort ...................................................................................................................... 1
1.
Einleitung ................................................................................................................... 2
2.
Theoretischer Hintergrund ......................................................................................... 4
2.1
Ausländische Pflegekräfte in Deutschland und Thüringen ........................................ 4
2.2
Integration und Assimilation ...................................................................................... 5
2.3
Kultursensible Management-Konzepte ...................................................................... 7
2.3.1
Interkulturelles Management .............................................................................. 7
2.3.2
Interkulturelle Öffnung....................................................................................... 9
2.3.3
Diversity Management ..................................................................................... 11
2.4
Kritische Auseinandersetzung mit dem aktuellem Forschungsstand ....................... 12
2.5
Forschungsfrage ....................................................................................................... 13
3.
Methodisches Vorgehen ........................................................................................... 14
3.1 Forschungsdesign ......................................................................................................... 14
3.2 Stichprobe..................................................................................................................... 15
3.3 Stichprobenziehung ...................................................................................................... 15
3.4 Erhebungsmethode ....................................................................................................... 16
3.5 Interviewleitfaden ......................................................................................................... 16
3.6 Literaturrecherche ........................................................................................................ 17
3.7 Auswertung der Experteninterviews ............................................................................ 17
4.
Ergebnisse ................................................................................................................ 19
4.1
Fachkräftebedarf ...................................................................................................... 19
4.2
Rekrutierung ............................................................................................................. 20
4.2.1
Rekrutierung ausländischer Pflegefachkräfte aus dem Ausland ...................... 21
4.2.2
Rekrutierung ausländischer Pflege(fach)kräfte aus dem Inland ....................... 21
4.2.3
Rekrutierung ausländischer Auszubildender .................................................... 22
4.2.4
Gründe gegen die Rekrutierung von Pflegefachkräften aus dem Ausland ...... 22
4.3
Erfahrungswerte ....................................................................................................... 24
4.3.1
Sprachniveau des ausländischen Pflegepersonals ............................................ 24
4.3.2
Fachkenntnisse des ausländischen Pflegepersonals ......................................... 26
4.3.3
Integration im Betrieb ...................................................................................... 28
4.3.4
Vorteile der Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte und Auszubildender .... 31
4.4
Attraktivität .............................................................................................................. 32
4.5
Bindung .................................................................................................................... 33
4.6
Anforderungen ......................................................................................................... 34
4.7
Interner Handlungsbedarf......................................................................................... 37
4.8
Externer Handlungsbedarf ....................................................................................... 37
4.9
Ethische Bedenken ................................................................................................... 38
5.
Schlussfolgerungen .................................................................................................. 42
5.1
Theoretische Einordnung ......................................................................................... 42
5.2
Grenzen der Untersuchung und Methodenkritik ...................................................... 43
5.3
Alternativen .............................................................................................................. 44
5.4
Handlungsempfehlung ............................................................................................. 45
5.5
Fazit .......................................................................................................................... 46
Quellenverzeichnis ................................................................................................................. 48
Anhang A – Interviewleitfaden
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
0. Vorwort
Bevor das vorliegende Forschungsprojekt näher beschrieben wird, müssen noch einige kurze
Bemerkungen zum Sprachgebrauch in dieser Arbeit erfolgen. Zur besseren Leserlichkeit
wurde auf die gleichzeitige Verwendung von männlichen und weiblichen Formen bei
Personenbezeichnungen
verzichtet.
Stattdessen
wurde
versucht
geschlechtsneutrale
Bezeichnungen zu verwenden. Wenn dies nicht möglich war, wurde die männliche Form
benutzt, was aber kein Hinweis auf das eigentliche Geschlecht der beschriebenen Personen
sein soll.
Darüber hinaus werden oft die Vokabeln „Ausländer“ und „ausländische Pflegekräfte“
verwendet. Dies soll keinen Hinweis auf den Rechtsstatus der beschriebenen Personen sein.
Hiermit sind sowohl Personen mit als auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft gemeint, die
einen Migrationshintergrund besitzen und/oder ihre pflegerische Ausbildung im Ausland
absolviert haben. Mitarbeiter, die keinen Migrationshintergrund besitzen werden als
„deutsche Mitarbeiter“ oder „heimische Mitarbeiter“ bezeichnet.
Der Begriff „Pflegefachkraft“ fällt in der vorliegenden Arbeit relativ häufig. Da die
beschriebenen Personen in Deutschland nicht immer den Fachkraftstatus innehaben, obwohl
sie eine pflegerische Ausbildung absolviert haben, wird hier auf den Begriff „Pflegekraft“
zurückgegriffen. Nur wenn die Personen als Pflegefachkraft in Deutschland anerkannt sind
werden sie auch als solche bezeichnet.
1
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
1. Einleitung
Es ist offiziell. Der allseits postulierte Pflegenotstand hat sein erstes Thüringer Opfer
gefunden. Das Altenpflegeheim in Hüpstedt, nördlich von Mühlhausen, musste im Juli 2015
seinen Betrieb einstellen. Der Grund hierfür ist, laut offizieller Stellungnahme der Betreiber,
der Mangel an qualifizierten Pflegefachkräften. Die Folge: 25 Heimbewohner müssen ihre
vertraute Umgebung verlassen. Zusätzlich müssen sich 16 Mitarbeiter um eine neue
Beschäftigung bemühen. Es war die allererste Schließung eines Thüringer Pflegeheims
aufgrund von Personalmangel (Schmalzl, Thüringer Allgemeine Online 2015). Doch wie
überraschend ist diese Entwicklung?
Der Begriff Pflegenotstand geistert schon seit Jahrzehnten durch die deutsche
Medienlandschaft.
Er
bezeichnet
den
akuten
Personalmangel
in
deutschen
Pflegeeinrichtungen, der sich negativ auf die Qualität der Pflege und die Arbeitszufriedenheit der Pflegenden auswirkt (Krajic 2005, S.6). Gerade die Altenpflege sieht sich
vor einer gewaltigen Herausforderung, da sie sich in einer Sonderrolle befindet. Wie die
meisten Branchen, ist auch die Altenpflege vom altersbedingten Ausscheiden vieler ihrer
Beschäftigten betroffen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen steht die Altenpflege
aber noch vor einer weiteren Herausforderung. Kein anderer Arbeitsbereich ist vom
demographischen Wandel so stark betroffen. Aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung
wächst die Branche weiter und weiter (TMWAT 2013, S.23). Zudem hat die Branche ein
Imageproblem, das in Verbindung mit der hohen Arbeitsbelastung zu einer hohen Anzahl an
Berufsaussteigern führt (Meussling-Sentpali 2014, S.15). Was muss also getan werden damit
Thüringer Pflegeheime nicht das gleiche Schicksal erleiden wie das Altenpflegeheim in
Hüpstedt?
Um den Fachkräftebedarf zu decken verfolgen Thüringer Unternehmen verschiedene
2
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Strategien der Personalgewinnung und Personalbindung. Neben der eigenen Ausbildung
setzen die Einrichtungen, unter anderem, auf die verstärkte Investition in die Weiterbildung
oder Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben. Die Möglichkeit Personal
aus dem Ausland zu werben, wird von relativ wenigen Betrieben als zielführende
Personalgewinnungsstrategie angesehen (TMWAT 2010, S.114). Auch wenn dies im
Gesundheit- und Sozialwesen schon seit vielen Jahren gängige Praxis ist, verwehren sich
viele Unternehmen dieser Idee. Aber auch für die Einrichtungen, die bereits Erfahrung mit
ausländischen Pflegern gemacht haben, kann das Anwerben im Ausland für nur ein Teil
einer erfolgreichen Personalrekrutierung sein kann (Bonin et al. 2015, S.70). Dennoch ist es
sehr interessant der Frage nachzugehen, wie dies am besten gelingen kann.
Auch wenn Pflegepersonal aus dem Ausland teilweise schon seit Jahren in Thüringen tätig
ist, wurden die Bedingungen ihrer Arbeit bisher kaum untersucht. Die vorliegende Arbeit
stellt sich der Frage wie diese Mitarbeiter bisher in Einrichtungen der Thüringer Altenpflege
rekrutiert und integriert wurden. Zudem soll untersucht werden, welche Faktoren der
Integration hinderlich oder förderlich sein können. Hierzu wurden insgesamt acht Interviews
mit Leitungspersonal in Thüringer Altenpflegeeinrichtungen durchgeführt. Diese wurden
mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Arbeit soll den Status-Quo der
Zusammenarbeit mit ausländischem Pflegepersonal beschreiben. Zudemm sollen die
Ergebnisse zu einer Handlungsempfehlung für die Einrichtungen und Trägerorganisationen
der Altenpflege verdichtet werden, die in der praktischen Arbeit zu Rate gezogen werden
kann.
Bevor das methodische Vorgehen und die Ergebnisse der Erhebung näher beschrieben
werden, erfolgt aber zuerst eine theoretische Einführung. Hierbei werden die bisherigen
Erfahrungen mit ausländischen Pflegern in Deutschland kurz beschrieben. Anschließend
wird der Begriff Integration kurz beschrieben. Danach erfolgt eine Einführung in drei
kultursensible Management-Konzepte.
3
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
2. Theoretischer Hintergrund
Möchte man sich mit ausländischen Fachkräften in Deutschland beschäftigen, sollte man die
Erfahrungen der letzten Jahrzehnte nicht unbeachtet lassen. Auch die Auseinandersetzung
mit einigen theoretischen Konstrukten und Konzepten ist unumgänglich. Der Begriff
Integration nimmt hier eine zentrale Rolle ein. In den letzten Jahrzehenten wurden zudem
Management-Konzepte entwickelt, welche den Prozess der Integration vom gesamtgesellschaftlichen Kontext auf den organisationalen Kontext zu übertragen versuchen. Die
Bekanntesten sind das Interkulturelle Management, die Interkulturelle Öffnung und das
Diversity Management.
2.1 Ausländische Pflegekräfte in Deutschland und Thüringen
Die Rekrutierung von Pflegepersonal aus dem Ausland ist keine Idee des 21. Jahrhunderts.
Bereits in den 1960er Jahren wurden zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den
Philippinen sowie Südkorea Anwerbungsverträge geschlossen, um vakante Stellen in
bundesdeutschen Krankenhäusern zu besetzen. Diese beliefen zum damaligen Zeitpunkt auf
über 30.000. Die Zusammenarbeit erwies sich allerdings sowohl auf sprachlicher als auch
auf fachlicher Ebene als schwierig. Als Reaktion auf die Differenzen in den
Ausbildungsprofilen wurde in den 70er Jahren damit begonnen, südkoreanische
Krankenschwester eigens in Deutschland auszubilden. Das Resultat dieser Unternehmungen
war allerdings ernüchternd. Nur ein kleiner Teil der angeworbenen Pflegekräfte sah in
Deutschland eine neue Heimat. Der Personalbedarf in den bundesdeutschen Krankenhäusern
konnte nur in geringem Maße durch ausländische Krankenschwestern gedeckt werden
(Fischer in Journal Diakonie Deutschland 2014).
4
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Doch die Rekrutierung von Pflegepersonal aus dem Ausland wurde über die Jahre hinweg
deutschlandweit bis heute verfolgt. So wurde beispielsweise vor einem Jahr ein Projekt
durch die Arbeiterwohlfahrt initiiert, das die Anwerbung von chinesischen Krankenschwestern und -pfleger zum Ziel hatte. Drei Jahre zuvor fand ein ähnliches Unterfangen mit
lettischen Pflegekräften statt. Auch in der Thüringer Altenpflege wurden in diesem
Zusammenhang
mittlerweile
viele
Erfahrungswerte
gesammelt
(Rauch
Thüringer
Allgemeine Online 2014).
Diese Erfahrungen könnten in den kommenden Jahren Gold wert sein, denn bei dem
prognostizierten Fachkräftebedarf in der Altenpflege für die nächsten Jahre müssen alle
Ressourcen in der Personalgewinnung ausgeschöpft werden. Gerade Thüringen, mit seiner
im Bundes-vergleich relativ schlechten Bezahlung, steht bezüglich der Fachkräftesituation in
der Altenpflege in den nächsten 10 bis 15 Jahre vor einer großen Herausforderung.
2.2 Integration und Assimilation
Solange es Gastarbeiter in Deutschland gibt, ist auch der Begriff Integration aus dem
allgemeinen Sprachgebrauch nicht mehr wegzudenken. Der aus dem Lateinischen
übernommene Begriff bezeichnet ursprünglich das Konzept der (Wieder)Herstellung eines
Ganzen. Im soziologischen Kontext bezieht er sich auf die Verbindung einer Vielzahl von
einzelnen Individuen oder Gruppen zu einer gesellschaftlichen und kulturellen Einheit
(Duden 2015).
Hier wird deutlich, dass der Begriff eine deutlich andere inhaltliche
Auflandung besitzt, als im gesamtgesellschaftlichen und medialen Diskurs. Hier wird
Integration häufig mit dem Begriff „Anpassung“ gleichgesetzt. Tatsächlich ist der
Eingliederungsprozess einer Minderheit in eine Mehrheitsgesellschaft deutlich komplexer
und vielschichtiger.
5
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
So bezeichnet der Begriff Assimilation einen Prozess, in dem das Individuum seine
Mitgliedschaft zwischen zwei Gruppen transferiert.
Dies kann sich unterschiedlichen
Weisen vollziehen. Bei der monistischen Assimilation gibt das Individuum die
Mitgliedschaft in der Herkunftskultur auf. Es geht völlig in der Aufnahmegesellschaft auf,
die ihrerseits keine Anpassungsleistungen vollzieht. Bei der pluralistischen Assimilation
existieren mehrere Gruppen nebeneinander, während sie ihre kulturelle Identität möglichst
aufrechterhalten. Die interaktionistische Assimilation bezeichnet einen Prozess der
beidseitigen Annäherung, die einer Veränderung der Mehrheitsgesellschaft mit sich bringt.
Hierbei ist die Akzeptanz der Kultur der Minderheit von entscheidender Bedeutung (Pries
2003, S.31).
Ein aktuelleres Modell gliedert Integration in verschiedene Bereiche, die sich einander
bedingen. Hartmut Esser beschreibt in seinen 2001 veröffentlichten Artikel „Integration und
ethische Schichtung“ vier Dimensionen der Sozialintegration. Die erste Dimension, die
Kulturation, bezeichnet Wissen und Kompetenzen, die zum erfolgreichen Agieren und
Interagieren in der Aufnahmegesellschaft nötig sind. Hierzu zählen vor allem
Sprachkenntnisse, aber auch die Kenntnis kulturspezifischer Verhaltensweisen. Die
Dimension der Platzierung beschreibt die Besetzung bestimmter gesellschaftlich relevanter
Positionen, womit vor allem der rechtliche und berufliche Status eines Migranten gemeint
ist. Die dritte Dimension der Sozialintegration bezeichnet die Interaktion. Sie bezeichnet die
wechselseitige Orientierung von Personen mit unterschiedlichen kulturellem Hintergrund
aneinander über Wissen und Symbole. Die letzte Dimension ist die Identifikation, womit die
Identifikation mit dem gesamten sozialen System der Mehrheitsgesellschaft gemeint ist
(Esser 2001b, S.40).
Die beschriebenen Theorien beziehen sich immer auf den gesamtgesellschaftlichen Kontext.
Sie geben allerdings wenig Hinweise darauf, wie die Umsetzung in spezielleren Kontexten
funktionieren könnte, wie zum Beispiel in einem Betrieb mit multinationaler Beleg- oder
6
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Kundschaft. Hierzu wurden in den letzten Jahrzehnten verschiedene kultursensible
Management-Konzepte entwickelt. Die wohl bekanntesten werden im folgenden Kapitel
näher beschrieben.
2.3 Kultursensible Management-Konzepte
Das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen, Lebensentwürfe und Nationen in der
Arbeitswelt verlangte von den Akteuren ein Umdenken. Im Laufe der letzten Jahrzehnte
entwickelten sich verschiedene kultursensible Konzepte, die in der Unternehmensführung
Einzug hielten. Im Folgenden sollen drei der bekanntesten Konzepte vorgestellt werden.
Hierbei wird kurz auf deren Entstehungsgeschichte, deren Zielstellungen, die Umsetzung
sowie auf kritische Aspekte der jeweiligen Konzepte eingegangen.
2.3.1 Interkulturelles Management
Im Zuge der Globalisierung der Märkte entstand die Notwendigkeit Management-Konzepte
zu entwickeln, die der neuen kulturellen Vielfalt von Kunden und Belegschaft gerecht
werden. Dies gilt nicht nur für transnationale Großkonzerne mit multinationalen
Management-Teams. Privatpersonen, Staaten, Regionen und auch nationale Organisationen
sind unweigerlich Teil einer sich ständig wandelnden Welt mit sich rasch ändernden
Wettbewerbsbedingungen.
Die
Internationalisierung
der
Märkte
für
Güter
und
Dienstleistungen, der Produktion, der Arbeitsmärkte und der Finanzmärkte verlangen von
allen Organisationen eine neue Denkweise (Koch 2012, S.17f.). Das Konzept des
Interkulturellen Managements versucht dem gerecht zu werden.
7
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Mit dem Begriff Interkulturelles Management wird im Allgemeinen die „professionelle,
zielorientierte Gestaltung, Steuerung und Entwicklung von Strukturen und Prozessen von
Organisationen – in einem Kontext, der von dem Zusammentreffen von mindestens zwei
unterschiedlichen Kulturen geprägt ist“ (Koch 2012, S.57) verstanden und hebt sich durch
den expliziten Kulturbezug von anderen Management-Definitionen ab. Die grundsätzliche
Zielstellung dieses Konzeptes ist es positive Auswirkungen unterschiedlicher Kulturen zu
unterstützen und negative Auswirkungen zu verhindern (Emrich 2011, S.31).
Interkulturelle Situationen können unterschiedlichste Bedingungen haben. So stellt sich zum
Beispiel die Frage, ob das Management für, in oder von anderen Kulturkreisen im
Vordergrund der Unternehmung steht. Will man Fachkräfte aus dem Ausland im heimischen
Betrieb einstellen so wird das Management von anderen Kulturkreisen zum zentralen Thema.
Bi- oder multikulturell zusammengesetzte Arbeitsgruppen stellen besondere Anforderungen
an die Leitungsebene. Hierbei gilt es Konfliktpotenziale und Verständigungsschwierigkeiten
bezüglich der Ziele, Mittel, Funktionen, Teamkultur und Terminvorgaben rechtzeitig zu
erkennen und zu beseitigen (Koch 2012, S.66).
Gerade das Personalmanagement spielt im interkulturellen Kontext eine wichtige Rolle. Die
internationale Personalgewinnung unterscheidet sich insbesondere durch die folgenden
Punkte von der Personalgewinnung im Inland. Zum einen erweitert sich das Feld der
potentiellen Bewerber erheblich, was zur Folge hat, dass die Verantwortlichen ohne
interkulturelle Fähigkeiten nur beschränkt agieren können. Der Erwerb dieser Fähigkeiten ist
Haupt-bestandteil der interkulturellen Personalentwicklung. Hierbei soll der Umgang mit
fremden Kulturen innerhalb von kognitiven, affektiven und verhaltensorientierten
Trainingsmethoden verbessert werden. Der Begriff Interkulturelle Kompetenz ist hier zum
Schlagwort geworden. Der Begriff existiert schon seit den 1960er Jahren und wurde von
dem Sozialpsychologe George H. Gardner geprägt. Dieser bezeichnete Personen mit interkultureller Kompetenz als jene, die mit interkultureller Kommunikationsfähigkeit
8
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
ausgestattet sind und sich durch ein hohes Maß an Integrität, Stabilität und Extrovertiertheit
auszeichnen. Zusätzlich sollten sie eine an universellen Werten ausgerichtete Sozialisation
durchlebt haben und besondere intuitive Fähigkeiten besitzen (Emmrich 2011, S. 29). Es
zeigt sich, dass viele Eigenschaften nur schwer erlernbar sind. Die meisten geforderten
Merkmale können sich, wenn überhaupt, nur über Jahre hinweg entwickeln. Dennoch
werben zahlreiche Weiterbildungsanbieter seit geraumer Zeit für Seminare mit dieser
Thematik. Mittlerweile geht man davon aus, dass interkulturelle Kompetenz erlernbar ist.
Hierbei geht es insbesondere um die ständige Reflexion der Eigen- und Fremdkultur.
Allerdings sind die sozialisationsbedingten Voraussetzungen von Mensch zu Mensch
unterschiedlich (Kumbruck & Derboven 2005, S.6). Auch die Personalführung wird zum
integralen Bestandteil des interkulturellen Personalmanagements. Führungskräfte müssen die
Idee der Interkultur verinnerlichen und in ihrer täglichen Arbeit leben. Wichtig dabei ist,
dass sie sich ihrer eigenen kulturellen Sozialisation bewusst sind und diese ständig
reflektieren. Wer in interkulturellen Konflikten vermitteln will, muss wissen wodurch sich
seine eigene Kultur auszeichnet (Kumbruck & Derboven 2005, S.7). Wer Synergien durch
einen Nationenmix in der Belegschaft erzeugen will, darf Ungleiches nicht gleich behandeln.
Interkulturelles Personalmanagement muss von der Leitungsebene initiiert werden, sonst
verlaufen sich die Bestrebungen schon bald (Emrich 2011, S.167f.).
2.3.2 Interkulturelle Öffnung
Im Vergleich zum interkulturellen Management ist das Konzept der Interkulturellen Öffnung
eine recht junge Idee. Ihre Ursprünge finden sich in der deutschen Sozialarbeit Anfang der
90er Jahre. Die anfängliche Überlegung war es, die sozialen Dienste in Deutschland für
ausländische Mitbürger zu öffnen. Zu diesem Zeitpunkt existierten noch viele
9
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Sonderleistungen für Ausländer (Schröer 2007, S.6f) Das Konzept der Interkulturellen
Öffnung isz aber nicht nur auf die Institutionen der Sozialversorgung anwendbar. Heute sind
viele Betriebe der Privatwirtschaft dabei sich interkulturell zu öffnen. Im Folgenden soll
kurz beschrieben werden, was mit dem Konzept der Interkulturellen Öffnung überhaupt
gemeint ist:
„Interkulturelle Öffnung kann zusammenfassend verstanden werden als ein bewusst
gestalteter Prozess, der (selbst-)reflexive Lern- und Veränderungsprozesse von und
zwischen
unterschiedlichen
Menschen,
Lebensweisen
und
Organisationsformen
ermöglicht, wodurch Zugangsbarrieren und Abgrenzungsmechanismen in den zu
öffnenden Organisationen abgebaut werden und Anerkennung ermöglicht wird.“
(Schröer
2007, S.9 f.)
Der Wort „Öffnung“ macht bereits deutlich, dass es um die Beseitigung von Barrieren,
Hindernissen und Stolpersteinen handelt. Eine Organisation, die sich öffnen will, ist in einer
oder mehreren Hinsichten verschlossen. Dies wirkt sich auf kulturelle Minderheiten aus.
Will sie in der Aufnahmeorganisation agieren sieht sie sich mit einer Vielzahl an Problemen
konfrontiert. Hier sind in an erster Stelle Verständigungsschwierigkeiten aufgrund von
Sprachbarrieren zu nennen. Zudem können rechtliche und bürokratische Hindernisse, die die
freie Entfaltung in der Aufnahmegesellschaft behindern. Auf der anderen Seite zeichnen sich
auch die Akteure der Mehrheitsgesellschaft durch hinderliche Eigenschaften aus. Die einheimischen Fachkräfte können den Prozess der kulturellen Öffnung behindern, indem die
Interaktion mit Minderheiten durch Vorurteile, Angst, Überforderung, Unsicherheiten und
unflexible Denkmuster gestört wird (Schröer 2007, S.10).
Interkulturelle Öffnung hat das Ziel Organisationen, die bisher für Minderheiten
verschlossen waren, für diese zugänglich zu machen. Um dies umzusetzen ist es wichtig
sowohl in der Personalgewinnung als auch in der Organisations- und Personalentwicklung
10
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
aktiv zu werden. Interkulturelle Qualifizierung der Mitarbeiter in Aus- und Weiterbildung
oder die Rekrutierung von Personal mit Migrationshintergrund sind Grundpfeiler der
Interkulturellen Öffnung in jedem Unternehmen (Schröer 2007, S. 50f.).
Allerdings hat das Konzept auch seine Kehrseite. Durch die ständige Thematisierung
kultureller Unterschiede besteht aber die Gefahr eines defizit-orientierten Denkens.
Kulturelle Diversität wird nicht zur Norm, wenn sie ständig in den Fokus des
gesellschaftlichen Handelns und Denkens gerückt wird (Schröer 2007, S. 20). Hier hat sich
das Konzept des Diversity Managements als sinnvolle Alternative erwiesen.
2.3.3 Diversity Management
Der Begriff Diversity Management beschreibt ein Management-Konzept, das sich bereits in
den 1980er Jahren im Zuge von ökonomischen Krisen entwickelt hat. Es
bezeichnet
die
„Gesamtheit der Maßnahmen, die dazu führen, dass Unterschiedlichkeiten in und von einer
Organisation anerkannt, wertgeschätzt und als positive Beiträge zum Erfolg genutzt werden“
(Stuber 2004, in Schröer 2007 S.24). Diese Unterschiedlichkeit bezieht sich allerdings nicht
allein auf die kulturelle Vielfältigkeit innerhalb einer Organisation. Im Vergleich zu den
bereits genannten Konzepten bezieht sich Diversity-Management auf verschiedenste
Merkmalsdimensionen eines Individuums, wie Geschlecht, Sexualität, Alter, Religion,
Behinderungen, Ethnie und andere (Besamusca-Janssen, Scheve 1999, S.67). Die
Umsetzung erfolgt ähnlich wie bei der Interkulturellen Öffnung. Allerdings bezieht sich die
Anpassung der Unternehmensstrategie nicht alleine auf interkulturelle Unterschiede.
Vielmehr geht es um eine Sensibilisierung für die individuellen und interindividuellen
Besonderheiten jedes Einzelnen. Allerdings besteht bei falscher Umsetzung des Diversity
Managements die Gefahr, dass alle Mitarbeiter gleich behandelt werden. Gender
11
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Mainstreaming, die Interkulturelle Öffnung oder die Inklusion von Menschen mit
Behinderung könnten durch eine vermeintliche Einheitslösung in den Hintergrund gedrängt
werden (Schröer 2007, S.28).
2.4 Kritische Auseinandersetzung mit dem aktuellem Forschungsstand
Es konnte bereits dargelegt werden, welche Erfahrungen bisher in der Deutschen Pflege mit
ausländischen Fachkräften gesammelt wurden. Problematisch dabei ist allerdings, dass
dieses Erfahrungen bisher nicht wissenschaftlich aufbereitet und eher im Kontext von
Presseveröffentlichungen betrachtet wurden. Die meisten der geschilderten Erfahrungswerte
beziehen sich zudem auf den Bereich der Krankenpflege. Konkrete Veröffentlichungen zur
Situation in Thüringen sind rar.
Die vorgestellten Management-Konzepte müssen ebenfalls kritisch betrachtet werden. Die
Entstehung des Interkulturellen Managements kann auf die Globalisierung der Märkte
zurückgeführt werden. Die meisten aktuellen Veröffentlichungen beschreiben allerdings nur
die Umsetzung in international agierenden Großkonzernen. Deshalb ist es sehr schwierig die
Ideen auf mittelgroße Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft zu übertragen, die
maximal international rekrutieren, aber ansonsten nur national und regional agieren.
Die vorliegende Arbeit fokussiert Bedingungen und Voraussetzungen der innerbetrieblichen
Integration ausländischen Pflegepersonals. Gerade das Verhältnis von Migranten, Kunden,
deutschen Mitarbeitern und der Geschäftsführung sollte Aufschluss darüber geben,
inwieweit die Integration der ausländischen Pflegekräfte im Betrieb vorangeschritten ist.
12
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
2.5 Forschungsfrage
Die beschriebenen Erfahrungswerte in Deutschland geben wenig Aufschluss über die
Situation in Thüringen. Inwieweit die skizzierten Management-Konzepte umsetzbar sind
oder umgesetzt werden, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht umfassend untersucht werden.
Deswegen wurde sich hier auf die Integration von Ausländern in den Altenpflegeeinrichtungen beschränkt. Die Integration von Fachkräften gelingt nicht automatisch,
sondern ist ein Prozess der Engagement und Aktivität erforderlich macht. Deshalb stellt sich
die vorliegende Arbeit der Forschungsfrage:
„Welche Voraussetzungen und Bedingungen müssen gegeben sein, um ausländische
Fachkräfte und Auszubildende erfolgreich in Thüringer Altenpflegeeinrichtungen zu
integrieren?“
Diese Frage bringt einige untergeordnete Fragestellungen mit sich, die im Folgenden
aufgelistet sind:
1.
Droht den Einrichtungen in Thüringen ein perspektivischer Fachkräftemangel?
2.
Wie werden ausländische Pflegefachkräfte rekrutiert?
3.
Welche Erfahrungswerte gibt es mit ausländischen Pflegefachkräften oder
Auszubildenden bereits?
4.
Welche Anreize werden für (potentielle) Pflegefachkräfte oder Auszubildende aus dem
Ausland geschaffen?
5.
Was wird getan, um ausländische Pflegefachkräfte und Auszubildende an das
Unternehmen zu binden?
6.
Welche Anforderungen werden an ausländische Pflegefachkräfte oder
Auszubildende gestellt?
7.
Wo wird Handlungsbedarf bezüglich der Zusammenarbeit mit ausländischen
Fachkräften oder Auszubildenden innerhalb der Unternehmen gesehen?
8.
Wo besteht Handlungsbedarf bezüglich der Zusammenarbeit mit ausländischen
Fachkräften oder Auszubildenden außerhalb der Unternehmen?
9.
Gibt es ethische Bedenken bei der Rekrutierung ausländischer Fachkräfte?
13
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
3. Methodisches Vorgehen
In diesem Kapitel wird zunächst die methodische Vorgehensweise im Überblick dargestellt.
Zu Beginn wird das Forschungsdesign erläutert. Im Anschluss wird die Stichprobe, die
Stichprobenziehung und die Erhebungsmethode vorgestellt. Abschließend wird die
Auswertungsmethode näher beschrieben.
3.1 Forschungsdesign
Das Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit hat einen rein qualitativen Charakter. Da
bisher sehr wenig Literatur über die Integration von Ausländern im Betrieb und noch
weniger für den Bereich der Altenpflege vorhanden ist, kann hier noch keine
Hypothesenprüfung mit Mitteln der quantitativen Forschung erfolgen. Die Entscheidung für
ein qualitatives Vorgehen hat mehrere Gründe. Zum einem ist das (verfügbare) Vorwissen
im Forschungskontext zu gering. Zum anderen handelt es sich um eine recht heikle Thematik
(Flick 2006). Die Rekrutierung von ausländischen Fachkräften in Thüringen wurde in den
letzten Monaten relativ kritisch in den Medien bearbeitet, wobei auch die Einrichtungen der
Sozial- und Gesundheitswirtschaft negativ besprochen wurden. Das Vertrauen muss erst
über Schlüsselpersonen aufgebaut werden, was wiederum einen zeitlichen Mehraufwand mit
sich bringt.
Die vorliegende Studie verfolgt ein exploratives Erkenntnisinteresse. Explorative Studien
bieten sich an, wenn die forschende Person über relativ wenig Vorwissen bezüglich des zu
beforschenden Bereich besitzt und auch generelle wenig zugängliche Informationen
bezüglich des Erkenntnisinteresses vorliegen. Hierbei ist es sinnvoll qualitative Erhebung
mit Personen durchzuführen, die das Feld sehr gut kennen. Hierzu bieten sich
14
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Experteninterviews an (Dieckmann 2009, S.34). Diese wurden durch wortwörtliche
Transkription aufbereitet und mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.
3.2 Stichprobe
Zur Untersuchung der Fragestellung wurden Experteninterviews mit insgesamt acht
Heimleitern der Thüringer Altenpflege durchgeführt. Hierbei war es wichtig sowohl
Einrichtung im ländlichen als auch im urbanen Raum zu untersuchen, da sich die
Fachkräftesituation in der Altenpflege in den Regionen unterscheidet. Insgesamt wurden
Altenpflegeeinrichtungen in sieben verschiedenen Landkreisen in Thüringen befragt, die
sowohl ambulant als auch stationär tätig sind. Zudem wurden sowohl Unternehmen der
Freien Wohlfahrtspflege als auch private Pflegedienste befragt. All dies sollte ein möglichst
umfangreiches Bild der Thüringer Altenpflege erzeugen. Die Heimleiter wurden in diesem
Kontext zu Rate gezogen, da diese in Altenpflegeeinrichtung meist mit dem
Personalmanagement betreut sind. Sie besitzen sowohl Kenntnisse über die alltäglichen
Arbeit mit ausländischen Fachkräften, als auch über die strukturellen Bedingungen, die
dieser Arbeit zu Grunde liegen.
3.3 Stichprobenziehung
Das Auswahlverfahren bei Erhebung wurde durch eine Vorab-Festlegung bestimmt. Das
wichtigste Auswahlkriterium waren die bereits vorhandenen Erfahrungen der Einrichtungen
mit ausländischen Pflegekräften. Da aber nur die Praxispartner wirkliche Kenntnisse über die
Eigenheiten der einzelnen Einrichtungen hatten und auch der Kontakt nur über sie erfolgen
15
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
konnte, gab es nur einen indirekten Einfluss auf die Stichprobenziehung durch den
Forschenden.
3.4 Erhebungsmethode
Wie
schon
eingangs
erwähnt
wurden
zur
Beantwortung
leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt.
der
Hierdurch kann
Forschungsfrage
einerseits
das
Sonderwissen, das nur der Experte besitzt, erfragt werden, andererseits lässt es Raum für
Nachfragen in Bezug auf Expertenwissen, das sich erst im Verlauf des Interviews zeigt
(Meuser & Nagel 2011, S. 57f.). Ebenfalls wird hierdurch eine spontane Anpassung der
Fragestellung an den Gesprächsverlauf ermöglicht. Alle Interviews wurden mit einem
mobilen Digitalrekorder aufgezeichnet und anschließend wortwörtlich transkribiert. Vor dem
Interview unterzeichneten die Interviewpartner die Kenntnisnahme der Anonymitätsvereinbarungen.
3.5 Interviewleitfaden
Zur Untersuchung der Forschungsfrage wurde ein Interviewleitfaden erstellt, der die
Forschungsfragen 2 bis 7 untersucht. Der Leitfaden orientiert sich an den bereits
vorgestellten Forschungsfragen. Die Interviewpartner wurden vor den Interviews über die
Intention des Forschungsprojekts informiert. Darüber hinaus wurde ihnen die anonyme
Handhabung ihrer Daten versichert. Im Anschluss wurden sie gebeten sich, ihre Einrichtung
und ihre Personalgewinnungsstrategien kurz vorzustellen. Mit diesen Fragen sollte ein
relativ weicher Einstieg in das Interview gewährleistet werden. Anschließend wurden die
16
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Interviewpartner zur Rekrutierung von ausländischen Pflegekräften und Auszubildenden
befragt. Danach sollten die Befragten über Erfahrungen, Einstellungen, Anforderungen und
Bedarfe in Bezug auf ausländische Pfleger berichten. Abschließend wurden attraktivitätssteigernde Faktoren und Personalbindungsstrategien bezüglich ausländischer Pflegekräfte
thematisiert. Der Interviewleitfaden befindet sich in Anhang A. Die transkribierten und
anonymisierten Interviews befinden sich in Anhang B.
3.6 Literaturrecherche
Die Fragen 1,8 und 9 werden hingegen im Rahmen einer Literaturrecherche untersucht, da
hier bereits ausreichende Forschungsliteratur vorhanden ist. Die Forschungsfrage 1 kann
nicht
auf
qualitative
Weise
bearbeitet
werden.
Deshalb
wurden
hierzu
Arbeitsmarktstatistiken analysiert, um zu einem Ergebnis zu gelangen. Bei der
Forschungsfrage 8 wurde ebenfalls auf eine Befragung verzichtet, da hier eine starke
Erzählungsgenerierung befürchtet wird, die den Rahmen des Forschungsprojekts übersteigt.
Deshalb wurde sich auf bereits vorhandene Erkenntnisse bezogen. Für die ethische
Bewertung der Rekrutierung von ausländischen Pflegekräften wurde ebenfalls auf diese
Methode gesetzt, da hier der globale Kontext eine wichtige Rolle spielt.
3.7 Auswertung der Experteninterviews
Nach der Erhebung wird auf Grundlage der transkribierten Experteninterviews eine
strukturierende qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Diese Sonderform der qualitativen
Inhaltsanalyse eignet sich besonders für explorative und beschreibende Forschungen
17
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
(Kuckartz 2012, S.75) und ist eine bewährte Methode um leitfadengestützte Interviews
auszuwerten (Kuckartz 2012, S.78).
Die
inhaltlich-strukturierende
Inhaltsanalyse
gliedert
sich
in
insgesamt
sieben
Arbeitsschritte. Zu Beginn erfolgt die initiierende Textarbeit, die das sorgfältige Lesen und
das Markieren wichtiger Textstellen beinhaltet. Danach werden die thematischen
Hauptkategorien entwickelt. Diese ergeben sich aus dem Interviewleitfaden, der wiederum
auf den Forschungsfragen zwei bis sieben beruht. Im Anschluss wird das gesammelte
Material entlang der Hauptkategorien codiert. Es folgt das Zusammenstellen aller, mit der
gleichen
Hauptkategorie
codierten,
Textpassagen.
Anschließend
werden
induktiv
Unterkategorien bestimmt. Danach wird noch einmal das komplette Material anhand des
ausdifferenzierten Kategoriensystems
codiert. Abschließend erfolgen eine kategorien-
basierte Auswertung (Kuckartz 2012, S.78). Diese Auswertung erfolgt entlang der
Forschungsfragen in Kapitel 4.2 bis 4.7. Die Definitionen der Haupt- und Subkategorien
befinden sich im Anhang C. Im digitalen Anhang E (s. letzte Seite) befinden sich die
paraphrasierende Zusammenfassung der relevanten Textabschnitte, sowie deren finale
Codierung.
18
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
4. Ergebnisse
Im Folgenden Kapitel werden nun die Ergebnisse der Experteninterviews und
Literaturrecherchen dargestellt. Die kategorienbasierte Auswertung der Inhaltsanalyse
erfolgt entlang der Forschungsfragen.
4.1 Fachkräftebedarf
Die Rekrutierung von ausländischen Fachkräften ist mit einem höheren Aufwand für die
Pflegeeinrichtungen verbunden, als das Rekrutieren von heimischen Personal. Sprachliche
Barrieren und bürokratische Hürden müssen bei der Personalgewinnung von vornherein
bedacht werden. Dieser Aufwand ist nur gerechtfertigt, wenn sich die Unternehmen in einer
angespannten Personalsituation befinden oder zukünftig mit einer solchen zu rechnen ist.
Deshalb soll dieses Kapitel klären, ob der personelle Bedarf in Thüringen heute und in den
nächsten Jahren so groß ist, dass ausländische Fachkräfte rekrutiert werden müssen.
Die Anzahl pflegebedürftiger Menschen soll sich bis zum Jahr 2030 um 32% erhöhen
(Ehrlich 2014, S.27). Dies führt zu einem erheblichen Erweiterungsdruck in der Altenpflege.
Bereits jetzt hat Thüringen den höchsten Anteil an Pflegebedürftigen in ganz Deutschland. In
dieser Hinsicht ist Thüringen, neben Sachsen, das Bundesland mit der ungünstigsten
Altersstruktur (TMWAT 2013, S. 12 ff). Von den insgesamt über 9.000 ausgebildeten
Altenpflegern in Thüringen, laut Bundesagentur für Arbeit, gerade einmal 72 ohne Arbeit
sind, was einer branchenspezifischen Arbeitslosenquote von unter einem Prozent gleich
kommt. Im Jahr 2015 lag die Anzahl der gemeldeten Stellen für Altenpflegefachkräfte bei
327 (Bundesagentur für Arbeit 2015, S.12). Demzufolge ist der Thüringer Arbeitsmarkt als
Personalressource zurzeit nicht ausreichend. Allerdings darf bei der Frage nach der
19
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Fachkräftesituation in Thüringen natürlich nicht die Ausbildung in den Betrieben vergessen
werden, welche die wichtigste Ressource bei der Fachkräftegewinnung ist. Für das Jahr 2014
wurde ein Nachschub von 550 neu ausgebildeten Altenfachpflegern prognostiziert.
Gleichzeitig erhöhte sich der jährliche Fachkräftebedarf um nur 440 Altenpfleger. Trotzdem
suchen die Unternehmen nach neuen Fachkräften. Deshalb ist davon auszugehen, dass
mindestens 20% der Absolventen Thüringen verlassen oder gar nicht erst in den Beruf
eintreten (Ehrlich 2014, S.36).
Für das Jahr 2030 wird die Branche in Thüringen, durch Ersatz- und Erweiterungsbedarf,
knapp 8000 neuen Fachkräfte brauchen. Wie sich der Fachkräftebedarf in den nächsten
Jahren entwickeln wird, ist dennoch nicht genau abzuschätzen. Zu viele Parameter, wie
beispielsweise die Ab- und Zuwanderung oder die Entwicklung der Fachkraftquote
bestimmen den zukünftigen Bedarf (Bonin et al. 2015, S.25). Deshalb sollte die
Rekrutierung von ausländischen Fachkräften und Auszubildenden nicht vernachlässigt und
als Personalgewinnungsstrategie auch zukünftig verfolgt werden.
4.2 Rekrutierung
Jedes der befragten Unternehmen hat auf die eine oder andere Weise Erfahrungen mit
ausländischen Pflegekräften oder ausländischen Auszubildenden gemacht. Allerdings
unterscheiden sich die Rekrutierungswege erheblich voneinander. Eine gezielte Akquise
konnte bei keiner der Einrichtungen festgestellt werden. Wenn Personen aus dem Ausland
eingestellt wurden, dann war dies auf ein Engagement der Trägerorganisationen
zurückzuführen. Zudem wurden Pflegekräfte mit Migrationshintergrund aus dem Inland
eingestellt, über die an späterer Stelle noch einmal gesondert eingegangen wird.
20
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
4.2.1 Rekrutierung ausländischer Pflegefachkräfte aus dem Ausland
Die Rekrutierung von ausländischen Pflegefachkräften aus dem Ausland fand bei den
befragten Einrichtungen ausschließlich über Projekte der Trägerorganisationen statt. Die
Wenigsten dieser Pflegekräfte konnten in Deutschland als Fachkraft arbeiten, da die
Sprachkenntnisse zu Beginn der Tätigkeit in Deutschland nicht ausreichend waren. Hierzu
Die Rekrutierung fand sowohl im europäischen Ausland als auch in Asien statt. Die Gründe
für das Anwerben ausländischer Pflegefachkräfte finden sich primär in der angespannten
Fachkräftesituation der Einrichtungen.
4.2.2 Rekrutierung ausländischer Pflege(fach)kräfte aus dem Inland
Auch aus dem Inland konnten die Einrichtungen ausländische Fachkräfte rekrutieren. Diese
stammten allesamt aus dem osteuropäischen Raum und absolvierten dort auch ihre
pflegerische Ausbildung. Die Personalgewinnung fand ausschließlich über den Weg der
Bewerbung statt. Darüber hinaus beschäftigten die Unternehmen auch ausländische
Pflegekräfte. Diese stammten aus ganz unterschiedlichen Regionen. Die Wurzeln dieser
Pflegekräfte lagen primär im süd-, südost- und osteuropäischen Raum. Andere Pflegekräfte
stammten aus dem west- und zentralasiatischen Raum. Hierbei handelte es sich zum Teil um
politische Flüchtlinge. Die ausländischen Pflegekräfte wurden einerseits über die
Bundesagentur für Arbeit vermittelt, andererseits bewarben sich diese eigenständig bei den
Einrichtungen.
21
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
4.2.3 Rekrutierung ausländischer Auszubildender
Einige Unternehmen hatten bereits Erfahrungen mit Auszubildenden aus dem Ausland
gemacht. Diese kamen ausschließlich aus Spanien und wurden über die Trägerorganisationen an die Pflegeeinrichtungen vermittelt. Diese Vermittlung entstand aus einer
Notsituation
heraus,
die
sich
wiederum
aus
dem
Handeln
einer
unseriösen
Vermittlungsagentur ergab.
„Den wurden da Praktikumsplätze versprochen und Arbeit und und und. Und das hat da
überhaupt nicht funktioniert und da hat sich der Träger halt eingeschaltet und dann sind
drei
Jugendliche aus Peru und Spanien dann in unsere Einrichtung gekommen.“ (A4: 32-34)
Allerdings gibt es bei einigen der Einrichtungen bereits feste Plänen und Bestrebungen
ausländische Auszubildende aus dem europäischen und asiatischen Ausland zu rekrutieren.
Sowohl der Kontakte zu internationalen Vermittlungsagenturen als auch die zeitliche
Rahmenplanung sind bereits vorhanden.
„Wir sind gerade dran mit einer Vermittlungsagentur vietnamesische Bewerber, die in
die Ausbildung kommen wollen, eventuell zum ersten neunten das umzusetzen, aber
momentan ist da noch nichts endgültig spruchreif.“ (A2: 42-44)
4.2.4 Gründe gegen die Rekrutierung von Pflegefachkräften aus dem Ausland
Einige der befragten Unternehmen standen der Idee Pflegefachkräfte aus dem Ausland zu
rekrutieren ablehnend gegenüber. Diese Einrichtungen sahen die berufliche Anerkennung als
mögliche Hürde bei der Einstellung als Fachkraft. Auch der zeitliche Mehraufwand bei der
Einarbeitung wirkte auf einige Einrichtungen abschreckend. Der Kostenaspekt war für einige
22
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Einrichtungen ein weiteres Argument gegen die Einstellung von ausländischen Fachkräften.
So wurden etwaige Vermittlungsgebühren als problematisch erachtet.
„ Bis jetzt hat es noch keine Rolle gespielt. Weil es nicht einfach ist. Und, ich sag mal
so, was ich jetzt gehört habe, die das versucht haben. Wir sind ja jetzt ein relativ kleines
Unternehmen und sowas kostet auch Geld. Man muss meistens irgendwelche
Provisionen bezahlen, damit die ausländischen Kräfte rankommen. Dann muss man sie
lange, lange, lange einarbeiten und vor allem die Sprache entwickeln, was für mich
absolut das Notwendigste ist.“ (A6: 25-29)
„Es geht ja auch um Anerkennung. Dann, ob diese Ausbildung, die die in ihren
Ländern haben, auch bei uns hier anerkannt werden. Das ist ja oft nicht der Fall. Und
das ist schon ein langer Weg, bis man da Kräfte hat, die dann auch die Arbeit so leisten
können, wie man sich das vorstellt. Als Kräfte selbstständig zu arbeiten und die
Verantwortung zu übernehmen. Das ist eben, das hält uns davon ab. Wir brauchen oft die
Kräfte schnell und jetzt und gleich.“ (A6: 31-36)
Ebenso wurden Arbeitsausfälle durch Sprachkurse oder Anpassungsweiterbildungen
befürchtet, die vom restlichen Personal kompensiert werden müssten. Einige Unternehmen
versuchen gerade dieses Problem zu umgehen, indem sie zukünftig von der Rekrutierung
ausländischer Fachkräfte absehen und gleich Personen aus dem Ausland ausbilden. So
werden Differenzen zwischen den verschiedenen Ausbildungssystemen vermieden. Dies
würde auch den zeitlichen Mehraufwand in der Anfangsphase abmildern. Andere
Einrichtungen waren aufgrund ihrer guten Fachkräftesituation einfach nicht auf die
Rekrutierung aus dem Ausland angewiesen.
23
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
4.3 Erfahrungswerte
Das Sammeln von bereits vorhandenen Erfahrungswerten stellte den größten Teil der
Erhebung dar. Alle befragten Einrichtungen hatten zum Erhebungszeitraum bereits mit
ausländischem Pflegepersonal zusammengearbeitet. Die Schilderungen hierzu betrafen
einerseits die Erfahrungen mit dem Sprach- und Qualifikationsniveau der ausländischen
Fachkräfte und Auszubildenden, andererseits wurde auch die innerbetriebliche Integration
thematisiert.
4.3.1 Sprachniveau des ausländischen Pflegepersonals
Das beschriebene Sprachniveau des ausländischen Pflegepersonals unterschied sich
zwischen den Einrichtungen erheblich. So gab es einerseits Pflegekräfte, die schon seit
Längerem versuchten den Nachweis des B2-Sprachniveaus zu erwerben, der für die
Tätigkeit als Fachkraft notwendig ist. Anderen Pflegekräften wurde ein fast akzentfreies
Deutsch attestiert.
Unproblematisches Sprachniveau
Vor allem das Pflegepersonal aus dem osteuropäischen Raum, das auch schon länger in
Deutschland lebt, verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache, was dazu führte, dass
diesbezüglich keine Probleme im Betriebsablauf entstanden.
„Man hört das teilweise nur noch am leichten Akzent. Aber ansonsten fließend Deutsch
sprechen, schreiben alles was dazu gehört.“ (A8: 56-57)
24
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Auch bei den chinesischen Pflegekräften gestaltete sich die Kommunikation mit den
deutschen Kollegen nach einer kurzen Eingewöhnungsphase als unproblematisch.
Problematisches Sprachniveau
Fast alle Einrichtungen berichteten von sprachlichen Schwierigkeiten der Ausländischen
Pflegekräfte. Dies zeigte sich vor allem zu Beginn ihrer Tätigkeit. Allerdings wurde meist
im selben Atemzug von einer stetigen Verbesserung der Sprachkenntnisse im Laufe der Zeit
berichtet. Nur in einem Fall musste ein Mitarbeitergespräch bezüglich des Sprachniveaus
geführt werden, was zur Folge hatte, dass sich das Tempo des Spracherwerbs bei dieser
Pflegekraft beschleunigt hat.
Problematisches Sprachniveau bezüglich der beruflichen Anerkennung
Alle Einrichtungen, die Pflegepersonal aus dem Ausland rekrutiert hatten, beschrieben
Probleme bei der beruflichen Anerkennung ausländischen ihrer Pflegefachkräfte. Grund
hierfür war das Sprachniveau. Dies führte zu einer vorläufigen Tätigkeit als Hilfskraft, die
bis zu 18 Monaten andauerte. Dadurch mussten die Einrichtungen die Fachkraftstellen für
diesen Zeitraum mit deutschen Fachkräften besetzen. Bei anderen Pflegekräften stand die
Anerkennung noch komplett aus, was die Tätigkeit als Fachkraft verhinderte. Dies wurde
von den Einrichtungen als größtes Problem überhaupt beschrieben
„Von den Deutschkenntnissen her könnte es ein bisschen besser sein, dass die, wenn die
hier in Deutschland einfach das B2-Niveau schon haben. Ne? Sodass man die dann,
eben nach ner gewissen Einarbeitungszeit auch als Pflegefachkraft einsetzen kann.“
(A3: 56-58)
25
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Problematisches Sprachniveau bezüglich der Kommunikation
Die Kommunikation mit deutschen Kollegen, Kunden und Ärzten stellte für einige
ausländische Pflegekräfte ein Problem dar. Die Absprache mit deutschen Mitarbeitern führte
zu Missverständnissen, was wiederum Fehler im Betriebsablauf zur Folge hatte. Auch die
Kommunikation mit den Klienten, die für die Pflege essentiell ist, wurde besonders in der
Einarbeitungsphase als problematisch empfunden, sodass teilweise Formen der non-verbalen
Kommunikation genutzt werden mussten.
„Aber hier geht es, wo was ich meine ist oft Zusammenhänge im Verständnis
untereinander. Das ist so kompliziert. Das kann sie manchmal nicht so rüber
bringen. Deutsche Sprache schwere Sprache.“ (A6: 70-72)
Problematisches Sprachniveau bezüglich der Dokumentation
Ein wichtiger Bestandteil der Pflege ist die schriftliche Dokumentation. Gerade hier traten
bei fast allen Einrichtungen Probleme auf. Ausländische Pflegekräfte verstanden die
Dokumentation
der deutschen Kollegen nicht
und umgekehrt.
Dies
führte zu
Missverständnissen und einem zeitlichen Mehraufwand für die deutschen Mitarbeiter.
Allerdings wurden die ausländischen Pflegekräfte verstärkt in die Dokumentation
eingearbeitet, sodass die Probleme nach einiger Zeit wieder behoben waren.
4.3.2 Fachkenntnisse des ausländischen Pflegepersonals
Auch bei den Fachkenntnissen des ausländischen Pflegepersonals gab es erhebliche
Unterschiede. Dies lag einerseits an der Unterschiedlichkeit der Ausbildungsprofile im
26
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
internationalen Kontext. Andererseits gab es deutliche Unterschiede was die Berufserfahrung
in der Altenpflege anbelangt. Dies führte bei einigen Einrichtungen zu anfänglichen
Störungen im Betriebsablauf.
Problematische Fachkenntnisse
Die Anpassung an das deutsche Pflegesystem stellte für viele ausländische Fachkräfte eine
Herausforderung dar. Ursächlich hierfür sind vor allem die Unterschiede in den
Ausbildungsinhalten. Aufgaben, die über die pflegerische Tätigkeit hinausgingen, konnten
nicht problemlos bewältigt werden. So mussten die ausländischen Fachkräfte erst mit dem
Konzept der Pflegedokumentation vertraut gemacht werden, das ja schon auf der
Sprachebene eine Herausforderung darstellt. Auch die fehlende Berufserfahrung im Feld der
Altenpflege wurde als problematisch erachtet, da die meisten Fachkräfte aus dem Ausland
vorher in der Krankenpflege gearbeitet hatten.
„Weil es waren ja auch alles ausgebildete Krankenschwestern, die in Lettland eben schon
als Krankenschwester gearbeitet hatten. Meist eben auch in der Rettungsstelle oder so.
Ne? Die mit Pflege so in dem Sinne, wie es jetzt hier üblich ist, gar nichts zu tun hatte.“
(A3: 24-27)
Auch die unterschiedlichen Auffassungen vom Beruf des Altenpflegers sorgten für
Diskrepanzen. Allerdings kann man sagen, dass alle Pflegekräfte, nach einer unterschiedlich
langen Einarbeitungszeit, in fachlicher Hinsicht zur vollsten Zufriedenheit ihrer
Vorgesetzten gearbeitet haben.
27
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Unproblematische Fachkenntnisse
Gerade bei Pflegekräften, die schon länger in Deutschland gearbeitet hatten, ihre Ausbildung
aber im Ausland absolviert hatten, gab es auf fachlicher Ebene wenig bis gar keine
Probleme. Vor allem Pflegern aus dem osteuropäischen Raum wurden sehr gute
Fachkenntnisse attestiert, die die Fachkenntnisse der deutschen Pfleger teilweise sogar
überstiegen.
„Top. Richtig gut. Eine exzellente Pflegefachkraft. Ist mit die beste Fachkraft, die ich hier
im Haus habe.“ (A4: 75-76)
4.3.3 Integration im Betrieb
Neben der sprachlichen und fachlichen Anpassung an die Arbeit in der Thüringer
Altenpflege spielt die innerbetriebliche Integration der ausländischen Pflegekräfte eine
wichtige Rolle für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Hier spielen die Beziehungen zu
Kunden und dem Kollegium die wichtigste Rolle. Die Betriebe beschrieben nahezu
einheitlich,
dass
die
Integration
der
ausländischen
Pflegekräfte
nach
einigen
Startschwierigkeiten vollzogen war und sie als reguläres Mitglied der Belegschaft agierten.
Zudem konnten einige Faktoren identifiziert werden, die für die innerbetriebliche Integration
förderlich beziehungsweise hinderlich waren.
Innerbetriebliche Integration bezüglich des Kollegiums
Die meisten Einrichtungen beschrieben die Integration der ausländischen Pflegekräfte im
Kreis der deutschen Kollegen als weitestgehend unproblematisch. Sowohl Pflegekräfte als
28
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
auch Auszubildende wurden relativ schnell von der deutschen Belegschaft akzeptiert. Von
Reibungen aufgrund unterschiedlicher kultureller Hintergründe konnte keine der befragten
Personen berichten.
„Also mit den Kollegen, das war wunderbar, da sie sehr, wie soll ich sagen, sich sehr gut
eingebracht hat. Da gab es auch überhaupt keine Probleme mit den Kollegen.“(A7: 6465)
Konflikte traten eher aufgrund der zu Anfangs ungleichen Arbeitsbedingungen auf. So kam
es beispielsweise zu Unmut bei der deutschen Belegschaft, da die ausländischen Pflegekräfte
weniger Arbeit bewältigen konnten, aber dieselbe Entlohnung erhielten. Auch die gesonderte
Aufgabenzuteilung zur Förderung spezieller Fachkenntnisse (v.a. Pflegedokumentation)
wurde nicht immer vom deutschen Kollegium akzeptiert.
Innerbetriebliche Integration bezüglich des Kundenkreises
Ähnlich wie bei der Integration im Kreis der Mitarbeiter, gab es auch bei der Integration im
Kundenkreis keine erheblichen Probleme. Sowohl Pflegekräfte als auch Auszubildende
wurden schnell von den Klienten akzeptiert. Nur vereinzelt kam es aufgrund des
Migrationshintergrundes einiger Pfleger zu Problemen mit deutschen Kunden. So wurden
russische Fachkräfte aufgrund der Biographien einiger Bewohner abgelehnt, da diese mit
schlechten Erfahrungen aus dem zweiten Weltkrieg in Verbindung gebracht wurden. Andere
Bewohner lehnten es generell ab von ausländischen Pflegekräften gepflegt zu werden. Dies
betraf aber nur einen sehr kleinen Teil des Kundenkreises.
„Es gab mit einigen Klienten ein Problem, da die grundsätzlich Probleme mit
ausländischen Mitbürgern hatten, aber das ist eher die Minderheit. Also jetzt von den 110
29
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
sind das vielleicht zwei. Die also gegen jeden Ausländer was haben und daher da nicht,
kein Hehl daraus gemacht haben, dass sie sie auch nicht wollen.“ (A7: 65-69)
Förderliche Faktoren bei der innerbetrieblichen Integration
Bei der innerbetrieblichen Integration von ausländischen Fachkräften und Auszubildenden
haben sich einige Faktoren herauskristallisiert, die sich positiv ausgewirkt haben. Diese
bezogen sich größtenteils auf das Verhalten der Leitung und der deutschen Mitarbeiter.
In einigen Fällen erhielten die ausländischen Fachkräfte ihre Einarbeitung durch speziell
geschulte Mitarbeiter. Diese wurden im Vorfeld auf die Zusammenarbeit mit ausländischen
Fachkräften vorbereitet und fungierten als ihre Mentoren.
„Und auch so, die Einarbeitung zwischen den Praxisanleitern, die sich spezifisch um
die
ausländischen Pflegefachkräfte gekümmert haben, läuft eigentlich relativ
reibungslos.“ (A2: 84-86)
Das Mentoring wurde mit einer Informationsveranstaltung gekoppelt die sich an alle
Mitarbeiter richtete und einen sensibilisierenden Effekt bezüglich der kulturellen
Besonderheiten der ausländischen Pflegekräfte beabsichtigte. Hierbei wurden nicht nur
kulturelle Besonderheiten vermittelt, sondern auch die ausländischen Fachkräfte vorgestellt.
In nahezu allen Einrichtungen wurde besondere Rücksicht bei der Einarbeitung genommen,
auch wenn nicht immer Schulungen oder Informationsveranstaltungen im Vorfeld
stattfanden.
Als ebenfalls nützlich hat sich die persönliche Vorstellung der Fachkräfte bei den Klienten
und Mitarbeitern erwiesen. So wurde Sensibilität in Bezug auf deren Biographien erzeugt,
die teilweise von Flucht und Verfolgung gekennzeichnet waren. Dienlich war auch die
Begründung der Rekrutierung durch die Heimleitung. So konnten Argumente ins Feld
30
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
geführt werden, die für eine Beschäftigung ausländischer Pflegekräfte sprachen und so einer
etwaigen Ablehnung durch deutsche Mitarbeiter zuvorkamen.
„Also die waren da immer sehr erschrocken über meine Bitte und die waren dann auch
bei dieser Vorstellung sehr angespannt, sehr holperig und so weiter und so fort. Aber
letztendlich denk ich mal, hat das unseren deutschen Kollegen gleich geholfen. ´Das
ist also dieser Mensch mit dem ich da jetzt oft Kontakt habe und er hat das und das
durchgemacht. Und vor allen Dingen weiß ich jetzt wo der herkommt und wie das alles
gelaufen ist´. “ (A5: 260-265)
Hinderliche Faktoren bei der innerbetrieblichen Integration
Abgesehen von einigen Sprachbarrieren, die schon im vorherigen Abschnitt beschrieben
wurden, gab es keine gravierenden hinderlichen Faktoren bei der innerbetrieblichen
Integration. Lediglich die Informationslage in der Anfangszeit der Tätigkeit führte teilweise
zu Verwirrungen bei Leitung und Mitarbeitern und dadurch wiederum zu einem schlechten
Arbeitsklima.
„Weil, mancher deutscher Mitarbeiter der denkt sich dann auch ´Wieso bekommen die
eine Wohnung? Ich bin auch ein Mitarbeiter. Ich hab auch keine Wohnung´ Ne? Es gibt
halt solche Mitarbeiter, die denken halt so.“ (A3: 160-163)
4.3.4 Vorteile der Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte und Auszubildender
Auch wenn schon viele Nachteile angesprochen wurden, die die Rekrutierung von
ausländischem Personal gegenüber der Rekrutierung von heimischem Personal hat, so
31
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
wurden doch auch einige Vorteile durch die Befragten beschrieben.
So
wurde
es
als
sinnvoll erachtet Mitarbeiter mit Fremdsprachenkenntnissen zu beschäftigen, da so die
Kommunikation mit einem nicht-deutschen Kundenkreis deutlich erleichtert wird. Von
diesem Kundenkreis wird erwartet, dass er sich in den nächsten Jahren noch vergrößern
wird. Das Einfließen von fremden Traditionen in die tägliche Arbeit wurde ebenfalls
begrüßt. Gerade auf Seiten der Kunden wurde dies sehr gelobt.
„Insofern, kulturelle Unterschiede sind nicht unerwünscht, bringt auch ein gewisses
Leben in eine Pflegeeinrichtung. Ja? Von daher, da werden wir ja zukünftig auch immer
mehr von Bewohnerseite mit verschiedenen kulturellen Prägungen, sagen wir mal,
konfrontiert, wo wir uns drauf einstellen.“ (A2: 206-209)
Von Seiten der Leitungsebene wurde wiederholt der positive Effekt durch fremde
Wertevorstellung hervorgehoben, der sich auf die deutschen Mitarbeiter auswirkt. Darüber
hinaus wurden auch die sehr guten Fachkenntnisse einiger Fachkräfte gelobt, die sich positiv
von den deutschen Fachkräften abhoben. Die Einrichtungen profitieren hierbei von dem im
Ausland erworbenen Know-How.
4.4 Attraktivität
Die befragten Einrichtungen steigerten ihre Attraktivität für ausländische Pflegekräfte
dadurch, dass sie von sich aus integrationsfördernde Maßnahmen ergriffen. Dies betraf vor
allem Hilfe bei der Wohnungssuche, sowie bei Behördengängen.
Ansonsten ergibt sich
die Attraktivität aus den gleichen Faktoren, die auch für deutsche Pflegekräfte attraktiv sein
könnten.
Dies beinhaltet zum Beispiel die tarifgebundene Entlohnung. Weiterhin
berichteten die meisten Befragten von einem mehr oder weniger ausgeprägten Gesundheits32
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
management. Dies beinhaltete auch die finanzielle Unterstützung bei der Nutzung von Sportund Erholungsangebote, sowie die Freistellung für deren Nutzung.
Zudem wird von vielen Einrichtungen das Weiterbildungsmanagement ins Feld geführt.
Gerade die aktive Beteiligung der Mitarbeiter an der Bedarfsanalyse macht die Tätigkeit in
den Einrichtungen attraktiver. Ähnliches gilt für die Möglichkeit Zusatzqualifikationen zu
erwerben oder Aufstiegsfortbildung zu absolvieren. Ebenfalls attraktiv dürfte die
Möglichkeit der Teilnahme an nicht-fachgebundenen Weiterbildungen sein. Ein hohes
Budget für die Weiterbildung steigert die Attraktivität der Einrichtungen zusätzlich.
„Und was sich, glaube ich, auch herumgesprochen hat, jedenfalls die, die neu zu uns
kommen, die sagen, dass sie das gehört haben, dass wir auch viel Geld in Aus- und
Weiterbildung investieren.“ (A7: 89-91)
4.5 Bindung
Bei der Personalbindung gilt Ähnliches wie im vorherigen Kapitel. Auch hier wird kein
großer Unterschied zwischen deutschen und ausländischen Mitarbeitern gemacht. Allerdings
ergibt sich aus der Tätigkeit im Ausland für die Fachkräfte ein gewisses Bindungspotenzial.
Da sie meist ihre Familie und Freunde hinter sich lassen mussten, fungieren Kollegen und
Kunden als Ersatzfamilie. Hieraus ergibt sich eine affektive Bindung an das Unternehmen
beziehungsweise an seine Belegschaft und den Kundenstamm. Hierfür sprechen auch die
gemeinsamen Freizeitaktivitäten mit den Familien der deutschen Mitarbeiter.
„Deswegen verstehe ich ja auch die iranische Kollegin sehr gut. Die sagt dann ´Ihr seid
jetzt meine Familie und ich fühle mich hier wohl. Ich habe hier niemanden, außer meinem
33
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Sohn und euch´ Und all die älteren Menschen, die sie hier sieht, betrachtet sie als ihre
Eltern, sozusagen.“ (A6: 259-262)
Einige Unternehmen berichteten aber auch von ausländischen Pflegekräften, die sie wieder
verlassen haben. Die Gründe hierfür liegen einerseits in der, im Vergleich zur
Krankenpflege, finanziell unattraktiven Situation in der Altenpflege.
„Wir haben ihr einen Vertrag gegeben, weil sie eine gut ausgebildete Kraft war und auch
gut Deutsch sprach. Aber sie war nicht lange da. Dann hat sie in der Klinik angefangen.
Das ist schade.“ (A7: 28-30)
Andererseits muss auch die Lage im Heimatland der ausländischen Pflegekräfte betrachtet
werden. Verbessern sich die Arbeitsbedingungen im Heimatland, besteht die Gefahr der
Rückwanderung.
4.6 Anforderungen
Die
Anforderungen
der
Einrichtungen
an
ausländischen
Pflegefachkräfte
oder
Auszubildende waren sehr unterschiedlich. Die Anforderungen an das Sprachniveau
unterschieden sich bei einigen Einrichtungen erheblich. Auch die nicht-sprachlichen
Anforderungen unterschieden sich deutlich. Es lässt sich daher kein eindeutiges
Anforderungsprofil für ausländische Pflegefachkräfte oder Auszubildende zeichnen.
Dennoch gibt es in den einzelnen Anforderungsbereichen auch Überschneidungen zwischen
den Einrichtungen, die im Folgenden beschrieben werden.
34
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Sprachliche Anforderungen an ausländische Pflegefachkräfte
Die sprachlichen Anforderungen an Pflegefachkräfte aus dem Ausland waren vor allen
pragmatischer Natur. Die Anerkennung als Fachkraft in Deutschland verlangt das
Sprachniveau B2. Dies wurde auch von vielen Einrichtungen als Mindestvoraussetzung
genannt, da die Pflegekräfte sonst nur als Hilfspersonal eingestellt werden können. Darüber
hinaus legten einige Einrichtungen großen Wert darauf, dass eine Kommunikation ohne das
Auftreten von Missverständnissen möglich sein muss, was allerdings nicht bedeutet, dass ein
fließendes Deutsch verlangt wird.
„Voraussetzung fände ich allerdings, dass sie wirklich die Sprache sprechen. Weil das ist
der Hauptkritikpunkt, wenn auch ausländischen Kollegen in der Klinik arbeiten und so,
dass die Menschen, die darauf treffen, auf die ausländischen Mitarbeiter, dass sie sie
nicht verstehen. Das sie entweder gar kein Deutsch oder schlechtes Deutsch sprechen
oder ganz unverständlich sprechen.“ (A7: 135-139)
Nicht-Sprachliche Anforderungen an ausländische Pflegefachkräfte
Neben der Sprache wurden natürlich auch Anforderungen an die Qualifikation der Bewerber
gestellt. Diese hatten einen ähnlich pragmatischen Charakter. Verlangt wurde eine
Ausbildung im pflegerischen Bereich. Zudem forderten einige Einrichtungen soziale
Kompetenzen, da diese für den Beruf unabdingbar sind. Insgesamt kann aber gesagt werden,
dass die Einrichtungen bereit waren Lücken im Fachwissen während der Arbeit in
Deutschland zu schließen. Dies lässt sich auch kaum vermeiden, da die Ausbildung in
Deutschland in dieser Form einzigartig ist. Eine längere Anpassung der Fachkenntnisse an
das deutsche Pflegesystem war für die meisten Einrichtungen selbstverständlich.
35
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
„Eine Vorbildung in der Richtung ist immer gut. Das ist ja logisch. Aber ansonsten, wenn
die sprachliche Barriere weg ist, kann man alles erlernen. Man kann Sie ja zu Fort-und
Weiterbildungen schicken.“ (A6: 145-147)
Sprachliche Anforderungen an ausländische Auszubildende
Die sprachlichen Anforderungen an ausländische Auszubildende gestalteten sich ähnlich.
Auch wenn ein B1-Sprachniveau, das im Laufe der Ausbildung verbessert wird, teilweise als
ausreichend erachtet wird, müssen sich die Einrichtungen natürlich bürokratischen Vorgaben
beugen. Die Ausbildung zur Altenpflegefachkraft in Thüringen kann mittlerweile nur mit
einem B2-Sprachniveau absolviert werden. Zudem ist bei schlechteren Sprach-kenntnissen
nicht gewährleistet, dass die ausländischen Auszubildenden den Lehrinhalten folgen können.
Nicht-Sprachliche Anforderungen an ausländische Auszubildende
Abgesehen vom Spracherwerb, wird von den ausländischen Auszubildenden nicht mehr
erwartet als von deutschen Bewerbern auch. Dies beinhaltet beispielsweise einen Schulabschluss, der mit dem Realschulabschluss in Thüringen vergleichbar ist. Eine gewisse
Vorerfahrung im Bereich der Altenpflege mittels eines Praktikums ist für einige
Einrichtungen wünschenswert, bei anderen Einrichtungen ist sie Pflicht. Im Ausland müssen
jedoch nicht zwangsläufig pflegerische Vorerfahrungen gesammelt worden sein.
36
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
4.7 Interner Handlungsbedarf
Keines der befragten Unternehmen sah einen Handlungsbedarf in Bezug auf ausländische
Pflegekräfte innerhalb der eigenen Einrichtung. Dies hat zum einem den Grund, dass viele
Einrichtungen bereits jahrelange Erfahrung mit der Zusammenarbeit mit ausländischen
Pflegepersonal haben und sich daher als ausreichend vorbereitet betrachten. Andere
Einrichtungen betrachten den Integrationsprozess als natürlichen Prozess, der nicht
zusätzlich unterstützt werden muss. Hierbei wurde auch die deutsche Belegschaft in die
Überlegungen mit einbezogen. Zu viel Zeit darf nicht in vorbereitende Seminare oder
Ähnliches investiert werden, da dies gegenüber dem heimischen Mitarbeiterstamm nicht
mehr gerechtfertigt werden kann.
„Also es ist jetzt nicht spezifisch, dass ich sagen würde ´Unsere Mitarbeiter müssten da
noch ganz gezielt mehr darauf eingehen´. Da kommen wir nämlich auch ganz schnell
wieder auf den Punkt, wo sie sagen ´Ja, wer kümmert sich denn um uns´ und in dem
Rahmen. Ne? Und das wär dann auch nicht mehr vermittelbar.“ (A2: 369-372)
Verbesserungsmöglichkeiten wurden meist überwiegend außerhalb der Unternehmen
gesehen. Diese werden im nächsten Abschnitt beschrieben.
4.8 Externer Handlungsbedarf
In den vorherigen Kapiteln wurde bereits umfassend darüber berichtet was Unternehmen tun,
um die Integration von ausländischen Pflegefachkräften in der Thüringer Altenpflege zu
fördern. Allerdings sind auch sie gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
unterworfen, auf die sie wenig Einfluss haben, was auch schon vereinzelt in den Interviews
37
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
anklang. Deshalb ist es auch wichtig zu untersuchen, inwieweit externer Handlungsbedarf
besteht.
In einem Positionspapier von 2014 verlangen die Wohlfahrts- und Berufsverbände die
Erleichterung der Berufsanerkennung und ein bundesweit einheitliches Verfahren zur
Kompetenzfeststellung, die auch das Nachschulen fehlender Kompetenzen ermöglicht.
Hierdurch könnte der bisher hohe administrative Aufwand für die Pflegeakteure reduziert
werden
(Bonin
et
al.
2015,
S.65).
Im
gleichen
Atemzug
wurde
auch
die
integrationshemmende Einstellung der Behörden und Ämter kritisiert. Hier wird eine
eindeutige Entwicklung Richtung „Willkommenskultur“ gefordert, die sich auf die Bedarfe
der Zielgruppe einstellt. Zudem wird es als zwingend notwendig betrachtet eine sprachliche
und fachliche Schulung bereits im Herkunftsland durchzuführen. Gerade berufsorientierte
Sprachkurse werden hier als adäquates Mittel angesehen. Auch in kultureller und mentaler
Hinsicht sollen die Fachkräfte oder Auszubildenden schon vor ihrem Deutschlandaufenthalt
vorbereitet werden (Bonin et al. 2015, S.36).
4.9 Ethische Bedenken
Die
Frage
nach
ethischen
Bedenken
bei
der
Rekrutierung von
ausländischen
Pflegefachkräften oder Auszubildenden in der Altenpflege bildet den letzten Schwerpunkt
des Forschungsinteresses. Selbstverständlich ist Deutschland nicht das einzige Land, das
Fachkräfteprobleme in der Pflege hat. Deswegen muss geklärt werden, unter welchen
Umständen es ethisch vertretbar ist Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.
Der sogenannte „Braindrain“ bezeichnet das Abwerben von Fachkräften aus dem Ausland
und ist das Gegenstück zum Begriff „Braingain“, womit der Prozess des Anwerbens gemeint
ist (Beine et al. 2001, S. 276). Dies muss unter der Berücksichtigung entwicklungspolitischer
38
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Fragestellungen geschehen (Azahaf 2015 in Bonin et al. 2015, S. 6). Die WHO gab im Jahr
2013 bekannt, dass weltweit über 27 Millionen Fachkräfte im Gesundheitswesen fehlen.
Weltweit existieren nur 68 Länder in denen keine kritische Unterversorgung im
Gesundheitssektor vorhanden ist (Bonin et al. 2015, S. 36). Deshalb muss sorgfältig überlegt
werden, aus welchen Staaten Pflegefachkräfte angeworben werden.
Als Beispiel für eine zu starke Abwerbung durch die Nachbarländer kann hier Polen dienen.
Das Land steht vor einer ähnlichen demographischen Herausforderung wie Deutschland.
Allerdings wandern viele Pflegekräfte Richtung Westen ab. Dies führt zu einem Mangel an
geeignetem Pflegepersonal im Inland, was wiederum eine Wanderungsbewegung von
Pflegefachkräften aus dem Baltikum nach Polen verursacht. Der Mangel an Pflegepersonal
verschiebt sich also nur und wird nicht gestoppt (Merda 2012, S.21).
Vor einem ähnlichen Problem stehen auch die südeuropäischen Länder. Auch sie sind von
der demographischen Entwicklung betroffen. Allerdings spricht die hohe Arbeitslosigkeit in
den Ländern für ein Anwerben von geeignetem Personal. Auf den ersten Blick scheint nichts
dagegen zu sprechen arbeitslose Pfleger aus Spanien oder Griechenland nach Deutschland zu
holen, um sie hier in Beschäftigung zu bringen. Allerdings muss auch hier genau abgewogen
werden. Die Pflegeausbildung im südeuropäischen Raum ist weitestgehend akademisiert.
Dies hat zur Folge, dass diese Fachkräfte in Deutschland unter ihrem ursprünglichen
Lohnniveau arbeiten müssen, da die Ausbildung in Deutschland niedriger angesiedelt ist
(Merda 2012, S.21). Das bedeutet zudem, dass der Wille zur Rückreise eng an die
wirtschaftliche Situation der Herkunftsländer geknüpft ist.
Sobald sich Südeuropa
wirtschaftlich wieder erholt, müsste die deutsche Altenpflege die abgewanderten
ausländischen Fachkräfte ersetzen, die in ihren Heimatländern mehr Geld verdienen als in
Deutschland.
Ganz anders sieht die Situation in Asien aus, da sich die dortige demographische Lage
deutlich von der europäischen unterscheidet. In Ländern wie China, Indien und den
39
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Philippinen gibt es ein enormes Nachwuchspotenzial. So bilden die Philippinen beispielsweise deutlich über ihren Fachkräftebedarf aus, weil von vornherein Abwerbungen aus den
USA oder Großbritannien einkalkuliert werden. Ebenso könnten Fachkräfte aus Ländern wie
Indien unter besseren Arbeitsbedingungen tätig werden, als das in ihren Herkunftsländern
möglich ist. (Merda 2012, S.21,23). Die hohen Einkommensgewinne, die in Deutschland für
ausgebildetes Fachpersonal möglich sind, könnten zudem der Bevölkerung aus den
Herkunftsländern zu Gute kommen.
Das Projekt „Triple Win Pflegekräfte – Nachhaltig ausgerichtete Gewinnung von
Pflegekräften aus vier Ländern“ verfolgt genau diese Idee. Hierbei wird von 2013 bis 2016
Pflegepersonal aus Serbien, Bosnien-Herzegowina, Tunesien und den Philippinen
angeworben. Der dreifache Nutzen des Projekts ergibt sich aus den folgenden drei Punkten.
Erstens wird durch das Projekt der Personalmangel in Deutschland abgeschwächt.
Gleichzeitig wird die Arbeitslosenquote in den Herkunftsländern gesenkt. Zudem entsteht
durch den Wissenstransfer auch ein entwicklungspolitischer Gewinn (Bundesagentur für
Arbeit 2014).
Neben dem direkten Anwerben von Fachpersonal besteht auch die Alternative der
Ausbildung von Ausländern in Deutschland. Die im Vorfeld schon besprochenen Probleme
mit der Anerkennung des Berufsabschlusses und fachlicher Differenzen könnten somit im
Vorfeld abgefangen werden. Neben der Möglichkeit die Ausbildung innerhalb der EUStaaten durchzuführen, besteht seit August 2012 auch für asiatische Länder diese
Möglichkeit. Besonders die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern Europas spricht
hierfür. Allerdings sollte auch bei der Anwerbung von Auszubildenden gewisse Standards
eingehalten werden. Diese wurden bereits im vorherigen Kapitel präsentiert.
Will man sich mit den ethischen Bedingungen der Anwerbung von ausländischen
Fachkräften oder Auszubildenden beschäftigen, müssen auch die Auswirkung auf die
einheimische Bevölkerung geklärt werden. Bei der beschriebenen Fachkräftesituation in der
40
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Altenpflege sollte bereits klar geworden sein, dass durch ein solches Unterfangen keine
deutschen Arbeitsplätze gefährdet werden. Eher würde es das Wachstum der Branche
stabilisieren und so deutsche Arbeitsplätze sichern. Zudem würde der Kontakt mit
ausländischem Personal Vorurteile abbauen und den interkulturellen Kontakt ermöglichen.
Gerade Thüringen kann hier mit gutem Beispiel vorangehen und die geforderte
Willkommenskultur aktiv mitgestalten. Geht man von Allports Kontakthypothese aus, die
besagt, dass interkultureller Kontakt interkulturelles Konfliktpotenzial abbaut (Allport 1954),
könnten so auch fremdenfeindliche Tendenzen der Thüringer Bevölkerung abgebaut werden.
Zudem gibt es bereits einige Bedingungen, auf die sich die Wohlfahrts- und Berufsverbände
bei
der Anwerbung von ausländischem Pflegepersonal geeinigt haben.
In einem
Positionspapier von 2014 werden hier die ethischen Rahmenbedingungen der Beschäftigung
abgesteckt. Neben der Integrationsunterstützung wird hier auch auf die Freiwilligkeit des
Verbleibs in Deutschland wert gelegt. Darüber hinaus wird von der Zahlung einer
Vermittlungsgebühr durch die Zuwanderer abgesehen (Bonin et al. 2015, S.36).
Dies verhindert einerseits eine Verschuldung der Migranten und ihrer Familien, andererseits
verlieren so unseriöse Arbeitsvermittlungsagenturen aus dem Ausland ihre Arbeitsgrundlage.
Eine Beschäftigung der Migranten zu gleichen Beschäftigungsbedingungen war ebenfalls
Inhalt des Positionspapiers (Bonin et al., S.36). Niemand soll aufgrund seiner Herkunft
schlechter oder besser bezahlt werden. Dasselbe gilt für die Aufgabenverteilung innerhalb
des Betriebs.
Abschließend kann man sagen das ethische Bedenken bei der Rekrutierung von
ausländischen Pflegepersonal durchaus gerechtfertigt sind und auch immer in die
Anwerbungsüberlegungen mit einfließen sollten. Solange jedoch die Fachkräftesituation im
Herkunftsland berücksichtigt wird und die Betreuung der Migranten in Deutschland nicht
vernachlässigt wird, dann sollte Anwerbungsunternehmen ethisch und moralisch vertretbar
sein.
41
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
5. Schlussfolgerungen
Im folgenden Kapitel werden nun die wichtigsten Erkenntnisse der Forschungsarbeit
zusammengefasst und interpretiert. Hierzu werden die Ergebnisse in Verbindung mit
theoretischen
Konzepten
und
bereits
vorhandenen
Forschungsmaterial
gebracht.
Anschließend erfolgt eine kritische Betrachtung der Grenzen der Untersuchung und der
methodischen Umsetzung. Es folgt eine Handlungsempfehlung für die Akteure in der
Thüringer Altenpflege, die auch gleichzeitig als Beantwortung der Forschungsfrage
betrachtet werden kann. Den Abschluss dieser Arbeit bildet ein kurzes Fazit.
5.1 Theoretische Einordnung
Die Integration in den untersuchten Einrichtungen hat sich auf unterschiedlichste Weise
vollzogen und ist dementsprechend auch unterschiedlich stark vorangeschritten. Am
häufigsten konnten Formen monistische Assimilation beobachtetet werden, bei der die
Anpassungsleistung zum Großteil auf Seiten des ausländischen Pflegepersonals stattfanden.
Dies bezog sich meist auf die sprachliche und fachliche Anpassung. Formen der
interaktionistischen Form wurden nicht beschrieben. Allerdings konnten vereinzelt Ansätze
der pluralistischen Interaktion beobachtet werden, die sich darin äußerten, dass die
ausländischen Fachkräfte ihre kulturellen Traditionen in die tägliche Arbeit aufrecht
erhielten und einbrachten.
Bezüglich der Dimensionen der Sozialintegration lässt sich feststellen, dass diese sich nur
auf drei der vier Ebenen beobachten ließ. Die fortgeschrittene Kulturation ließ sich natürlich
durch den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse feststellen. Eine Platzierung in der
Aufnahmegesellschaft wurde durch die häufig ausstehende berufliche Anerkennung nur
42
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
eingeschränkt zugelassen. Die fast in allen Fällen beschriebene Akzeptanz zwischen
Kunden, der einheimischen Belegschaft und den ausländischen Pflegepersonal lässt auf eine
fortgeschrittene Sozialintegration im Bereich der Interaktion vermuten. Die gelegentliche
Ablehnung der ausländischen Pfleger durch die Kunden schmälert diesen Fortschritt
allerdings etwas, auch wenn es sich hierbei nur um Ausnahmen handelte. Zur Identifikation
der Migranten mit der Aufnahmegesellschaft kann an dieser Stelle nichts gesagt werden,
weil dazu die Einstellung der Migranten selbst untersucht hätte werden müssen.
Die Rekrutierung von ausländischem Personal trägt definitiv zur Interkulturellen Öffnung
der Einrichtungen bei. Auch vereinzelte Seminare, die in diese Richtung stattfanden, schulen
interkulturelle Kompetenzen auf kognitiver Ebene. Auch Aspekte des DiversityManagements konnten beobachtet werden. So wurde die kulturelle Diversität dazu genutzt
besser mit einem mehrsprachigen Kundenstammen zu kommunizieren, der sich in Zukunft
noch erweitern wird.
5.2 Grenzen der Untersuchung und Methodenkritik
In der vorliegenden Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, inwieweit sich
ausländischen Pflegekräfte in der Thüringer Altenpflege integrieren lassen. Die Integration
endet aber nicht an den Türen der Altenpflegeeinrichtungen. Um ein umfassendes Bild zu
zeichnen, muss auch untersucht werden, wie sich die Mitarbeiter außerhalb ihres
Arbeitsplatzes integrieren. Hierfür waren die Leitungspersonen nicht die richtigen
Ansprechpartner. Deshalb wäre es sinnvoll in zukünftigen Untersuchungen auch die
ausländischen Fachkräfte selbst in die Erhebungen mit einzubeziehen. Zudem müssten
solche Untersuchungen langfristig angelegt sein. Viele der besprochenen Fachkräfte sind erst
seit einem relativ kurzen Zeitraum in Thüringen. Auf lange Sicht wäre es interessant zu
43
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
wissen, ob sie auch in Thüringen sesshaft werden und was für Thüringen als neue Heimat
spricht.
Generell hat die vorliegende Arbeit einen guten Einblick in den Integrationsprozess von
ausländischem Pflegepersonal in Altenpflegeeinrichtungen gegeben. Allerdings konnten
nicht alle Ergebnisse der Erhebung ausreichend bearbeitet werden. Für zukünftige
Untersuchungen wäre eine fokussiertere Vorgehensweise sinnvoll. Beispielsweise könnte
untersucht werden, inwieweit die interkulturelle Öffnung in den Einrichtungen
vorangeschritten ist oder wie die Bewohner von Altenpflegeeinrichtungen zu der
Rekrutierung von ausländischem Pflegepersonal stehen.
5.3 Alternativen
Es hat sich bereits herausgestellt, dass auf die Rekrutierung von ausländischen Pflegekräften
und Auszubildenden in Zukunft nicht mehr verzichtet werden kann. Diese kann aber nicht
als
Hauptstrategie
bei
der
Personalgewinnung
betrachtet
werden.
Einheimische
Personalressourcen sind nach wie vor die erste Wahl bei der Deckung des Fachkräftebedarfs.
Doch auch hier muss ein Umdenken stattfinden. Die Strategien der Personalgewinnung und
Personalbindung werden bereits überdacht und optimiert (Bonin et al. 2015, S. 56ff).
Für die Bindung des Personals ist die Attraktivitätssteigerung der Unternehmen von
entscheidender Bedeutung. Hierbei sind ein ausgeprägtes Gesundheitsmanagement und die
Wertschätzung der Mitarbeiter von großer Bedeutung. Ebenso tragen monetäre Anreize und
Bildungsangebote zur Attraktivitätssteigerung der Einrichtungen bei. Bei Bildungsangeboten
spielt auch die nicht-fachliche Weitebildung eine wichtige Rolle (Bonin et al. 2015, S. 56).
Um Fachkräfte zu gewinnen erleichtern viele Träger den beruflichen Widereinstieg von
Pflegekräften, die sich Eltern- oder Pflegezeit befunden haben,
mit kostenlosen
44
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Qualifizierungsmaßnahmen.
Die
Integration
von
Langzeitarbeitslosen
mittels
Qualifizierungsangeboten in das Arbeitsfeld der Pflege wurde als weniger zielführend
eingeschätzt. Diese Maßnahmen sind relativ kostenintensiv und ähnlich aufwendig wie die
Anwerbung und Integration von ausländischen Fachkräften. Am bedeutendsten wird aber
immer noch die trägergebundene Ausbildung betrachtet, die den Großteil an Pflegekräften
generiert (Bonin et al. 2015, S. 57).
5.4 Handlungsempfehlung
Sollten sich Thüringer Altenpflegeeinrichtungen auch in Zukunft dazu entschließen bei der
Personalgewinnung auf die Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte zu setzen, dann sollten
einige Punkte beachtet werden.
Vor der eigentlichen Einstellung des Pflegepersonals sollte darauf geachtet werden, dass die
Informationslage zwischen Einrichtung, Vermittlern und Fachkräften eindeutig ist. Die
größten Probleme bei der Integration entstanden aufgrund von Unklarheiten bezüglich des
Sprachniveaus, des Qualifikationsniveaus und der Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses. Wird dies bereits vor der Einreise klar kommuniziert können Irritationen von
vornherein vermieden werden.
Für die deutschen Kollegen muss im Vorfeld klar gemacht werden, warum ausländische
Pflegekräfte rekrutiert werden und welche Vorteile dies für ein Unternehmen bringen kann.
Eine persönliche Vorstellung der Ausländer bei den Kollegen und Kunden ist ebenfalls
wichtig, da dies Verständnis auf- und Vorurteile abbaut.
Vorbereitende Schulungen für deutsche Mitarbeiter sollten nur im kleinen Rahmen
durchgeführt werden, da der Großteil der interkulturellen Erfahrungen in der täglichen
Zusammenarbeit gesammelt wurde. Kulturelle Besonderheiten eines Landes dürfen nicht auf
45
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
die Neuankömmlinge verallgemeinert werden. Auch die Besonderheiten der eigenen Kultur
sollten reflektiert werden, da sonst du nur eine einseitige Betrachtung des interkulturellen
Kontakts erfolgen kann.
Als sinnvoll hat sich jedoch die Schulung von speziellen Mentoren erwiesen, die als
Ansprechpartner für die ausländischen Pflegekräfte fungieren und auch außerhalb der Arbeit
mit Rat und Tat zur Seite stehen. Gerade bei Personen, die komplett fremd in Deutschland
sind, hat es sich die paarweise Rekrutierung von Pflegekräften und Auszubildenden aus dem
Ausland als nützlich erwiesen.
Grundkenntnisse der deutschen Sprache stellen die wichtigste Voraussetzung für eine
erfolgreiche Integration dar. Ohne sie wird die Kommunikation mit Bewohnern und
Kollegen erschwert. Sowohl Fachkräfte als auch Auszubildende sollten die deutsche Sprache
mindestens auf B2-Niveau beherrschen. Eine nachträgliche Anpassung der Fachkenntnisse
stellt hingegen ein kleineres Problem dar. Allerdings ist die Ausbildung von ausländischen
Pflegekräften eine sinnvolle Alternative zu Rekrutierung. So werden von vornherein
Diskrepanzen der Ausbildungsinhalte ausgeschlossen.
5.5 Fazit
Die vorliegende Arbeit konnte einen Einblick in den Status quo der Integration von
ausländischen Fachkräften im Bereich der Altenpflege ermöglichen. Auch förderliche und
hinderliche Faktoren im Integrationsprozess konnten herausgearbeitet werden. Die befragten
Einrichtungen fühlen sich gut auf eine Zusammenarbeit mit Migranten vorbereitet.
Handlungsbedarf wird eher außerhalb der Einrichtungen gesehen. Gerade die politischen und
rechtlichen Rahmenbedingungen müssen verbessert werden, wenn die Rekrutierung von
ausländischem Pflegepersonal ausgeweitet werden soll. Auch die Vermittlungsagenturen
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Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
spielen hier eine wichtige Rolle. Sie müssen eine aktivere Rolle bei der Personalauswahl
spielen. Gerade die neuen Medien bieten verschiedene Möglichkeiten internationale
Bewerber schon vor der Einreise kennenzulernen. Missverständnisse im Vorfeld könnten so
vermieden werden. Bei der Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland sollte aber
immer die globale Gesamtsituation betrachtet werden. Eine bloße Verlagerung eines
Fachkräfteproblems ist auf Dauer keine adäquate Lösung. Vielmehr sollten die
internationalen Potenziale genutzt werden.
Auch wenn die Rekrutierung im Ausland nur ein Teil einer breit aufgestellten
Personalgewinnung sein kann, sollte auf sie nicht verzichtet werden. Sie trägt zur kulturellen
Vielfalt und zum Abbau von kulturbedingten Vorurteilen in Thüringen bei. Sie sollte als
Strategie weiterhin verfolgt werden, denn die Entwicklung des Fachkräftebedarfs lässt sich
nur schwer einschätzen.
47
Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
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http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Fachkraefte-fehlen8211-Pflegeheim-in-Huepstedt-muss-schliessen-246973794 (Zugriff: 27.08.2015)
* Diese Internetseite steht nicht mehr zur freien Verfügung, da die Plattform im Juli 2015 ein
Bezahlmodell eingeführt hat. Der Text kann aber im digitalen Anhang dieser Arbeit gelesen
werden.
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Ausländische Fachkräfte in der Thüringer Altenpflege
Anhang A – Interviewleitfaden
Begrüßung und Dank
Vorstellen der Forschungsfrage
Zweck der Datenerhebung
Versicherung der Gewährung der Anonymität
Einverständniserklärung unterzeichnen
Bitte stellen Sie sich und Ihre Tätigkeit kurz vor.
Auf welchen Wegen rekrutiert Ihr Unternehmen Pflegefachkräfte?
Welche Rolle spielt dabei die Rekrutierung von ausländischen
Pflegefachkräften?
Welche Rolle spielt dabei das Anwerben von ausländischen
Auszubildenden für den Bereich der Altenpflege?
Wie werden ausländische Pflegefachkräfte/ Auszubildende angesprochen?
Wenn nein: Warum wurden bisher keine ausländischen Fachkräfte
angeworben?
Welche Erfahrungen hat Ihr Unternehmen bereits mit ausländischen
(Pflege)Fachkräften gemacht?
...bezüglich des Qualifikationsniveaus?
...bezüglich des Sprachniveaus?
...bezüglich der Integration im Betrieb?
Welche Anreize schafft Ihr Unternehmen für (potentielle) Pflegefachkräfte
oder Auszubildende aus dem Ausland?
Was unternimmt Ihr Unternehmen um (Pflege)Fachkräfte und
Auszubildende zu binden?
Welche sprachlichen Anforderungen haben Sie an ausländische
Pflegefachkräfte oder Auszubildende aus dem Ausland?
Welche qualifikatorischen Anforderungen haben Sie an ausländische
Pflegefachkräfte oder Auszubildende aus dem Ausland?
Welches Maß an Integrationsbereitschaft wird von den ausländischen
Pflegefachkräften oder Auszubildenden verlangt?
Wo sehen Sie einen Handlungsbedarf innerhalb Ihres Unternehmens in
Bezug auf ausländische Fachkräfte?
Wie schätzen Sie den Weiterbildungsbedarf in Ihrem Unternehmen
bezüglich ausländischer Mitarbeiter und Auszubildender ein?
Welche Anpassungsleistung müsste auf Seiten Ihrer Mitarbeiter erfolgen?
Dank und Verabschiedung
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