Die Zubäch so in den Röthenbach loufen sind folgende: in der Oberei der Spichergraben, der Waldbach, der Rambach, bei der Süderen der Lindbach, so auch in den Süderen Mülibach louft. In der Seeli das Thun- und Feistergraben Bächli, in der Niederey das Bächli so vom Ruchgrat kommt, der Trüebbach so von Stauffen her kommt, witers der Jassbach, witers der Schmittbach und Fambach, der steinig Greblibach, der Husbach so von der Farneren kommt, der Schürbach, der Träbach so von der oberen Münchegg kommt, der Flüebach so von Naters und Weierschwand herkommt, der Brambach so von dem Kapfschwand herkommt, weiters der Rothbach, der Zillmattenbach, das Luchsmattenbechli.“ Das Wasser von der Honegg bis zur Ämme Gotthelf1: Ein schmal, aber liebliches Tälchen hat der Röthenbach sich ausgegraben, und von allen Bergen musste jeder Regenguss die beste Erde schwemmen in dasselbe, während fetter Mergel an vielen Stellen in der Tiefe liegt. Schöne Heimwesen, Sägen, Mühlen lagen in dem schönen Grunde, doch nach Röthenbach zu auch ärmliche Häuschen, deren Bewohner aber dort an der Sonne behaglicher lebten als viele Palastbewohner Schattseite. Das Tälchen schien so friedlich, dass weder Menschen noch Natur hier den Frieden stören, dass man Unfriede, Aufruhr hier nur träumen zu können schien. Aus der Wolke strömt der Regen Quillt der Segen; Aus der Wolke – ohne Wahl – Zuckt der Strahl. Die Schenk Chronik2 berichtet: „Der Röthenbach entspringt hinden an der Honeggen, louft nach der Oberei und Süderen, allwo er die Sagi und Mülli [1910 abgebrannt] treibt; von da louft er durch die Seelinen und Niederei nach Röthenbach, führt weiter durch Fischbach, Zillmatt Eggiwil, allwo er die Mülli und Sagi treibt und von dort in die Ämme louft. Johann Riedweil Es gab noch kaum Brücken über den Röthenbach3,4. Die einzige, von der der Chronist um 1750 schreibt, ist die Brücke in der Niederei. Bei Wassergrössen sind viele Brücken immer wieder weggerissen worden. Die Pflicht zum Neubau dieser Brücken lastete nicht etwa auf der Allgemeinheit, sondern der Besitzer des anstossenden Landes war dafür verantwortlich. Über die Gewässer führten nur Stege: Der Eymattsteg, der Hüsisteg, der Mettlensteg, der Brambachsteg, der Fischbachsteg, der Moserensteg etc. Diese Stege waren äusserst einfach gebaut. Auf einem Joch ruhten zwei Deuchel [zwecks Wasserführung ausgebohrte Baumstämme], über die man marschierte, was bei Wassergrösse mit Lebensgefahr verbunden war. Schenk schrieb: „Einstens geschah es, dass beim Mettlensteg des Fischbach Weibels Sohn, da der Bach fast an Stäg uchen gelüffen, darüber ginge. Da brach der einte, er wusste sich noch am anderen zu halten, hing mit den Hosen im Wasser, da er dann von einem Bruder und einer Schwester durch Hilf eines angemachten Seils gerettet worden. Und wenn der Stäg gebrochen, wären sie wohl alle drei ertrunken, da er einsten danach von sälbst gebrochen und achen gefallen.“ 1 Röthenbach in alter Zeit „Am 18. Mai auf den Abend fing es an zu schneien, dass es am Boden weiss gesin und schneite die Nacht daruf, dass morgens fast ein Schuh [ca 30 cm] töüf nasser Schnee gewesen. Der hat den Herbstroggen, das Korn und anders nieder gerissen, die Bäum zerrissen und es schneite noch den sälben Tag, ja noch am 20. vormittags und war kalt; auf den Bärgen war der Schnee 2 Schuh töüf, auf den höchsten knöü töüff [knietief]….“ „Um die Not des Landmanns zu vergrössern, setzten in der ersten Hälfte Juni gewaltige Gewitter mit Hagelschlag ein, so am 2.,3.,4. und 5. Brachet [siehe Anhang] schon. Am meisten litt Röthenbach und Umgegend unter dem Gewitter vom 6. Brachet. An Wachseldorn, Niederei, Röthenbach, Fischbach, Kapf, Schweissberg und usseren Eggiwil-Viertel, hinüber gegen Langnau und in den Trueberbärgen hat das Hagelwätter an etlichen Orten fast alles erschlagen. Die Familie Schenk selber war gezwungen, ihre Hanfpflanzung zum Teil uszumachen…. „ Nicht erst zu Gotthelfs Zeiten gab es eine Wassernot im Emmental. Schenk5 berichtet von vielen Nöten, die das Wetter den Röthenbachern bescherte: Anno 1755. „Vom 4. bis zum 8. Jänner dieses Jahres war es sehr kalt, so dass viele Brunnen abfroren, worunter auch der in der Ey, der sunst bei Mannsdänken nie abgefroren. Viele Mühlen mussten den Betrieb wegen fehlender Wasserkraft einstellen, so die von Röthenbach, Eggiwil, Aeschau und Steinen. Das Röthenbachwasser nahm ab und verfror am 28. Jänner völlig, also dass bis zum Hüsisteg kein Wasser anzuträfen war. Also musste man im Trübbach und Schürgraben [aus zwei Seitenbächen] Wasser nämen. Auch die Emme fror zu und trocknete ab. Die Einstellung des Betriebes in den Mühlen wurde, wie es scheint, sehr empfunden, da die Mühlen von damals nicht auf Vorrat schafften, sondern kaum das tägliche Brot für die zahlreichen Kunden herbeizuklappern vermochten. …“ Johann Riedweil 2 Röthenbach in alter Zeit Im Jahre 1758 hat Schenk auch viele Wassergrössen aufgezeichnet. Eine wurde einem jungen Burschen zum Verhängnis: „Im Mai ist der Röthenbach auch sehr grossen angelaufen und hat Inbrüche getan. Bim Oberei-Sagistäg ist ein halb gewachsener Knabe ertrunken, der etwas auf dem Schallenberg abholen sollte und im wieder zurückgehen fiel er in den Bach. Der Hut fand man an einer Schwelli; von ihm hat man nichts finden noch erfahren können.“ Fast einhundert Jahre später wird das Emmental durch starke Regengüsse im Gebiete der Honegg von den schlimmsten Schäden entlang des Röthenbachs und der Emme betroffen. Jeremias Gotthelf hat diese Naturkatastrophe in der Erzählung „Die Wassernot im Emmental am 13. August 1837“ literarisch beschrieben. Jeremias Gotthelf6: „In den freundlichen Boden, wo die Oberei liegt, stürzte sie sich grausenvoll, Wälder mit sich tragend, Matten verschlingend, und suchte sich da ihre ersten Opfer. Bei der dortigen Säge spielte auf hohem Trämelhaufen ein liebliches Mädchen, als die Wasser einbrachen hinter dem Schallenberg hervor. Um Hülfe rief es den Vater; auf der Säge sich zu sichern, rief ihm derselbe zu vom gegenüberstehenden Hause. Es gehorchte dem Vater, da wurde rasch die Säge entwurzelt und fortgespült wie ein klein Drucklein. Das arme Mädchen hob zum Vater die Hände auf, aber der arme Vater konnte nicht helfen, konnte es nur versinken sehen ins wilde Flutengrab. Aber als ob die Sägeträmel dem Kinde hätten treu bleiben wollen, fassten sie es in ihre Mitte, wölbten ihm ein Totenkämmerlein und türmten sich unterhalb Röthenbach zu einem gewaltigen Grabmale über ihm auf. Die Fische im Röthenbach waren früher auch eine Nahrungsquelle für die Anstösser. Schenk berichtet, dass man im Fischbach einen sehr grossen Fisch mit den Händen gefangen habe. Andreas Schenk steckte ihm ein Finger in die Kiemen und konnte ihn so aus einem hohlen Unterschlupf hervorziehen und in eine grosse Melchteren legen. Er war so dick wie eines „Mönsch Scheichen bei der Waden“. Wenn der Bach ausgetrocknet war, hat man sie mit freien Händen fangen können oder nach einem grossen Gewitter suchte man die Fische auf den Wiesen, wohin diese angeschwemmt wurden. Auch hat man die Fische Nachts beim Leichen mit einem Degen gehauen oder mit einem Stein tot geschlagen. Johann Riedweil 3 Röthenbach in alter Zeit zwei Paar Schuhe, von denen die einen ganz neue Absätze gehabt, das vergisst er nicht zu erzählen und wird es auch im Tode nicht vergessen. Die Kühe in der Riedmatt hatten am Morgen ihre Meisterleute ungern gehen sehen an die Kindstaufe in der Grabenmatt, hatten ihre Häupter bedenklich ihnen nachgeschüttelt; als nun der Donner brüllte und die Wasser brausten, da retteten sie sich in eine Hütte und schauten von da wehmütig übers Wasser nach der Grabenmatt, ob der Meister nicht kommen wolle ihnen zu Rat und Hülfe. Totenrodel von Röthenbach7 13. August 1837 Elisabeth Fankhauser Christens eheliches Kind von Trub, beyr Sage in der Oberei ertrank in den tobenden Wogen des Röthenbachs, in der es auf der Säge von der ausserordentlichen Wasserflut weggeschwemmt wurde, hineinstürzte. Sein Leichnam wurde noch nicht gefunden – Nachtrag: Ward im Tennli gefunden und im Eggiwil beerdigt. Sie wollten nicht, dass die Schlange es entführe dem heimischen Boden; sie hüteten es in ihren treuen Armen, bis nach Wochen die Eltern es fanden und es bringen konnten an den Ort der Ruhe, wo sein arm, zerschellt Leibchen ein kühles Plätzlein fand, gesichert vor den bösen Fliegen, die es im Tode nicht ruhig liessen, aber auch sein Kämmerlein den Suchenden verrieten. Taufrodel von Röthenbach9 Würzbrunnen, 13. August Niederey-Gut Eltern: Johannes Gerber, Hansen sel. in der Grabenmatt und Anna Dällenbach, Christens sel. von Otterbach Kind: Susanna Zeugen: Johannes Gerber, von Schangnau, allhier in der Riedmatt; Anna Gerber, des Kindes Schwester; Anna Hirschi geb. Rüegsegger, Hansens von Schangnau Totenrodel von Eggiwil8 7. September 1837, Elisabeth Fankhauser, Christens und der Anna, geb. Blaser Kind, von Trueb, sonst an der Oberei, Kirchhöre Röthenbach, alt 11 Jahre. Es wurde auf den 6ten Sept. in einem Haufen Holz mit starker Vewesung beim Haus des Bendicht Dolder im Tennli aufgefunden, nachdem es nebst der Oberei Säge, auf die es sich geflüchtet, am 13. August von der Röthenbach Flut war fortgerissen worden. Angegeben von seinem Vater. Als die Wasser die Hütte zerstiessen, da riefen sie gar wehlich nach dem Meister, und vom Wasser fortgerissen, wandten sie ihre stattlichen Häupter immer noch dem erwarteten Meister entgegen, doch umsonst. Es wusstens die Kühe, wie tief ihr Elend dem Meister ins Herz schnitt, der eine der geretteten, aber schwer verletzten Kühe nicht zu schlachten vermochte, weil sie ihm zu lieb war. Während in der Weid die Kühe verlorengingen, stunden im Hause die zurückgebliebene Magd und ein Knabe Todesnot aus. Auf den Brückstock hatten sie sich gerettet und der Knabe das Fragenbuch, in dem er in der Stube gelernt hatte, mitgenommen. Auf dem Brückstock lernte derselbe nun fort und fort in Todesangst und Todesschweiss, bis die Not vorüber war, im Fragenbuch. Das war ein heisses Lernen! Der Knabe nennt es Beten - und wird dasselbe ebenso- Einem armen Köhler jagten die Wasser in seine Hütte, zertrümmerten ihm diese Hütte und wollten ihn weisswaschen, den schwarzen armen Mann, bis er weiss zum Tode geworden wäre; aber auf einen Trämel, der ihm durch die Hütte fuhr, setzte er sich und ritt nun ein halsbrechend Rennen mit tausend Tannen, bis er Boden unter seinen Füssen fühlte und an dem Berge hinauf sich retten konnte. Der arme Mann weiss nichts mehr zu sagen von seiner Todesangst und Todesnot; aber, dass der Bach ihm seine Effekten weggenommen, aufs wenigste einundachtzig Batzen wert, und darunter Johann Riedweil 4 Röthenbach in alter Zeit Anhang: Zu den Monatsnamen11, die sich in alter Zeit von Region zu Region unterscheiden können, gibt uns die Schenk-Chronik für das Emmental die Erklärungen: wenig vergessen als der Köhler seine alten Schuhe mit den neuen Absätzen. Die tiefe Furt wurde dem Bach zu enge immer mehr; er riss die Ufer immer weiter auseinander zur Rechten und zur Linken, stieg hoch hinauf zu beiden Seiten, warf schwere Steine in hohe Matten, bespülte den Fuss des höher gelegenen Dorfes Röthenbach, und gewaltige Tannen bäumten hoch sich auf, den Menschen, die sie nicht erreichen konnten, wenigstens zu drohen. Unterhalb dem Dorfe zerriss er die dortige Sägemühle und stürzte sich nun das liebliche Tälchen hinab. Um ihre Hütten stunden dort schon lange die armen Bewohner schauernd in dem Feuer des Himmels, welches das Tal erfüllte, die Menschen blendete, Menschen und Hütten zu verzehren drohte. Da drang das furchtbare Tosen zu ihnen heran; ihm nach alsobald stürzte schwarz die ungeheure Flut, hochauf ganze Bäume werfend, radweis schwere Trämel überschlagend vor sich her. Ein Stück des Bodens, der sie vom Bache trennte, nach dem andern verschwand. Die Flut wühlte sich um ihre Füsse, untergrub des Hauses Seiten, warf Tannen durch die Fenster, erschütterte mit Trämeln den ganzen Bau, alles in wenig Augenblicken. Da wards den armen Leuten, als ob die Tage der Sündflut wiederkehrten; es floh, wer fliehen konnte, nach allen Seiten der hohen Bergwand oder hohen Bäumen zu. Mütter ergriffen ihre Kinder, Söhne trugen ihre Väter, arme Witwen führten ihre Ziegen, andere flohen in Angst mit dem, was ihren Händen am nächsten lag, mit einem Hausgerät oder gar mit einem Stück Holz oder Laden.“ Jänner hat den Namen vom Ingang des Jahres. Hornung hat den Namen von den Hörnern, die die Hirschen abwerfen. Merz hat den Namen von dem Martin, der ein Kriegsgott der Heiden war. April heisst das Auftun der Bodenerde. Meien hat den Namen von der Majestät, weil er der schönste Monat sei. Brachet hat den Namen vom Acker brachen. Heuet hat den Namen vom Heuen. Augst hat den Namen vom Kaiser Augusto, der in diesem Monat Kaiser wurde. Herbst hat den Namen von der herben Luft. Winmonat hat den Namen vom Wein. Wintermonat hat den Namen von der kalten Luft. Christmonat hat den Namen vom Christtag. 1 Gotthelf, 1838, Wassernot im Emmental. Schenk Chronik, Buch 2, Seite 4/5, sowie G. Reusser Transkript, 1910, Merkwürdigkeiten, so sich von Jahr zu Jahr begeben. 3 G. Reusser Transkript, 1910, Merkwürdigkeiten, so sich von Jahr zu Jahr begeben. 4 Nach G. Reusser, 1914, Vom Brückenzoll der Röthenbacher, Blätter für bernische Geschichte, Kunst und Altertumskunde, Band X, Seite 12-20. 5 Siehe Fussnote 2 6 Gotthelf , 1838, Wassernot im Emmental 7 Totenrodel von Röthenbach, CD R3/4367 8 Totenrodel von Eggiwil, CD E2/4810 9 Taufrodel von Röthenbach, CD R1/1241 2 Nachher wurde vom Regierungsrat10 auf den Heiligen Bettag in allen Kirchen des Kantons eine Liebessteuer aufzunehmen ausgeschrieben, die sich auf eine grosse Summe belief [60 000 Franken]. Um selbige auszuteilen, oder zu verteilen, wurden aus jeder Gemeinde des Amtsbezirks zwei Unparteiische, das heisst nicht beschädigte Ausgeschossene [Delegierte] nach Langnau berufen. Johann Riedweil 10 Haldemann Christian, 1827, Topographische statistische und ökonomische Beschreibung der Gemeinde Eggiwyl. Nachdruck 1903, Buchdruckerei Wyss & Cie. Langnau. 11 Schenk Chronik, Buch 6, Seite 201. 5 Röthenbach in alter Zeit
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