ALBSTADT Samstag, 6. Februar 2016 ÜBRIGENS • ZEHN JAHRE RUNKELRIABAWEIBLE Altweiberfasnet in Margrethausen HOLGER MUCH Mit seinen Schülern pflegt er einen offenen und kommunikativen Umgang: Ertekin Avcilar ist der neue Schulleiter an der Hohenbergschule. Auf sein neues Aufgabengebiet hat er sich anderthalb Jahre lang als kommissarischer Schulleiterstellvertreter vorbereitet. Foto: Olga Haug Er will auch Vorbild sein Ein Paradoxon: In Margrethausen ist sozusagen immer Altweiberfasnet. Denn in Margrethausen regieren, zumindest in den närrischen Zeiten, die Runkelriabaweible. Und diese Masken stellen eben keine klassischen, in der Fasnet weit verbreiteten „Hexen“ dar, sondern eben „Weible“, alte Frauen. Die Maske, die eine arme und hungrige Bäuerin darstellt, spielt auf eine eigentlich recht ernste Episode unserer Heimatgeschichte an: In den „Fehljahren“ 1816/17 war die Not auf der Alb so groß, dass die Bevölkerung sich gezwungen sah, so genannte „Runkelrüben“, also Kohlrüben und die Wurzeln der wilden Möhre zu essen. Selbst Kartoffeln gab es damals fast keine und das Vieh musste zudem aus Mangel an Futter notgeschlachtet werden. Die „Runkelrüben“ wurden nicht nur gegessen, sie wurden auch gemahlen und geröstet, um daraus Kaffee zu machen. Den gibt es, diesmal als echten, aus köstlichen Kaffeebohnen gebrüht, sicherlich auch, wenn heute und morgen die Narrenzunft der Runkelriabaweible kräftig feiert. Mit dem ein- oder anderen Gläschen Sekt dürfte aber vermutlich auch angestoßen werden. Denn die Runkelriabaweible können in diesem Jahr auf ihr Bestehen seit zehn Jahren zurückblicken. Ein kleines, im nicht gerade als ausgelassenste Fasnetshochburg verschrienen Albstadt aber andererseits auch wieder feines Jubiläum, über die sich die Mitglieder natürlich ganz besonders freuen. Seit einer Dekade hält die engagierte Schar um Zunftmeisterin Jessica Herfort das Fähnlein der Narretei in Margrethausen hoch. Nun wird an diesem Wochenende ausgelassen gefeiert, am Sonntag gibt's ab halb zwei natürlich einen Jubiläumsumzug. Und anhand der Maske vielleicht auch Momente des Nachdenkens, wie gut es uns heute geht. Ertekin Avcilar: Vom Hauptschüler zum Schulleiter an der Hohenbergschule Auch mit einem Hauptschulabschluss ist alles möglich. Das beweist Ertekin Avcilar, der im Dezember zum Rektor an der Hohenbergschule ernannt wurde. Im Gespräch mit dem ZAK erzählt er über seinen Weg. OLGA HAUG Ebingen. Es war kein einfacher Weg, den Ertekin Avcilar zurückgelegt hat, aber er hat sich gelohnt. Als Avcilar damals 1991 seinen Hauptschulabschluss an der Tailfinger Lutherschule absolviert hatte, hatte er keineswegs im Sinn, einmal Lehrer zu werden, oder gar Schulleiter. Avcilar wollte vielmehr eine Ausbildung zum Bankkaufmann machen, erzählt er im Gespräch mit dem ZOLLERN-ALBKURIER. Sein damaliger Rektor habe ihn aber dazu animiert, weiterzumachen. Es folgten zwei Jahre Wirtschaftsschule und ein Jahr Berufskolleg. Danach, 1994, zog es die Familie wieder zurück in die Türkei. Es sei üblich gewesen, erklärt Avcilar, dass sogenannte Gastarbeiter wieder in die Heimat zurückgekehrt sind. Wo Ertekin Avcilars Heimat jedoch ist, lässt sich gar nicht so einfach definieren, sagt er. Immerhin wurde er in Deutschland geboren, wuchs hier auf und hatte im Grunde auch seinen Lebensmittelpunkt hier. Nach dem Studium in Istanbul entschied er sich deshalb, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Seine Studienzeugnisse zu Deutsch als Fremdsprache wurden aber nur teilweise anerkannt. Er machte sich wieder ans Pauken. Avcilar schrieb sich an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten ein. Es fehlte allerdings noch ein zweites Lehrfach. Mathe sollte es werden, weil er schon immer Interesse an Mathematik hatte, erklärt der 40-Jährige, der privat gerne in Wissenschaftsbüchern schmökert. Darauf folgte im Februar 2007 das 18-monatige Referendariat an der Hohenbergschule. Woher sein Ehrgeiz komme, stets weiterzumachen, kann Avcilar nicht wirklich erklären. Immerhin verdiente er sich während der Studienzeit in Istanbul seinen Lebensunterhalt selbst: „Vielleicht liegt es an meinem Sternzeichen Widder“, sagt er schmunzelnd, als sei es selbstverständlich, sich im Leben Hindernissen stellen zu müssen. Kraft schöpft er aber auch in der Unterstützung seiner Frau Güllü Topal- Avcilar. Sie war ihm während des Studiums in Weingarten und ist ihm auch heute noch besonders mental eine große Stütze: „Sie hält mir immer den Rücken frei.“ In die Rolle des Schulleiters kam er auch eher zufällig. Als der damalige Rektor Georgios Mpouras im Sommer 2014 seinen Posten verlassen hatte, übernahm Konrektor Siegfried Fischer kommissarisch die Schulleiterstelle. Avcilar wurde sein kommissarischer Stellvertreter. Für Fischer wurde im Laufe der Zeit immer deutlicher, dass Avcilar als Schulleiter geeignet wäre: Verlässlichkeit, Einsatz, Organisationstalent und pädagogisches Fachwissen würden ihn auszeichnen. Fischers Motivation war es schließlich auch, die Avcilar ermunterte, sich als Schulleiter zu bewerben. Anderthalb Jahre lang ging beim Schulamt keine Bewerbung für den Posten ein. Fischer interpretiert das Ebingen. Am heutigen Tag der offenen Tür im Krankenhaus in Ebingen ist auch die Bürgerinitiative Pro Krankenhaus Albstadt von 10 bis 16 Uhr mit einem Infostand vertreten. Sie möchte mit Besuchern ins Gespräch kommen und für einen ZweiKlinik-Standort im Kreis werben. Kinderfasnet und Finale Tailfingen. Morgen laden die Schmiechataler im Rahmen ihres 50jährigen Bestehens zur Kinderfasnet in die Zollernalbhalle ein. Durchs Programm führt Clown Ronald. Es gibt verschiedene Spielstationen (Stelzenlauf, Eierlauf, Dosenwerfen, Blinde Kuh...), bei denen die Kinder Preise gewinnen können. Prämiert Ebingen. Die Firma Groz-Beckert spendete 4000 Euro an die „Ökumenische ambulante Hospizgruppe Albstadt und Umgebung”. Das Geld wurde im Rahmen der jährlich bei Groz-Beckert veranstalteten Weihnachtstombola von Mitarbeitern gesammelt und durch die Firmenleitung verdoppelt und aufgerundet. Stellvertretend für die Belegschaft überreichte Dr. Thomas Lindner, Vorsitzender der Geschäftsführung Groz-Beckert, den Spendenscheck an Schwester Regina Birk, Einsatzleitung und Koordinatorin der Hospizgruppe, und Gertrud Mews-Korell, 1. Vorsitzende des Fördervereins der Hospizgruppe. Die ökumenische ambulante Hospizgruppe begleitet schwerstkranke und sterbende Menschen auf ihrem letzten Lebensweg. Foto: Privat Altenpflege stiftet Sinn Interview mit Kaspar Pfister zur aktuellen Situation in der Pflege Jüngst lud die CDU den Bundespflegebeauftragten Laumann ins Haus Raichberg ein, um über die allgemeine Situation der Pflegeberufe zu diskutieren. Kaspar Pfister spricht über seine Sicht der Dinge. Denn nach den Faschingsferien geht es in zwei Wochen für die Erstklässler in das Gebäude in der Ammerstraße, für alle anderen Schüler in den neuen Grundschulcampus Lutherschule, unten in der Stadt. Foto: Privat werden auch wieder die schönsten Kostüme. Einlass ist ab 12 Uhr, Beginn um 13 Uhr. Der Eintritt ist für Kinder bis zwölf Jahren ist frei. Am Fasnetsdienstag, 9. Februar, findet um 19 Uhr die traditionelle Hoppeditz-Verbrennung als Fasnetsende bei der Gesellschaft Schmiechataler auf dem Marktplatz in Tailfingen statt. Winterkirche mit Musik Laufen. Die Kirchengemeinde Laufen, Lautlingen und Margrethausen lädt im Rahmen der Winterkirche morgen, 10 Uhr, zum Themengottesdienst „Liebe ist …“ mit neuen Liedern ins evangelische Gemeindehaus ein. Gastprediger ist Pfarrer i. R. Klaus Kucht. Am Klavier sitzt als musikalischer Gast Peter Schneider aus Heidelberg. Die Kinderkirche ist mit da- bei und macht ihr eigenes Programm. Im Anschluss an den Gottesdienst wird zum Mittagessen eingeladen. Kein Anrufsammelbus Margrethausen. Wegen einer Fasnetsveranstaltung steht der Anrufsammelbus auf den Linien 45, 45B und 47 morgen in der Zeit von 11.45 bis 17.30 Uhr nicht zur Verfügung. Das teilt die Stadtverwaltung mit. Dorfumzug Lautlingen. Die Narrenzunft KübeleHannes lädt am Dienstag, 9. Februar, zum Dorfumzug ein. Startschuss ist um 13.31 Uhr. Anschließend ist Kinderfasnet in der Festhalle. Ein Programm mit Kostümprämierung wartet auf die Teilnehmer. Kaspar Pfister: Altenpflege erfordert viel Empathie. HOLGER MUCH Foto: Privat Onstmettingen. Über 40 Gesprächsteilnehmer mit Erfahrung in Pflegeberufen sprachen über ihre Einschätzung und Sorgen. NOTIZEN Bürgerinitiative informiert Groz-Beckert spendet an Hospizgruppe DREI FRAGEN AN • BENEVIT-GESCHÄFTSFÜHRER KASPAR PFISTER Ein Umzug zum Auszug Tailfingen. Fröhliche Schüler-Narren ziehen mit Musik aus der bisherigen Langenwandschule aus. Für immer. so: Die Stelle des Rektors scheint nicht so attraktiv zu sein, wie sie klingt. Zusätzliche Belastung, breitgefächerte Verwaltungsarbeit, Unterricht sowie intensive Elternarbeit beschreiben in etwa das Aufgabengebiet des Rektors. Mit dem Zusatzstress kommt Avcilar bislang aber noch ganz gut klar, wie er sagt. „Ich kann immer ruhig schlafen“ – ein Phänomen, worum ihn nicht nur seine Frau beneidet. Er lege großen Wert darauf, Privates und Arbeit strikt zu trennen, betont er. Avcilar, der in der Freizeit gerne den Kochlöffel schwingt und sich für Autos interessiert, blickt gerne auf seinen Werdegang zurück. Er will nämlich für seine eigenen Schüler Vorbild und Inspiration sein, besonders für jene mit Migrationshintergrund. Zudem beweist Avcilar, dass ein Hauptschulbeziehungsweise Werkrealschulabschluss noch lange nicht Endstation sein müssen. Nicht zuletzt setzt sich der 40-Jährige deshalb auch in der Integrationsarbeit ein. Seit zwei Jahren ist er Migrationsbeauftragter am Staatlichen Schulamt und arbeitet in einem vom Landratsamt initiierten Arbeitskreis, der sich unter anderem die interkulturelle Elternarbeit auf die Fahne geschrieben hat. Was kann die Politik von der Veranstaltung als Anregung mitnehmen, Herr Pfister? KASPAR PFISTER: Unser Haus Raichberg wurde von Herrn Thomas Bareiß, MdB, als Veranstaltungsort ganz bewusst ausgewählt, da dieses nach dem BeneVit-Hausgemeinschaftskonzept geführt wird. Im Haus Raichberg kümmern sich insgesamt 75 Mitarbeiter liebevoll um 78 Bewohner: Einen normalen Alltag leben, auch im Pflegeheim, die Bewohner haben das Sagen und machen das, was sie wollen. Ich hoffe, dass die Politik dieses Konzept, das für die Bewohner eine hohe Aktivität und Lebensqualität bringt, auch nach wie vor mit den bestehenden Vorschriften verstanden hat und solche Konzepte auch in Gesetze und Normen einfließen lässt. Wo liegen Ihres Erachtens die wichtigsten Stellschrauben für eine Verbesserung der Situation? PFISTER: Wir brauchen weniger Vorgaben und Gesetze. Anstelle von Misstrauen brauchen wir eine Vertrauenskultur und anstelle von Mitleid eine gesellschaftliche Anerkennung und Respekt für das, was wir tun. Das Prinzip „ambulant vor stationär“ darf keine gesetzliche und finanzielle Bevorzugung mehr haben, sondern wir brauchen eine Auflösung der Unterscheidung in ambulanter, teilstationärer oder stationärer Versorgung. Vielmehr halte ich es für geboten und gerecht, dass alle Pflegebedürftigen, unabhängig von der Wohnform, die gleichen Versicherungsleistungen erhalten. Dazu braucht es vor allem auch motivierte und engagierte Pflegekräfte. Zurzeit wird daran gearbeitet, den Altenpflegeberuf abzuschaffen und ihn mit der Gesundheits- und Kranken- pflege und der Kinderkrankenpflege zu einem Beruf zusammenzulegen. Ich plädiere für die Beibehaltung der Altenpflegeausbildung, da drei hochqualifizierte Fachberufe in gleicher Zeit zu einer Ausbildung zusammenzufassen ohne Kompetenzverlust schlichtweg nicht möglich ist. Hier muss die Devise „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gelten und ein Kompromiss gefunden werden. Dennoch gibt es auch positiven Aspekte, die diesen Beruf für viele nach wie vor attraktiv machen. PFISTER: Der Beruf Altenpfleger ist vielschichtig und reicht von der Pflege über die Betreuung bis hin zur Beratung. Meine Mitarbeiter unterstützen die Pflegebedürftigen bei der Lebensgestaltung, ohne deren Selbstbestimmung einzuschränken. Vielmehr ist es möglich, alten Menschen auch wieder zu Autonomie und Eigenständigkeit zu verhelfen. Altenpflege ist eine sinnstiftende Tätigkeit, die viel Empathie erfordert: Menschen zu ermöglichen, dass sie wieder Lebensfreude empfinden, Wünsche erfüllt werden und neben all den Beeinträchtigungen auch wieder lachen und Freude zu empfinden, gibt meinen Mitarbeitern viel. Es sind vor allem die kleinen Erfolge, die motivieren und einem das Gefühl geben, den richtigen Beruf gewählt zu haben.
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