Rechtsextremismus im Internet - Adolf-Bender

www.adolfbender.de
Rechtsextremismus
im Internet
Eine Broschüre für Lehrer(innen),
weitere pädagogische Fachkräfte, Interessierte
Inhaltsverzeichnis
Über die Broschüre
3
Rechtsextremismus heute
4
Rechte Seiten im Internet
7
Soziale Netzwerke und Web 2.0
10
Rechte Musik im Internet
14
Gegenmaßnahmen
16
Literatur, Quellen, Links
19
Gefördert durch:
2
Über die Broschüre
Die Broschüre ist eine Ergänzung des Katalogs zur Ausstellung „Hass ist ihre
Attitüde - Rechtsextremismus in Deutschland“ und wurde gefördert durch
das saarländische Ministerium für Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie.
Sie bietet eine Vertiefung zum Thema „Rechtsextremismus im Internet“ und
richtet sich hauptsächlich an Lehrer(innen) und weitere pädagogische
Fachkräfte im Jugendbereich.
Die Broschüre kann kostenfrei beim Adolf-Bender-Zentrum bestellt werden,
sie ist auch als PDF-Version zum Download erhältlich.
Sie ist in drei Bereiche unterteilt:
Im Anfangsteil wird dargestellt, was den Rechtsextremismus für Jugendliche
so anziehend machen kann. Auf unterschiedliche Weise versuchen rechte
Aktivisten, in Jugendkulturen Ein uss zu gewinnen. Hier spielt das Internet
eine maßgebliche Rolle.
Der Rechtsextremismus in seiner heutigen Erscheinungsform unterliegt
Wandlungsprozessen. Gruppierungen und Organisationen sowie das
Auftreten und die Strategien rechter Akteure zeigen kein homogenes Bild.
Allerdings lassen sich wiederkehrende Elemente aufzeigen, die für die
rechte Ideologie kennzeichnend sind.
Im Mittelteil wird das rechtsextreme Auftreten im Internet und in Sozialen
Netzwerken beschrieben. Es wird dargelegt, welche unterschiedlichen
Strategien Rechtsextreme nutzen, um ihre Inhalte zu verbreiten. Rechte
Musikangebote werden beschrieben.
Im dritten Teil wird vorgestellt, welche Möglichkeiten bestehen, um den
Aktivitäten der Rechtsextremen im Internet entgegenzuwirken.
Verwendete Quellen und Links sind aufgelistet, um sich weiter zu
informieren. Die Broschüre erhebt nicht den Anspruch, eine umfassende
Beschreibung rechter Strategien und entsprechender Gegenstrategien
aufzuzeigen. Sie will vielmehr Grundlinien zur eigenen Orientierung
aufzeigen.
3
Rechtsextremismus heute
Der Rechtsextremismus kann nicht als ein homogenes, ideologisch
geschlossenes Phänomen betrachtet werden. Zudem hat er sich hinsichtlich
Auftreten und Strategien gewandelt. Neben Parteien existieren
unterschiedliche Gruppierungen und Aktivisten, die sich in Ausrichtung,
Radikalität, Organisiertheit und Militanz unterscheiden.
Wie versuchen Rechtsextreme Jugendliche zu erreichen?
Ein Ziel ist es, besonders Jugendliche für die Verbreitung der eigenen
Ideologie anzusprechen. So wird versucht, an die Lebenswelten der
Jugendlichen mit ihren unterschiedlichen Styles anzudocken.
Rechtsextreme Botschaften sollen im modernen Gewand das Lebensgefühl
der Jugendlichen zum Ausdruck bringen. Das Internet und die Musik spielen
dabei eine wichtige Rolle, um Ein uss in den Jugendkulturen zu gewinnen.
Es wird versucht, sich modern zu präsentieren und mit Unterhaltungswert an
das Lebensgefühl zu appellieren.
Rechte Aktivisten bieten Erklärungen für gesellschaftliche Missstände. Die
Ursachen von Arbeitslosigkeit und Folgen der Globalisierung werden
vereinfachend dargestellt, zugleich gibt man sich gesellschaftskritisch. Das
herrschende System wird angeprangert, Politiker außerhalb des rechten
Spektrums als durchgängig korrupt gebrandmarkt.
Mit der Empörung und dem Anklagen gegen die herrschende
Ungerechtigkeit werden Emotionen geweckt und gleichzeitig Feindbilder
aufgebaut. Bestehende Vorurteile und Ressentiments gegen Minderheiten
werden geschürt. Rechte geben sich oft gewaltbereit und aktionsorientiert.
Rechte Gruppierungen präsentieren sich mit Protestaktionen,
Demonstrationen und organisieren Konzerte.
Es geht ihnen um einen beschworenen Zusammenhalt in einer feindlichen
Welt. Das Spektrum reicht von Gewaltverherrlichung bis hin zur romantischverklärten Liebe zur Heimat.
4
An die bedrohte völkische Gemeinschaft in der modernen Welt wird erinnert
und der Nationalsozialismus verherrlicht. Zwar herrschen auch in der
rechten Szene sexistische Einstellungen vor, aber es zeigt sich auch, dass
rechte Frauen nicht mehr dem klassischen Rollenverständnis als Mutter und
Hüterin der Familie folgen. Sie p egen z.B. als „starke“ Volksgenossin ein
bürgerliches Image und engagieren sich in Vereinen und Einrichtungen.
Rechte geben sich sozial und in vielen Fällen bedarf es eines zweiten
Blickes, um ihre menschenverachtende Haltung zu erkennen.
Der heutige Rechtsextremismus ist ein Phänomen moderner
Industriegesellschaften. Auch wenn versucht wird, sich als aktuell und
modern zu präsentieren, ist seine Ideologie rückwärtsgewandt. Im
Folgenden werden kurz zentrale Ideologieelemente zusammengefasst, die
für den Rechtsextremismus charakteristisch sind und die in
unterschiedlichen Ausprägungen immer wiederkehren:
• Glori zierung des Nationalsozialismus und Geschichtsrevisionismus
• völkisch-nationales Denken mit seinen Prozessen der
Ein-, und Ausgrenzung sowie der Auf- und Abwertung
• Antisemitismus
• Rassismus und sexistische Zuschreibungen.
Die aufgelisteten Elemente sind Ausdruck von Gewalt- und
Herrschaftsverhältnissen; sie dienen gleichzeitig der Rechtfertigung aller
möglichen Formen von Gewalt gegenüber Personen bzw. Menschengruppen,
die als „anders“ etikettiert und erlebt werden.
Je nach Spielart können z.B. auch islamfeindliche, antiziganistische oder
homophobe Töne angeschlagen werden. Nicht alle beschriebenen Elemente
müssen bei rechten Gruppierungen und Personen vorhanden sein. Zudem
können sie sich hinsichtlich ihrer Radikalität unterscheiden.
5
Die Grenzen vom rechtsextremen Rand zur „Mitte der Gesellschaft“ sind
ießend. Knapp zehn Prozent der deutschen Bevölkerung verfügt nach
Umfragen über ein geschlossenes, rechtes Weltbild (z.B. FES, 2010). Ebenso
werden ausländer- oder fremdenfeindliche Einstellungen, autoritäre oder
antisemitische Haltungen festgestellt, die in Abhängigkeit der jeweiligen
Studie und Fragestellung zwischen 15% und 45% der Befragten ausmachen.
Neben dem Problem demokratiefeindlicher Einstellungen im Alltag auf
personaler und institutioneller Ebene muss von einem Potential von
Menschen mit rechten Einstellungen ausgegangen werden. Dieses kann sich
auf der Verhaltensebene besonders in gesellschaftlichen Krisen manifest
äußern kann.
Der Rechtsextremismus ist dabei nicht auf ein reines Jugendproblem zu
reduzieren. Rassistische, feindselige Haltungen werden auch von älteren
Personen vertreten. Mit zunehmendem Alter wächst z.B. das Ausmaß
antisemitischer Einstellungen (FES 2010).
Auch das Wechselspiel zwischen älteren Personen und den Jugendlichen
muss in den Blick genommen werden. Letztere übernehmen oft die
feindseligen Einstellungen und sind eher zu physischer Gewalt bereit. Diese
wird oft wiederum von dem erwachsenen Umfeld legitimiert oder als
jugendliche Flegelei heruntergespielt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass
rechte Einstellungen nicht mit zunehmendem Alter „herauswachsen“. Die
antidemokratischen Haltungen bleiben oft weiter bestehen, nur zeigen sie
sich nicht mehr so eindeutig im Handeln.
6
Rechte Seiten im Internet
Ein wichtiges Kommunikationsmittel nicht nur für Jugendliche ist das
Internet. Die extrem gesteigerten Möglichkeiten der Datenübertragung, die
Nutzung von unterschiedlichsten Diensten (E-Mail, WhatsApp, etc.) sowie
von interaktiven Angeboten führen zu einem grundlegenden Wandel des
Kommunikationsverhaltens. Auch die Mediennutzung wie Telefonie, Radio
und Fernsehen laufen in zunehmendem Maße über das Internet.
Die regelmäßige Nutzung des Internet gehört für viele Jugendliche zum
festen Bestandteil ihres Alltags. Vier Fünftel von ihnen verfügt über einen
eigenen Computer oder Laptop und drei Viertel der jugendlichen Mädchen
und Jungen nutzen das Internet täglich (JIM 2013). Das Internet bietet die
Vorteile, anonym, ohne großen Aufwand und preiswert, ein breites Publikum
erreichen zu können. Davon machen auch rechte Aktivisten und
Gruppierungen Gebrauch.
Durch die vielen ins Netz gestellten rechten Inhalte, die sich rasch
länderübergreifend ausweiten und ebenso schnell wieder ändern können, ist
ihre mediale Verbreitungsform nicht so leicht zu verfolgen. Zwar lassen sich
einerseits im Bereich Internet und Rechtsextremismus Entwicklungen und
Veränderungen aufzeigen, die sich auch mit Zahlen belegen lassen,
andererseits ist die Ausbreitung und Gestaltung rechter Seiten durch ihre
Flüchtigkeit schwer überblicksartig zu erfassen.
Die länderübergreifende Stelle jugendschutz.net dokumentierte 2012 1.519
deutschsprachige rechtsextreme Websites. Trotz des leichten Rückgangs im
Vergleich zu den Vorjahren bleiben diese danach auch weiterhin ein
wichtiges Medium der rechten Szene, um sich zu vernetzen, Aktivitäten zu
bündeln und zu koordinieren. So wurden 71 (2011: 63) Seiten gesichtet, die
der Mobilisierung für Events und Kampagnen dienen (siehe auch Soziale
Netzwerke und Web 2.0).
Die Homepages der Rechtsextremen sind im Laufe der Zeit hinsichtlich ihrer
Gestaltung und Nutzungsmöglichkeiten professioneller geworden: ChatRooms, MP3-Angebote und auffällige optische Effekte lassen sich vermehrt
nden.
7
Durch die aufwändige Aufmachung und Gestaltung sollen auch Jugendliche
und junge Erwachsene angesprochen werden, die rechten Inhalten erst
einmal fernstehen oder die sich selbst als „unpolitisch“ einschätzen. In der
Regel bieten Suchmaschinen einen Zugang zu den Angeboten im Internet.
Diese werden auch von Rechtsextremen genutzt, um User auf ihre Seiten zu
lotsen. Auch über gesuchte „unverdächtige“ Begriffe kann man auf rechten
Internetseiten landen.
Es existieren rechtsextreme Seiten, auf denen offen, direkt und unverhohlen
die Gewaltverherrlichung mit vertonten Bildern zur Schau gestellt wird.
Feindbilder werden formuliert und Personen entwürdigend dargestellt. So
wird gegen „Ausländer“, „Fremde“, „Juden“, „Homosexuelle“, „Linke“
gehetzt. Auch die Verherrlichung des Nationalsozialismus lässt sich auf
vielen rechten Seiten nden.
Aber es gibt ebenso subtilere Formen der Agitation. Aktuelle Themen und
gesellschaftliche Missstände werden im Internet behandelt, um Stimmung
zu erzeugen und rechte „Gegenerklärungen“ darzulegen. Themen wie
Arbeitslosigkeit, Naturschutz oder Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch
werden instrumentalisiert, ohne offen die Verachtung von Menschenrechten
und Demokratie zu äußern. Rechte Seiten zielen so auf Breitenwirkung. Über
Soziale Netzwerke, durch den Zugang zu Foren, können Jugendliche direkt
angesprochen und Kontakte hergestellt werden.
Je nach Zielgruppe sind rechte Seiten geschützt und damit nicht öffentlich
zugänglich. Passwort-geschützte Zugänge zu Angeboten bis hin zu
Verschlüsselungssoftware kommen unterschiedlich zum Einsatz. Hier geht
es um die Koordination von Aktionen, die Bekanntgabe von Terminen und die
Organisation von Veranstaltungen. Bei der Bekanntgabe von
Konzertterminen erfolgen die Hinweise zu Veranstaltungsort und Zeit oft
über SMS. Die kommerzielle Nutzung des Internets durch rechte Aktivisten
ist nicht zu unterschätzen. Insgesamt ließen sich 2012 nach
jugendschutz.net 145 Websites (2011: 164) von Versandhändlern aus der
rechten Szene dokumentieren, die alle möglichen Artikel anbieten.
Musik-CDs, Kleidung, Fahnen, Orden, bis hin zu Parfüm und Babystramplern
werden angeboten. Mit dem Verkauf werden Millionenumsätze erzielt.
8
9
Soziale Netzwerke und Web 2.0
Die Kommunikation im Freundeskreis hat (nicht nur) für Jugendliche einen
hohen Stellenwert. Im Internet stehen hierfür vor allem Online-Communities
und Soziale Netzwerke zur Verfügung.
Drei Viertel der Jugendlichen besuchen täglich oder mehrmals in der Woche
soziale Netzwerke, wobei Mädchen einen etwas höheren Anteil regelmäßiger
Nutzung aufweisen als Jungen (JIM 2013). Auch unterschiedliche Formen
der Bewegtbild-Nutzung über Videoportale und Fernsehen erfreuen sich
zunehmender Beliebtheit.
Schon über die Hälfte der Zwölf-und 13-Jährigen suchen regelmäßig OnlineCommunities auf. Mit zunehmendem Alter steigt dieser Anteil deutlich an
(JIM 2013). Ein Grund für diese Entwicklung dürfte auch darin liegen, dass
speziell für die Jüngeren konzipierte Plattform ins Netz gestellt werden (z.B.
„schülerVZ“).
Der Grundgedanke der Online-Communities ist der Aufbau eines
persönlichen Netzwerks. Jeder Jugendliche hat nach JIM (2013) in seiner
Community im Schnitt aktuell rund 290 Kontakte oder „Freunde“. Über diese
teilt er mehr oder weniger kontinuierlich mit, was er tut und machen will oder
wie er was wertet. Im Umkehrschluss erhält er regelmäßig Neuigkeiten und
Informationen seiner „Freunde“.
Während Websites gezielt angesteuert werden müssen und über eine eher
begrenzte Nutzerzahl verfügen, wird in Communities, auf Videoplattformen
und in Weblogs schnell und zahlreich ein breites Publikum erreicht. Diesen
Diensten kommt damit für die Verbreitung von Rechtsextremismus eine
immer größere Bedeutung zu. Tendenziell verlagern sich die Aktivitäten von
Neonazigruppen auf die Mitmachplattformen des Web-2.0. Sie folgen damit
dem allgemeinen Trend.
Die Anzahl rechtsextremer Webangebote im Internet erreichte 2012 nach
jugendschutz.net einen Höchststand. Auch im Social Web ließen sich
ca. 50 % mehr Beiträge gegenüber dem Vorjahr dokumentieren.
10
Zu den beliebtesten Betreibern gehörten vor allem Facebook, YouTube und
Twitter, um User anzusprechen. Auf allen großen Plattformen nden sich
daher rechtsextreme Beiträge. NPD und Kameradschaften sind besonders
auf Facebook und YouTube aktiv, Neonazibands und Versandhändler
promoten Tonträger in Musik-Netzwerken. Die Zahl von rechtsextremen
Useraccounts ist steigend.
Es lassen sich unterschiedliche Strategien der Rechten in den Sozialen
Netzwerken unterscheiden, um ihre menschenverachtende Ideologie zu
verbreiten. Es besteht die Tendenz, Web-Angebote jugendtypisch und mit
entsprechend modischen Styles zu gestalten, sie als unverdächtig
erscheinen zu lassen und aktuelle Themen für rassistische Kampagnen zu
instrumentalisieren.
Es wird auch versucht, jugendliche Smartphonenutzer auf Webangebote der
Szene zu locken, in dem QR-Codes im öffentlichen Raum platziert werden.
Durch ins Netz gestellte Videos werden Jugendlichen die sogenannten
„Identitären“ präsentiert. Hierbei handelt es sich um Inszenierungen von
Rechten, die mit Blogs, Plakaten, Aufklebern, Flashmobs und Aktionen um die
jugendliche Zielgruppe werben.
Durch ihr Auftreten in Gruppen wollen sie Zusammenhalt und Stärke
demonstrieren. Ihre Slogans klingen libertär („für die Freiheit und
Selbstverwirklichung eines jeden Volkes und jeder Kultur“). Zugleich
wenden sie sich vehement gegen eine soziale und räumliche Vermischung
der Völker und Kulturen, da dies nach ihrer Ansicht unweigerlich zu ihrem
Untergang führt.
In vielen Fällen nehmen Rechtsextreme in Foren und Blogs Bezug auf das
Recht der Meinungsfreiheit in einer Demokratie, um die eigene Position
kundzutun („Man wird ja wohl noch sagen dürfen, dass…“). Sie sehen sich
dabei oft als Opfer, denen der Mund verboten werden soll oder als Kämpfer
für die Rechte in der Gesellschaft.
Es ist allerdings für sie dabei nicht von Interesse, dass dieses hohe Gut der
Meinungsfreiheit sehr wohl zu Recht an Grenzen stößt. Die Verletzung der
Menschenwürde und die Aufstachelung zu Hass und Gewalt gehören dazu.
11
An einem ernsthaften Dialog über das Thema Meinungsfreiheit sind sie auch
gar nicht interessiert. Das zeigt sich in unterschiedlicher Weise: so gehört der
häu ge Themenwechsel dazu, um immer wieder eine neue Diskussion
anzufachen, ohne sich vertiefend auf ein angesprochenes Thema einlassen
zu müssen.
Weiter ist es möglich, eine Diskussionsrunde im Netz mit einer Vielzahl von
Kommentaren zuzuschütten („Zumüllen“), um einen Austausch zu stören
oder zu unterbinden. Wüste Beschimpfungen, Mobbing bis hin zur offenen
Androhung von Gewalt gehören ebenso zu den Strategien.
Wenn es heißt „Wenn wir erst einmal an der Macht sind, ja dann…“, dann
werden Minderheiten und politische Gegner massiv verfolgt, die Todesstrafe
eingeführt. Die Meinungsfreiheit, die man selbst für sich eingefordert hat,
wird unter diesen Umständen rigoros abgeschafft.
Allerdings gibt es auch rechte Aktivisten, die gewieft und rein strategisch
argumentieren. Themen wie soziale Gerechtigkeit, Kindesmissbrauch,
Umwelt- und Naturschutz oder Kapitalismuskritik werden zum Teil geschickt
aufgegriffen, um sie für die Verbreitung rechtsextremer Positionen zu nutzen.
Rechtsextreme geben sich auch als Menschen, die sich um andere
kümmern, ihnen helfen. Diejenigen, denen angeblich geholfen werden soll,
müssen allerdings dem rechten Klischee eines „guten National-Deutschen“
entsprechen.Generalisierung und Dramatisierung von Folgen, um
Feindbilder zu schüren (Thema Einwanderung, Asyl), das Einfordern und die
Inanspruchnahme von Rechten in einer Demokratie, um diese letztlich
auszuhebeln, sind Teil rechter Argumentationen.
Letztlich bieten sich die Themen an, die für die Verbreitung der eigenen
Ideologie genutzt werden können und die Menschen emotional bewegen
oder sie verunsichern. Dazu wird eine drastische Sprache genutzt. Das
Aufgreifen und der Anschluss an in der „Mitte der Gesellschaft“ bestehende
Vorurteile gehören ebenso zu den Strategien.
12
Auf unterschiedliche Weise wird Antisemitismus verbreitet. Die
Verherrlichung des Nationalsozialismus, die Glori zierung der Wehrmacht,
die Leugnung oder Relativierung der Shoah gehören zu diesen Strategien. So
wird z.B. auch Bezug genommen auf seriös klingende Studien und
(pseudowissenschaftliche) Berichte, um die eigene Position zu untermauern.
In Verschwörungstheorien wird behauptet, dass Juden die Finanzwelt
beherrschen, für die Zerstörung von Kulturen und Kriege als heimliche
Strippenzieher verantwortlich sein. Dazu gehört auch eine pauschale,
einseitige Israelkritik (siehe auch Stellwand Antisemitusmus in der
Ausstellung "Hass ist ihre Attitüde").
Rechtsextreme sehen sich gerne als Opfer einer herrschenden
„Deutschlandfeindlichkeit“. Der sogenannte Party-Patriotismus bei
Fußballwelt- und Europameisterschaften wird z.B. dazu genutzt, um
rechtsextreme, nationalistische Positionen demonstrativ zu äußern.
Ebenso wird eine Diffamierung und Hetze gegen Spielerinnen und Spieler in
d e u t s ch e n N a t i o n a l m a n n s ch a f t e n b e t r i e b e n , d i e z . B. e i n e n
Migrationshintergrund besitzen und daher nicht als „Deutsche“ anerkannt
werden.
Eine Diskussion über das Nationalgefühl, wie sich das Deutschsein zeigt und
zeigen sollte, ist vielschichtig und ist daher nicht auf einfache Parolen oder
Forderungen zu reduzieren. Auch die Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus, mit seinem Zustandekommen, seiner Propaganda und
seiner Folgen gehören unweigerlich dazu, sich ernsthaft mit dem Thema zu
beschäftigen.
Der Islam gilt als ein Feindbild der Rechten. Er wird pauschal diffamiert und
als Bedrohung der eigenen Kultur dargestellt. Danach führe eine
„Islamisierung“ zum Untergang der eigenen Kultur (rechter Slogan: „Die
Islamisierung kann dein Volk töten“).
Islam und Islamismus werden nicht unterschieden, um die Religion mit
Fanatismus und Terrorismus gleichzusetzen. Im Internet verwenden Rechte
Montagen, um bekannte Embleme in ihrer Machart zu kopieren (z.B. anstatt
„Atomkraft? Nein Danke!“ heißt es dann „Islamisierung? Nein Danke!“).
Besonders die sogenannte „Identitäre Bewegung“ (s.o.) hetzt gegen die
multikulturelle Gesellschaft im Einwanderungsland Deutschland.
13
Rechte Musik im Internet
Musik spielt generell eine große Bedeutung in der Jugendkultur, denn sie
bietet die Möglichkeit, dem eigenen Lebensgefühl Ausdruck zu verleihen, mit
Freunden die Freizeit zu gestalten. Über Musikstile und –angebote tauschen
sich Jugendliche oft aus. Unterschiedliche Jugendkulturen und -szenen
de nieren sich häu g über die Vorliebe zu bestimmten Musikstilen. Über sie
erfolgt auch die Abgrenzung gegenüber der Welt der Erwachsenen. Protest
und Rebellion kann ebenso geäußert werden wie Sehnsucht und
romantische Träumerei.
Ein schneller und vielfältiger Zugang zu Musikangeboten besteht über das
Internet und dies gilt natürlich auch für rechtsextreme Musik. „Die“ rechte
Musik als einen bestimmten Musikstil gibt es allerdings nicht, das Spektrum
reicht von Metal, Rock, Hiphop, Techno, Balladen, bis zu Party- und
Stimmungsmusik. Über die Songtexte, die Bild- und Symbolsprache der
Cover, aber auch durch das Auftreten der Musiker bei Konzerten sowie durch
ihre Aussagen in Interviews wird die rechtsextreme Positionierung zumeist
deutlich. In der Ausstellung „Hass ist ihre Attitüde“ werden unterschiedliche
Passagen von Songtexten von rechtsextremen Bands vorgestellt. Dazu
gehören „Landser“, „Die lustigen Zillertaler“, „Sleipnir“, „King Bock“, „Frank
Rennicke“.
Verbreitung, Werbung, und Verkauf rechter Musik läuft maßgeblich über
entsprechende Seiten. Eine der weltweit größten rechten Musikszenen ist in
Deutschland angewachsen. Der Verkauf rechter Musik und dazugehöriger
Artikel ist zu einem Millionengeschäft geworden. Rechtsextreme Musik ist
im Internet als Download-Angebot verfügbar, einzelne Songs, CDs oder
Musikvideos können direkt erworben werden.
Ebenso ist es möglich, dass rechte Webseiten mit Musik unterlegt werden,
um ihre Attraktivität zu steigern. Zitate aus Songtexten werden genutzt, um
rechte Botschaften zu verbreiten. Nach jugendschutz.net ließen sich 2012
auf deutschen Internetseiten 11 rechtsextreme Onlineradios nden.
14
Der Austausch über rechtsextreme Musik im Internet spielt in der rechten
Szene eine große Rolle. Berichte und Aufnahmen von Konzerten, Hörproben,
Neuigkeiten von Bandmitgliedern machen so die Runde. Kauf- und
Versandangebote von Szeneartikeln und die Selbstvermarktung der
Musikgruppen gehören dazu.
Eine maßgebliche Rolle als Anbieter spielt die NPD, die mehrere ihrer sog.
„Schulhof-CDs“ zum Herunterladen ins Netz gestellt hat. Die Links für diese
Downloads kursieren auf vielen Websites der Rechtsextremen.
Rechte Musik bietet eine Einstiegsmöglichkeit in die rechte Szene, aber ihr
Hören führt keineswegs zwangsläu g dazu, „rechtsextrem zu werden.“ Hier
ist zu fragen, auf welche politische Einstellungen und Interessen die Musik
trifft, in welcher Lebenssituation sich der jeweilige Jugendliche be ndet und
inwieweit menschenverachtende Botschaften durchschaut und toleriert
werden.
Letzteres ist nicht immer einfach, da auch subtil Texte und Musik genutzt
werden, um sie für die Verbreitung der rechten Ideologie nutzbar zu machen.
15
Gegenmaßnahmen
Generell hat man sich der Situation zu stellen, dass Rechtsextreme das
Internet nutzen, um besonders Jugendliche zu erreichen. Sowohl ein
Herunterspielen als auch eine Dramatisierung des Auftauchens und der
Wirkung dieser Seiten sind nicht hilfreich.
Moderner Rechtsextremismus knüpft geschickt die Lebensstile der
Jugendlichen an. Er gehört – ob man will oder nicht– zum Internet und seiner
Nutzung dazu. Ein moralischer Appell hilft da wenig, diese Seiten nicht
aufzusuchen. Jugendliche (und Erwachsene) surfen in ihrer Freizeit auf
Seiten, die sie interessieren und sie suchen nach Möglichkeiten, auf diese zu
gelangen. Zudem ist es möglich, dass User ungewollt auf rechten Seiten
landen.
Daher braucht es die Aufklärung über die Machart rechter Seiten und
Strategien in Sozialen Netzwerken, rechte Inhalte zu verbreiten. (Nicht nur)
Jugendliche sollen sich ihre eigene Meinung bilden können. Das Argument,
dass erst dadurch schlafende Hunde geweckt werden, trifft so nicht zu.
Im eigenen Verantwortungsbereich wie z.B. im Unterricht sind allerdings
auch klare Grenzen zu ziehen, was erlaubt ist und was nicht. Generell sollten
Regeln, Verbote und Grenzen beim Umgang mit dem Internet offen und
nachvollziehbar begründet werden.
Es ist es auch notwendig, darzulegen, warum es wichtig ist, Internetseiten
verbieten zu lassen, die z.B. offen zu Gewalt gegen Minderheiten aufrufen.
Wenn der Schutz der Menschenwürde und Demokratie auch im Internet eine
tragende Rolle spielen soll, dann stellt sich unweigerlich auch die Frage nach
dem Verhalten der Nutzer. Wie sollten (nicht nur) Jugendliche mit rechten
Parolen und Botschaften umgehen? Was kann ihnen entgegengestellt
werden, wenn sie im Sozialen Netzwerk auftauchen?
16
Das Internet ist nur so weit demokratisch wie seine Nutzer. Es ist möglich,
Nazis etwas in Foren entgegenzusetzen. Dazu können eigene Anmerkungen
und Kommentare gepostet werden. Wichtig ist, selbst nicht zu beleidigen.
Auch weitere Nutzer, Freunde, Bekannte können einbezogen werden, damit
man nicht alleine mit steht seiner Position.
In Sozialen Netzwerken ist unbedingt auf Datenschutz und –sicherheit zu
achten. Es sollte bedacht werden, welche Informationen man über sich
selbst gerne anderen mitteilt, wer dies überhaupt wissen soll, welche Bilder
man selbst freigeben und anderen senden will. Was soll das eigene
eingestellte Pro l zeigen, wer soll dazu posten können? Wann benutzt man
den Nickname, um den realen Namen zu schützen? Auf diese Weise entgeht
man Mobbingattacken und möglicherweise Reaktionen von Neonazis, falls
man sich selbst kritisch über sie geäußert hat.
Generell gilt: Jedes Soziale Netzwerk hat Privatsphären-Einstellungen, über
die man Bescheid wissen muss und die für den eigenen Schutz zu nutzen
sind.
Wenn menschenverachtende, hasserfüllte Parolen im Internet (auf Seiten,
Weblogs, Plattformen) auftauchen, durch die andere aufgewiegelt werden
sollen, dann braucht es auch User, die diese Beiträge den jeweiligen
verantwortlichen Betreibern melden.
17
Rechtliche Situation
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch wenn die rechtlichen Mittel oft
nicht ausreichend sind. Rechte Homepages erscheinen oft auf wieder auf
neuen Adressen, da Internet-Dienstleister die Seiten dann vom Netz nehmen,
wenn sie von den Inhalten wissen oder ihnen bekannt werden.
Prinzipiell gilt: illegal bleibt illegal, unabhängig
davon ob etwas „of ine“ oder online verbreitet wird.
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit besitzt einen hohen Stellenwert,
allerdings existieren auch Strafgesetze in Deutschland, die diese Freiheit zu
Recht einschränken, wie z.B. die
• Verwendung verfassungswidriger Organisationen (§ 86a)
• Volksverhetzung (§ 130)
Ebenso ist zu beachten, ob die Verletzung der Ehre einer Person vorliegt oder
Bestimmungen zum Jugendschutz missachtet werden.
Die Prüfung der rechtlichen Situation, ob ein Verbot vorliegt und ob unter
welchen Umständen eine Strafe verhängt wird, ist oft schwierig (gerade für
Nicht-Juristen) zu beurteilen. Eine umfassende Darstellung mit der
Schilderung von Beispielen ndet sich unter www.recht-gegen-rechts.de.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Gesetzgebung und
Rechtsprechung gegenüber gewaltverherrlichenden, rechtsextremen
Inhalten in den Ländern unterschiedlich ist. Das Internet ist international und
daher werden Seiten oft über ausländische Provider ins Netz gestellt, um in
anderen Ländern deutschen Gesetzen zu entgehen.
Für pädagogische Fachkräfte ist es wichtig, zumindest einen Einblick zu
bekommen, wie Rechte das Internet nutzen. Sie müssen selbst nicht zum
Experten werden, aber sie sollten schon in Grundzügen wissen, was im
Internet passiert. Und sie sollten auch wissen, wo und wie man sich weiter
informieren kann.
Am Ende der Broschüre werden daher
weiterführende Quellen und Links angegeben.
18
Literatur, Quellen, Links
Ausstellungskatalog „Hass ist ihre Attitüde Rechtsextremismus in Deutschland“, Adolf-Bender-Zentrum
www.adolfbender.de/index.php?id=314
Glaser, S. & Pfeiffer. T. (2007). Erlebniswelt Rechtsextremismus.
Menschenverachtung mit Unterhaltungswert
Drücker, A. & Flügge, E. (2012). Zwischen Ablehnung und Schutz der
Demokratie: Zur Auseinandersetzung junger Menschen mit
Rechtsextremismus im Internet und in Sozialen Netzwerken. In S.
Bundschuh , A. Drücker, T. Scholle (Hrsg.). Wegweiser Jugendarbeit gegen
Rechtsextremismus. Wochenverlag, Schwalbach/Ts., S.148-162
jugendschutz.net - Jahresbericht 2012
jugendschutz.net/materialien/bericht2012.html
jugendschutz.net - Jahresbericht 2011
jugendschutz.net/pdf/bericht2011.pdf
www.hass-im-netz.info/aktuell
Amadeu-Antonio-Stiftung
www.netz-gegen-nazis.de/beitrag/broschueren-zum-download-8793
Liken. Teilen. Hetzen. Neonazi-Kampagnen in Sozialen Netzwerken
no-nazi.net/wp-content/uploads/2013/04/Liken.Teilen.Hetzen.pdf
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest
JIM 2013 Jugend, Information, (Multi-) Media
Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland
www.mpfs.de/ leadmin/JIM-pdf13/JIMStudie2013.pdf
Kreisjugendring Nürnberg-Stadt · www.recht-gegen-rechts.de
FES (2010) Friedrich Ebert-Stiftung
Die Mitte in der Krise - Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010
19
Kontakt
Herausgeber
Gymnasialstraße 5
66606 St. Wendel
Tel. 0 68 51 / 808 279 - 0
Fax 0 68 51 / 808 279 - 9
[email protected]
www.adolfbender.de
Ansprechpartner
Dr. Thomas Döring
[email protected]
Tel.: 0 68 51 / 808 279-2
Florian Klein
[email protected]
Tel.: 0 68 51 / 808 279-3
Redaktion
Dr. Thomas Döring
Satz, Gestaltung & Druck
Bearzatto Werbesysteme
www.bws-saar.de