titelthema personalratswahlen 2016 Auf der Suche wahlen In wenigen Wochen wählen die Beschäftigten im Bund und in einigen Ländern ihre Personalräte. Beschäftigte werden angesprochen und ihnen die Personalratsarbeit erläutert. Neue Ideen sind gefragt. VO N MI C H A E L A B ÖHM 8 De r Pe rs onalrat 1 | 2016 personalratswahlen 2016 Der Pers on al rat 1 | 201 6 E s ist die Zeit der Kafee-Einladungen: »Hast du mal ein paar Minuten? Ich würde dich gern auf einen Kafee einladen und mich mit dir unterhalten«. Der typische Einstieg von Personalratsmitgliedern, die – oft schon seit Herbst – potenzielle Kandidaten und Kandidatinnen ansprechen. Und dann kommt die Frage: »Kannst du dir vorstellen, auf der ver.di-Liste für den Personalrat zu kandidieren?« Auf Kandidatensuche In Verwaltungen oder Hochschulen, bei der Bundeswehr, der Polizei oder beim Zoll, in kommunalen Krankenhäusern und in Universitätskliniken, bei nicht-privatisierten Verkehrsbetrieben und Wasserwerken sind Personalräte auf Kandidatensuche. Im Frühjahr wählen tausende von Beschäftigten für die nächsten vier Jahre ihre Interessenvertretungen. Zufalls-Einladungen zum Kafee sind das aber nicht. Manche Personalräte gehen zuvor gezielt die Telefonbücher der Dienststelle durch und überlegen, wer ansprechbar wäre. Wichtig ist immer, im nächsten Personalrat mit einer guten Mischung vertreten zu sein: Alt und Jung, Mann und Frau, Arbeiter und Akademiker, am besten quer durch alle Abteilungen. Selten sagt jemand sofort zu, auf der ver.di-Liste kandidieren zu wollen. Oft sind mehrere Gespräche notwendig. Klar ist auch: Abwarten und hofen, dass sich jemand selbst zur Kandidatur entschließt, ist keine gute Idee. titelthema darum geht es 1. Die Kandidatensuche für die anstehenden Personalratswahlen ist im Gange. Vielerorts wird eine Verjüngung angestrebt. 2. Wichtig: Klare Ansage an potenzielle Kandidaten: Das Amt bedeutet viel Arbeit und hohe Anforderungen, aber es lohnt sich. 3. Neue Ideen sind gefragt. Nichts geht ohne ständige Präsenz und persönliche Kontakte. Viel Arbeit, hohe Ansprüche »Wir sind gut damit gefahren, potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten ehrlich über das künftige Arbeitspensum zu informieren«, erzählt Gabi Schulte, Personalratsvorsitzende in der Universität Duisburg-Essen. Der 13-köpige Personalrat vertritt rund 1.600 Beschäftigte in Technik und Verwaltung. Sie überschlägt mal kurz: Zusätzlich zur alle 14 Tage stattindenden Sitzung muss man mit rund acht Stunden pro Woche für Personalratsarbeit rechnen, »nicht selten außerhalb der Arbeitszeit.« Der Personalrat der Universität überlegt genau, »wer aus der Belegschaft die Fähigkeiten und die Belastbarkeit mitbringt, in unserem Gremium mitzuarbeiten«. Gabi Schulte ist nicht zimperlich: »Wir können es uns vom Arbeitsaufwand her nicht leisten, jemanden aufzustellen, der die Wahl als Statussymbol 9 titelthema personalratswahlen 2016 begreift und eher weniger Interesse an der Vertretung der Beschäftigten hat.« Die Aufgaben des Personalrats werden von einer zur anderen Legislaturperiode vielfältiger und inhaltlich anspruchsvoller. »Wir switchen vom Thema Diversity zum Beamtenrecht, vom Umbau der IT zu geplantem Outsourcing. Gleichzeitig steigt die Zahl der Studierenden, ohne dass jedoch das Personal aufgestockt wird.« Wen das nicht abschreckt, der ist im Gremium richtig. Ihr idealer Kandidat ist jemand, der die Interessen der Belegschaft der gesamten Universität im Blick hat, das Organigramm kennt, etwas bewegen will und nicht gleich frustriert ist, wenn man sich nicht durchsetzt. Junge Leute gefragt Es ist schwieriger geworden, vor allem junge Leute für die Personalratsarbeit zu gewinnen – darin sind sich fast alle befragten Personalräte einig. Heinz Lehmann sagt es ofen: »Wir vergreisen im Gremium.« Die Mehrheit im Personalrat der Technischen Universität Darmstadt ist über 50 Jahre alt, die wenigsten sind unter 30. Ein Problem sieht er jedoch auch darin, dass viele Auszubildende nicht übernommen werden. Wem schon in der Ausbildung die beruliche Perspektive fehlt, der ist kaum dazu zu bewegen, sich im Personalrat zu engagieren. Vielleicht fehlt es an der richtigen Ansprache? Der Personalratsvorsitzende und zwei Kolleginnen haben bei einem Kommunikationstraining Tipps bekommen, wie es besser ge- Besonders jüngere Beschäftigte werden auf eine Kandidatur für den Personalrat angesprochen. 10 De r Pe rs onalrat 1 | 2016 lingen kann, Menschen für die Personalratsarbeit zu gewinnen. »Wichtig ist, nicht um den heißen Brei zu reden, sondern direkt zu sagen, was man möchte.« Und das hat bereits gewirkt: Zwei Wissenschaftler sind bereit, auf der ver.di-Liste zu kandidieren. »Das A und O bleibt das Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen.« L I L LY E I K E R M A N N Fast alle tun sich schwer, Kandidatinnen und Kandidaten zu inden. Aber eben nicht alle. Etwa der Personalrat beim RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg), zuständig für knapp 2.000 Beschäftigte. Obwohl sich die ofene ver.di-Liste dort einem ganz ungewöhnlichen Verfahren unterzieht. In einer Vorwahl können sämtliche RBB-Beschäftigte über die Rangfolge der Kandidaten entscheiden. Je nach Stimmverteilung werden dann die Listenplätze vergeben. Demnach mischen auch Nicht-Mitglieder mit, ob eine ver.di-Kandida- Der Pers on al rat 1 | 201 6 tin auf den vorderen Plätzen landet oder nach hinten rutscht. Das sehr basisdemokratische und transparente Verfahren unterscheidet die ofene ver.di-Liste von der Konkurrenz. »Das bindet die Kandidaten an unsere Liste und bringt uns Stimmen.« Davon ist die stellvertretende Personalratsvorsitzende Lilly Eikermann überzeugt. Bislang habe sich das Verfahren bewährt. Im Personalrat des RBB sind so gut wie alle Berufsgruppen vertreten, von Toningenieuren und Bildmischerinnen, vom Support und der IT bis zu Regisseuren und Redakteurinnen. »Weil bei uns die Mischung stimmt, gibt es viele Multiplikatoren, die Ergebnisse unserer Arbeit in alle Bereiche tragen.« Neue Ideen für den Wahlkampf Beim RBB inden die Personalratswahlen Ende Mai statt. Bereits sieben Monate zuvor hat sich die ver.di-Liste getrofen, um einen Zeitplan zu vereinbaren und erste Ideen für den Wahlkampf zu sammeln. Bei der Belegschaft sind die witzigen Postkarten bei der vorangegangenen Wahl besonders gut angekommen. Der Titel: »Promis warnen: Personalrat? Brauch ich nicht!« Darunter sind sieben Fotos mit Promi-Köpfen abgebildet. Etwa die Queen: »Wahlen haben mir noch nie geholfen.« Oder Ex-Bundespräsident Christian Wulf: »Gegen meine Altersarmut hilft mir auch kein Personalrat weiter.« Personalräte setzen nicht mehr allein auf klassische Wahlkampfmittel wie Flugblatt, Plakat und Kugelschreiber. Die traditionellen Formen werden vielmehr kombiniert mit Wahlwerbung in Sozialen Medien, Haftzetteln mit piigen Texten oder neuen Ideen, Kandidaten und Kandidatinnen vorzustellen. »Früher haben wir unsere Forderungen und Ziele noch detailliert und ausführlich auf einem zweiseitigen Flugblatt erklärt, davon sind wir aber abgekommen«, erzählt ver.di-Mitglied Jürgen Collé vom Hauptzollamt Stuttgart. Stattdessen gibt es Postkarten mit Fotos der Spitzenkandidaten, Postings in Facebook und peppige Wahlplakate. »Auf keinen Fall altbacken«, ist auch das Credo von Personalratsmitglied Roberta Weber in der KfW-Bank in Frankfurt am Main. Auf zwei Workshops haben die ver.di-Mitglieder bereits gegrübelt, wie ein guter Mix aus Inhalt und witzigen Aktionen gelingen kann. Und außerdem einen Kommunikationsberater einge- personalratswahlen 2016 titelthema laden, der andere Ideen für Aktionen mitgebracht hat. Erster Test: Fünf witzige Sprüche auf Haftnotizen übers ganze Haus verteilt, sind gut angekommen. aus der praxis für die praxis Tipps für die Wahlwerbung · Gegnerische Listen nicht polemisch angreifen, stattdessen sachlich argumentieren. · Potenzielle Kandidaten und Kandidatinnen ehrlich über das Arbeitspensum im Personalrat informieren. · Kandidatensuche frühzeitig beginnen, niemanden drängen und unter Druck setzen, sondern zuhören und argumentieren. · Werbegeschenke sind okay, aber weder Tinnef noch teure Artikel verschenken. · Piige Wahlwerbung mit Sprüchen auf Haftzetteln oder Postkarten kommen besser an als eng beschriebene Flugblätter mit dem kompletten Wahlprogramm. · Vorsicht bei übertriebenem Einsatz von Material und permanenten E-Mails: Das geht den Beschäftigten schnell auf die Nerven! »Das A und O bleibt aber, mit den Kollegen und Kolleginnen ins Gespräch zu kommen«, wirft Lilly Eikermann ein. »Das können Twitter und Facebook nicht leisten.« Deshalb verteilen die Verdianer beim RBB auch immer wieder Flugblätter, um Gesicht zu zeigen und in Kontakt mit den Leuten zu kommen. Flugblätter verteilen, mit den Spitzenkandidaten durch die Dienststelle touren, im Intranet und in Sozialen Medien informieren und mit einem Aufkleber kurz vor der Wahl noch mal an den Termin erinnern – damit machen sich die Kandidaten und Kandidatinnen der ver.di-Personalratsliste bekannt. Im Universitätsklinikum Essen nehmen sich die ersten zehn Kandidaten der ver.di-Liste mehrere Tage Urlaub für den Wahlkampf. Von frühmorgens bis zum Nachmittag sind sie auf dem Gelände unterwegs, um zuzuhören, zu diskutieren und die Beschäftigten zu ermuntern, zur Wahl zu gehen. »Nach einer Woche haben wir jedes Labor, jede Werkstatt und jeden OP besucht«, 11 titelthema personalratswahlen 2016 De r Pe rs onalrat 1 | 2016 keinen Zugang zum Computer haben. Und die ständig aktuelle Website des Personalrats. »Verknöchert ist die beileibe nicht.« Die Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten ist manchmal nicht einfach. Persönliche Kontakte sagt Personalratsvorsitzende Alexandra Willer. Aber eins hört sie von den Beschäftigten nicht: »Ist bald wieder Wahl oder warum lasst ihr euch endlich mal blicken?« Wichtig: Ständige Präsenz Denn der Personalrat des Universitätsklinikums Essen zeigt sich nicht erst mit Beginn des Wahlkampfs und verschwindet nach der Stimmauszählung wieder. Das Gremium, das mehr als 5.000 Beschäftigte vertritt, ist vielmehr das ganze Jahr bei der Belegschaft präsent und informiert über seine Arbeit. Ein Beispiel: Wer die Website www.uk-essen.de/personalrat anklickt, landet bei einem Video-Podcast. Ende Oktober bereits der 42. in diesem Jahr. Anklicken, das Video läuft. Darin erzählt eine Personalrätin über das jüngste Verwaltungsgerichtsverfahren und die jüngste Personalratssitzung. Das Video ist lediglich zwei Minuten lang und wird direkt nach der Sitzung eingestellt. »Als wir vor zwei Jahren die Videokamera gekauft hatten, taten sich manche Kollegen und Kolleginnen schwer, vor die Kamera zu treten«, erzählt die Personalratsvorsitzende Alexandra Willer. »Inzwischen ist es so normal wie Protokollschreiben.« Einmal im Monat geht der Personalrat übers Gelände und spricht Beschäftigte an, die ihm zufällig über den Weg laufen. Immer mit der Frage: »Möchten Sie etwas über die Arbeitssituation berichten?« Die Kamera läuft, die Videobotschaft wird ins Netz gestellt. Ziel ist, die Probleme, Sorgen und Anregungen von einem Teil des Geländes ins andere zu transportieren. Zur Öfentlichkeitsarbeit gehören Postings in Facebook, Rundmails und Aushänge in Infokästen für alle, die am Arbeitsplatz 12 Der Personalrat hat sich aber noch mehr einfallen lassen, um bei der Belegschaft präsent zu bleiben und auch selbst immer auf dem Laufenden zu bleiben, welche Probleme die Kolleginnen und Kollegen gerade am meisten drücken. Dazu gehört beispielsweise der Nachtdienstcheck. Alle sechs Wochen besuchen die freigestellten Personalratsmitglieder ab 22 Uhr Beschäftigte in Laboren und Plegebereichen, in denen Nachtdienst geleistet wird. »Viel Zeit haben die Kolleginnen und Kollegen zwar nicht, aber sie schafen es nachts eher, sich mal ein paar Minuten auszuklinken, um mit uns über ihre Arbeitssituation zu sprechen«, sagt Alexandra Willer. Und seit Jahren melden sich die Freigestellten jedes Quartal aus dem Personalratsbüro ab und zum Arbeitseinsatz vor Ort an. Ob in der Dialyse, in der Betriebskindertagesstätte, im Sekretariat der Herzchirurgie, in der Poststelle, beim Krankentransport oder der Gärtnerei – mehrere Tage arbeitet eins der acht freigestellten Personalratsmitglieder dort mit, ein weiterer Personalrat im Plegebereich. »Wir lernen die Probleme direkt vor Ort kennen und die Kolleginnen und Kollegen lernen uns kennen.« Schöner Nebenefekt: Der Arbeitseinsatz hat schon so überzeugt, dass Beschäftigte bei ver.di eingetreten sind. Probleme, Kandidaten und Kandidatinnen zu inden, kennt der Personalrat beim Universitätsklinikum Essen nicht. 55 Menschen zählte die ver.di-Liste bei der vergangenen Wahl. Und auch an jungen Leuten fehlt es nicht. Ihnen wird erstmals ein Platz unter den ersten zehn und ein weiterer unter den ersten 20 garantiert. »Wir haben die Jugend- und Auszubildendenvertretung seit zehn Jahren kontinuierlich aufgebaut und die Azubis und jungen Kollegen in unsere Arbeit eingebunden«, berichtet die Personalratsvorsitzende. Ganz oft haben ehemalige JAV’ler auch Ambitionen, sich im Personalrat zu engagieren. »Die ganze Arbeit, die wir zwischen den Wahlen leisten, ist das Fundament, um beim Wahlkampf loszulegen.«v Michaela Böhm, freie Journalistin, Frankfurt am Main. [email protected] www.michaela-boehm.de
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