Ehemalige plaudern über ihren Werdegang

Kultur
Montag, 19. Oktober 2015
Nummer 241
Der große Haufen an
musikalischen Talenten im Kreis Böblingen und ihre Förderer. Beim diesjährigen Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ waren 29 Teilnehmerinnen und
Teilnehmer aus dem
Landkreis dabei –
eine stolze Zahl.
Foto: Krülle
Ehemalige plaudern über ihren Werdegang
20 Jahre Regionalwettbewerb „Jugend musiziert“ im Kreis Böblingen – Festakt mit früheren Teilnehmern und viel Lob
Jahr für Jahr messen sich bei „Jugend
musiziert“ zahlreiche junge Talente, der
Wettbewerb ist einer der erfolgreichsten
und größten seiner Art weltweit. Im Kreis
Böblingen gibt es ihn seit genau 20 Jahren.
Deshalb erweiterte man die traditionelle
Ehrung der Bundespreis-Teilnehmer am
Freitag zu einer kleinen Geburtstagsgala.
Von Robert Krülle
BÖBLINGEN. Die großen Unterstützer und
Sponsoren hatten die ersten Worte: Landrat
Roland Bernhard meinte, dass der Kreis
Böblingen eben nicht nur wirtschaftlich
„eine Bastion“ sei, sondern auch musikalisch – was „Jugend musiziert“ mit vielen
erfolgreichen Teilnehmern beweise. Er erinnerte daran, dass der Wettbewerb vor 20
Jahren im Kreis Böblingen mit 25 Talenten
begonnen habe, heute sind regelmäßig weit
mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilneh-
mer dabei. Und natürlich betonte er die Leistung von Siegfried H. Pöllmann, der den
Regionalentscheid vor Ort seit jeher federführend organisiert. „Das 20 Jahre durchzuhalten, ist enorm“, so Bernhard.
Treuer Sponsor: Die Sparkassen als Haupt-
sponsor sind sogar schon mehr als 50 Jahre
dabei – so lange gibt es den Wettbewerb auf
Bundesebene. „Wir unterstützen das von
Beginn an“, sagte Carsten Claus, der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Böblingen, „das ist das beste Sponsoring, was
wir machen können.“ Da der Festakt am
Freitagabend im neuen Sparkassen-Forum
in Böblingen stattfand, fungierte Claus auch
als Gastgeber. Dass er sich im Saal zu Hause
fühlte, war zu spüren, als er schnell ein fehlendes Mikrofon besorgte und den Ablauf
der Ehrungen flugs mitkoordinierte.
Kostproben und Interviews: Zum Geburtstagsfest
hatte Siegfried H. Pöllmann ehemalige „Jugend musiziert“-Preisträger eingeladen, die
jetzt auf dem Weg zum Profi oder dort be-
„Der Jugendmusiziert-Wettbewerb
hat mir viel gebracht“: Siegfried H.
Pöllmann interviewt
ehemalige Preisträger, hier die Flötistin Laura Schmid aus
Leonberg.
Foto: Gaetano Di Rosa
reits angekommen sind. Die Gäste gaben
kurze Kostproben ihres Könnens und plauderten im Interview mit Pöllmann über
ihren Werdegang. Den Beginn machte hier
der 16-jährige Marvin Pecher, der zwar noch
zu den jugendlichen Talenten zählt, aber
doch schon als einer der herausragenden
Pianisten des Landkreises Böblingen gilt.
Der Holzgerlinger deutete bei einem Satz
aus einer Prokofieff-Sonate an, welch riesiges Potenzial in ihm steckt.
Flötistin in Bern: „Bei Laura Schmid war es gar
nicht so einfach, sie aufzuspüren“, verriet
Pöllmann schmunzelnd. Die Flötistin aus
Leonberg hatte sich für ein Studium in Bern
entschlossen, wo die 25-Jährige derzeit in
den letzten Zügen ihres Solisten-Diplomstudiums steckt. Vor allem bei dem Stück
„The Bee“ von François Schubert – eigentlich für Violine komponiert – entlockte die
Spezialistin für Alte Musik ihrer Flöte
scheinbar mühelos rasante Läufe und beeindruckende Klangkaskaden. „Ohne den Jugend-musiziert-Wettbewerb wäre ich sicher
nicht so weit gekommen“, verriet sie der
KRZ nach der Veranstaltung, „so konzentriert und produktiv arbeitet man zu Jugendzeiten nie – vor allem in der Ensemblearbeit hat das sehr viel gebracht.“
Blick über den Tellerrand: Als Redner war Prof.
Dr. Hermann Wilske geladen, der Präsident
des Landesmusikrates. Er erinnerte daran,
dass „Jugend musiziert“ vor mehr als 50
Jahren gegründet worden sei, um dem Mangel an Orchestermusikern in Deutschland
entgegenzuwirken. Das sei heute natürlich
ganz anders, wo für eine Orchesterstelle
Dutzende von Bewerbern Schlange stehen.
Insofern sei es auch interessant, welche
anderen beruflichen Wege „Jugend musiziert“-Preisträger noch einschlagen würden.
Und so laufe gerade eine Befragung unter
den Bundespreisträgern der Jahre 1982 bis
2002, welcher Arbeit sie jeweils nachgehen
würden. „Nicht selten haben hochrangige
Persönlichkeiten eine Vergangenheit bei ,Ju-
gend musiziert’“, betonte Wilske. Und dass
der Erfolg des Wettbewerbs international
Beachtung findet, würde sich daran zeigen,
dass in den nächsten Wochen eine „Jugend
musiziert“-Adaption erstmals in China
stattfindet.
Berufsmusiker: Bereits voll im Berufsleben als
Musiker stehen Timo de Leo und Franziska
Tiedtke. Der Böblinger ist seit vier Jahren
Konzertmeister der Philharmonie in Reutlingen. „Es war ein hartes Vorspiel damals“,
erinnerte sich Timo de Leo, „ich freue mich
sehr, diesen Job zu haben.“ Er sei viel unterwegs, habe aber auch viel Freiraum. An die
Oper in Pforzheim hat es Franziska Tiedtke
aus Schönaich geschafft. Die Sängerin erlebt am kleinsten Drei-Sparten-Haus
Deutschlands ihre vierte Saison – und das
will etwas heißen. „Es ist toll dort“, sagte
Tiedtke, „aber leider auch regelmäßig ein
großes Zittern, weil wir immer nur Ein-Jahres-Verträge bekommen.“
Im Studenten-Olymp: Nachdem der Renninger
Benjamin Volz – derzeit Schlagzeug-Student
an der Musikhochschule in Stuttgart – ein
verrücktes Stück auf den afrikanischen
Djembe zum Besten gegeben hatte, trat noch
Angelo de Leo auf die Bühne. Der jüngere
Bruder von Timo de Leo hat es quasi in den
Studenten-Olymp geschafft. Er ist seit diesem Herbst an der Orchester-Akademie der
Berliner Philharmoniker (die KRZ berichtete), einem der besten Orchester der Welt.
Parallel studiert er an der Hanns-EislerMusikhochschule in Berlin bei Antje Weithaas. Zuletzt hat er mit den Philharmonikern sogar Konzerte mitspielen dürfen, unter der Leitung von Simon Rattle und Zubin
Mehta – viel mehr geht nicht. „Das ist alles
sehr spannend und sehr erfüllend“, sagt
Angelo de Leo, der bei allen Erfolgen erstaunlich bescheiden geblieben ist. Bei einem Stück von Camille Saint-Saens ließ der
24-Jährige hören, was er technisch, klanglich und gestalterisch zu bieten hat.
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