Die SWOT-Analyse für Investment-Immobilien

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Jahrbuch der Immobilienwirtschaft 2013
Die SWOT-Analyse für
Investment-Immobilien
Von Jörg Winterlich
Möchte ein Profi-Anleger oder Investor eine Immobilie erwerben, steht die Frage, wie er dieses
Investment am sinnvollsten recherchiert und bewertet und dann eine fundierte Entscheidung trifft.
Selbst bei guten Erfahrungswerten und Detailkenntnis sieht man sich immer vor neuen Herausforderungen, denn Immobilien sind eine komplexe Sache und jeweils sehr
individuell hinsichtlich des jeweiligen Objektes.
Ausgehend von der Sichtweise, dass jede Immobilie eigentlich ein
kleines Unternehmen darstellt und dieses Unternehmen über Kunden,
also den Mieter, sowie über Mitarbeiter, hier sind die Dienstleister
gemeint, als auch über Lieferanten verschiedener Art (zum Beispiel
Handwerker, Heizung, Gas-Wasser) verfügt, macht es Sinn, Immobilien mit den gleichen Werkzeugen zu untersuchen, die man auch im
klassischen Unternehmensbereich benutzt. Eines der typischsten
Werkzeuge für Unternehmensentscheidungen ist die SWOT-Analyse.
Jörg Winterlich
unterrichtet Unternehmer zu den
Themen Immobilieninvestments
und Geld. Er ist Initiator und
Geschäftsführer des „Immobilien
Investment Clubs“ und Autor
vieler Fachartikel.
Infos unter www.immobilieninvestment-training.de
Eine SWOT-Analyse ist eine Stärken-Schwächen-Chancen-RisikenAnalyse und kann helfen, einerseits alle entscheidungsrelevanten
Daten und Fakten aufzubereiten und zu beleuchten und anderseits
daraus strategische Handlungsoptionen abzuleiten. Natürlich haben
Immobilien im Vergleich zu klassischen Unternehmen einige Besonderheiten sowie Vor- und Nachteile. Zum Einen ist dies die feste Gebundenheit an einen ganz konkreten Standort mit den direkten Nachbarobjekten sowie die äußerst hohe Langlebigkeit und der nicht substituierbare Grundbedarf Wohnen.
Konkrete Vorteile der Immobilie
Zu den konkreten Vorteilen der Immobilie kann man generell die hohe Beleihbarkeit und Finanzierbarkeit zählen, die Nichtersetzbarkeit durch andere Wirtschaftsgüter als auch die sehr lange Entstehungszeit für neue Immobilien und die vergleichsweise langsamen Veränderungsprozesse am
Markt.
Jörg Winterlich
Die SWOT-Analyse für Investment-Immobilien
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Ein weiterer Vorteil des „Unternehmens Immobilie“ sind die hohen Steuervorteile (wir sprechen hier
nicht von den üblichen Steuersparmodellen insbesondere bei Denkmalobjekten, sondern von echten Steuerstrategien, die für den Eigentümer wirken) und zugleich die verschiedenen nutzbaren Aufwertungschancen bei Immobilien.
Konkrete Nachteile der Immobilie
Welche generellen Immobilien-Nachteile gibt es? Wie auch bei klassischen Unternehmen und ganz
in Abgrenzung zu anderen Investments (insbesondere Aktien und Wertpapiere) bedürfen Immobilien einer ausführlichen Betreuung / eines Managements. Man kann deshalb sagen, Immobilien sind
einerseits eine weniger effiziente, aber gleichzeitig hocheffektive Investmentform. Bedingt durch
relativ lange Transaktionszeiten ist natürlich die schnelle Liquidierung in Cash nicht möglich, lassen
sich konkrete Preise tagesaktuell nicht ermitteln.
Nachfolgend werden wir uns mit der Anwendung der SWOT-Analyse für Immobilien beschäftigen.
Dabei werde ich drei verschiedene Sichtweisen beziehungsweise Anwendungszeiträume für die Analyse betrachten (SWOT-Analyse bei Erwerb, SWOT-Analyse im Immobilienbestand, SWOT-Analyse
als Werkzeug für Immobilienmakler). Zudem werde ich an einem ganz konkreten, eigenen Objekt die
praktische Anwendung und deren Ergebnisse verdeutlichen.
Die allgemeine Anwendung der SWOT-Analyse auf Investment-Immobilien
Bei der SWOT-Analyse betrachtet man die Stärken und die Schwächen als Bestandteil der Innenanalyse/Unternehmensanalyse (hier also das zu erwerbende oder das Bestandsobjekt) sowie die
Chancen und Risiken als Sicht nach außen und das Marktumfeld. Dann gilt es, die Beziehungen und
Wechselwirkungen der vier Bereiche zu untersuchen und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Stärken und Schwächen als interne Analyse
Die Stärken (engl. „strengths“) sind alle Vorteile und positiven Eigenschaften der entsprechenden
Immobilie. Hierzu können unter anderem gehören: eine solide beziehungsweise hochwertige Bausubstanz, ein Vorteil in der Lage des Objektes, Vorteile hinsichtlich einer zahlungskräftigen und
gesunden Mieterstruktur beziehungsweise moderate Bewirtschaftungskosten und wenige Reparaturen am Objekt.
Die Schwächen (engl. „weaknesses“) des Objektes beschreiben alle Nachteile des vorhandenen
Objektes, wie beispielsweise renovierungs- oder sanierungsbedürftiger Bauzustand, hohe Nebenkosten und Verbrauchswerte, reparaturbedürftige oder veraltete Technik, Zahlungsausfälle oder
Zahlungsverzögerungen bei Mieten oder hoher Verkehrslärm bei vergleichsweise schlechter Schallisolierung.
Bei der Stärken- und Schwächenanalyse werden also alle Gegebenheiten des Objektes explizit untersucht und festgestellt, worin die Vor- und Nachteile des Objektes im Vergleich zu typischen anderen Objekten beziehungsweise zu einem „Normalzustand“ bestehen.
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Die Themenbereiche zur Stärken-Schwächen-Beleuchtung sind unter anderem
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Bautyp und Ausstattung
Lage
Bauwerksqualität
Gebäudetechnik
Grundstückseigenschaften
Mieterstruktur und Mietbedarf
Verwaltung
Instandhaltung
Dokumentation
Verkehrsanbindung
finanzielle Kennzahlen
Umbau- und Umnutzungsmöglichkeiten
Chancen und Risiken als externe Analyse
Bei der Chancen- und Risikenanalyse als Bestandteil der externen Analyse/Umfeldanalyse will man
vor allem feststellen, welche positiven und negativen Veränderungen im unmittelbaren Umfeld der
Immobilie beziehungsweise im Markt auftreten können.
Die Chancen (engl. „opportunities“) beschreiben daher, welche positiven Entwicklungen es um das
Objekt in den nächsten Jahren geben könnte. Dazu zählen die Aufwertung des entsprechenden Stadtgebietes, eine positive Entwicklung/mögliche Steigerung der Mieteinnahmen, neue Anbindungen an
die Verkehrsinfrastruktur oder neue Wirtschaftsansiedlungen, die im Umfeld für weitere Wohn-
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nachfragen sorgen. Dies sind alles Faktoren, die unabhängig von den Stärken und Schwächen der
Immobilie um das Objekt herum existieren und zugleich dessen wirtschaftliche Verwertbarkeit in der
Zukunft bedeutend beeinflussen.
Mögliche Risiken (engl. „threats“ = Schläge) des Objektes können zum Beispiel eine mögliche negative Entwicklung der Bevölkerungsstruktur (Wegzug oder Altersverschiebung nach oben), die Lage
zum Beispiel in einem potenziell hochwassergefährdeten Gebiet oder der mögliche Abbau von Verkehrsinfrastrukturverbindungen sein.
Folgende Themenpunkte für Chancen/Risiken sind insbesondere zu betrachten:
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selbst erzielbare Aufwertungschancen/Reservenutzungen am Objekt
Veränderungen des Mikro- und Makroumfeldes
Veränderungen in Einwohnerstruktur + Arbeitsmarkt + Einkommen
Veränderungen in Industrie- und Gewerbelandschaft
Ausbau oder Stilllegung von Verkehrsinfrastruktur
Sanierungsgebiete
rechtliche Änderungen und Zwänge (zum Beispiel EnEV)
Änderungen in der Steuergesetzgebung
Marktnachfrage im privaten und professionellen und institutionellen Bereich
Die Stärken und Schwächen beziehen sich also auf das konkret zu erwerbende Objekt und bezeichnen die Tatsachen, die man unmittelbar käuflich erwirbt beziehungsweise auf die man teils einen wesentlichen Einfluss ausüben kann. Die Chancen und Risiken beziehen sich auf die externen Faktoren,
wie das unmittelbare Umfeld, die generelle Mietentwicklung etc., auf die man keinen oder nur einen
sehr eingeschränkten Einfluss hat.
Das Verfahren als Übersicht
Da Immobilien eine vielschichtige und komplexe Investmentklasse sind, sollten die verschiedenen
Themenbereiche und Faktoren systematisch analysiert werden. Das kann für eine andere Objektklasse und Anlagengröße natürlich deutlich anders aussehen als für die hier betrachteten Wohnimmobilien zum Kaufen und Halten mit mittlerer Einheitenzahl. Insofern ist das hier aufgezeigte
Verfahren auf die entsprechend anderen Objektklassen oder Investmentformen zu spezifizieren.
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Die folgende Übersicht stellt das Verfahren allgemein dar:
INTERNE ANALYSE – OBJEKT-/UMGEBUNGSFAKTOREN
S = Stärken
W = Schwächen
O = CHANCEN
T= RISIKEN
EXTERNE ANALYSE – UMWELTFAKTOREN
Themenbereiche = alle Faktoren, die für die nachhaltige Verwertung und Bewirtschaftung des Objektes maßgeblich sind: Bautyp
und Ausstattung, Bauwerksqualität, Gebäudetechnik, Grundstück,
Mieterstruktur, Verwaltung, Instandhaltung, Dokumentation, Lage ,
Verkehrsanbindung, finanzielle Kennzahlen, Umbau- und Umnutzungsmöglichkeiten
Themenbereiche =
alle Faktoren, die um
das Objekt herum existieren und welche die
zukünftige Verwertbarkeit und Bewirtschaftung des Objektes beeinflussen können, insb.: selbst
erzielbare Aufwertungschancen/
Reservenutzungen
am Objekt, Veränderungen des Mikround Makroumfeldes,
Veränderungen in
Einwohnerstruktur +
Job-Angebote + Einkommen, Veränderungen in Industrieund Gewerbelandschaft, Ausbau oder
Stilllegung von Verkehrsinfrastruktur,
Sanierungsgebiete,
rechtliche Änderungen und Zwänge (z.B.
EnEV), Änderungen
in der Steuergesetzgebung, Marktnachfrage im privaten und
professionellen und
institutionellen
SO = Stärken-ChancenAbgleich
WO = Schwächen-ChancenAbgleich
쮿 Stärken und
Chancen nutzen
쮿 Schwächen abbauen +
Chancen nutzen
쏔 Welche Stärken passen
zu welchen Chancen?
쏔 Wie Stärken und eigene
Ressourcen einsetzen, dass
Chancen optimalgenutzt
werden?
쏔 Wie lassen sich aus
Schwächen Stärken
entwickeln?
쏔 Wie lassen sich Chancen
aus den Schwächen
entwickeln?
ST = Stärken-RisikenAbgleich
WT = Schwächen-RisikenAbgleich
쮿 Stärken nutzen und
Risiken verringern
쮿 Schwächen abbauen und
Risiken vorbeugen
쏔 Welche Risiken sind mit welchen Stärken verbunden?
쏔 Wie sind die Stärken am
besten einzusetzen, um
Risiken zu begrenzen?
쏔 Welche Schwächen sind
besonders risikorelevant?
쏔 Wie vor Schaden schützen
bzw. absichern?
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Nachdem die interne Analyse (Stärken- und Schwächen) sowie externe Analyse (Chancen und Risiken) getrennt voneinander ausgeführt worden sind, gilt es nun, die Beziehungen und Wechselwirkungen untereinander zu untersuchen und daraus Handlungsoptionen abzuleiten.
Die vier Bereiche
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쮿
쮿
SO = Stärken-Chancen-Abgleich
WO = Schwächen-Chancen-Abgleich
ST = Stärken-Risiken-Abgleich
WT = Schwächen-Risiken-Abgleich
werden hierbei miteinander unter verschiedenen Blickwinkeln (siehe Fragestellungen) abgeglichen
und daraus konkrete Handlungsoptionen abgeleitet.
Die Sicht des Profianlegers/Investors bei Immobilieneinkauf
Ein Profianleger/Investor weiß, in jedem Deal steckt ein Risiko. Profis handeln eher nicht riskant –
sondern risikobewusst. Das ist etwas, das die meisten Laienanleger nicht verstehen – sie wollen Risiken vermeiden und handeln zugleich oft sehr riskant.
Ein generelles Vorgehen zur Risikoanalyse wird hier vereinfacht dargestellt:
a)
b)
c)
d)
e)
Welche Risiken gibt es?
Wie hoch ist deren Eintrittswahrscheinlichkeit?
Wie hoch ist der potenzielle Schaden?
Was kann zur Absicherung/Minderung im Schadensfall (vorbeugend) getan werden?
Ist man der Richtige, der mit den Risiken und den Folgen umgehen kann?
Auf der anderen Seite macht es Sinn, die spezifischen Vorteile und Entwicklungschancen des Objektes genau zu analysieren, denn schließlich möchte man als Profi-Anleger kein durchschnittliches
Investment, bei dem die meisten anderen Personen nichts oder nur sehr begrenzt verdienen. Unser
Investor-Ziel ist es, deutliche Cashflow-Zuwächse und deutliche innere Wertzuwächse zu generieren. Bei wirklich guten Geschäften sind Eigenkapitalrenditen im mittleren und höheren zweistelligen
Prozentbereich möglich, während der klassische Anleger oftmals nur einstellige Eigenkapitalrenditen
vorweisen kann und oft gleichzeitig noch größere Verlustrisiken zu schultern hat.
Die SWOT-Analyse ist hierbei ein wichtiges Tool beim Einkauf, um die Schwächen und Risiken des
Investment einerseits abschätzen zu können und andererseits die Stärken und Chancen zu eruieren,
welche dann die Basis für eine entsprechende Optimierung und Aufwertung des Geschäftsbetriebes
Immobilie sind. Bei den ermittelten Schwächen und Risiken steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, ob
der Investor mit diesen spezifischen Schwächen/Risiken umgehen kann, ob er die geeigneten Werkzeuge und Handlungsmöglichkeiten hat, um die Schwächen zu kompensieren beziehungsweise die
Risiken abzusichern oder zumindest im Eintrittsfall deutlich abzumildern. Hierbei kommt es also nicht
nur auf die Gegebenheiten des Objektes oder die Hintergründe des Marktumfeldes an, sondern ein wesentliches Augenmerk liegt auch auf den Fähigkeiten und Fertigkeiten des jeweiligen Anlegers/Investors.
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Besonders interessant ist die Frage: Wie lassen sich Nachteile eines Objektes sogar möglicherweise
in Vorteile verwandeln und welcher konkrete finanzielle Aufwand und welche Umgestaltungsarbeiten
sind hierfür notwendig? Der Investor fragt also nicht nur, wie er mit einem Nachteil umgehen kann,
wie er diesen Nachteil abmildern kann, sondern was aktiv und konkret zu tun ist, um aus einem Nachteil für die Zukunft sogar einen Vorteil zu produzieren.
Die Veränderung dieser Sichtweise ist ebenso auf die spezifischen Risiken möglich. Wir fragen uns
also nicht nur, welches spezifische Risiko besteht an einer bestimmten Stelle und wie können wir dieses Risiko abmildern oder absichern, sondern was können wir aktiv
machen, um aus diesem Risiko eine besondere Chance zu entwickeln. Dazu gehören beispielsweise Umnutzungskonzepte, techSWOT und Immobiliennische Einbauten, bautechnische Veränderungen oder die Fokussierung auf eine bestimmte neue Kundenzielgruppe.
investment passen
hervorragend zusammen.
Die SWOT-Analyse als Werkzeug für den Makler
Auch für einen Makler macht es Sinn, sich mit SWOT, insbesondere
den Stärken und Schwächen eines Investmentobjektes zu beschäftigen. Schließlich verwendet der Makler einerseits viel Zeit und Kosten für die Objektvermarktung und
steht gegebenenfalls im Verkaufswettbewerb mit anderen Maklern. Vor allem aber möchten ProfiAnleger/Investoren in einer kurzen und knappen Form vom Makler wissen, wo die jeweiligen Besonderheiten des Objektes liegen.
Eine klar strukturierte Stärken-Schwächen-Kommunikation kann und darf natürlich nur an bekannte,
geprüfte Interessenten erfolgen, die hiermit auch umzugehen wissen. Dies sollte eher im vertraulichen Gespräch/Telefonat erfolgen und nicht umfassender Bestandteil des Exposés sein. Der
Makler sollte direkt am Anfang auch auf die Schwächen und möglichen Risiken eines Objektes hinweisen, denn Profis wissen, dass bei jedem Objekt Schwächen und Risiken vorhanden sind, mit denen
sie umgehen müssen. Ebenso wird durch die Positiv-zuerst-Negativ-später-Abfolge die Entscheidungswahrscheinlichkeit für einen Kauf deutlich nach unten gedrückt. Der Profi-Anleger/Investor
nimmt den Makler möglicherweise als nicht kompetent wahr, was zu einem Abbruch der Geschäftsbeziehung führen kann.
Die SWOT-Analyse für Bestandsobjekte
Während für den Neuerwerb einer Immobilie noch die Frage „ob“ und „wie“ steht, ist bei einem
Bestandsobjekt diese Entscheidung ja schon getroffen worden, egal ob mit oder ohne „SWOT“-Überlegungen. Eine nachträgliche Objekteinkaufs-SWOT-Analyse ist auf jeden Fall zu empfehlen, wenn
bisher keine vorhanden ist. Das ist sowohl ein genereller Lernprozess als auch die Möglichkeit, den
damaligen Kaufvorgang und den bisherigen Werdegang des Objektes noch einmal nachzuvollziehen.
Die Auffrischung der SWOT-Analyse alle zwei bis drei Jahre für Bestandsobjekte ist ebenfalls sinnvoll,
um sich mit der aktuellen Positionierung des Objektes sowie der weiteren möglichen Entwicklung
auseinanderzusetzen. Manchmal sind zwei bis drei kleine und weniger kostenaufwendige Änderungen vorzunehmen, die dann den zukünftigen Cashflow sowie die Eigenkapitalrendite deutlich vergrößern. Die Umsetzung der Maßnahmen kann dann wieder an die Dienstleister/Verwalter beauftragt und mit diesem abgestimmt werden.
Jörg Winterlich
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Ebenso wäre eine Exit-Entscheidung denkbar, wenn das Objekt nicht mehr zum Investment-Portfolio oder den Investment-Zielen passt, sich interessantere Optionen ergeben oder die Schwächen/Risiken die Stärken/Chancen in der Zukunft überwiegen.
SWOT-Anwendungsbeispiel für ein konkretes Investmentobjekt
Von einem sehr professionell agierenden Investmentmakler wurde dem Autor vor rund zwei Jahren
ein 14-Familienhaus in Dresden angeboten. Der Makler übersandte ein einseitiges Exposé ohne
Bild, jedoch mit allen wichtigen Eckdaten zum Objekt. Das Exposé war frei von jeglichen schönen
Beschreibungstexten und aufwendiger Gestaltung.
Der Makler war in der Lage, bereits am Telefon klar und deutlich die Stärken und Schwächen des
Objektes zu benennen. Nach dem Telefonat übersandte der Makler ungefähr 45 PDF-Dokumente
mit der von ihm aufgearbeiteten Dokumentation zum Objekt. Darunter waren alle Mietverträge, eine
aussagekräftige Mietübersicht, Baupläne, Wartungsverträge, alle behördlichen Bescheide, Denkmalschutzauskunft etc.
Der Makler hatte sich hierzu vom Objekteigentümer die Vollmachten erteilen lassen und alle relevanten Dokumente zum Objekt bei Ämtern und Dienstleistern eingeholt. Die PDF-Dokumente ließen
sich schnell und bequem per Email an die finanzierende Bank sowie eigene Dienstleister weiterleiten.
Konkret wurde dieses Objekt eine Woche nach dem Erst-Exposé zusammen mit einem Baufachmann
und dem zukünftigen Verwalter besichtigt. Stärken und Schwächen wurden nochmals untersucht
und Chancen und Risiken beleuchtet. Nach weiteren zehn Tagen, also zweieinhalb Wochen nach
Erstvorstellung, wurde das Objekt beim Notar beurkundet. Der Makler hat seine Provision am nachfolgenden Tag per Blitzüberweisung auf seinem Konto gutgeschrieben bekommen.
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Die SWOT-Analyse für das Objekt sieht wie folgt aus:
OBJEKTFAKTOREN
S = Stärken
T= RISIKEN
UMWELTFAKTOREN
O = CHANCEN
Solide Bauweise 1930, Wärmedämmung, neue Fenster, Dach solide,
größeres Grundstück mit Innenhof, Balkone und Loggias, umfassende Objektdokumentation (Unterlagen), insb. 2- und 3-R-WE
mit praktischen Grundrissen, Wohnlage nahe zu Erholungsgebiet,
10 min per Bahn in Stadtzentrum, 10 min per Bus zur Uni, gute WENachfrage, guter Einkaufspreis, bereits positiver Cashflow ab Tag 1,
stabile solide Mietverträge, Mieter sehen das Haus als „ihr Haus“,
reiner Wohnbau > vergleichsweise einfache Finanzierung
Entwicklung des
Mikro-Umfeldes,
Vergrößerung der
Wohnnachfrage,
Stadt wird auch von
internationalen
Anlegern / Investoren entdeckt
SO = Stärken-Chancen-Abgleich
Unerwartete Instandhaltungsprobleme,
vermehrter Mieterauszug nach Mietanpassungen,
Erhöhung des
Verkehrslärmes,
Problemmieter
ST = Stärken-Risiken-Abgleich
쮿 Stärken und Chancen nutzen
쏔 kpl. WE-Renovierung bei Auszug und höhere Neuvermietung
쏔 „Luft“ für weitere Mietanpassungen im Bestand ab Jahr 4
쏔 ggf. Verkauf bei hohem Gebot
쮿 Stärken nutzen und Risiken abmildern
쏔 Bei Bedarf erhöhte Neuvermietungsaktivitäten und
Zusatznutzen für Mieter bieten
쏔 Verstärkte Vermietung an Studenten oder junge Familien mit
Kind
쏔 4-stufige Prüfung aller neuen Mietinteressenten
쏔 verstärkter Mieterauszug ist aktuell sogar Vorteil
쏔 maximale Nutzung der steuerlichen Optimierung
(Renovierungs- und Instandhaltungsaufwand)
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OBJEKTFAKTOREN
W = SCHWÄCHEN
T= RISIKEN
UMWELTFAKTOREN
O = CHANCEN
Partieller Instandhaltungsrückstau, optisch „grausame“ Treppenhäuser, optisch überarbeitungsbedürftiger Außenbereich, mittlere Verwaltungsqualität, Wohnungen technisch i.O., aber optisch veraltet
(Teppich, Bäder), Lage an lauter Hauptstraße mit Straßenbahn,
2 Tankstellen in unmittelbarem Umfeld, Mieten über lange Zeit nicht
angepasst, 1 von 2 Treppenaufgängen im Innenhof kpl. defekt, partielle
Feuchte im Kellerbereich, mittlere bis einfache Wohnlage, keine Garagen / Stellplätze, Hausmeister ist selbst Mieter im Haus und benimmt
sich teils wie der „Herr“ im Objekt, meist ältere Leute im Haus
Entwicklung des
Mikro-Umfeldes,
Vergrößerung der
Wohnnachfrage,
Stadt wird auch von
internationalen
Anlegern / Investoren entdeckt
WO = Schwächen-Chancen-Abgleich
unerwartete Instandhaltungsprobleme,
vermehrter Mieterauszug nach Mietanpassungen,
Erhöhung des
Verkehrslärmes,
Problemmieter
WT = Schwächen-Risiken-Abgleich
쮿 Schwächen abbauen + Chancen nutzen
쏔 Mietanpassungen lt. Mietspiegel und Vergleichsmieten
(Umgebung)
쏔 Neugestaltung Treppenhäuser
쏔 Aufarbeitung Außenbereich
쏔 Treppenaufgang instandsetzen
쏔 Feuchtigkeitsproblem lösen (Trocknung)
쏔 Angebot an Bestandsmieter zu Renovierung gegen „Aufgeld“
쏔 optische HighLights setzen
쏔 Verwalter ersetzen
쏔 Hausmeister ersetzen
쮿 Schwächen abbauen und Risiken vorbeugen
쏔 ausführlicher bautechnischer Objektcheck vor dem Kauf
쏔 Mängelliste mit „Preisen“ für Einkaufsverhandlungen
쏔 Planung der „Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen“ mit ausführlicher Zeitraum-Kosten-Aufstellung
(wgn. 15%-3 Jahre-Grenze und Risiko des steuerlichen Ansetzungsverlustes)
쏔 optional weitere Lärmschutzmaßnahmen, insb. „Eindringlücken“ erkennen (oft eingeschränkte Möglichkeiten)
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Das Objekt nach zwei Jahren: Cash-stark, Stärken + Chancen genutzt!
Wir können heute von einem sehr soliden und äußerst ertragsstarken Objekt in einer einfachen bis mittleren städtischen Wohnlage mit weiterem Entwicklungspotenzial sprechen, welches jederzeit voll vermietet ist und gegenüber dem Kaufzeitpunkt einen um fast 20 Prozent gestiegenen Mietertrag aufweist.
Diese 20-prozentige Steigerung resultiert einerseits aus der Mietanpassung in dem Bereich der
übernommenen Mietverträge sowie aus der Renovierung von gekündigten Wohnungen und Neuvermietung zu einem deutlich höheren Mietpreis. Insgesamt kann man sagen, dass sich dieses
Objekt nach einer 3,09-Prozent-Finanzierung fix über zehn Jahre sowie vollen vier Prozent Tilgung
pro Jahr und einem privaten 45-Prozent-Grenzsteuersatz immer noch vollständig selbst trägt und
sogar einen kleinen Cash-Betrag auf das Eigentümerkonto abwirft.
Die Aufgabe für clevere Profianleger und Investoren ist es, nach solchen Objekten zu suchen, die
deutliche Chancen und Aufwertungspotenziale beinhalten, welche noch nicht eingepreist sind. Dazu
gehören explizite Kenntnisse des jeweiligen Marktumfeldes, vertrauensvolle Kontakte zu wenigen,
jedoch sehr professionellen Investmentmaklern sowie eine ausführliche Stärken-, Schwächen-,
Chancen- und Risikenanlyse (SWOT) mit darauf basierender Strategieableitung und aktiver Umsetzung. Zusätzlich kommen noch steuerliche Vorteile aus der Renovierung und Instandhaltung hinzu.
Da die Mittel, welche in den vergangenen zwei Jahren in das Objekt investiert wurden, unterhalb der
15-Prozent-Bemessungsgrenze liegen, können diese als Kosten sofort zu 100 Prozent im laufenden Jahr steuerlich geltend gemacht werden. Der Ertragswert des Objektes wird so mittelfristig weiter gesteigert und der Objektwert steigt auf Grund des höheren Cashflows und der aufgewerteten
Substanz weiter. Die Renovierungs- und Instandhaltungskosten wurden und werden weitgehend
fremdfinanziert, was nicht nur den Eigenmitteleinsatz sehr gering hält. Sie führen sogar zu einem
45-prozentigen Liquiditätsgewinn, da das Finanzamt den Steuervorteil natürlich „in bar“ an den
Investor auszahlt. Ohne Stärken-, Schwächen-, Chancen- und Risikenanlyse wäre eine Optimierung
in diesen Größen wahrscheinlich so nicht möglich gewesen.
Fazit
Auch wenn die SWOT-Analyse als solche eigentlich nichts Neues darstellt, sondern sich seit vielen
Jahren als Werkzeug im Businessbereich bewährt, so ist die immobilienbezogene Anwendung eher
ein Novum. Sie wird bisher nur von wenigen, meist sehr professionellen oder institutionellen Anlegern/Investoren konsequent angewendet. Zugleich macht sie jedoch besonderen Sinn, da wir bei
Immobilien mit a) relativ teureren, b) recht komplexen und c) individuellen oft deutlich fremdfinanzierten Wirtschaftsgütern handeln beziehungsweise diese besitzen.
Wenn der Profianleger/Investor dieses Werkzeug zur Ankaufsentscheidung und Strategiefindung
nutzt und gleichzeitig auf einen Makler trifft, der gut mit den Stärken/Schwächen sowie grob mit den
möglichen Chancen und Risiken des Objekten vertraut und in der Lage ist, dieses zu kommunizieren,
findet eine professionelle, zeitsparende und beidseitig ertragsstarke Zusammenarbeit statt. Auch
im eigenen Objektbestand macht es Sinn, sich hin und wieder mit den Stärken und Schwächen seines
Objektes vertraut zu machen und die Chancen/Risiken für den nächsten Zeitraum zu betrachten, um
entweder Handlungsmöglichkeiten für die weitere Bestandspflege zu haben oder gegebenfalls eine
Verkaufsentscheidung für ein konkretes Objekt zu treffen.