Artikel in der Neuen Luzerner Zeitung vom 12.02.2016

Freitag, 12. Februar 2016 / Nr. 35
Kanton Luzern
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27
Im Klassenzimmer auf Hitlers Spuren
LUZERN Eine Lernwerkstatt
an der Pädagogischen
Hochschule zeigt, wie Schüler
zur Zeit der Nazis manipuliert
wurden. Und sie belegt, dass
die Gefahr verbrecherischer
Regime noch immer droht.
deln von Menschen vergiften.» So werde
der Geschichtsunterricht beispielsweise
in Russland, Ungarn oder Polen erneut
missbraucht, um einen «überhöhten
Nationalismus aufzubauen», so der Professor für Geschichtsdidaktik. Doch auch
in westlichen Ländern, etwa in England,
wurde in jüngster Vergangenheit der
Geschichtsunterricht umgestellt. Hier
seien erneut nationalistische Tendenzen
auszumachen. «Die Lernwerkstatt macht
deutlich, wie wichtig es ist, sich gegen
jegliche Indoktrination in Schulen zu
wehren sowie Kinder und Jugendliche
zu freiem und eigenständigem Denken
und Handeln zu befähigen.»
NIELS JOST
[email protected]
Sie versuchten, bereits Kinder mit
ihrer Ideologie zu indoktrinieren, die
Nationalsozialisten in Deutschland.
Nach ihrer Machtergreifung im Jahr 1933
begannen sie, ihr perfides Gedankengut
unters Volk zu bringen. Judenhass, die
Verherrlichung des Führers oder extremer Nationalismus – das waren einige
der Gesinnungen, die anno dazumal
bereits in der Schule den Alltag prägten.
Wie das genau aussah, zeigt jetzt eine
Lernwerkstatt im Gebäude der Universität und der Pädagogischen Hochschule
Luzern (PH). Sie ist am Mittwoch, 17. Februar, und am Samstag, 20. Februar,
zwischen 13 und 17 Uhr öffentlich zugänglich – sonst ist die PH-Lernwerkstatt
nur für Klassen geöffnet. Interessierte
können sich selbstständig an zwölf interaktiven Posten über ein Thema informieren, etwa über die Kriegserziehung,
Zwangssterilisierung von Schülern oder
den Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Schulalltag (siehe Hinweis).
Um sich ein konkretes Bild vom damaligen Alltag machen zu können, liegen
über 200 originale Fotos, Tagebücher,
Schulzeugnisse und Alltagsgegenstände
auf. «Beim Thema Rassismus ist etwa ein
Gerät zur Vermessung des Schädels ausgestellt», sagt Peter Gautschi, Leiter Zentrum Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen an der PH Luzern. Ergänzend liegen Texte bei, die die Bedeutung
des Objekts verdeutlichen.
Unterricht nur für eines: Den Krieg
Zudem wurden extra zahlreiche originale Schulschränke aus Deutschland
nach Luzern geholt, die zur Zeit der
Nazis in Nürnberger Volksschulen und
Gymnasien verwendet wurden. Auch
NACHRICHTEN
Seelsorger
verlässt Pfarrei
ETTISWIL red. Seelsorger Stephan
Schmid-Keiser verlässt die Pfarrei
Ettiswil im Sommer, heisst es im
«Luzerner Kirchenschiff». Zusammen mit Buttisholz und Grosswangen bildet Ettiswil künftig einen
Pastoralraum. Die Verantwortlichkeiten werden neu geregelt.
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Werkstatt für Klassen ausgebucht
Historiker Peter Gautschi betreut die Lernwerkstatt zum Nationalsozialismus an der Pädagogischen
Hochschule Luzern. Im Bild: Ein Gerät zur Schädelvermessung, das Nicht-Arier entlarven sollte.
Bild Eveline Beerkircher
darin befinden sich die originalen
Gegenstände. «In den Tagebüchern der
Kinder wird deutlich, wie sie in den
Jahren 1933 bis 1945 persönlich mit der
Diktatur und dem Krieg umgegangen
sind», sagt Gautschi. Die Begeisterung,
das Mitläufertum und auch die Ablehnung sind herauszulesen.
Konzipiert wurde die Lernwerkstatt
insbesondere für Oberstufenschüler. Für
sie stehen die beiden Räume im Uni/
PH-Gebäude länger offen als für die
Öffentlichkeit. Sie können sich ab Diens-
tag, 16. Februar, bis Ende März in den
Schulalltag ihrer damaligen Altersgenossen und von deren Lehrpersonen hineinversetzen. Priorität im Schulunterricht hatte damals «das Heranzüchten
kerngesunder Körper. Erst in zweiter
Linie kommt dann die Ausbildung der
geistigen Fähigkeiten», lässt sich Adolf
Hitler aus seiner Propagandaschrift
«Mein Kampf» zitieren. Diese Grundüberzeugung prägte den nationalsozialistischen Unterricht, weiss Gautschi.
«Im Sport wurde auf den Militärdienst
vorbereitet, in Biologie die Rassenlehre
vermittelt, in Geschichte die Vaterlandsliebe und Staatstreue eingeimpft.»
Schüler noch heute manipuliert
Die PH Luzern will aber nicht nur
einen Einblick in die Vergangenheit ermöglichen, sondern auch den Bezug zu
aktuellen Ereignissen knüpfen. Peter
Gautschi sagt: «Auch heute gibt es wieder verbrecherische Regime, die mit
Rassismus und anderen ideologischen
Verblendungen das Denken und Han-
Entsprechend gross ist das Interesse
an der speziell geschaffenen Lernumgebung: Für die Klassenbesuche ist sie
bereits ausgebucht. Rund 40 Klassen
werden sich während gut einer Stunde
mit den Zeitdokumenten und Tonaufnahmen beschäftigen. «Danach gibt es
eine gemeinsame Auswertung des Gelernten», so Gautschi. Insgesamt werden
rund 1500 Besucher in der Lernwerkstatt
erwartet.
Der grosse Besucherandrang ist unter
anderem damit zu erklären, dass ab
Montag, 15. Februar, gleichzeitig die
zweitägige internationale Konferenz zur
Forschung über Holocaust-Vermittlung
an der PH Luzern stattfindet. Über 150
Wissenschaftler aus aller Welt treffen
sich, um ihre neuesten Forschungsergebnisse zum Holocaust zu präsentieren und zu diskutieren.
Eine Lernwerkstatt stellt die PH Luzern zweimal im Jahr für Schulklassen
auf die Beine, erstmals ist sie jetzt auch
für die Öffentlichkeit zugänglich. Frühere Themen waren etwa «Gesund leben» oder «Digitale Welten». Die aktuelle Lernumgebung entstand in Zusammenarbeit mit dem Schulmuseum
Nürnberg und der Universität ErlangenNürnberg. In der Schweiz ist sie einmalig zu sehen.
www...
Nationalsozialismus: Weitere Originaldokumente
sowie zusätzliche Informationen zur Lernwerkstatt
der Pädagogischen Hochschule finden Sie unter
www.luzernerzeitung.ch/bonus
5,4 Millionen Franken für neuen Schulraum
WOLHUSEN Die Schulanlage
Rainheim soll umgebaut und
erweitert werden. Die Gegner
stossen sich an den hohen
Kosten des Projekts.
künftig nicht mehr als Klassenräume,
sondern als Werk-, Maschinenraum und
als Informatikzimmer genutzt. Der Singsaal im 1. Obergeschoss wird erneuert.
" Der neue, dreistöckige Erweiterungsbau mit drei Klassenzimmern und je
einem Gruppenraum schliesst an den
Trakt B an. Steigen die Schülerzahlen, ist
eine seitliche Erweiterung laut Gemeinde
relativ kostengünstig zu realisieren. Mit
Die Wolhuser Volksschulen brauchen dem Neubau soll die heutige PausenPlatz. Ab dem kommenden Schuljahr halle im Hinterhof aufgewertet werden.
wird der gesetzlich verankerte zweijähri- Sie soll als neues Zentrum der Schulge Kindergarten eingeführt. Nebst einem anlage zum Mehrzweckbereich werden.
Der Erweiterungsbau soll rund
neuen Kindergarten im Josefshaus sollen
dafür im Schulhaus
3,3 Millionen Franzwei Kindergartenken kosten. Die UmAbteilungen realisiert
bauten für die Kindergärten sollen auf
werden. Dafür ziehen
28. Februar 2016
das neue Schuljahr
die 5. und 6. Klassen
abgeschlossen sein.
vom Rainheim in den
Danach soll gemäss
Berghof um. Dort gibt
Terminplan bis Juni
es durch den Wegfall
der Klassen des schulischen Brücken- 2017 der Erweiterungsbau erstellt werangebotes genügend Räume. Die Inte- den. Ab April 2017 ist der Umbau von
gration des Kindergartens im Schulhaus Trakt B geplant. Die Arbeiten sollen im
Rainheim soll mit einem Um- und Aus- August 2017 beendet sein.
bau des Schulhauses einhergehen. Über
Im Zuge der Bauarbeiten werden das
den nötigen Sonderkredit von 5,4 Millio- Zwinggihuus und der Schafstall abgenen Franken wird am 28. Februar an der rissen. «Der Jugendtreff, der derzeit im
Urne abgestimmt. Das ist geplant:
Zwinggihuus untergebracht ist, soll in
" Im Trakt A von 1937 werden im 2. den nahe gelegenen Kindergartenpavilund 3. Obergeschoss die beiden Kinder- lon Wiggernweg umziehen, der durch
gärten realisiert, die diejenigen im Pa- die neuen Kindergärten frei wird», sagt
villon Wiggernweg und im Andreasheim Gemeindepräsident Peter Bigler (FDP).
ersetzen. Auf dem Dach der Garagen Je nach Platzverhältnissen könnte dort
auf der Westseite der Schulanlage wird auch die Ludothek Unterschlupf finden.
ein Kinderspielplatz eingerichtet, der
SVP fasst Nein-Parole
mit einer Passerelle erschlossen wird.
Im
Trakt
B
von
1957
wird
ein
Lift
Opposition zum Projekt kommt von
"
erstellt, damit die gesamte Schulanlage der SVP, die sich schon während der
rollstuhlgängig erschlossen werden Debatte um die einjährige Steuererhökann. Zudem wird der Brandschutz hung auf 2,6 Einheiten im Januar 2015
verbessert. Die Räume im Erdgeschoss kritisch geäussert hatte. Nach «sehr
werden wegen mangelnder Isolierung intensiver Diskussion» entschieden sich
Abstimmung
die rund 40 Parteimitglieder schliesslich Bildung hätten Priorität. Die FDP fasst
mit drei Stimmen Unterschied gegen ihre Parole nächste Woche.
das Projekt, wie Parteipräsident Stefan
Dahinden erklärt. Das Nein sei aber kein «Wichtig für den Standort»
prinzipielles. «Kinder und Bildung sind
Gemeindepräsident Peter Bigler kann
für unsere Gesellschaft sehr wichtig», die Vorbehalte wegen der Finanzlage bis
sagt Dahinden. «Aber die Mehrheit war zu einem gewissen Grad nachvollziehen.
der Ansicht, dass ein
Er betont aber: «Der
Gemeinderat ist der
solches Projekt derzeit schief in der
Meinung, dass es
«Ein solches Projekt
Landschaft
steht,
machbar ist. Auch,
nachdem wir eben
steht derzeit schief in weil der Rechnungserst für ein Jahr den
abschluss 2015 noch
der Landschaft.»
Steuerfuss
auf
etwas besser ist als
ST E FA N DA H I N D E N ,
vorgesehen.» Zu den
2,6 Einheiten erhöS V P- P R ÄS I D E N T
hen mussten.» Besser
Kosten für den Erweiwäre es, wenn man
terungsbau meint er:
«Die 3,3 Millionen
das Projekt Rainheim
drei bis fünf Jahre ohne Investitionen Franken sind keine geringe Summe. Aber
in Provisorien verschieben könnte, fin- wir haben sie mit anderen Schulhausdet Dahinden. «So könnte sich die Ge- bauten verglichen. Im Schnitt betragen
meinde zuerst finanziell etwas erholen.» die Baukosten 1,2 bis 1,5 Millionen Franken pro Schulklasse – wir liegen also gut
Neubau zu teuer?
im Schnitt.» Zudem leiste man mit dem
Ein Fragezeichen setzt die SVP hinter vorliegenden Projekt auch eine Vorinvesdie Kosten: «Wir sind der Meinung, dass tition im Hinblick auf das prognostizierwir für diese Investition zu wenig er- te Bevölkerungswachstum. «Wenn wir
halten. Der Neubau
eine weitere Erweiterung brauchen, könkostet fast 3,3 Millionen Franken für lenen wir diese kosten«Der Gemeinderat ist
diglich drei Schulgünstig erstellen. Alle
zimmer mit Grupder Meinung, dass es Anschlüsse sind entpenräumen,
ein
sprechend vorbereitet.
machbar ist.»
Luxusfoyer, zwei BüDann liegen wir mit
PETER BIGLER,
ros, einen Putzraum
den Baukosten pro
G E M E I N D E P R ÄS I D E N T
und ein TreppenSchulklasse
auch
haus.»
deutlich unter dem
Schnitt.» Wolhusen sei
Die Finanzen waren auch an der Parteiversammlung der auf gute Schulen angewiesen, bekräftigt
CVP ein Thema. Am Ende fassten die Bigler. «Die Frage nach der SchulinfraParteimitglieder jedoch grossmehrheit- struktur kommt bei Neuzuzügern meist
lich die Ja-Parole. Auch die SP spricht vor den Steuern. Gute Schulen sind dessich wie die Bildungskommission und halb wichtig für den Standort Wolhusen.»
die Planungs- und Baukommission für
CYRIL AREGGER
den Kredit aus: Investitionen in die
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