Eltern wollen Computerspiele besser verstehen - Mons

Eltern wollen Computerspiele besser verstehen
Bildung Medienscouts aus Montabaur luden
Erziehungsberechtigte zum Ausprobieren ein
Von unserem Redakteur Thorsten Ferdinand
M Montabaur. Die Anziehungskraft von Computerspielen ist
für viele Eltern schwer zu verstehen. Wenn der Nachwuchs
stundenlang gebannt auf den Computermonitor oder das
Handy starrt und alles andere drum herum zu vergessen
scheint, machen sich manche Mütter und Väter Sorgen. Vor
allem die bei männlichen Jugendlichen beliebten Ballerspiele
stehen unter Verdacht, nicht gut für die Entwicklung der
Kinder zu sein. Doch sind diese Ängste wirklich berechtigt?
Und warum spielen Kinder überhaupt so viel am Computer?
Diesen Fragen widmeten sich Eltern, Lehrer und Pädagogen
der Bundeszentrale für politische Bildung bei einem Workshop am Montabaurer Mons-Tabor-Gymnasium
(MTG).
Eingeladen hatten die sogenannten Medienscouts der Schule – das sind Jugendliche, die sich gut mit dem
Internet und Computern auskennen und ihr Wissen an jüngere Mitschüler weitergeben, damit diese einen
verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Medien lernen. Ziel der Medienscouts ist es dabei nicht etwa,
Computerspiele oder soziale Netzwerke zu verteufeln. Im Gegenteil: Sie wollen Medienkompetenz vermitteln,
damit die Kinder Gefahren realistisch einschätzen und trotzdem ihren Spaß haben können. Dieser Spagat war
nun auch bei der Eltern-LAN gefragt.
Die Erziehungsberechtigten und auch einige Lehrer nahmen aus unterschiedlichen Gründen an der Veranstaltung
teil. Einige spielen selbst mitunter am Computer. Sie wollten einfach wissen, was momentan bei den Kindern
angesagt ist. Andere sehen das teilweise exzessive Spielen ihres Nachwuchses mit Sorge. Sie wollten wissen,
wann es aus Expertensicht bedenklich wird und welche Gefahren womöglich von Gewaltspielen und
unbekannten Mitspielern im Internet ausgehen. Um besser nachvollziehen zu können, wie sich das Spielen
anfühlt, wurden zwei der aktuell gefragtesten Netzwerk-Games auch von den Eltern gezockt: das Bau- und
Konstruktionsspiel „Minecraft“, das vor allem bei jüngeren Kindern beliebt ist, und das Kriegsspiel „Call of
Duty“, bei dem man die Rolle eines Soldaten bei einer Tötungsmission übernimmt. Dieses Spiel ist zwar
eigentlich erst ab 18 Jahre freigegeben, wird aber tatsächlich auch von vielen Jugendlichen gespielt, weil Eltern
den Zugang kaum unterbinden können.
Axel Karger und Daniel Zils, die beiden Experten der Bundeszentrale für politische Bildung, nutzen selbst seit
vielen Jahren Computerspiele als Freizeitbeschäftigung. Sie konnten den Eltern größtenteils die Angst nehmen,
dass Kinder durch realistische Ballerspiele selbst gewaltbereiter werden. „Ein psychisch gesundes Kind kann
Spiel und Realität immer unterscheiden“, machten die Pädagogen klar. Das könne man schon im Kleinkindalter
beobachten und sei bei sogenannten Ego-Shootern in der Jugend nichts anderes. Gleichwohl kann das Spielen
am Computer problematisch werden, wenn Kinder zu viel Zeit damit verbringen. Wer in der Schule nachlasse,
den Kontakt zu Freunden verliere und vielleicht sogar nachlässig in der Körperpflege werde, habe unter
Umständen ein Suchtproblem, hieß es.
In solchen Fällen sollten Eltern das auch ansprechen, meinten Karger und Zils. Ein weiteres Problem stellen
versteckte Kosten dar: Nicht immer können die Kinder leicht erkennen, wann sie kostenpflichtige
Zusatzprogramme erwerben. Hierfür sollte der Nachwuchs sensibilisiert werden. Die Experten gaben den Eltern
nicht zuletzt aber auch den Rat, das Thema Computerspiele nicht nur negativ zu sehen. Es handele sich um eine
Freizeitbeschäftigung, bei der auch soziale Kontakte gepflegt werden. Die technische Kompetenz und
Englischkenntnisse werden dabei häufig sogar verbessert. Im Internet kommen die Kinder mit Fremdsprachen in
Kontakt. „Verhindern können wir es ohnehin nicht“, machte ein Vater deutlich. „Wir können die Kinder nur
bestmöglich begleiten.“ Eine Mutter zog schließlich ein versöhnliches Fazit: „Mir hat der Abend ein Stück weit
die Angst vor den Spielen genommen“, sagte sie.
Westerwälder Zeitung vom Samstag, 10. Oktober 2015, Seite 13 (0 Views