114 Jahrbuch der Immobilienwirtschaft 2013 Die SWOT-Analyse für Investment-Immobilien Von Jörg Winterlich Möchte ein Profi-Anleger oder Investor eine Immobilie erwerben, steht die Frage, wie er dieses Investment am sinnvollsten recherchiert und bewertet und dann eine fundierte Entscheidung trifft. Selbst bei guten Erfahrungswerten und Detailkenntnis sieht man sich immer vor neuen Herausforderungen, denn Immobilien sind eine komplexe Sache und jeweils sehr individuell hinsichtlich des jeweiligen Objektes. Ausgehend von der Sichtweise, dass jede Immobilie eigentlich ein kleines Unternehmen darstellt und dieses Unternehmen über Kunden, also den Mieter, sowie über Mitarbeiter, hier sind die Dienstleister gemeint, als auch über Lieferanten verschiedener Art (zum Beispiel Handwerker, Heizung, Gas-Wasser) verfügt, macht es Sinn, Immobilien mit den gleichen Werkzeugen zu untersuchen, die man auch im klassischen Unternehmensbereich benutzt. Eines der typischsten Werkzeuge für Unternehmensentscheidungen ist die SWOT-Analyse. Jörg Winterlich unterrichtet Unternehmer zu den Themen Immobilieninvestments und Geld. Er ist Initiator und Geschäftsführer des „Immobilien Investment Clubs“ und Autor vieler Fachartikel. Infos unter www.immobilieninvestment-training.de Eine SWOT-Analyse ist eine Stärken-Schwächen-Chancen-RisikenAnalyse und kann helfen, einerseits alle entscheidungsrelevanten Daten und Fakten aufzubereiten und zu beleuchten und anderseits daraus strategische Handlungsoptionen abzuleiten. Natürlich haben Immobilien im Vergleich zu klassischen Unternehmen einige Besonderheiten sowie Vor- und Nachteile. Zum Einen ist dies die feste Gebundenheit an einen ganz konkreten Standort mit den direkten Nachbarobjekten sowie die äußerst hohe Langlebigkeit und der nicht substituierbare Grundbedarf Wohnen. Konkrete Vorteile der Immobilie Zu den konkreten Vorteilen der Immobilie kann man generell die hohe Beleihbarkeit und Finanzierbarkeit zählen, die Nichtersetzbarkeit durch andere Wirtschaftsgüter als auch die sehr lange Entstehungszeit für neue Immobilien und die vergleichsweise langsamen Veränderungsprozesse am Markt. Jörg Winterlich Die SWOT-Analyse für Investment-Immobilien 115 Ein weiterer Vorteil des „Unternehmens Immobilie“ sind die hohen Steuervorteile (wir sprechen hier nicht von den üblichen Steuersparmodellen insbesondere bei Denkmalobjekten, sondern von echten Steuerstrategien, die für den Eigentümer wirken) und zugleich die verschiedenen nutzbaren Aufwertungschancen bei Immobilien. Konkrete Nachteile der Immobilie Welche generellen Immobilien-Nachteile gibt es? Wie auch bei klassischen Unternehmen und ganz in Abgrenzung zu anderen Investments (insbesondere Aktien und Wertpapiere) bedürfen Immobilien einer ausführlichen Betreuung / eines Managements. Man kann deshalb sagen, Immobilien sind einerseits eine weniger effiziente, aber gleichzeitig hocheffektive Investmentform. Bedingt durch relativ lange Transaktionszeiten ist natürlich die schnelle Liquidierung in Cash nicht möglich, lassen sich konkrete Preise tagesaktuell nicht ermitteln. Nachfolgend werden wir uns mit der Anwendung der SWOT-Analyse für Immobilien beschäftigen. Dabei werde ich drei verschiedene Sichtweisen beziehungsweise Anwendungszeiträume für die Analyse betrachten (SWOT-Analyse bei Erwerb, SWOT-Analyse im Immobilienbestand, SWOT-Analyse als Werkzeug für Immobilienmakler). Zudem werde ich an einem ganz konkreten, eigenen Objekt die praktische Anwendung und deren Ergebnisse verdeutlichen. Die allgemeine Anwendung der SWOT-Analyse auf Investment-Immobilien Bei der SWOT-Analyse betrachtet man die Stärken und die Schwächen als Bestandteil der Innenanalyse/Unternehmensanalyse (hier also das zu erwerbende oder das Bestandsobjekt) sowie die Chancen und Risiken als Sicht nach außen und das Marktumfeld. Dann gilt es, die Beziehungen und Wechselwirkungen der vier Bereiche zu untersuchen und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Stärken und Schwächen als interne Analyse Die Stärken (engl. „strengths“) sind alle Vorteile und positiven Eigenschaften der entsprechenden Immobilie. Hierzu können unter anderem gehören: eine solide beziehungsweise hochwertige Bausubstanz, ein Vorteil in der Lage des Objektes, Vorteile hinsichtlich einer zahlungskräftigen und gesunden Mieterstruktur beziehungsweise moderate Bewirtschaftungskosten und wenige Reparaturen am Objekt. Die Schwächen (engl. „weaknesses“) des Objektes beschreiben alle Nachteile des vorhandenen Objektes, wie beispielsweise renovierungs- oder sanierungsbedürftiger Bauzustand, hohe Nebenkosten und Verbrauchswerte, reparaturbedürftige oder veraltete Technik, Zahlungsausfälle oder Zahlungsverzögerungen bei Mieten oder hoher Verkehrslärm bei vergleichsweise schlechter Schallisolierung. Bei der Stärken- und Schwächenanalyse werden also alle Gegebenheiten des Objektes explizit untersucht und festgestellt, worin die Vor- und Nachteile des Objektes im Vergleich zu typischen anderen Objekten beziehungsweise zu einem „Normalzustand“ bestehen. Jahrbuch der Immobilienwirtschaft 2013 shutterstock.com/elxeneize 116 Die Themenbereiche zur Stärken-Schwächen-Beleuchtung sind unter anderem 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 Bautyp und Ausstattung Lage Bauwerksqualität Gebäudetechnik Grundstückseigenschaften Mieterstruktur und Mietbedarf Verwaltung Instandhaltung Dokumentation Verkehrsanbindung finanzielle Kennzahlen Umbau- und Umnutzungsmöglichkeiten Chancen und Risiken als externe Analyse Bei der Chancen- und Risikenanalyse als Bestandteil der externen Analyse/Umfeldanalyse will man vor allem feststellen, welche positiven und negativen Veränderungen im unmittelbaren Umfeld der Immobilie beziehungsweise im Markt auftreten können. Die Chancen (engl. „opportunities“) beschreiben daher, welche positiven Entwicklungen es um das Objekt in den nächsten Jahren geben könnte. Dazu zählen die Aufwertung des entsprechenden Stadtgebietes, eine positive Entwicklung/mögliche Steigerung der Mieteinnahmen, neue Anbindungen an die Verkehrsinfrastruktur oder neue Wirtschaftsansiedlungen, die im Umfeld für weitere Wohn- Jörg Winterlich Die SWOT-Analyse für Investment-Immobilien 117 nachfragen sorgen. Dies sind alles Faktoren, die unabhängig von den Stärken und Schwächen der Immobilie um das Objekt herum existieren und zugleich dessen wirtschaftliche Verwertbarkeit in der Zukunft bedeutend beeinflussen. Mögliche Risiken (engl. „threats“ = Schläge) des Objektes können zum Beispiel eine mögliche negative Entwicklung der Bevölkerungsstruktur (Wegzug oder Altersverschiebung nach oben), die Lage zum Beispiel in einem potenziell hochwassergefährdeten Gebiet oder der mögliche Abbau von Verkehrsinfrastrukturverbindungen sein. Folgende Themenpunkte für Chancen/Risiken sind insbesondere zu betrachten: 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 쮿 selbst erzielbare Aufwertungschancen/Reservenutzungen am Objekt Veränderungen des Mikro- und Makroumfeldes Veränderungen in Einwohnerstruktur + Arbeitsmarkt + Einkommen Veränderungen in Industrie- und Gewerbelandschaft Ausbau oder Stilllegung von Verkehrsinfrastruktur Sanierungsgebiete rechtliche Änderungen und Zwänge (zum Beispiel EnEV) Änderungen in der Steuergesetzgebung Marktnachfrage im privaten und professionellen und institutionellen Bereich Die Stärken und Schwächen beziehen sich also auf das konkret zu erwerbende Objekt und bezeichnen die Tatsachen, die man unmittelbar käuflich erwirbt beziehungsweise auf die man teils einen wesentlichen Einfluss ausüben kann. Die Chancen und Risiken beziehen sich auf die externen Faktoren, wie das unmittelbare Umfeld, die generelle Mietentwicklung etc., auf die man keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Einfluss hat. Das Verfahren als Übersicht Da Immobilien eine vielschichtige und komplexe Investmentklasse sind, sollten die verschiedenen Themenbereiche und Faktoren systematisch analysiert werden. Das kann für eine andere Objektklasse und Anlagengröße natürlich deutlich anders aussehen als für die hier betrachteten Wohnimmobilien zum Kaufen und Halten mit mittlerer Einheitenzahl. Insofern ist das hier aufgezeigte Verfahren auf die entsprechend anderen Objektklassen oder Investmentformen zu spezifizieren. 118 Jahrbuch der Immobilienwirtschaft 2013 Die folgende Übersicht stellt das Verfahren allgemein dar: INTERNE ANALYSE – OBJEKT-/UMGEBUNGSFAKTOREN S = Stärken W = Schwächen O = CHANCEN T= RISIKEN EXTERNE ANALYSE – UMWELTFAKTOREN Themenbereiche = alle Faktoren, die für die nachhaltige Verwertung und Bewirtschaftung des Objektes maßgeblich sind: Bautyp und Ausstattung, Bauwerksqualität, Gebäudetechnik, Grundstück, Mieterstruktur, Verwaltung, Instandhaltung, Dokumentation, Lage , Verkehrsanbindung, finanzielle Kennzahlen, Umbau- und Umnutzungsmöglichkeiten Themenbereiche = alle Faktoren, die um das Objekt herum existieren und welche die zukünftige Verwertbarkeit und Bewirtschaftung des Objektes beeinflussen können, insb.: selbst erzielbare Aufwertungschancen/ Reservenutzungen am Objekt, Veränderungen des Mikround Makroumfeldes, Veränderungen in Einwohnerstruktur + Job-Angebote + Einkommen, Veränderungen in Industrieund Gewerbelandschaft, Ausbau oder Stilllegung von Verkehrsinfrastruktur, Sanierungsgebiete, rechtliche Änderungen und Zwänge (z.B. EnEV), Änderungen in der Steuergesetzgebung, Marktnachfrage im privaten und professionellen und institutionellen SO = Stärken-ChancenAbgleich WO = Schwächen-ChancenAbgleich 쮿 Stärken und Chancen nutzen 쮿 Schwächen abbauen + Chancen nutzen 쏔 Welche Stärken passen zu welchen Chancen? 쏔 Wie Stärken und eigene Ressourcen einsetzen, dass Chancen optimalgenutzt werden? 쏔 Wie lassen sich aus Schwächen Stärken entwickeln? 쏔 Wie lassen sich Chancen aus den Schwächen entwickeln? ST = Stärken-RisikenAbgleich WT = Schwächen-RisikenAbgleich 쮿 Stärken nutzen und Risiken verringern 쮿 Schwächen abbauen und Risiken vorbeugen 쏔 Welche Risiken sind mit welchen Stärken verbunden? 쏔 Wie sind die Stärken am besten einzusetzen, um Risiken zu begrenzen? 쏔 Welche Schwächen sind besonders risikorelevant? 쏔 Wie vor Schaden schützen bzw. absichern? Jörg Winterlich Die SWOT-Analyse für Investment-Immobilien 119 Nachdem die interne Analyse (Stärken- und Schwächen) sowie externe Analyse (Chancen und Risiken) getrennt voneinander ausgeführt worden sind, gilt es nun, die Beziehungen und Wechselwirkungen untereinander zu untersuchen und daraus Handlungsoptionen abzuleiten. Die vier Bereiche 쮿 쮿 쮿 쮿 SO = Stärken-Chancen-Abgleich WO = Schwächen-Chancen-Abgleich ST = Stärken-Risiken-Abgleich WT = Schwächen-Risiken-Abgleich werden hierbei miteinander unter verschiedenen Blickwinkeln (siehe Fragestellungen) abgeglichen und daraus konkrete Handlungsoptionen abgeleitet. Die Sicht des Profianlegers/Investors bei Immobilieneinkauf Ein Profianleger/Investor weiß, in jedem Deal steckt ein Risiko. Profis handeln eher nicht riskant – sondern risikobewusst. Das ist etwas, das die meisten Laienanleger nicht verstehen – sie wollen Risiken vermeiden und handeln zugleich oft sehr riskant. Ein generelles Vorgehen zur Risikoanalyse wird hier vereinfacht dargestellt: a) b) c) d) e) Welche Risiken gibt es? Wie hoch ist deren Eintrittswahrscheinlichkeit? Wie hoch ist der potenzielle Schaden? Was kann zur Absicherung/Minderung im Schadensfall (vorbeugend) getan werden? Ist man der Richtige, der mit den Risiken und den Folgen umgehen kann? Auf der anderen Seite macht es Sinn, die spezifischen Vorteile und Entwicklungschancen des Objektes genau zu analysieren, denn schließlich möchte man als Profi-Anleger kein durchschnittliches Investment, bei dem die meisten anderen Personen nichts oder nur sehr begrenzt verdienen. Unser Investor-Ziel ist es, deutliche Cashflow-Zuwächse und deutliche innere Wertzuwächse zu generieren. Bei wirklich guten Geschäften sind Eigenkapitalrenditen im mittleren und höheren zweistelligen Prozentbereich möglich, während der klassische Anleger oftmals nur einstellige Eigenkapitalrenditen vorweisen kann und oft gleichzeitig noch größere Verlustrisiken zu schultern hat. Die SWOT-Analyse ist hierbei ein wichtiges Tool beim Einkauf, um die Schwächen und Risiken des Investment einerseits abschätzen zu können und andererseits die Stärken und Chancen zu eruieren, welche dann die Basis für eine entsprechende Optimierung und Aufwertung des Geschäftsbetriebes Immobilie sind. Bei den ermittelten Schwächen und Risiken steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, ob der Investor mit diesen spezifischen Schwächen/Risiken umgehen kann, ob er die geeigneten Werkzeuge und Handlungsmöglichkeiten hat, um die Schwächen zu kompensieren beziehungsweise die Risiken abzusichern oder zumindest im Eintrittsfall deutlich abzumildern. Hierbei kommt es also nicht nur auf die Gegebenheiten des Objektes oder die Hintergründe des Marktumfeldes an, sondern ein wesentliches Augenmerk liegt auch auf den Fähigkeiten und Fertigkeiten des jeweiligen Anlegers/Investors. 120 Jahrbuch der Immobilienwirtschaft 2013 Besonders interessant ist die Frage: Wie lassen sich Nachteile eines Objektes sogar möglicherweise in Vorteile verwandeln und welcher konkrete finanzielle Aufwand und welche Umgestaltungsarbeiten sind hierfür notwendig? Der Investor fragt also nicht nur, wie er mit einem Nachteil umgehen kann, wie er diesen Nachteil abmildern kann, sondern was aktiv und konkret zu tun ist, um aus einem Nachteil für die Zukunft sogar einen Vorteil zu produzieren. Die Veränderung dieser Sichtweise ist ebenso auf die spezifischen Risiken möglich. Wir fragen uns also nicht nur, welches spezifische Risiko besteht an einer bestimmten Stelle und wie können wir dieses Risiko abmildern oder absichern, sondern was können wir aktiv machen, um aus diesem Risiko eine besondere Chance zu entwickeln. Dazu gehören beispielsweise Umnutzungskonzepte, techSWOT und Immobiliennische Einbauten, bautechnische Veränderungen oder die Fokussierung auf eine bestimmte neue Kundenzielgruppe. investment passen hervorragend zusammen. Die SWOT-Analyse als Werkzeug für den Makler Auch für einen Makler macht es Sinn, sich mit SWOT, insbesondere den Stärken und Schwächen eines Investmentobjektes zu beschäftigen. Schließlich verwendet der Makler einerseits viel Zeit und Kosten für die Objektvermarktung und steht gegebenenfalls im Verkaufswettbewerb mit anderen Maklern. Vor allem aber möchten ProfiAnleger/Investoren in einer kurzen und knappen Form vom Makler wissen, wo die jeweiligen Besonderheiten des Objektes liegen. Eine klar strukturierte Stärken-Schwächen-Kommunikation kann und darf natürlich nur an bekannte, geprüfte Interessenten erfolgen, die hiermit auch umzugehen wissen. Dies sollte eher im vertraulichen Gespräch/Telefonat erfolgen und nicht umfassender Bestandteil des Exposés sein. Der Makler sollte direkt am Anfang auch auf die Schwächen und möglichen Risiken eines Objektes hinweisen, denn Profis wissen, dass bei jedem Objekt Schwächen und Risiken vorhanden sind, mit denen sie umgehen müssen. Ebenso wird durch die Positiv-zuerst-Negativ-später-Abfolge die Entscheidungswahrscheinlichkeit für einen Kauf deutlich nach unten gedrückt. Der Profi-Anleger/Investor nimmt den Makler möglicherweise als nicht kompetent wahr, was zu einem Abbruch der Geschäftsbeziehung führen kann. Die SWOT-Analyse für Bestandsobjekte Während für den Neuerwerb einer Immobilie noch die Frage „ob“ und „wie“ steht, ist bei einem Bestandsobjekt diese Entscheidung ja schon getroffen worden, egal ob mit oder ohne „SWOT“-Überlegungen. Eine nachträgliche Objekteinkaufs-SWOT-Analyse ist auf jeden Fall zu empfehlen, wenn bisher keine vorhanden ist. Das ist sowohl ein genereller Lernprozess als auch die Möglichkeit, den damaligen Kaufvorgang und den bisherigen Werdegang des Objektes noch einmal nachzuvollziehen. Die Auffrischung der SWOT-Analyse alle zwei bis drei Jahre für Bestandsobjekte ist ebenfalls sinnvoll, um sich mit der aktuellen Positionierung des Objektes sowie der weiteren möglichen Entwicklung auseinanderzusetzen. Manchmal sind zwei bis drei kleine und weniger kostenaufwendige Änderungen vorzunehmen, die dann den zukünftigen Cashflow sowie die Eigenkapitalrendite deutlich vergrößern. Die Umsetzung der Maßnahmen kann dann wieder an die Dienstleister/Verwalter beauftragt und mit diesem abgestimmt werden. Jörg Winterlich Die SWOT-Analyse für Investment-Immobilien 121 Ebenso wäre eine Exit-Entscheidung denkbar, wenn das Objekt nicht mehr zum Investment-Portfolio oder den Investment-Zielen passt, sich interessantere Optionen ergeben oder die Schwächen/Risiken die Stärken/Chancen in der Zukunft überwiegen. SWOT-Anwendungsbeispiel für ein konkretes Investmentobjekt Von einem sehr professionell agierenden Investmentmakler wurde dem Autor vor rund zwei Jahren ein 14-Familienhaus in Dresden angeboten. Der Makler übersandte ein einseitiges Exposé ohne Bild, jedoch mit allen wichtigen Eckdaten zum Objekt. Das Exposé war frei von jeglichen schönen Beschreibungstexten und aufwendiger Gestaltung. Der Makler war in der Lage, bereits am Telefon klar und deutlich die Stärken und Schwächen des Objektes zu benennen. Nach dem Telefonat übersandte der Makler ungefähr 45 PDF-Dokumente mit der von ihm aufgearbeiteten Dokumentation zum Objekt. Darunter waren alle Mietverträge, eine aussagekräftige Mietübersicht, Baupläne, Wartungsverträge, alle behördlichen Bescheide, Denkmalschutzauskunft etc. Der Makler hatte sich hierzu vom Objekteigentümer die Vollmachten erteilen lassen und alle relevanten Dokumente zum Objekt bei Ämtern und Dienstleistern eingeholt. Die PDF-Dokumente ließen sich schnell und bequem per Email an die finanzierende Bank sowie eigene Dienstleister weiterleiten. Konkret wurde dieses Objekt eine Woche nach dem Erst-Exposé zusammen mit einem Baufachmann und dem zukünftigen Verwalter besichtigt. Stärken und Schwächen wurden nochmals untersucht und Chancen und Risiken beleuchtet. Nach weiteren zehn Tagen, also zweieinhalb Wochen nach Erstvorstellung, wurde das Objekt beim Notar beurkundet. Der Makler hat seine Provision am nachfolgenden Tag per Blitzüberweisung auf seinem Konto gutgeschrieben bekommen. 122 Jahrbuch der Immobilienwirtschaft 2013 Die SWOT-Analyse für das Objekt sieht wie folgt aus: OBJEKTFAKTOREN S = Stärken T= RISIKEN UMWELTFAKTOREN O = CHANCEN Solide Bauweise 1930, Wärmedämmung, neue Fenster, Dach solide, größeres Grundstück mit Innenhof, Balkone und Loggias, umfassende Objektdokumentation (Unterlagen), insb. 2- und 3-R-WE mit praktischen Grundrissen, Wohnlage nahe zu Erholungsgebiet, 10 min per Bahn in Stadtzentrum, 10 min per Bus zur Uni, gute WENachfrage, guter Einkaufspreis, bereits positiver Cashflow ab Tag 1, stabile solide Mietverträge, Mieter sehen das Haus als „ihr Haus“, reiner Wohnbau > vergleichsweise einfache Finanzierung Entwicklung des Mikro-Umfeldes, Vergrößerung der Wohnnachfrage, Stadt wird auch von internationalen Anlegern / Investoren entdeckt SO = Stärken-Chancen-Abgleich Unerwartete Instandhaltungsprobleme, vermehrter Mieterauszug nach Mietanpassungen, Erhöhung des Verkehrslärmes, Problemmieter ST = Stärken-Risiken-Abgleich 쮿 Stärken und Chancen nutzen 쏔 kpl. WE-Renovierung bei Auszug und höhere Neuvermietung 쏔 „Luft“ für weitere Mietanpassungen im Bestand ab Jahr 4 쏔 ggf. Verkauf bei hohem Gebot 쮿 Stärken nutzen und Risiken abmildern 쏔 Bei Bedarf erhöhte Neuvermietungsaktivitäten und Zusatznutzen für Mieter bieten 쏔 Verstärkte Vermietung an Studenten oder junge Familien mit Kind 쏔 4-stufige Prüfung aller neuen Mietinteressenten 쏔 verstärkter Mieterauszug ist aktuell sogar Vorteil 쏔 maximale Nutzung der steuerlichen Optimierung (Renovierungs- und Instandhaltungsaufwand) Jörg Winterlich Die SWOT-Analyse für Investment-Immobilien 123 OBJEKTFAKTOREN W = SCHWÄCHEN T= RISIKEN UMWELTFAKTOREN O = CHANCEN Partieller Instandhaltungsrückstau, optisch „grausame“ Treppenhäuser, optisch überarbeitungsbedürftiger Außenbereich, mittlere Verwaltungsqualität, Wohnungen technisch i.O., aber optisch veraltet (Teppich, Bäder), Lage an lauter Hauptstraße mit Straßenbahn, 2 Tankstellen in unmittelbarem Umfeld, Mieten über lange Zeit nicht angepasst, 1 von 2 Treppenaufgängen im Innenhof kpl. defekt, partielle Feuchte im Kellerbereich, mittlere bis einfache Wohnlage, keine Garagen / Stellplätze, Hausmeister ist selbst Mieter im Haus und benimmt sich teils wie der „Herr“ im Objekt, meist ältere Leute im Haus Entwicklung des Mikro-Umfeldes, Vergrößerung der Wohnnachfrage, Stadt wird auch von internationalen Anlegern / Investoren entdeckt WO = Schwächen-Chancen-Abgleich unerwartete Instandhaltungsprobleme, vermehrter Mieterauszug nach Mietanpassungen, Erhöhung des Verkehrslärmes, Problemmieter WT = Schwächen-Risiken-Abgleich 쮿 Schwächen abbauen + Chancen nutzen 쏔 Mietanpassungen lt. Mietspiegel und Vergleichsmieten (Umgebung) 쏔 Neugestaltung Treppenhäuser 쏔 Aufarbeitung Außenbereich 쏔 Treppenaufgang instandsetzen 쏔 Feuchtigkeitsproblem lösen (Trocknung) 쏔 Angebot an Bestandsmieter zu Renovierung gegen „Aufgeld“ 쏔 optische HighLights setzen 쏔 Verwalter ersetzen 쏔 Hausmeister ersetzen 쮿 Schwächen abbauen und Risiken vorbeugen 쏔 ausführlicher bautechnischer Objektcheck vor dem Kauf 쏔 Mängelliste mit „Preisen“ für Einkaufsverhandlungen 쏔 Planung der „Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen“ mit ausführlicher Zeitraum-Kosten-Aufstellung (wgn. 15%-3 Jahre-Grenze und Risiko des steuerlichen Ansetzungsverlustes) 쏔 optional weitere Lärmschutzmaßnahmen, insb. „Eindringlücken“ erkennen (oft eingeschränkte Möglichkeiten) 124 Jahrbuch der Immobilienwirtschaft 2013 Das Objekt nach zwei Jahren: Cash-stark, Stärken + Chancen genutzt! Wir können heute von einem sehr soliden und äußerst ertragsstarken Objekt in einer einfachen bis mittleren städtischen Wohnlage mit weiterem Entwicklungspotenzial sprechen, welches jederzeit voll vermietet ist und gegenüber dem Kaufzeitpunkt einen um fast 20 Prozent gestiegenen Mietertrag aufweist. Diese 20-prozentige Steigerung resultiert einerseits aus der Mietanpassung in dem Bereich der übernommenen Mietverträge sowie aus der Renovierung von gekündigten Wohnungen und Neuvermietung zu einem deutlich höheren Mietpreis. Insgesamt kann man sagen, dass sich dieses Objekt nach einer 3,09-Prozent-Finanzierung fix über zehn Jahre sowie vollen vier Prozent Tilgung pro Jahr und einem privaten 45-Prozent-Grenzsteuersatz immer noch vollständig selbst trägt und sogar einen kleinen Cash-Betrag auf das Eigentümerkonto abwirft. Die Aufgabe für clevere Profianleger und Investoren ist es, nach solchen Objekten zu suchen, die deutliche Chancen und Aufwertungspotenziale beinhalten, welche noch nicht eingepreist sind. Dazu gehören explizite Kenntnisse des jeweiligen Marktumfeldes, vertrauensvolle Kontakte zu wenigen, jedoch sehr professionellen Investmentmaklern sowie eine ausführliche Stärken-, Schwächen-, Chancen- und Risikenanlyse (SWOT) mit darauf basierender Strategieableitung und aktiver Umsetzung. Zusätzlich kommen noch steuerliche Vorteile aus der Renovierung und Instandhaltung hinzu. Da die Mittel, welche in den vergangenen zwei Jahren in das Objekt investiert wurden, unterhalb der 15-Prozent-Bemessungsgrenze liegen, können diese als Kosten sofort zu 100 Prozent im laufenden Jahr steuerlich geltend gemacht werden. Der Ertragswert des Objektes wird so mittelfristig weiter gesteigert und der Objektwert steigt auf Grund des höheren Cashflows und der aufgewerteten Substanz weiter. Die Renovierungs- und Instandhaltungskosten wurden und werden weitgehend fremdfinanziert, was nicht nur den Eigenmitteleinsatz sehr gering hält. Sie führen sogar zu einem 45-prozentigen Liquiditätsgewinn, da das Finanzamt den Steuervorteil natürlich „in bar“ an den Investor auszahlt. Ohne Stärken-, Schwächen-, Chancen- und Risikenanlyse wäre eine Optimierung in diesen Größen wahrscheinlich so nicht möglich gewesen. Fazit Auch wenn die SWOT-Analyse als solche eigentlich nichts Neues darstellt, sondern sich seit vielen Jahren als Werkzeug im Businessbereich bewährt, so ist die immobilienbezogene Anwendung eher ein Novum. Sie wird bisher nur von wenigen, meist sehr professionellen oder institutionellen Anlegern/Investoren konsequent angewendet. Zugleich macht sie jedoch besonderen Sinn, da wir bei Immobilien mit a) relativ teureren, b) recht komplexen und c) individuellen oft deutlich fremdfinanzierten Wirtschaftsgütern handeln beziehungsweise diese besitzen. Wenn der Profianleger/Investor dieses Werkzeug zur Ankaufsentscheidung und Strategiefindung nutzt und gleichzeitig auf einen Makler trifft, der gut mit den Stärken/Schwächen sowie grob mit den möglichen Chancen und Risiken des Objekten vertraut und in der Lage ist, dieses zu kommunizieren, findet eine professionelle, zeitsparende und beidseitig ertragsstarke Zusammenarbeit statt. Auch im eigenen Objektbestand macht es Sinn, sich hin und wieder mit den Stärken und Schwächen seines Objektes vertraut zu machen und die Chancen/Risiken für den nächsten Zeitraum zu betrachten, um entweder Handlungsmöglichkeiten für die weitere Bestandspflege zu haben oder gegebenfalls eine Verkaufsentscheidung für ein konkretes Objekt zu treffen.
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