Medienrohstoff: Totalrevision des Kirchengesetzes

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Medienrohstoff
zum point de presse vom 8. Dezember 2015 12.00 Uhr im Rathaus
Totalrevision des Kirchengesetzes (Projektorganisation und Zeitplan) sowie Ergebnisse der Arbeitsgruppe Schmid (Umfang und Bedeutung der wohlerworbenen Rechte
aufgrund historischer Rechtstitel der Evangelisch-reformierten Landeskirche)
1.
Totalrevision des Kirchengesetzes
1.1
Ausgangslage
Im letzten Frühling hat der Regierungsrat dem Grossen Rat einen Bericht zum Verhältnis von
Kirche und Staat im Kanton Bern unterbreitet (RRB 313/2015 vom 18. März 2015).1 Der
Grosse Rat hat in der Septembersession am 16.9.2015 mit 125 Ja- zu 8 Nein-Stimmen bei 8
Enthaltungen vom Bericht zustimmend Kenntnis genommen und insbesondere den Leitsatz
1 betreffend die Einleitung einer Totalrevision des Gesetzes vom 6. Mai 1945 über die bernischen Landeskirchen (Kirchengesetz, KG; BSG 410.11) unterstützt. Die Totalrevision des
KG ist einer der zentralen Leitsätze (Leitsatz 1) im Bericht des Regierungsrates.
Der Grosse Rat hat zum Bericht des Regierungsrates am 16. September 2015 zudem die
folgenden Planungserklärungen verabschiedet, die sich weitgehend an den 8 Leitsätzen
des Regierungsrates orientieren.
1
Bericht des Regierungsrats des Kantons Bern vom 18.3.2015 betreffend Das Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern,
RRB 0313/2015; Anträge und Planungserklärungen vom 15.9.2015, Geschäftsnr. 2015.RRGR.280.
Planungserklärungen des Grossen Rates:
1.
Die Weiterentwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat erfolgt innerhalb des
geltenden Verfassungsrechtes im Rahmen einer Totalrevision des Kirchengesetzes
von 1945.
2.
Die Geistlichen werden von den Landeskirchen angestellt. Im Umfang der von den
Landeskirchen allenfalls aufzubauenden Kapazitäten für die Personaladministration
werden zur Gewährleistung der Kostenneutralität Kapazitäten beim Kanton abgebaut.
3.
Die Aufnahme von Geistlichen in den Kirchendienst wird durch die Landeskirchen geregelt und abgewickelt. Der Kanton erlässt aufgrund der öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Landeskirchen gewisse Vorgaben. Die Anforderungen an Geistliche im
heutigen Umfang müssen mindestens erhalten bleiben.
4.
Die pfarramtliche Versorgung der Kirchgemeinden wird von den Landeskirchen festgelegt.
5.
Auf die Ablösung der historischen Rechtstitel wird verzichtet.
6.
Für die Finanzierung der Landeskirchen wird ein neues, zeitgemässes und verlässliches System ausgearbeitet, welches die historischen Ansprüche der Landeskirchen
respektiert, aber auch den berechtigten Interessen des Kantons Rechnung trägt. Das
neue Finanzierungsmodell darf nicht zu einer Mehrbelastung der Einwohnergemeinden
führen. Leistungen der Landeskirchen werden in Leistungsvereinbarungen formuliert.
7.
Bei den Kirchensteuern der juristischen Personen wird eine negative Zweckbindung
eingeführt.
8.
Auf die Ausarbeitung eines allgemeinen Anerkennungsgesetzes wird bis auf weiteres
verzichtet. Anstelle von Anerkennungen sind andere Massnahmen zur Förderung von
Religionsgemeinschaften, die gesellschaftlich relevante Leistungen erbringen, zu prüfen.
Damit besteht zwischen dem Regierungsrat und dem Parlament in einem der wichtigsten
Punkte (Planungserklärung Ziff. 1) Konsens über das weitere Vorgehen im Verhältnis von
Kirche und Staat im Kanton Bern. Es sind nun die Arbeiten für eine Totalrevision des geltenden Kirchengesetzes von 1945 an die Hand zu nehmen.
2
1.2
Zeitplan für die Totalrevision des Kirchengesetzes
Es ist das Ziel des Regierungsrates und der federführenden Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (JGK), die Totalrevision des Kirchengesetzes dem Grossen Rat noch in der bis
Mai 2018 laufenden Legislaturperiode dem Parlament zu unterbreiten. Dies bedingt einen
sportlichen Zeitplan und die Bereitschaft aller Akteure, die Totalrevision speditiv vorzubereiten, damit der Grosse Rat in der Septembersession 2017 die erste Lesung vornehmen kann.
Die Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf soll von Mitte September bis Mitte Dezember
2016 durchgeführt werden.
Die Vorteile eines solchen Vorgehens liegen für die JGK auf der Hand: der Grosse Rat und
die vorberatende Kommission (SAK) - in ihrer aktuellen personellen Zusammensetzung kennen das Dossier aufgrund der Beratung des Kirchenberichtes in der Septembersession
2015 und sind damit gut auf die Beratung der Gesetzesvorlage vorbereitet. Für die Landeskirchen besteht mit einer raschen Verabschiedung des Gesetzes schon bald Klarheit, welche
Anpassungen im innerkirchlichen Recht nötig werden und wie sie sich auf die anstehende
Transition vorbereiten müssen. Die rasche Beratung und Verabschiedung des neuen Kirchengesetzes bedeutet nicht, dass der Erlass dann schon sofort in Kraft gesetzt werden
muss. Die Inkraftsetzung, oder allenfalls eine gestaffelte Inkraftsetzung einzelner Bestimmungen, soll vom Regierungsrat in Absprache mit den Landeskirchen erfolgen, sobald diese
organisatorisch bereit sind, die Anstellung der Geistlichen vom Kanton zu übernehmen und
ihre innerkirchlichen Erlasse an die neue Ausgangslage angepasst haben. Dies wird frühestens auf den 1. Januar 2019, realistischerweise aber wohl erst später der Fall sein.
1.3
Projektorganisation für die Erarbeitung der Kirchengesetzrevision
Die Federführung für das Gesetzgebungsprojekt liegt bei der JGK, da sie sämtliche Aufgaben auf dem Gebiet der kirchlichen Angelegenheiten bearbeitet (Art. 1 Abs. 1 Bst. b OrV
JGK2). Für den Regierungsrat leitet die JGK das Vorverfahren der Rechtsetzung (Art. 88
KV).
Auftraggeber des Gesetzgebungsprojektes ist somit der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor. Ihm obliegen die Oberaufsicht und politische Gesamtverantwortung für das Gesetzgebungsprojekt. Er trifft sämtliche Grundsatzentscheide (Genehmigung Projektorganisation,
Auftragserteilung, Freigabe der Unterlagen für den politischen Beratungsprozess (Mitberichtund Vernehmlassungsverfahren)) sowie Antragstellung an den Gesamtregierungsrat.
Die Gesetzgebungsarbeiten umfassen die folgenden Punkte:
-
Erarbeitung eines Entwurfs samt Vortrag für ein neues Landeskirchengesetz bis Mitte
2016
Erarbeitung eines Konzepts für die Übertragung der Pfarrstellenadministration vom Beauftragten für Kirchliche Angelegenheiten (BKA) der JGK auf die Landeskirchen inklusive
2
Verordnung vom 18. Oktober 1995 über die Organisation und die Aufgaben der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (OrV
JGK; BSG 152.221.131)
3
-
einem Kommunikationskonzept für die Information der Betroffenen in der Transitionsphase
Erarbeitung eines neuen Finanzierungssystems für die finanziellen Leistungen des Kantons an die Landeskirchen.
Klärung des Anpassungsbedarfs beim geltenden Dekrets- und Verordnungsrechts sowie
den vertraglichen Verpflichtungen.
Klärung des Anpassungsbedarfs der innerkirchliche Gesetzgebung und Planung der
Transitionsphase samt Zeitplanung ;
Weitere Vorarbeiten, die sich gemäss der Detailplanung der Gesamtprojektleitung als
unabdingbar erweisen.
Der JGK-Direktor wird in diesem Gesetzgebungserarbeitungsprozess durch eine speziell
eingesetzte Begleitgruppe „Kirchengesetzrevision“ beraten. Die Begleitgruppe setzt sich
aus den folgenden Personen zusammen:
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
Christoph Neuhaus, JGK-Direktor (Präsidium)
Andreas Zeller, Synodalratspräsident der Evangelisch-reformierten Landeskirche des
Kantons Bern
Pia Grossholz, Mitglied des Synodalrates der Evangelisch-reformierten Landeskirche
des Kantons Bern
Stefan Ramseier, Mitglied des Synodalrates der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Bern
Josef Wäckerle, Synodalratspräsident der Römisch-katholischen Landeskirche des
Kantons Bern
Arno Stadelmann, Bischofsvikar
Christoph Schuler, Präsident der Christkatholischen Kommission des Kantons Bern
Hansruedi Spichiger, Präsident des Kirchgemeindeverbandes des Kantons Bern
Michael Graf, Präsident des Evangelisch-reformierten Pfarrvereins Bern
Da den Landeskirchen gemäss Kantonsverfassung in den sie betreffenden kantonalen Angelegenheiten – insbesondere bei der Kirchengesetzgebung - ein Vorberatungs- und Antragsrecht zukommt (Art. 122 KV), ist es zielführend, die Landeskirchen von Anfang an bei der
Erarbeitung des neuen Kirchengesetzes eng und partnerschaftlich einzubeziehen. Deshalb
wirken die Landeskirchen durch den Einbezug des Synodalratspräsidenten der Römischkatholischen Landeskirche, des Bischofsvikars, des Synodalratspräsidenten und zweier Mitglieder des Synodalrates der Evangelisch-reformierten Landeskirchen, des Präsidenten der
Kommission der Christkatholischen Landeskirche sowie der Präsidien des Kirchgemeindeverbandes und des Pfarrvereins in der Begleitgruppe „Kirchengesetzrevision“ von Anfang an
mit. Der Bernische Staatspersonalverband BSPV nimmt in Absprache mit dem Pfarrverein
bei den kommenden Arbeiten die Interessenwahrung auch für Pfarrpersonen wahr, die nicht
Mitglieder des BSPV sind.
Die Begleitgruppe hat am 10. November 2015 unter Leitung des JGK-Direktors ihre erste
konstituierende Sitzung durchgeführt.
Auf operativer Ebene wird eine Gesamtprojektleitung eingesetzt, welche die eigentlichen
Gesetzgebungsarbeiten besorgt.
4
Die Gesamtprojektleitung setzt sich personell wie folgt zusammen:
o
o
o
o
o
Christoph Miesch, GS JGK, (Vorsitz)
Roman Mayer, stv. GS, (Stellvertretender Vorsitzender)
Martin Koelbing, BKA
Anna Bäumlin, Juristin im RA JGK, (Sekretariat der Begleitgruppe und der GPL)
Daniel Inäbnit, Kirchenschreiber refbejuso, Vertreter der Landskirchen in der GPL
Die Gesamtprojektleitung hat für die Erarbeitung einzelner Themenbereiche fünf Teilprojekte
eingesetzt, in welchen Fachpersonen aus den kirchlichen Verwaltungen und der Verbände
mitwirken.
2.
Bericht der Arbeitsgruppe Schmid
2.1
Ausgangslage
Auf Vorschlag des Generalsekretariates der JGK wurde zwischen einer Delegation des Synodalrates der Evangelisch-reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und dem Generalsekretariat der JGK eine gemeinsame Sachverhaltsabklärung zum Umfang und zur Bedeutung
der wohlerworbenen Rechte aufgrund historischer Rechtstitel der Evangelisch-reformierten
Landeskirche gemäss Art. 54 Abs. 2 des kantonalen Kirchengesetzes (KG; BSG 410.11)
vorgenommen. Dieses Vorgehen wurde vorgängig mit dem JGK-Direktor so vereinbart.
Die Sachverhaltsabklärung erfolgte im Kontext des vom Regierungsrat erstellten Berichtes
zum Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern3. Gemäss Antrag des Regierungsrates
hat der Grosse Rat zu den historischen Rechtstiteln der Evangelisch-reformierten Landeskirche folgende Planungserklärung Nr. 5 verabschiedet:
5.
Auf die Ablösung der historischen Rechtstitel wird verzichtet.
Die von einer gemischt zusammengesetzten Arbeitsgruppe4 vorgenommene Sachverhaltsabklärung hatte zum Ziel, den Umfang der wohlerworbenen Rechte aufgrund der historischen Rechtstitel gemäss Art. 54 des KG zu quantifizieren (Anzahl besoldeter Pfarrstellen
sowie Umfang und Wert der 1804 vom Staate Bern übernommenen Kirchengüter). Nach
Ansicht der JGK verfügt nur die Evangelisch-reformierte Landeskirche über historische
Rechtstitel.
3
Bericht S. 11f. und 16f., Verweise siehe Fussnote 1
4 Der Arbeitsgruppe gehörten folgende Mitglieder an: Seitens des Synodalrats der Reformierten Kirchen: Andreas Zeller (Synodalratspräsident), Pia Grossholz-Fahrni (Vizesynodalratspräsidentin), Stefan Ramseier (Synodalrat); Seitens des Generalsekretariates der JGK: Christoph Miesch (Generalsekretär JGK), Roman Mayer (Stv. Generalsekretär JGK); ferner wurde als Experte
beigezogen Dr. iur. Ueli Friederich. Die Arbeitsgruppe wurde geleitet von Frau Prof. Dr. iur. Christina Schmid-Tschirren
5
Die Ergebnisse der Sachverhaltsabklärung wurden explizit als ergebnisoffen bezeichnet. Die
Arbeitsgruppe Schmid ist von der Prämisse ausgegangen, dass die historischen Rechtstitel
bestehen und rechtlich Bestand haben. Weiter wurde in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Synodalratspräsidenten der Evangelisch-reformierten Kirchen Bern-JuraSolothurn und dem Generalsekretär der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion vom 7. Oktober 2014 ausdrücklich festgehalten, dass keiner der beiden Partner politisch durch ein allfälliges Ergebnis der gemeinsam vorgenommenen Sachverhaltsabklärungen gebunden ist.
Die JGK informierte mit Schreiben vom 9. Oktober 2014 die anderen Partner im Verhältnis
Kirche und Staat (d.h. den Synodalrat der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons
Bern, die Christkatholische Landeskirche des Kantons Bern, den Kirchgemeindeverband des
Kantons Bern und den Evangelisch-reformierten Pfarrverein Bern-Jura-Solothurn) über die
Arbeiten zur Sachverhaltsabklärung. Diese Partner wurden heute über den Inhalt der Arbeiten informiert.
2.2
Ergebnisse der Arbeitsgruppe Schmid
Mit dem Bericht der Arbeitsgruppe Schmid vom 16. November 2015 (siehe Beilage) wurde
erstmals versucht, die Bedeutung und dem Umfang der historischen Rechtstitel nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden herzuleiten. Es konnte nachgewiesen werden, in welchem Umfang der Staat Bern 1804 eine Verpflichtung zur ewigen Besoldung der Pfarrstellen
übernommen hat als Gegenleistung für die Übernahme der kirchlichen Pfrundgüter der
Kirchgemeinden zwischen 1804 bis 1839.
Die Arbeitsgruppe kommt zum Schluss, dass bis zur letzten Übernahme von Pfrundgut durch
den Kanton Bern im Jahr 1839 insgesamt 194 Pfarrstellen mit historischen Rechtstiteln begründet werden können. Zum Vergleich: Heute besoldet der Kanton per Ende 2015 der
Evangelisch-reformierten Landeskirche insgesamt 360,5 Pfarrstellen.
Aufgrund von zwei Staatsverträgen mit den Kantonen Freiburg5 und Solothurn6 hat sich der
Kanton Bern sodann vertraglich verpflichtet, insgesamt rund 2,86 Pfarrstellen für fünf die
Kantonsgrenze überschreitende, evangelisch-reformierte Kirchgemeinden zu finanzieren. Es
sind dies die Kirchgemeinden Ferenbalm (mit 1.0 Vollzeitstelle), Kerzers (mit 1,0 Vollzeitstelle), Murten (mit 0.2 Vollzeitstelle), Messen (mit 0.3771 Vollzeitstelle), sowie Oberwil bei Büren (mit 0.2873 Vollzeitstelle).
Als Gegenleistung hat der Kanton Bern damals ebenfalls Pfrundgut übernommen. Somit
können für insgesamt 196,86 Pfarrstellen historische Rechtstitel nachgewiesen werden.
Deshalb kommt die Arbeitsgruppe zum Ergebnis, dass bei den weiteren Arbeiten der Totalrevision des Kirchengesetzes von einer Zahl von insgesamt 197 Pfarrstellen auszugehen
ist, für welche historische Rechtstitel bestehen.
5
Übereinkunft vom 22. Januar und 6. Februar 1889 mit dem hohen Stande Freiburg zu näherer Bestimmung der kirchlichen
Verhältnisse der gemischten Gemeinden Ferenbalm, Kerzers und Murten (BSG 411.231.91)
6
Übereinkunft vom 18. Februar 1959 zwischen den Ständen Bern und Solothurn betreffend die kirchlichen Verhältnisse in den
evangelisch-reformierten Kirchgemeinden des Bucheggberges und der Bezirke Solothurn, Lebern und Kriegstetten vom 23.
Dezember 1958411.232.12
6
2.3
Schlussfolgerungen für die Kirchengesetzrevision
Nimmt man die im Jahr 2015 anfallenden durchschnittlichen Bruttoarbeitgeberlohnkosten7 für
eine evangelisch-reformierte Pfarrstelle von CHF 176‘800.— als Berechnungsbasis, entsprechen die 197 Pfarrstellen heute einem jährlich Lohnvolumen von CHF 34,8 Mio., welches der
Kanton zugunsten der Evangelisch-reformierten Landeskirche ausrichtet.
Dies bedeutet, dass nur ein Teil des Lohnvolumens, welches der Kanton heute der Evangelisch-reformierten Landeskirche von insgesamt jährlich rund CHF 63,73 Mio (360,5 Pfarrstellen x durchschnittlicher Bruttoarbeitgeberlohn) ausrichtet, durch historische Rechtstitel begründet sind, nämlich zu rund 54,6 % der Lohnsumme.
Zudem finanziert der Kanton per Ende 2015 auch noch die 77,5 Pfarrstellen der Römischkatholischen Landeskirche und 2.7 Pfarrstellen der Christkatholischen Landeskirche. Nur ein
Teil der vom Kanton finanzierten Lohnkosten an die drei Landeskirchen werden somit gestützt auf Art. 54 Abs. 2 des Kirchengesetzes aufgrund von historischen Rechtstiteln entrichtet.
Allerdings ist hierzu ergänzend festzuhalten, dass die Experten Muggli und Marti in ihrem
Expertenbericht vom 14. Oktober 2014 zu Handen der JGK dargelegt haben, dass die drei
Landeskirchen gesellschaftlich relevante Dienstleistungen (gemessen in Lohnkosten) im
Umfang von jährlich total CHF 133 Mio. erbringen8 und damit den Kanton und seine Einwohnergemeinden in vielen Aufgabenbereichen (Integration, Migration, Alters- und Jugendarbeit,
Fürsorge, Kultur usw.) stark entlasten. Die Landeskirchen erbringen somit beachtliche gemeinwirtschaftliche Leistungen. Heute zahlt der Kanton den Landeskirchen aktuell (Stand
Voranschlag 2015) insgesamt jährlich CHF 73,26 Mio. 9 durch die Übernahme der Lohnkosten von 440,7 Pfarrstellen. Eine eigentliche Abgeltung der gesellschaftlich relevanten Leistungen der Landeskirchen erfolgt heute nicht.
Der Regierungsrat und der Grosse Rat haben bei der Beratung des Kirchenberichtes im
September 2015 übereinstimmend festgelegt, dass die historischen Rechtstitel im Rahmen
der nun anstehenden Kirchengesetzrevision nicht abgelöst werden.10 Eine Ablösung würde
nämlich bedeuten, dass der Kanton die Evangelisch-reformierte Landeskirche mit einer hohen Kapitalsumme auszuzahlen oder die 1804 bis 1839 übernommen Kirchengüter restituieren müsste, was faktisch heute nicht mehr möglich ist, weil er seither einen Teil der Grundstücke veräussert hat oder sie anderweitig nutzt.
Unter den politischen Behörden besteht deshalb Einigkeit darüber, dass das aktuelle Finanzierungssystem vielmehr an moderne Verhältnisse angepasst werden soll und dass die historischen Ansprüche der Landeskirche respektiert werden. Hierzu hat der Grosse Rat am 16.
September 2015 die Planungserklärung Ziff. 6 mit folgendem Wortlaut verabschiedet: „Für
die Finanzierung der Landeskirchen wird ein neues, zeitgemässes und verlässliches System
7
In den Bruttoarbeitgeberlohnkosten sind 18,923% Arbeitsgeberbeiträge an die Pensionskasse und die Sozialversicherungen
sowie durchschnittliche Betreuungs- und Ausbildungszulagen von CHF 180.— eingerechnet.
8
ECOPLAN, AD!VOCATE Bericht vom 14. Oktober 2014, Das Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern. Eine Auslegeordnung, S. 100
9
Darin enthalten sind noch 1.0 Vollzeitstellen für den Weihbischof von Basel aufgrund eines Staatsvertrages sowie 13.0 Vollzeitstellen für die Ausbildungsstellen der ev.-ref. Vikariate.
10
Siehe die Planungserklärung Ziff. 5 des Grossen Rates vom 16. September 2015; Tagblatt des Grossen Rates, Septembersession 2015, Debatte vom 15.9.15
7
ausgearbeitet, welches die historischen Ansprüche der Landeskirchen respektiert, aber auch
den berechtigten Interessen des Kantons Rechnung trägt. Das neue Finanzierungsmodell
darf nicht zu einer Mehrbelastung der Einwohnergemeinden führen. Leistungen der Landeskirchen werden in Leistungsvereinbarungen formuliert.“
Der Grosse Rat hat in der Debatte zum Kirchenbericht 11 auch klar festgehalten, dass der
heutige Betrag des kantonalen Kultusbudgets im Umfang von CHF 73,26 Mio. (Voranschlag
2015) bei der anstehenden Totalrevision des Kirchengesetzes nicht mittels weiterer Sparmassnahmen reduziert werden soll.
Die Umsetzung eines neuen Finanzierungssystems soll dadurch erfolgen, dass der Kanton
nicht mehr direkt die Pfarrbesoldungen für die Pfarrer der drei Landeskirchen übernimmt und
als Anstellungsbehörde den Pfarrpersonen ausrichtet. Neu sollen die Besoldungen an die
Pfarrpersonen von den Landeskirchen nach deren personalrechtlichen Grundlagen ausgerichtet werden. Anstellungsbehörde werden neu die Landeskirchen sein, wobei die Kirchgemeinden ihre Geistlichen vor Ort ernennen. Der Kanton schliesst mit den drei Landeskirchen
Leistungsvereinbarungen ab, in welchen er die von den Landeskirchen erbrachten gesellschaftlich relevanten Leistungen nach den Grundsätzen des Staatsbeitragsrechtes angemessen abgilt. Die Einhaltung der Verpflichtungen aus den historischen Rechtstiteln gegenüber der Evangelisch-reformierten Landeskirche wird der Kanton weiterhin gewährleisten. Im
neuen Kirchengesetz werden dies entsprechende Bestimmungen sicherstellen.
Beilage:
Bericht der Arbeitsgruppe Schmid vom 16. November 2015 betreffend „Verhältnis von Kirche
und Staat im Kanton Bern / Abklärungen zum Umfang der wohlerworbenen Rechte der
evangelisch-reformierten Landeskirche aufgrund historischer Rechtstitel“
11
Tagblatt des Grossen Rates, Septembersession 2015, Debatte vom 15.9.15 – Abend; Votum Adrian Wüthrich (Kommissionssprecher der SAK): „Wenn ich zu Leitsatz sechs und somit zu Seite 10 des vorliegenden Papiers komme, kann ich im Namen
der SAK nochmals Folgendes unterstreichen: Wir sind klar der Meinung, dass der vorliegende Bericht und die kommende Revision des Kirchengesetzes keine Sparübung sein sollen. Deshalb schlagen wir vor, den Nebensatz, den Sie in der Planungserklärung 15 durchgestrichen sehen, effektiv aus dem Leitsatz zu streichen. Es soll nicht darum gehen, den finanziellen Handlungsspielraum des Kantons Bern zu erweitern bzw. keine über die ASP-Massnahmen hinausgehende Sparmassnahmen zu
unterstützen. Damit wollen wir den Landeskirchen klar sagen, dass der Grosse Rat hier nicht weiter sparen will. So können
auch gewisse Befürchtungen ausgeräumt werden.“ Diese Aussage des Kommissionssprechers blieb im Grossen Rat unwidersprochen.
8