Deutsches Rotes Kreuz - DRK

25
2015
Beiträge zur Transfusionsmedizin
•Molekulare Diagnostik in der
Immunhämatologie
•Autologe Serumaugentropfen
•Künstliche Sauerstoffträger
•Erythrozytenkonzentrate aus
Stammzellen
•Neues aus der Rubrik
„Was tun wir bei …?“
•Qualitätssicherung im
Immunhämatologischen Labor
Deutsches Rotes Kreuz
DRK-Blutspendedienste
•Mutspende 2015
Impressum
Herausgeber:
Die DRK-Blutspendedienste:
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg –
Hessen, Mannheim
Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes,
München
DRK-Blutspendedienst Mecklenburg-Vorpommern,
Neubrandenburg
Blutspendedienst der Landesverbände des
DRK Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen,
Oldenburg und Bremen, Springe
DRK-Blutspendedienst Nord-Ost, Dresden
Inhalt
Editorial 25/2015
Molekulare Diagnostik in der Immunhämatologie
3
4–21
PD Dr. med. Franz Wagner, Dr. rer. nat Andrea Döscher,
Dr. med. Christof Jungbauer, Dr. phil. nat. Sofia Lejon Crottet, Dr. med.
Angelika Reil, Dr. med. Christof Weinstock, PD Dr. med. Christoph Gassner,
Prof. Dr. med. Peter Bugert, Dr. med. Christof Geisen
Autologe Serumaugentropfen
22–26
Dr. med. Robert Deitenbeck, Dr. med. Uwe Sievert,
Dr. med. Christian Halfwassen
DRK-Blutspendedienst West, Ratingen
(gemeinnützige GmbHs)
Künstliche Sauerstoffträger
27–36
Dr. Katja Bettina Ferenz
Redaktion (verantwortlich):
Dr. med. Detlev Nagl, Augsburg
Heinz Kapschak, Hagen
Feithstraße 182, 58097 Hagen
Tel.: 0 23 31/8 07-0
Fax: 0 23 31/88 13 26
Email: [email protected]
Redaktion:
Dr. med. Robert Deitenbeck, Hagen;
Dr. Jörgen Erler, Baden-Baden;
Christian Kohl, München;
Dr. med. Markus M. Müller, Frankfurt/M.;
Prof. Dr. med. Hubert Schrezenmeier, Ulm;
Prof. Dr. med. Axel Seltsam, Springe;
Dr. med. Wolfgang Stangenberg, Neubrandenburg;
Prof. Dr. med. Torsten Tonn, Dresden;
PD Dr. med. Thomas Zeiler, Breitscheid.
Mit Autorennamen gekennzeichnete Fachartikel
geben die Meinung des Autors wieder und müssen
nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und der
Herausgeber widerspiegeln.
Der Herausgeber der „hämotherapie“ haftet nicht für
die Inhalte der Fachautoren.
Die Fachinformationen entbinden den behandelnden
Arzt nicht, sich weiterführend zu informieren.
Erythrozytenkonzentrate aus Stammzellen
Prof. Dr. med. Reinhard Henschler, Dr. med. Beat M. Frey
Neues aus der Rubrik „Was tun wir bei …?“:
Positive Eigenkontrolle und/oder positiver Direkter Coombstest:
Was nun?
deltacity.NET GmbH & Co. KG
SIGMA-DRUCK GmbH
www.deltacity.net
44–48
Manuela Krause
Qualitätssicherung im Immunhämatologischen Labor
49–53
Brigitte Hoffmann
Leserfragen
Dokumentation von Transport und Lagerung
von Gerinnungspräparaten
54–55
PD Dr. med. Thomas Zeiler
Anwendung eines Dreiwegehahns
55–56
Prof. Dr. med. Robert Zimmermann
Mutspende 2015
Realisation:
37–43
56–57
Christoph Metzelder
Die Autoren
58–60
Auflagen:
Gesamtauflage: 22.600 Ex.
ISSN-Angaben auf der Rückseite
Zitierweise:
hämotherapie, 25/2015, Seite ...
25 2015
PD Dr. med. Andreas Buser
PD Dr. med. Behrouz Mansouri Taleghani
Chefarzt/Geschäftsführer
Medizinischer Direktor Blutspende SRK Schweiz AG
Stiftung Blutspendezentrum SRK beider Basel
Leitender Arzt Hämatologie, Inselspital, Universitätsspital Bern
SEHR GEEHRTE LESERINNEN UND LESER,
LIEBE KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN,
was bevorzugen Sie bei Wissenserwerb und Wissensver-
lichen an demjenigen des 47. Jahreskongresses in Dres-
mittlung – trockene Paukerei auf einer einspurigen Ebe-
den, der nicht nur wissenschaftlich ein extrem großer Er-
ne oder einen lebendigen interdisziplinären Austausch?
folg war. Besonders hervorheben dürfen wir die geplan-
Eine recht rhetorische Frage – zugegeben. Und eigent-
ten gemeinsamen Veranstaltungen mit der GTH und der
lich jedem klar, was gemeint ist. Aber den Autoren die-
DGHO sowie das Satellitensymposium des German Stem
ses Editorials fällt es trotzdem nicht leicht, die notwen-
Cell Network. Es freut uns zudem sehr, dass unsere Kolle-
digen Ingredienzien eines „lebendigen interdisziplinären
gen aus den Nachbarländern Ungarn und Italien zugesagt
Austauschs“ kurz und knapp zu benennen – und sie er-
haben, sich aktiv einzubringen – eine Gelegenheit zum di-
heben deshalb auch keinen Anspruch auf Vollständig-
rekten und persönlichen internationalen Austausch sowie
keit. Als zentrale Punkte sehen wir beispielsweise einen
ein weiterer „Blick über den Tellerrand“.
interdisziplinären und interprofessionellen Austausch über
Forschung und Entwicklung aber auch über operative An-
Selbstverständlich werden die hervorragenden Weiter-
wendung und tägliche Praxis. Dabei ist es klar hilfreich,
bildungsformate für ärztliche und nicht-ärztliche Fach-
die Forschungsergebnisse und Praxisempfehlungen ziel-
personen weitergeführt und ausgebaut. Als ein Schwer-
gruppenorientiert, griffig und anschaulich zu präsentieren.
punkt sei beispielsweise das theoretische und praktische
­Operatorseminar für Apheresefachkräfte genannt.
Wenn dies alles zusammentrifft, dann machen wir „den
Unterschied“ in einer zeitgemäßen Wissensvermittlung.
Wenn dann das Rahmenprogramm auch noch hilft, das
knüpfen und damit in uns zu verankern, dann ist es genau
Wir freuen uns sehr, dass es der Redaktion der
­„hämotherapie“ wieder einmal gelungen ist, rechtzeitig
zum ­DGTI-Kongress die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift
das, was wir schon immer mit unserer jährlichen „DGTI“
fertig und für die Kongressmappen bereit zu stellen. Auch
erreichen wollen.
in diesem Heft sehen wir unsere oben genannten Postu-
Erlernte mit positiven Eindrücken und Emotionen zu ver-
late – interdisziplinärer und interprofessioneller Austausch
Wir hoffen natürlich, dass wir in Basel hierfür in jeder Hin-
über Forschung, Entwicklung, operative Anwendung und
sicht die besten Voraussetzungen geschaffen haben. Das
tägliche Praxis – beispielgebend verwirklicht. Viel Spaß
Kongresszentrum liegt mitten in der Stadt und ist bequem
beim Lesen!
mit dem Zug (10 Minuten zu Fuß vom Badischen Bahnhof,
DB), Auto oder Flugzeug zu erreichen. Die attraktiven und
Wir freuen uns, dass wir Sie in Basel begrüßen dürfen!
modernen Kongressräumlichkeiten haben sich bei zahlreichen nationalen und internationalen Kongressen bewährt und werden auch anlässlich der großen internationalen Messen wie ­ArtBasel und Basel World genutzt. Das
Behrouz Mansouri Taleghani
Format des „DGTI 2015 Basel“ orientiert sich im Wesent-
Andreas Buser
Herzlichst,
3
PD Dr. med. Franz Wagner, Dr. rer. nat Andrea Döscher, Dr. med. Christof Jungbauer, Dr. phil. nat. Sofia Lejon Crottet, Dr. med. Angelika Reil,
Dr. med. Christof Weinstock, PD Dr. med. Christoph Gassner, Prof. Dr. med. Peter Bugert, Dr. med. Christof Geisen
Molekulare Diagnostik in der
Immunhämatologie
Wenn die Serologie nicht mehr ausreicht
Zusammenfassung
Summary
Die Molekulare Diagnostik ist heutzutage eine wichtige Ergänzung der sero-
Nowadays, molecular diagnostic methods are an important complementat of
logischen Diagnostik. Im Artikel wird ein Überblick über die Grundlagen der
serologic diagnostic methods. In this manuscript, after an introductory survey
Antigene gegeben und anschließend beispielhaft an Hand von Thrombozy-
on the molecular basis of antigens is given, the significance of molecular me-
ten- und Neutrophilenantigenbestimmung, Abklärung von erythrozytensero-
thods is exemplified for determination of antigens of platelets and neutrophils,
logischen Problemfällen, weak D Diagnostik zur Festlegung der Transfusions-
analysis of serologic enigmas, analysis of weak D to determine the transfu-
und Prophylaxestrategie, Pränataler Blutgruppenbestimmung aus dem Blut
sion and prophylaxis strategy, prenatal antigen determination from maternal
der Mutter, Testung D negativer Spender auf DEL mittels RHD PCR und Hoch-
blood, testing of D negative donors for DEL by RHD PCR and high-throughput
durchsatz-Genotypisierung von Blutspendern der aktuelle Stellenwert darge-
genotyping of blood donors. In addition, current limitations of the methods
stellt. Abschließend werden aktuelle Grenzen des Verfahrens aufgezeigt.
are illustrated.
EINLEITUNG
ps genutzt. Häufig liegen bei den Blutgruppenallelen nur
geringe Unterschiede in der DNA vor. Wenn nur ein ein-
Blutzellen tragen unterschiedliche Strukturen auf ihrer
zelnes Nukleotid verändert ist, spricht man von einem Ein-
Oberfläche, die bei Übertragung von einem zum ande-
zelnukleotidpolymorphismus (single nucleotide polymor-
ren Organismus eine Immunisierung hervorrufen können
phism, SNP). Aufgrund der Identifizierung eines Blutgrup-
und deshalb als Alloantigene bezeichnet werden. Die Fol-
pen-spezifischen SNP wird das entsprechende Antigen
gen einer Immunisierung können unterschiedlich sein und
(Phänotyp) vorhergesagt. Auch wenn in aller Regel die-
reichen von der Ausbildung spezifischer Antikörper oh-
se Vorhersage zutrifft, können in seltenen Einzelfällen zu-
ne weitere Symptomatik bis hin zu akuten Abstoßungs-
sätzliche Veränderungen in dem betreffenden Gen vor-
reaktionen mit Zerstörung der antigentragenden Zellen.
kommen, die falsch positive oder falsch negative Ergeb-
Die Diagnostik im Zusammenhang mit solchen immuno-
nisse und somit eine Diskrepanz zwischen Phänotyp und
logischen Vorgängen besteht meist aus der Kombination
Genotyp zur Folge haben können.
einer immunologischen Bestimmung der Antikörperspezifität und einer serologischen und/oder molekulargene-
Ein falsch negatives Ergebnis kommt beispielsweise zu
tischen Bestimmung der Antigenkonstellationen. Insge-
Stande, wenn auf der DNA in Nachbarschaft zu dem Blut-
samt ist die Entwicklung moderner Laborverfahren für die
gruppen-spezifischen SNP eine weitere, nicht bekannte
genetische Bestimmung zahlreicher Antigensysteme von
oder vom angewendeten Test nicht erfasste Genverän-
Blutzellen weit vorangeschritten. Für die verschiedenen
derung vorliegt. Hierdurch wird die Detektion des Blut-
Fragestellungen und Anwendungen stehen eine Reihe
gruppen-spezifischen SNP gestört. Falsch negative Ge-
unterschiedliche Verfahren zur Verfügung.
notypisierungsergebnisse sind insbesondere im Rahmen
der Blutspendertypisierung oder der fetalen Blutgruppen-
Bis vor etwa 20 Jahren wurden die erythrozytären Blut-
4
bestimmung klinisch relevant. Falsch positive Ergebnisse
gruppen allein durch die Agglutination von Erythrozy-
können entstehen, wenn beispielsweise durch eine zu-
ten mit Antikörpern bekannter Spezifität bestimmt. Heu-
sätzliche, bisher nicht bekannte, Grenzveränderung ein
te gewinnen ergänzende molekularbiologische Methoden
Stop-Codon eingeführt wird, so dass bei der Translati-
der Blutgruppenbestimmung zunehmend an Bedeutung
(­Abbildung 1). Die Blutgruppenbestimmung auf DNA-
on nur ein Proteinfragment oder kein Protein synthetisiert
Basis wird insbesondere zur Vorhersage des Phänoty-
Protein eingebaut werden, es liegt ein so genanntes Null-
wird. Als Folge kann in die Erythrozytenmembran kein
25 2015
Allel vor. Null-Allele stellen für die Typisierung der Blutspender kein Risiko dar, sind aber bei der Typisierung des
Patienten problematisch. Eine noch höhere Stufe der Genauigkeit ist mit der Sequenzierung des gesamten Gens
zu erreichen. Aber auch in DNA-Bereichen außerhalb des
A
B
D
D
C
c
E
e
Gens können Mutationen auftreten, die das Gen und damit die Expression des Proteins beeinflussen. Da diese
zusätzlichen Genveränderungen ausgesprochen selten
sind, verlässt man sich normalerweise auf die SNP-Bestimmung und sucht nur bei zusätzlichen unerwarteten
Befunden nach seltenen Varianten, beispielsweise dann,
wenn Antikörper unerwarteter Spezifität aufgedeckt werden. Die eher geringen Unsicherheiten der molekularbio-
Abbildung 1: Blutgruppenbestimmung alt und neu
logischen Vorhersage und deren Konsequenzen muss
Seit über hundert Jahren wird die Agglutination immer noch erfolgreich zur
man bei der spezifischen Befunderstellung kennen und
Bestimmung der Blutgruppe genutzt (obere Bildhälfte). Heute steht ihr für
berücksichtigen. Diskrepanzen zwischen Genotyp und
Problemfälle mit der molekularen Typisierung ein kompetenter Partner zur
Phänotyp sind immer verdächtig für das Vorliegen eines
Seite (untere Bildhälfte).
neuen Allels. Je besser eine ethnische Gruppe hinsichtlich der vorkommenden Allele durchtypisiert ist, desto ge-
Die genetischen Veränderungen, denen Blutgruppen-­
nauer ist die Phänotyp-Vorhersage. Zwar ist für die Be-
varianten zugrunde liegen, sind verschiedenster Art. Eine
stimmung des Phänotyps nach wie vor die Serologie der
Reihe von Blutgruppenvarianten kommt durch den Aus-
Goldstandard, dennoch sind molekularbiologische Me-
tausch einer einzelnen Base im codierenden Bereich des
thoden zu Hilfsmitteln in der Transfusionsmedizin gewor-
Gens zustande (Single Nucleotide Polymorphism, SNP).
den, auf die kein größeres Labor mehr verzichten möchte.
Der Basenaustausch hat den Einbau einer anderen Aminosäure in das Protein und damit eine veränderte antige-
Im Folgenden werden zunächst die molekularen Mecha-
ne Struktur zur Folge. Beispiele hierfür sind die Blutgrup-
nismen der Entstehung von Blutgruppenantigenen näher
penantigene Jka und Jkb (Abbildung 2).
betrachtet und anschließend ein Überblick über aktuelle Anwendungen der molekularen Typisierung in der Im-
Bei Polysaccharid-Antigenen wirkt sich die Veränderung
munhämatologie gegeben.
nicht unmittelbar auf das Antigen aus. Durch den Austausch einzelner oder mehrerer Nukleotide wird vielmehr
die Substrat- oder Reaktionsspezifität des Enzyms ver-
MOLEKULARE MECHANISMEN DER
ENTSTEHUNG VON BLUTGRUPPENANTIGENEN UND PHÄNOTYPEN
ändert, das die Synthese des Polysaccharidantigens bewerkstelligt. Als prominentes Beispiel seien die ABO-Blutgruppen genannt: Das Gen der Glykosyltransferase, welches das ABO-Antigen B erzeugt (kurz: B-Transferase),
Von einem Blutgruppenantigen spricht man, wenn eine
unterscheidet sich vom Gen der A-Transferase durch sie-
Struktur der Erythrozytenoberfläche bei einem anderen
ben Nukleotidaustausche. Drei davon sind stumm, vier
Individuum die Bildung eines Antikörpers auslösen kann.
führten zu einer Aminosäuresubstitution. Die so verän-
Dies setzt voraus, dass das betroffene Individuum die-
derte B-Transferase hat nun D-Galaktose als Substrat an-
se Struktur nicht oder in veränderter Form besitzt. Einem
stelle von N-Acetyl-Galaktosamin, statt Blutgruppe A wird
solchen Polymorphismus liegen in der Regel Veränderun-
Blutgruppe B aus der H-Substanz erzeugt.
gen des korrespondierenden Gens zu Grunde. Die fehlende Expression eines Blutgruppenantigens (Null-Phänotyp) kann an einer Veränderung der Gensequenz liegen,
Nukleotidaustausche in der Spleiß-Region können sich
störend auf die Verknüpfung der Transkripte zur ­mRNA
die beispielsweise ein vorzeitiges Stop-Codon eingeführt
auswirken. Die daraus resultierende unvollständige ­mRNA
hat. Es kann aber auch ein unverändertes Gen vorliegen,
hat eine fehlerhafte Proteinsynthese zur Folge. Verände-
dessen Expression durch andere Mechanismen gestört
rungen in der Spleiß-Region können daher Ursache von
ist. So verhindert der Austausch des Nukleotids Thymin
Null-Phänotypen sein. So stört im RHD-Gen die Substitu-
durch Cytosin an Position -67 im Promotorbereich des
tion des Guanin durch ein Adenin an der ersten Position
FY*B Alleles dessen Transkription und damit die Expres-
im Intron 8 (IVS8 + 1G > A)1 die Spleißvorgänge so nach-
sion des Fyb-Antigens auf den Erythrozyten.
haltig, dass kein RhD-Protein exprimiert wird.
5
Der Verlust (Deletion) oder die Einfügung (Insertion) von
Genkonversion wird durch Fehlpaarung von DNA-Strän-
Nukleotiden verschiebt den Leserahmen. Durch die Ver-
gen eine Sequenz des einen DNA-Stranges auf den zwei-
änderung der Codons werden ab einer solchen Stelle an-
ten übertragen. Die Allele der partial D-Phänotypen der
dere Aminosäuren eingebaut oder es kommt zu einem
Kategorie VI sind dafür ein Beispiel. Bei der Bildung einer
vorzeitigen Stop-Codon mit Abbruch der Proteinsynthe-
Haarnadel-Struktur der DNA kamen das RHD und RHCE
se. Die Deletion des Guanin an Position 261 im Gen der
Gen in unmittelbare Nachbarschaft, so dass korrespon-
A-Transferase führt zu einem vorzeitigen Stop-Codon.
dierende Exon-Abschnitte des RHCE Gens durch den
Das resultierende Protein ist funktionslos und kann die
­H-Substanz nicht in das Antigen A umwandeln. Diese ge-
Mechanismus der Genkonversion in das RHD-Gen eingebracht wurden (Abbildung 3).
netische Variante (ABO*O.01.01) ist eine Ursache der Blutgruppe O. Die Deletion einer Sequenz von 17 Nukleotiden aus Exon 3 des Small Integral Membrane Protein 1
(SMIM1) ist Ursache des Vel-negativen Phänotyps. Rh D-
ANWENDUNGSBEREICHE DER
BLUTGRUPPEN-GENOTYPISIERUNG
negative Afrikaner sind häufig Träger einer 37 Basenpaare großen Duplikation in Exon 4 des RHD-Allels (RHDΨ),
Die Phänotyp-Vorhersage mittels molekularbiologischer
die den Leserahmen verschiebt und ein vorzeitiges Stop-
Methoden ist insbesondere nützlich für die Antikörperdia-
bewirkt2.
Die häufigste molekulare Ursache des
gnostik und die Auswahl kompatibler Präparate zur Trans-
Rh D-negativen Phänotyps ist jedoch die Deletion des
fusion. Die Hämotherapie-Richtlinien schreiben im Rah-
Codon
RHD-Gens2.
Gerbich-Phänotypen entstehen
men von Schwangerschaften oder bei Bluttransfusionen
durch Deletion ganzer Exone. Die Deletion von Exon 2
die Bestimmung erythrozytärer Alloantikörper vor. Wenn
gesamten
verursacht den Phänotyp GE:-2,3,4 (früher: Yus), das
ein Antikörper nachgewiesen wird, ist die Spezifität des
Fehlen von Exon 3 ist Ursache des Phänotyps GE:-2,-3,4
Antikörpers zu klären. Da normalerweise keine Alloanti-
(früher: Ge). Typisch für den Lan-negativen Blutgruppen-
körper gegen Antigene gebildet werden, die man selbst
phänotyp ist das Vorliegen von Stop-Mutationen. Durch
besitzt, kann die Phänotyp-Vorhersage die Antikörperdif-
den Austausch einer einzelnen Base im entsprechenden
­Genabschnitt wird keine Aminosäure eingebaut, sondern
ferenzierung unterstützen. Die molekularbiologische Phä-
die Proteinsynthese wird unmittelbar gestoppt.
notyp-Vorhersage wird insbesondere dann angewendet,
wenn bei Vortransfusion des Patienten oder bei Vorliegen von Autoantikörpern die serologische Antigenbestim-
Schließlich wurden noch Genkonversionen als Ursache
mung kein verlässliches Ergebnis liefert. Für die Bestim-
von Blutgruppenpolymorphismen beschrieben. Bei der
mung einiger Antigene wie z. B. Dombrock stehen keine
Intron
Exon 1
JK*A
2
3
4
5
6
7
8
9
10 11
838
Exon 8
...GGACTCAGTCTTTCAGCCCCATTTGAGGACATCTACTTTG...
GAC = Asparaginsäure(D)
JK*B
Exon 8
838
...GGACTCAGTCTTTCAGCCCCATTTGAGAACATCTACTTTG...
AAC = Asparagin(N)
Abbildung 2: Nukleotidaustausch als Ursache eines Blutgruppenpolymorphismus.
In Exon 8 des JK-Gens bewirkt der Nukleotidaustausch, dass anstelle der Asparaginsäure ein Asparagin in das Kidd-Protein eingebaut wird. Diese Veränderung
am Protein unterscheidet die Blutgruppenantigene Jka und Jkb.
6
25 2015
Phänotypisierung
Genotypisierung
Welche Antigene sind
Prinzipiell alle Antigene; Praktisch gibt es
Eingeschränkt auf die Antigene, deren molekulare Basis
zugänglich?
nur für die wichtigsten 25 Antigene kom-
bekannt ist, das sind etwa 300 Antigene.
merzielle Typisierungsreagenzien in ausreichenden Mengen.
Vorteile der Methode
• Direktheit der
• Antigene, für die keine kommerziellen Reagenzien
Antigen-Antikörperreaktion
• Nachweis der Genexpression
verfügbar sind, werden für die Typisierung zugänglich.
• Goldstandard für die Typisierung von weak D-Typen.
• Screening von serologisch D-negativen Spendern
auf potentielle minimale D-Expression.
Nachteile der Methode
Störung durch Autoantikörper
• Indirekte Methode: ein bestimmter Genotyp wird für
die Voraussage eines Phänotyps herangezogen.
Kosten
Standard
In Abhängigkeit von der verwendeten Methode (in-house
versus kommerzielle Assays) günstiger oder teurer als
serologische Tests.
Tabelle 1: Vor- und Nachteile von Phäno- und Genotypisierung im Vergleich
geeigneten Seren zur Antigenbestimmung zur Verfügung
ist somit Rh negativ. Bei Vätern von Risiko-Feten kann
und für die Bestimmung seltener Blutgruppen sind Seren
molekularbiologisch eine Zygotiebestimmung für RHD
häufig nur im internationalen Austausch der Referenzla-
vorgenommen werden, um die Wahrscheinlichkeit einer
bore erhältlich. Hier stellt die Genotypisierung eine geeig-
Problemschwangerschaft vorherzusagen.
nete Alternative zur Identifikation geeigneter Spender dar.
Serologie und molekulare Typisierung haben unterschiedIn Zukunft wird eine Massen-Genotypisierung von Spen-
liche Vor- und Nachteile (Tabelle 1) und ergänzen sich da-
derblutgruppen eine zunehmende Rolle spielen. Ziel
her häufig hervorragend. Im Folgenden werden einige An-
ist es einerseits, die Versorgung mit seltenen Blutgrup-
wendungen näher dargestellt.
pen zu verbessern und andererseits bezüglich „normaler Blutgruppen“ typisierte Spenden vorzuhalten. Eine
Durchtypisierung von Spendern hinsichtlich der „normalen“ Allele erlaubt einen raschen Zugriff auf Präparate für
Antikörper-Träger, auch bei schwierigen Antigenkonstel-
MOLEKULARGENETIK IN
DER THROMBOZYTEN- UND
GRANULOZYTENDIAGNOSTIK
lationen. Zudem ist es eher möglich, einen Patienten mit
chronischer Transfusionsbedürftigkeit kompatibel bezüg-
Alloantikörper gegen Thrombozyten und Granulozy-
lich der klinisch wichtigsten Antigene zu versorgen. Dies
ten können fetomaternale Inkompatibilitäten (Neonatale
­Alloimmunthrombozytenopenie = NAIT bzw. Neonatale
gilt insbesondere für Patienten mit Thalassämie oder
Sichelzellenanämie.
Immunneutropenie = NIN) bedingen, Refraktärzustände
gegen Transfusionen verursachen sowie schwere Trans-
Die molekulare Blutgruppenbestimmung ist darüber hi-
fusionsreaktionen (granulozytäre Antikörper => TRALI,
naus ein wertvolles Hilfsmittel zur Identifizierung von
thrombozytäre Antikörper => Posttransfusionspurpura)
Schwangerschaften, bei denen ein Risiko für eine kind-
auslösen.
liche Erythroblastose besteht. Die Blutgruppengenotypisierung mit fetaler DNA aus Amnionzellen ist eine eta-
Durch die Induktion einer Antikörperbildung wird eine
blierte Methode. Zunehmend wird für die Vorhersage
D ­positiver Feten auch kindliche DNA genutzt, die aus
Struktur erst zum Antigen, daher steht am Beginn ei-
dem Plasma D negativer Mütter isoliert werden kann.
per/das Antiserum, also die Serologie. Anders als in der
ner Antigentypisierung naturgemäß immer der Antikör-
RhD ist das Blutgruppenprotein mit der weitaus höchsten
erythrozytären Immunhämatologie sind aber zur Bestim-
Immunogenität und für die fetale Erythroblastose immer
mung der Thrombozyten (HPA)- und Granulozytenanti-
noch der größte Risikofaktor. Etwa 15 % der deutschen
gene (HNA) geeignete Typisierungsseren äußerst rar und
Bevölkerung weist eine Deletion des RHD-Gens auf und
schon gar nicht kommerziell erhältlich. Soweit die mo-
7
lekulare Grundlage eines Antigens bekannt ist, ist da-
ses Antigen bilden Individuen, die HNA-2 nicht besitzen.
her eine DNA-Typisierung der einfachere Weg der Anti-
Das Fehlen von HNA-2 basiert auf einem Expressionsde-
genbestimmung. Heute werden also mit Ausnahme des
granulozytären Antigens HNA-2 sowohl HPA- als auch
fekt, das Gen selbst ist auch bei HNA-2-negativen Individuen vorhanden5. Dieses Antigen ist daher einer PCR-­
HNA-Antigene routinemäßig mit molekularbiologischen
Typisierung nicht zugänglich, sondern kann nur serolo-
Methoden bestimmt. Molekularbiologisch liegen bei den
gisch bestimmt werden.
meisten HNA- und HPA-Antigenen singuläre Basenaustausche zugrunde, die beispielsweise durch eine PCR
Bei HNA-1 ist die Situation relativ kompliziert. Bisher kennt
mit sequenzspezifischen Primern (PCR-SSP) oder eine
man vier Antigene, die von mindestens drei Allelen co-
PCR mit anschließendem Restriktionsverdau (PCR-RFLP)
diert werden5. Allerdings besteht keine eins-zu-eins-Be-
nachgewiesen werden können.
ziehung zwischen Allel und Antigen (siehe Tabelle 2). Beispielsweise wird HNA-1b von zwei Allelen codiert, HNA-1c
Bei den Thrombozyten unterscheidet man derzeit
nur von einem. Mit FCGR3B*02 codiert ein Allel für zwei
26 HPA-Antigene4. Klinisch relevant sind hauptsächlich
Antigene5. Bei FCGR3B kann es zudem durch ungleiches
die Antigene HPA-1 bis HPA-5 sowie HPA-15 (Tabelle 2).
Crossing-over zur Gendeletion und Genduplikation kom-
Bei den anderen HPA-Antigenen handelt es sich im We-
men, so dass ein Individuum zwischen 0 und 4 Allele von
sentlichen auch um biallele Systeme mit jeweils einem
FCGR3B besitzen kann. Auf dem Gen FCGR3B gibt es
sehr häufigen und einem sehr seltenen Allel, bei denen
sechs Nukleotide, die für fünf Aminosäureaustausche co-
sich aber bisher nur jeweils die seltene Variante als Anti-
dieren, die wiederum für die Antigene verantwortlich sind.
gen erwiesen hat (sogenannte Privatantigene). Die meis-
FCGR3B*01 und FCGR3B*02 unterscheiden sich an fünf
ten HPA-Antigene sind auf dem Glykoproteinkomplex IIb/
Nukleotidpositionen, FCGR3B*03 weicht um einen weite-
IIIa lokalisiert. Antikörper gegen HPA-1a und HPA-5b sind
ren Basenaustausch von FCGR3B*02 ab. Die derzeit an-
mit 85 % bzw. 10 % der Fälle die häufigsten Auslöser ei-
gewandte Typisierungstechnik (PCR-SSP) weist jeweils
ner NAIT4, auch für eine PTP ist typischerweise Anti-HPA-
ein oder zwei charakteristische Nukleotide pro Allel nach,
1a verantwortlich; anti-HPA-5b ist der häufigste HPA-An-
was in den allermeisten Fällen ausreichend ist, um die für
tikörper überhaupt.
die HNA-1-Antigene charakteristischen Aminosäuren zu
bestimmen. Der Nachweis aller fünf zu einem Allel ge-
Bei den Granulozyten unterscheidet man derzeit fünf Antigen-Systeme (Tabelle
3)5.
Im Gegensatz zur HPA-No-
menklatur, die Antigen-basiert ist, ist die HNA-Nomenkla-
hörenden polymorphen Nukleotide wird durch die Existenz des sehr ähnlichen Gens für den Fcγ-Rezeptor IIIa
(FCGR3A) erschwert, dessen Amplifikation immer ausge-
tur Protein-basiert, d. h. jeder Nummer im HNA-System
schlossen werden muss. Eine solche „Allel-Typisierung“
liegt ein anderes Protein zugrunde, die antigenen Vari-
erfordert eine Sequenzierung5.
anten eines Proteins werden durch Buchstaben gekenn-
Zellen vor. HNA-4 und HNA-5 liegen einfache Punktmu-
Wie kann die Molekularbiologie die
erythrozytenserologischen Untersuchungen
bei Patienten unterstützen?
tationen zugrunde, die mittels PCR-SSP gut nachweis-
Bei prätransfusionellen Patientenabklärungen werden ge-
bar sind. HNA-3 konnte bis 2009 nur serologisch und
legentlich Diskrepanzen bzw. unklare Resultate bei der
zeichnet. Die Antigene HNA-1 und -2 sind granulozytenspezifisch, HNA-3, -4 und -5 kommen auch auf anderen
8
auch nur eingeschränkt typisiert werden, da die moleku-
Bestimmung von ABO, RhD, RhCE und weiteren Blut-
lare Struktur des Antigens bis dahin noch unbekannt war.
­Anti-HNA-3a ist der häufigste HNA-Antikörper, somit gab
gruppenantigenen beobachtet. Es kann sich dabei um
es zumindest in spezialisierten Labors meist die Möglich-
Isoagglutininbestimmung (ABO), Diskrepanzen zwischen
Diskrepanzen handeln wie z. B. zwischen Antigen- und
keit, zwischen HNA-3a-positiv und HNA-3a-negativ zu
Phänotyp und Genotyp, oder unklare Resultate wegen
unterscheiden. Heterozygote ließen sich aber nicht erken-
Abschwächungen bei der Antigenbestimmung. Die Auf-
nen. Anti-HNA-3b war zwar bei der Erstbeschreibung des
klärung solcher Fälle ist meistens eine interdisziplinäre
Antigensystems gefunden worden, stand aber später als
Zusammenarbeit, die sowohl die Serologie als auch die
Typisierungsserum nicht mehr zur Verfügung. Seit 2009
Molekularbiologie mit einschließt. In den letzten Jahren
ist die molekulare Grundlage von HNA-3 aufgeklärt, auch
wurden Hilfsmittel entwickelt, um diese Fälle einfacher
hier handelt es sich um eine Punktmutation, die mittels
abklären zu können. So kann z. B. die Abklärung beim
PCR-SSP nachweisbar ist5. Somit ist auch die HNA-3-­
Vorliegen von Antikörpern gegen hochfrequente Antige-
Typisierung außerhalb spezialisierter Labors möglich ge-
ne (HFA) durch rekombinante Blutgruppenantigene und
worden. HNA-2 ist ein Isoantigen. Antikörper gegen die-
molekularbiologische Bestimmung (Genotypisierung) un-
25 2015
Antigen
Synonym
Lokalisation
Allele
Antigenfrequenz [%]
HPA-1a
Zwa, PlA1
GPIIIa
ITGB3*176T
97,50
HPA-1b
Zwb, PlA 2
ITGB3*176C
30,80
HPA-2a
Kob
GP1BA*482C
99,80
HPA-2b
Koa, Siba
GP1BA*482T
11,80
HPA-3a
Baka, Leka
ITGA2B*2621T
86,14
HPA-3b
Bakb
ITGA2B*2621G
62,92
HPA-4a
Yukb, Pena
ITGB3*506G
> 99,90
HPA-4b
Yuka, Penb
ITGB3*506A
< 0,10
HPA-5a
Brb, Zavb
ITGA2*1600G
98,79
HPA-5b
Bra,
ITGA2*1600A
20,65
HPA-15a
Govb
CD109*2108C
77,30
HPA-15b
Gova
CD109*2108A
74,87
GPIbα
GPIIb
GPIIIa
GPIa
Zava
CD109
Tabelle 2: Klinisch relevante HPA-Antigene
Antigen
Lokalisation
Allele
Klinische Bedeutung
Bemerkung
HNA -1a
FcγRIIIb = CD16b
FCGR3B*01
NIN + TRALI
Allele unterscheiden sich
-1b
FCGR3B*02 und *03
in mehreren Nukleotiden
-1c
FCGR3B*03
voneinander
-1d
FCGR3B*02
HNA-2
CD177
GP1BA*482C
NIN + TRALI
GP1BA*482T
Isoantigen,
Expressionsdefekt
HNA-3a, -3b
CTL2
SLC44A2*461G, *461A
TRALI
Punktmutation
HNA-4a, -4b
CD11b
ITGAM*230G, *230A
NIN
Punktmutation
HNA-5a, -5b(w)
CD11a
ITGAL*2372G, *2372C
NIN
Punktmutation
Tabelle 3: HNA-Antigene
terstützt werden. Mit folgenden Fallbeispielen aus dem
angesetzt. Die Testergebnisse zeigen, dass es sich um
Schweizerischen Referenzlabor wird das Zusammenspiel
die ABO-Variante ABO*AEL.01 handelt. Der Genotyp ist
von Serologie und Molekularbiologie erläutert.
ABO*O.01.01/*AEL.01. Früher konnte diese Variante (Ael,
el für Elution) nur mittels Adsorption-Elution detektiert
Fallbeispiel 1 (ABO): Die Probe wird zur Abklärung auf-
werden, heutzutage gilt die molekularbiologische Unter-
grund fehlender Isoagglutinine gegen A1- und A2- Test-
suchung als Gold-Standard. Patienten mit dieser ABO-
erythrozyten eingesendet. Die Wiederholung der Antigen-
Variante wird Blut der Gruppe O verabreicht.
bestimmung der Antigene A- und B fällt negativ aus. Die
Isoagglutininbestimmung gegen B-Testerythrozyten fällt
Fallbeispiel 2 (RhE): Die folgende Probe wurde uns we-
positiv aus, während die Isoagglutininbestimmung ge-
gen einer Abschwächung bei der RhE- Antigenbestim-
gen A1- und A2-Testerythrozyten negativ ist. Es könnte
mung zugewiesen. Der Patient war positiv für die Anti-
sich hier um eine A-Untergruppe handeln, die serologisch
gene RhC, Rhc und Rhe. Die RhE-Antigenbestimmung
nicht zu detektieren ist. DNA von der Probe wird extrahiert
und ein ABO-Kit (ABO Type, BAGene, ­BAGHealthcare)
zeigte mit einem monoklonalen Anti-E Antikörper (ID-Gel)
ein abgeschwächtes Resultat, während das Resultat mit
9
RhesusBox
A
RhesusBox
RHD
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
C
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
B
RHCE
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
RHD*06.01, DVI Typ 1
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
RHD*06.02, DVI Typ 2
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
RHD*06.03, DVI Typ 3
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
RHD*06.04, DVI Typ 4
Abbildung 3
Die Gene RHD und RHCE befinden sich in gegenläufiger Orientierung auf Chromosom 1 (A). Bei Duplikations- oder Reparaturvorgängen kann sich eine Haarnadelformation ausbilden, bei der die Gene nebeneinander zu liegen kommen (B). Liest die Polymerase streckenweise vom falschen DNA-Strang ab, werden
dessen Sequenzen in den parallel gegenüberliegenden Strang eingebaut. Die Varianten des partial D Kategorie VI sind durch derartige Konversionsvorgänge
entstanden (C).
­polyklonalen humanen Anti-E Antikörpern (ID-Gel) sogar
Zur weiteren Abklärung wurden Testerythrozyten mit dem
negativ ausgefallen ist. Weitere monoklonale Anti-E Anti-
seltenen Phänotyp In(Lu) verwendet. Bei diesem Phäno-
körper ergaben unterschiedliche Resultate. Diese Reakti-
typ sind unter anderem alle Antigene im Lu-System so
onen ließen auf eine RhE-Variante schließen. Aus diesem
stark unterdrückt, dass der Phänotyp als Lu(a-b-) er-
Grund wurde das RHCE-Gen sequenziert. Im Exon 3
scheint. Diese Zellen zeigten mit dem Patientenserum ne-
sind drei Mutationen, 361A > T, 380C > T und 383A > G,
gative Resultate. Des Weiteren konnten Antikörper gegen
vorhanden, die bei der Allel-Variante RHCE*03.15.02
Lu6, Lu8 und Lu23 ausgeschlossen werden. Nur mit ei-
(RHCE*cEJU) bekannt sind. Patienten mit dieser RhE-Va-
ner Lu13 negativen Testzelle konnte ein negatives Resul-
riante wird RhE-negatives Blut verabreicht.
tat beobachtet werden. Zur Bestätigung eines Anti-Lu13
wurden die Exone 11 und 13 des LU-Gens sequenziert.
Fallbeispiel 3 (Anti-Lu13): Die Probe wurde uns von ei-
Die Sequenzierung zeigte die Mutationen, 1340C > T und
nem regionalen Blutspendedienst mit dem Verdacht auf
1742A > T, die für die Allel-Variante LU*02.-13 bekannt sind.
einen Antikörper gegen ein hochfrequentes Antigen zu-
Da die klinische Relevanz dieses Antikörpers nicht ein-
gewiesen. Die Blutgruppe und der Phänotyp des Patien-
deutig ist (wenig bekannte Fälle), wird die Transfusion von
ten war B Rhccddee. Der direkte Antihumanglobulintest
Lu13 negativem Blut, wie z. B. Lu(a-b-)-Blut, empfohlen.
mit polyvalentem Serum und mit Anti-IgG ergab ein negatives Resultat. Das Serum des Patienten reagierte positiv mit allen Testzellen im indirekten Antihumanglubulintest
(IAT) und im Enzymtest mit Papain. Dagegen zeigte das
Patientenserum im IAT mit Testzellen, die mit dem Enzym
WEAK D-DIAGNOSTIK ZUR
­FESTLEGUNG DER ­TRANSFUSIONSUND PROPHYLAXESTRATEGIE
Trypsin behandelt wurden, negative Resultate. Aufgrund
10
dieser Resultate kommen am ehesten Antikörper gegen
Einen festen Stellenwert in der Diagnostik besitzt mitt-
HFAs des Lutheran-Systems (Lu) in Betracht. Der am
lerweile die Abklärung des D-Status von Personen mit
häufigsten vorkommende Antikörper gegen ein HFA im
Lu-System ist Anti-Lu(b). Der Patient ist jedoch ­Lu(a-b+).
gen D Bestimmung mittels PCR.
schwachen oder diskrepanten Reaktionen bei der Anti-
25 2015
Bei einem rein serologischen Vorgehen besteht das Pro-
Typ 4; hier gibt es unterschiedliche Subtypen (siehe
blem, dass eine ganze Reihe unterschiedlicher D Formen
unten).
bei der serologischen Untersuchung auffallend schwach
• Partial D Formen mit geringer Antigendichte. Insgesamt
reagiert:
sind in der „RhesusBase“ über 100 Partial D Formen
gelistet, von denen allerdings nicht alle eine niedrige
• Die „häufigen“ weak D Typen Typ 1, Typ 2, Typ 3. Diese
Antigendichte haben.
weak D Typen sind vergleichsweise häufig, werden auf
Grund ihrer noch einigermaßen hohen Antigendichte
Die serologische Abklärung des „schwachen oder diskre-
öfters D positiv transfundiert und trotzdem wurde bis-
panten D“ endet spätestens mit dem Einsatz von Panels
her noch keine Allo-Anti-D-Immunisierung nachge-
unterschiedlicher monoklonaler Antikörper. Diese Panels
wiesen. Die D positive Transfusion von Personen mit
sind bei mehreren Herstellern erhältlich und gut geeig-
weak D Typ 1, Typ 2 und Typ 3 gilt daher als sicher.
net, die typischen Partial D wie D Kategorie IV, V, VI, VII,
DHAR oder DFR zu erkennen. Eine Unterscheidung der
• Weak D Typen, bei denen eine Anti-D-Immunisierung
unterschiedlichen weak D Typen ist jedoch nicht möglich,
b e o b a c h et w u rd e, w i e we a k D Ty p 11, Ty p 15,
und selbst eine sichere Abtrennung mancher Partial D mit
Typ 33. Hier ist es offensichtlich, dass eine D negativ
niedriger Antigendichte (z. B. DHMi) ist oft kaum mach-
Transfusionsstrategie gewählt werden muss.
bar. Da Partial D nur eine Minderzahl der Proben zugrun-
• Zahlreiche andere weak D Typen (Abbildung 4); in der
de liegt, die mit den Anti-D schwach oder diskrepant re-
„RhesusBase“ (http://www.rhesusbase.info) sind über
agieren, bleibt bei der Mehrzahl der Proben nach serolo-
100 weak D Typen bzw. Subtypen gelistet. Bei die-
gischer Abklärung nur die Aussage „Könnte ein häufiger
sen Typen gibt es im Regelfall keine Information, ob
weak D Typ sein – muss es aber nicht“.
ihre Träger D positiv transfundiert werden können, da
zwar einerseits keine Anti-D-Immunisierung beschrie-
Mit molekularen Methoden ist es dagegen möglich, ganz
ben wurde, sie aber andererseits so selten sind, dass
gezielt auf die Polymorphismen (Veränderungen der Nu-
man dies auch nicht erwarten kann, oder eine derart
kleotidsequenz) zu testen, die bei den häufigen weak D
niedrige Antigendichte besitzen, dass man davon aus-
Typen verändert sind. Man muss somit nicht nach dem
gehen muss, dass ihre Träger bisher stets D negati-
Ausschlussprinzip arbeiten, sondern kann mit drei Tests
ve Präparate erhalten haben. Ein Sonderfall ist weak D
– dem Test auf weak D Typ 1, dem Test auf weak D Typ 2
286
32
53
11
2
72
94
110
75
131
154
169
134
226
188
238
207
283
257
352
264
307
370
333
389
Typ 2
Typ 3
Typ 1
Weak D Typ 5–11:
max. 2 Proben je Typ
Weak D Typ 3:
7 Proben
Weak D Typ 2:
43 Proben
Weak D Typ 4:
6 Proben
Partial D: 2 Proben
Weak D Typ 1:
95 Proben
417
Abbildung 4
Schematische Darstellung des RhD-Proteins und Aminosäurepositionen, in denen
bei weak D Mutationen gefunden wurden. Positionen, an denen mehrere unterschiedliche Mutationen gefunden wurden, sind rot oder orange dargestellt, solche,
an denen bisher nur eine Mutation entdeckt wurde, blau. Die hellblauen bzw. orangen Positionen sind die Positionen, die schon bei der Erstbeschreibung1 (Insert:
Frequenz unter den damals untersuchten Proben) gefunden wurden. Die Position
der Mutation bei den häufigsten weak D Typen 1, 2 und 3 ist gekennzeichnet.
11
und dem Test auf weak D Typ 3 – in über 90 % das ­Allel
2.Falls auf die molekulare Diagnostik verzichtet wird, wie
des Patienten bestimmen und somit zu einer Aussa-
soll dann weiter vorgegangen werden? Auf den ers-
ge kommen. Das ist natürlich wesentlich befriedigender
ten Blick erscheint hier eine D negative Versorgung
als die serologisch zu erzielende Aussage. In der Pra-
die sicherere Variante, sie impliziert jedoch einen un-
xis enthalten die entsprechenden Kits zudem meist noch
nötig hohen Verbrauch D negativer Präparate und un-
Nachweisreaktionen für weitere wiederholt beobachtete
nötige Gaben von Rhesusprophylaxen (falls man nicht
weak D und Partial D mit geringer Antigendichte. In der
ohnehin in diesem Fall stets die molekulare Abklärung
großen Mehrzahl der Proben erhält man so durch relativ
wählt). Aus diesem Grund sehen viele Empfehlungen
geringen Aufwand ein eindeutiges Ergebnis.
unter bestimmten Bedingungen (z. B. in den deutschen
Richtlinien von 2010: eindeutig positive Reaktionen
Insgesamt besteht zum Vorgehen international weitge-
mit beiden Antikörpern) für diesen Fall eine D positive
hender Konsensus (Abbildung 5). Lediglich drei, aller-
Transfusionsstrategie vor. Dies impliziert jedoch, dass
dings wesentliche Punkte, sind Gegenstand z. T. heftiger
gelegentliche Anti-D-Immunisierungen in Kauf genom-
Diskussionen:
men werden, was besonders bei Frauen im gebärfähigen Alter unglücklich wäre.
1.Soll in jedem Fall eine molekulare Diagnostik durchgeführt werden, wenn abgeschwächte oder diskrepante Reaktionen auftreten? Hier reicht die Palette der
Antworten von „in jedem Fall“7 über „bei Frauen vor der
Menopause oder langfristigem Transfusionsbedarf“8
bis zu „eine Klärung ist anzustreben“. Letztlich ist es eine Frage nach Aufwand und Nutzen. Auch wenn die
molekulare Untersuchung auf den ersten Blick teuer
erscheint, zeigten Berechnungen, dass sich beispielsweise bei europäischen Frauen vor der Menopause
durch den Wegfall unnötiger Rhesusprophylaxen die
Versorgung kostengünstiger werden würde.9
12
3.Bei weak D Typ 4 ist die optimale Versorgungsstrategie
umstritten. Bei weak D Typ 4.0 wurden ein(zelne) Fall/
Fälle von Anti-D-Immunisierung beobachtet, was ein
Expertengremium bewog, sich nicht für eine D positive Transfusionsstrategie auszusprechen. Für weak D
Typ 4.1 ist die Beweislage dagegen analog weak D
Typ 1 bis 3: Es ist einigermaßen häufig (etwa 1 % ­aller
Spender mit Rhesusformel ccD.ee), wird nahezu immer als D positiv bestimmt und entsprechend transfundiert und bisher wurde trotzdem noch nie eine AntiD-Immunisierung bei weak D Typ 4.1 beobachtet. Bei
25 2015
weak D Typ 4.2 ist es gerade umgekehrt: Personen mit
det Antikörper gegen Rhesus-D-positive fetale Blutzellen.
weak D Typ 4.2 können leicht gegen normales D immu-
Diese Antikörper können durch die Plazenta in den kindli-
nisiert werden und benötigen D negative Versorgung
chen Kreislauf gelangen und sich dort mit Rhesus-D-po-
und ggf. Rhesusprophylaxe.
sitiven roten Blutkörperchen des Feten verbinden, die dadurch zerstört (hämolysiert) werden. Sind viele Antikörper
Tendenziell dringen die in den letzten Jahren formulierten
durch die Mutter gebildet worden, kann es zu einer mas-
Empfehlungen auf eine molekulare Abklärung zumindest
siven Hämolyse kommen, die dann eine schwere Blutar-
bei Frauen im gebärfähigen Alter.
mut des ungeborenen Kindes zur Folge hat. Die pränatale Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors (oder ande-
Pränatale Blutgruppenbestimmung
aus dem Blut der Mutter
Eine
Blutgruppenunverträglichkeit
zwischen
rer Blutgruppen) ist daher von klinischer Bedeutung. Ziel
der pränatalen Diagnostik ist neben der Bestimmung des
einer
Schweregrades der kindlichen Anämie auch die Analy-
Schwangeren und dem ungeborenem Kind stellt eine
se der fetalen Blutgruppe mittels molekulargenetischer
schwerwiegende Komplikation innerhalb der Schwanger-
Methoden.
schaft dar. Möglich ist eine solche Unverträglichkeit für
jedes Blutgruppensystem, über 90 % der Fälle betreffen
Das Vorhandensein freier fetaler DNA im Plasma bzw. Se-
allerdings das sogenannte Rhesus-D Merkmal. Liegt die
rum von Schwangeren wurde bereits 1997 von Lo und
Konstellation einer Rhesus-D-negativen Mutter und eines
Mitarbeitern beschrieben10. Die Untersuchung dieser
Rhesus-D-positiven Kindes vor, kommt es bei der Mutter
DNA wird seitdem zunehmend als nicht-invasive Alter-
zu einer Immunantwort. Der mütterliche Organismus bil-
native zu bekannten Techniken wie Chorionzottenbiopsie,
Untersuchung mit monoklonalen Anti-D
Beide Anti-D
+++
Beide Anti-D
negativ
Abgeschwächte/
Diskrepante Reaktionen
1
Keine
molekulare
Abklärung
Molekulare
Abklärung
weak D
Typ 1, 2, 3
2
weak D
Typ 4.0
Typ 4.1
weak D Typ 4.2
andere Typen
Partial D
3
D pos.
Transfusionen
D neg.
Transfusionen
Keine RhesusProphylaxe
Benötigt RhesusProphylaxe
Abbildung 5
Entscheidungsschema zur serologischen und molekularen D-Diagnostik. Dargestellt ist einerseits der aktuelle interantionale Konsens – molekulare Abklärung
bei abgeschwächten/diskrepanten Reaktionen, D positive Transfusionsstrategie für weak D Typ 1, Typ 2 und Typ 3, D negative Transfusionsstrategie für Partial
D und seltene weak D, – als auch die derzeit wesentlichen Kontroversen (siehe auch Text): 1: In welchen Fällen soll die molekulare Abklärung erfolgen, 2:
Welche Transfusionsstrategie soll ohne molekulare Abklärung eingeleitet werden und 3: Wie soll bei weak D Typ 4.0 und Typ 4.1 vorgegangen werden.
13
Amnioszentese oder Cordozentese genutzt. Unabhängig
Für die Bestimmung des Rhesus-D Merkmals bedeutet
von der Technik, invasiv oder nicht-invasiv, unterscheidet
dies, dass jede Rhesus-D positive Reaktion auf die Blut-
sich die pränatale Blutgruppendiagnostik in einem Punkt
gruppe des Feten hinweist, da die Mutter Rhesus-D ne-
sehr deutlich von einer normalen Patientendiagnostik:
gativ ist. Problematischer sind die Proben, in denen der
während bei der Genotypisierung von Patienten meistens
Fetus scheinbar Rhesus-D negativ ist. Hier sind Kontrol-
die Ergebnisse einer serologischen Untersuchung vorlie-
len notwendig, die das Vorhandensein fetaler DNA be-
gen, sind diese Informationen bei einer pränatalen Unter-
weisen. Für männliche Feten ist die gleichzeitige Verviel-
suchung nicht vorhanden. Demzufolge ist eine Plausibili-
fältigung Y-spezifischer DNA-Sequenzen (z. B. Y-AMEL)
tätskontrolle der Ergebnisse nicht möglich.
ausreichend, um mütterliche und fetale DNA zu unterscheiden. In Teil B der Abbildung 6 sind mögliche Ergeb-
Die Vorgehensweise bei der nicht-invasiven pränatalen
nisse einer Untersuchung auf das fetale Rhesus-D Merk-
Blutgruppenbestimmung ist recht einfach: mit einer simp-
mal dargestellt. Hier zeigt sich in der Teilabbildung 6B(d)
len venösen Blutentnahme kann zellfreie DNA isoliert und
ein negatives Ergebnis sowohl für das Rhesus-D Merk-
durch den Einsatz eines PCR-Verfahrens vervielfältigt
mal als auch für die Y-spezifischen Sequenzen. Es kann
werden (Abbildung 6A). Grundsätzlich kann nur ein Blut-
als Rhesus-D negativer, weiblicher Fetus interpretiert wer-
gruppenmerkmal bestimmt werden, für das die Schwan-
den, denkbar ist aber auch eine nicht ausreichende Men-
gere selber negativ ist, da die isolierte zellfreie DNA ei-
ge an fetaler DNA in der PCR bzw. ein technisches Ver-
ne Mischung aus mütterlicher und fetaler DNA darstellt.
sagen der Nachweismethode. Eine solche Probe kann
A
Zentrifugation
1.500-5.000 g
3.000-15.000 g
3.000 g
mütterliches Blut
1 ml
Plasma
3.000 g
Extraktion freier
Plasma DNA und PCR
B
1.000
a
b
RHD und Y-AMEL pos
Y-AMEL pos
1.000 E-1
1.000 E-2
1.000 E-3
RHD neg
1.000 E-4
RHD-negativ, männlich
RHD-positiv, männlich
1.000 E-5
1.000
c
d
RHD pos
1.000 E-1
RHD und Y AMEL neg
1.000 E-2
1.000 E-3
Y-AMEL neg
1.000 E-4
nicht interpretierbar: RHD-negativ, weiblich?
RHD-positiv, weiblich
1.000 E-5
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
Abbildung 6A: A) Vorgehensweise zur Gewinnung zellfreier DNA und B) Nachweis des kindlichen Rhesus-D Merkmals mittels PCR.
Die Interpretation der Ergebnisse ist in Grau unterlegt.
14
25 2015
nur durch ­weiterführende Untersuchungen interpretiert
Anti-D im Verlauf von Schwangerschaften nicht mehr
werden. Hierfür werden natürlich vorkommende Varian-
durchbrechen. Aus dieser Erkenntnis leitet sich die For-
ten auf dem menschlichen Erbgut als interne Kontrolle
derung ab, transfusionsbedingte Anti-D-Immunisierun-
genutzt. Das Muster der mütterlichen Varianten wird mit
gen bei prämenopausalen Frauen so gut wie möglich zu
dem des ungeborenen Kindes verglichen, ohne dass eine
vermeiden. Voraussetzung dazu ist selbstverständlich,
väterliche Blutprobe vorhanden sein muss. Jedes positive
­Signal aus der PCR der Plasma DNA, das nur beim Kind
dass als D negativ deklarierte Präparate tatsächlich D negativ sind.
nicht aber bei der Mutter zu finden ist, muss demnach
vom Vater herrühren und folglich fetalen Ursprungs sein.
Hier stellt sich die Frage, „wie wenig” D-Antigen noch immunogen sein kann. Kaum jemand bezweifelt, dass die
In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass die
Transfusion eines Erythrozytenpräparates mit weak D
Ergebnisse einer fetalen Rhesus-D Genotypisierung aus
oder DEL ein deutlich geringeres Anti-D-Immunisierungs-
dem Plasma der Mutter sehr gut mit dem tatsächlichen
risiko als die Transfusion eines typischen D positiven Prä-
Phänotypen übereinstimmen. Durch die Einführung von
parates verursacht. Es werden jedoch immer wieder Fäl-
Kontrollen für das Vorhandensein fetaler DNA kann eine
le von Anti-D-Immunisierung durch für D negativ gehal-
sichere pränatale Rhesus-D Bestimmung des ungebore-
tene weak D oder DEL Präparate berichtet. Dabei wurde
nen Kindes durchgeführt werden, ohne dass hierfür eine
zumindest ein Teil der verursachenden weak D Präparate
Fruchtwasserpunktion nötig ist10–13. Dieses Vorgehen hat
beim D Nachweis im indirekten Coombstest übersehen.
zwei große Vorteile:
1.Eine Fruchtwasserpunktion wird der Pränatalmediziner
erst ab der 15. Schwangerschaftswoche durchführen.
Die Isolierung freier fetaler DNA aus dem Blut der Mutter
ist aber schon ab der 11. Schwangerschaftswoche
möglich, in einzelnen Fällen konnte die Blutgruppe bereits in der 9. Woche bestimmt werden.
2.Insbesondere in Fällen, in denen die Mutter bereits
Antikörper aus vorangegangenen Schwangerschaften
besitzt, ist die neue Methode von großem Vorteil.
Durch die Fruchtwasserpunktion können vorhandene
Antikörper so stimuliert werden, dass eine noch stärkere Produktion einsetzt, die das Wohlergehen des Feten
massiv gefährdet.
Die Antwort auf die Frage lautet daher „so wenig, dass
es mit serologischen Methoden nicht mehr sicher erfasst
werden kann“.
Mit DEL bezeichnet man D-Varianten, bei denen sich das
Antigen D nur mit Adsorption/Elution nachweisen lassen.
DEL wurde anfangs für eine ganz vorwiegend im asiatischen Raum auftretende Besonderheit gehalten, mittlerweile ist jedoch klar, dass auch in Zentraleuropa die
Frequenz unter scheinbar D negativen Blutspendern bei
1:350 bis 1:2.000 liegt14. Mittlerweile unterscheidet man
über dreißig unterschiedliche Formen, wobei es jedoch
bei einigen Formen nicht klar ist, ob sie nicht doch eher
D negativ oder ein weak D sind. Typische Ursache sind
Mutationen an Spleißstellen, die die Ausbildung eines
normalen RhD-Proteins behindern. Besonders häufig ist
DEL unter C positiven, serologisch D negativen Spendern.
TESTUNG RHESUS D NEGATIVER
BLUTSPENDER AUF SPUREN VON
D-ANTIGEN MITTELS RHD PCR
Der serologische Nachweis von DEL mittels Adsorption/
Elution ist extrem aufwändig und für das Routine-Spenderscreening nicht geeignet. Durch die RHD PCR der
Unter den irregulären Antikörpern nimmt Anti-D eine Son-
Blutspender ergibt sich hier ein völlig neuer Ansatz. Das
derstellung ein, da es nach wie vor die häufigste Ursache
RHD-Gen von Personen mit weak D oder DEL unter-
eines schweren Morbus hämolyticus neonatorum/fetalis
scheidet sich bei den meisten Formen nur in minimalen
ist. Glücklicherweise existiert mit der Anti-D-Prophylaxe
Details von dem RHD-Gen von „normal“ D positiven Per-
eine effektive Methode der Primärprophylaxe, Verfahren
sonen. Bei der Untersuchung mit den allermeisten RHD
zur Sekundärprophylaxe haben dagegen das experimen-
PCR Verfahren ist es daher praktisch nicht möglich, die-
telle Stadium noch nicht verlassen.
se Spender mit den „typischen“ D negativen Spendern
(die kein RHD-Gen besitzen) zu verwechseln. Das Prob-
Daraus ergibt sich die besondere Bedeutung der Vermei-
lem besteht eher darin, D negative Spender, die ein inak-
dung der Anti-D-Immunisierung: Wurde eine Patientin erst
einmal beispielsweise durch eine Transfusion ­Anti-D im-
Testung der Blutspender mittels RHD PCR ist somit die
tives RHD-Gen besitzen, nicht für D positiv zu halten. Die
munisiert, so kann auch eine korrekt gegebene Anti-D-
ideale Ergänzung zur serologischen D Testung, um die
Prophylaxe den Kreislauf zunehmender Boosterung des
Sensitivitätslücke zu schließen.
15
Mittlerweile hat eine ganze Reihe von Blutspendediens-
durch kombinierte Antikörperspezifitäten gegen die übli-
ten die RHD PCR in der einen oder anderen Form in das
chen (polymorphen) Antigene zustande kommen (bei ei-
Spenderscreening aufgenommen. Dabei gibt es im De-
ner Kombination von Anti-C, -M, -Fya liegt die Prävalenz
tail unterschiedliche Vorgehensweisen: Einige Blutspen-
des verträglichen Bluttyps z. B. bei 2 %), oder es handelt
dedienste konzentrieren sich auf Erstspender, was lo-
sich um Antikörperspezifitäten gegen hochfrequente Anti-
gistisch besonders einfach ist, andere haben auch ih-
gene (HFA; der HFA-negative Typ ist dann per se ein „sel-
re Altspender untersucht. Einige konzentrieren sich auf
tener Bluttyp“).
Spender mit „C“ oder „E“, da hier DEL besonders häufig
Typ 4.3 zu entdecken. Führt man die RHD PCR zusätz-
Wo liegen die Vorteile der genetischen
Spendertypisierung?
ist, andere testen auch ccddee Spender, um z.B: weak D
lich zur „offiziell ausreichenden“ serologischen Testung
Grundsätzlich ist egal, ob Spendertypisierungsprogram-
im indirekten Coombstest durch, kann man ein sehr einfaches und ­billiges System benutzen, andererseits spart
me serologisch oder molekularbiologisch durchgeführt
werden. Die Routineparameter ABO, Rh-Phänotyp, Kell
man die Kosten des indirekten Coombstests, wenn die
sind Domänen der Serologie (bei Rh D, insbesondere bei
RHD PCR so ausgelegt ist, dass sie ihn vollständig erset-
Varianten, ist dies allerdings schon differenzierter zu be-
zen kann. Dieser Ansatz wurde in der Schweiz übernom-
trachten, siehe entsprechende Kapitel dieses Artikels), bei
men, dort ist die RHD PCR der Blutspender mittlerweile
der Typisierung eines erweiterten Spektrums von Antige-
obligatorisch.
nen ist man serologisch praktisch aber auf etwa 25 Anti-
Nicht unerwähnt bleiben sollte der größte Nachteil der
Verfügung stehen (siehe auch Tabelle 1).
gene eingeschränkt, für die kommerzielle Reagenzien zur
RHD PCR: es fallen auch D negative Spender auf, die ein
inaktives RHD-Gen tragen, und die Abgrenzung dieser
Molekularbiologisch gibt es diese Einschränkungen be-
Spender von DEL kann sehr aufwändig werden, vor allem
züglich Verfügbarkeit von Reagenzien nicht. Hier können
wenn nicht eines der „häufigeren“ Formen inaktiver RHD-
all jene Antigene typisiert werden, die molekular, respek-
Gene vorliegt. Die Frequenz derartiger Spender ist ver-
tive auf DNA- bzw. Allel-Ebene charakterisiert sind und
gleichbar mit der Frequenz von DEL-Spendern. Diese auf-
das ist derzeit bereits für etwa 300 Antigene der Fall. Aber
wändigen Abklärungen haben damit nur wenig Auswir-
nicht alle diese Antigene sind in der Praxis gleicherma-
kung auf die Gesamtkosten der Spenderdiagnostik.
ßen wichtig.
Hochdurchsatz-Genotypisierung
von Blutspendern
Welche Antigene werden üblicherweise
in Spendertypisierungsprogramme
eingeschlossen?
Warum müssen Blutspendedienste
große Kohorten ihrer Spender auf ein
weites Antigenspektrum typisieren?
Spendertypisierungsprogramme schließen meistens die
Rund zwei Prozent der Erythrozytenkonzentrate (EK)
körper gebildet werden. Das sind jene Antigene, die typi-
werden für die Versorgung von Patienten mit irregulären
­antierythrozytären Antikörpern benötigt.
differenzierungspanels angeführt werden. Neben diesen
wichtigsten Antigene des RH-, MNS-, Kell-, Kidd- und
Duffy-Systems ein, gegen die in der Praxis häufig Antischerweise z. B. auch in den kommerziellen Antikörper„polymorphen“ Antigenen ist die Typisierung der Blut-
Um diese Antikörperträger im Bedarfsfall rasch und ad-
16
spender bezüglich einiger hochfrequenter Antigene (HFA)
äquat mit EKs versorgen zu können, müssen Blutspen-
wichtig, um HFA-negative Sonderspender, also Men-
dedienste einen Teil ihrer Spender, neben den routinemä-
schen mit seltenen Bluttypen (Rare Blood), zu finden. Da-
ßig bestimmten Antigenen ABO, Rh D, Kell und RhCcEe-
bei decken die fünf HFA-Spezifitäten, k, Yta, Kpb, Vel und
Phänotyp, auf etliche weitere Antigene insbesondere im
Lub, zusammen rund drei Viertel der HFA-Antikörperprä-
Kell-, Kidd-, Duffy- und MNS-Blutgruppensystem typisie-
valenz bei Europäern ab. Die Suche ist aufwendig: um ei-
ren. Nur eine große Anzahl typisierter Spender bzw. An-
nen negativen Spender zu finden, müssen im Falle von Vel
tigene in den Datenbanken garantiert, dass im Anlass-
etwa 4.000, im Falle von Kpb etwa 10.000 Personen un-
fall Antikörperträger rasch mit kompatiblem Blut versorgt
tersucht werden. Insbesondere für die Suche nach Men-
werden können. Je seltener der kompatible Bluttyp in der
schen mit diesen seltenen Bluttypen sind kommerzielle
Spenderpopulation vorkommt, desto aufwendiger wird
serologische Reagenzien nicht in ausreichender Menge
die Suche für die Blutspendedienste. Einerseits können
verfügbar, hier bietet die genetische Spendertypisierung
solche niedrigen Prävalenzen von passenden Bluttypen
deutliche Vorteile.
25 2015
Population
Getestete „D negative” Spender
Gefundene DEL
Frequenz DEL unter „D neg“
Dänemark
5.058 (4.932 Ergebnisse)
2*
1:2.029
Norddeutschland
46.756
76
1:615
Südwestdeutschland
46.133
47
1:982
Oberösterreich
23.330
66
1:353
Tabelle 4: Populationsstudien zu DEL in Zentraleuropa (modifiziert nach [14])
*Zuzüglich einem Spender mit RHD (IVS3+1G>A), der als D negativ charakterisiert wurde.
DRK Springe
SRK Bern
SRK Zürich
ÖRK Wien
DRK Hagen
Typisierte Spender
60.000
22.000
37.000
25.000
7.500
Eingeschlossene
16/4
20/6
46/13
35/12
22/7
M, N, S, s
M, N, S, s, He, U*
M, N, S, s
M, N, S, s
Antigene/davon HFA
Antigene,
M, N, S, s
HFA sind
Lua,
Lub
hervorgehoben
Kpa,
Kpb
Fya, Fyb
Jka,
Lua,
Lub
K, k,
Kpa,
K, K mod , k,
Kpb
Fya, Fyb, FybWK , Fy0
Jkb
Fya,
Fyb,
Kpa,
FybWK ,
Kpb
Fy0
Lua,
Lub,
K, k,
Kpa,
Jsa,
K11, KEL17, Kpc
Dia,
Fya,
Wra,
Wrb
Fyb,
FybWK ,
Yta, Ytb,
Jka, Jkb
Yta, Ytb
Jka, Jkb
Coa*,
Cob*
Yta,
Coa,
Dia,
*Statt
Coa
Ytb
Kpb,
Jka, Jkb ,Jkab, Jknull
Dib,
Cob
Dib,
Lua, Lub, Lu8, Lu14
Lu8, Lu14
Wra,
Jsb
Kpa, Kpb
Fya, Fyb
Fy0
Jka, Jkb
Yta, Ytb
Wrb
Coa, Cob, AQP1-Def.
Coa, Cob
LWa, LWb
Yta, Ytb
Doa, Dob
Doa,
Ina,
Inb
Coa,
Vel
bei den letzten
SC:1, SC:2
Ina,
15.000 Personen
Doa, Dob
Doa, Dob
Vel getestet
Vel, Velnull
wurde
Dob
Cob
Inb
ABO
D, C, c, E, e, Cw
*teilweise Abdeckung
Methode
Multiplex-PCR;
Multiplex-PCR;
Multiplex-PCR;
Multiplex-PCR;
Multiplex-PCR;
Kapillar-Gel-
Kapillar-Gel-
MALDI-TOF
Gel-Elektrophorese
MALDI-TOF
Elektrophorese
Elektrophorese
High-throughput
++
++
+++
+
+++
Materialkosten
0,14 €/Antigen
0,3 €/Antigen
k. A.
0,14 €/Antigen
k. A.
Tabelle 5: Genetische Spendertypisierung im deutschen Sprachraum
Genetische Spendertypisierungsprogramme
wendig, um derart große Spenderkollektive mit vertretbarem Aufwand durchtypisieren zu können.
International haben bereits etliche Blutspendedienste genetische Spendertypisierungsprogramme implementiert.
Die derzeit verwendeten Assays sind alle, allerdings in un-
Im deutschen Sprachraum dominieren verschiedene
terschiedlichem Maße, für eine Hoch-Durchsatz-Typisie-
­„in-house“-Verfahren (Tabelle 5), Eigenentwicklungen der
­Institute, die teilweise deutliche Kostenvorteile gegenüber
rung geeignet, das bedeutet, dass pro Arbeitstag mit den
Methoden bis mehrere tausend Antigene typisiert wer-
den kommerziellen Tests, aber auch gegenüber der Phä-
den können (z. B.: 96 Spender á 35 Antigene ergibt 3.360
notypisierung aufweisen. Diese Kosteneffizienz ist not-
Typisierungsergebnisse).
17
Große Kollektive typisierter Spender sind die Methode der
handelte. Vergleichbare Beobachtungen wurden auch im
Wahl um ausreichend Sonderspender mit seltenen HFA-
Blutgruppensystem MNSs gemacht. In der Tat sind diese
negativen Bluttypen zu finden und für eine rasche und
­adäquate Versorgung von Antikörperträgern.
„Genotypisierungs-Fehler“ also keine „eigentlichen Fehlbestimmungen“, sondern technisch korrekte Signale und
gleichzeitig hoch spezifische Indikatoren für das Vorlie-
Wie tauglich ist die genetische BlutgruppenBestimmung für die Routine-Nutzung?
gen sehr seltener, meist neuer Blutgruppen-Varianten. Alle „Genotypisierungs-Fehler“ der oben erwähnten Studie
Diskrepante Resultate zwischen der serologischen Blut-
und auch der an 6.000 Blutspendern durchgeführte Se-
gruppenbestimmung (Phänotyp) und der Genotypisie-
ro/Geno-Vergleich am Blutgruppensystem MNSs (Manu-
rung (Genotyp) fallen vor allem bei der Untersuchung
skript in Vorbereitung), waren immer seltener, oder höchs-
hoher Probenzahlen (Hochdurchsatz wenige 100 bis
tens gleich selten, wie „serologische Fehler“.
mehrere 1.000 Proben pro Tag) beinahe schon mit vorhersagbarer Regelmäßigkeit und in jedem Blutgruppen-
Zusätzlich ist die vorläufige Konzentration der Technologie
system an. Grundsätzlich sollten derartige Diskrepanzen
im Hochdurchsatz auf Blutspender, nicht jedoch auf Emp-
an frischen Zweitproben serologisch und genetisch über-
fänger ausgerichtet. Empfänger, oder Patienten benöti-
prüft werden. Diskrepanzen bleiben seltene Beobachtun-
gen oft sehr detaillierte Analysen und sind zeitsensitiv. Bei
gen mit z. B. 0 Kell, 1 Kpa, 3 Kidd und 32 (!) Duffy „Dis-
Spendern hingegen, sind die vielgefürchteten Null-Allele,
krepanzen“ beim Vergleich von Daten bezüglich 4.000
mit Ausnahme des ABO-Systems (!) ohne Bedeutung, da
Blutspendern, die mittels Routine-Serologie und MAL-
sie lediglich eine „Pseudo-Heterozygosität“ vorspiegeln
DI-TOF MS basierender Genotypisierung untersucht wur-
und somit bei Transfusion auf Heterozygote keine Immu-
den15. Dabei stellte sich heraus, dass „serologische Feh-
nisierung verursachen würden. Gegenwärtig werden in
ler“ meistens auf (sehr) schwach exprimierte Antigen-Va-
Zürich Spender mittels MALDI-TOF MS basierender Ge-
rianten (28 der insgesamt 32 beobachteten Diskrepanzen
notypisierung voruntersucht, und die, für die Versorgung
waren schwach exprimierte
Fybweak,
auch bekannt als
immunisierter Patienten interessanten Treffer, serologisch
FyX), Übertragungsfehler und auf echte Fehlbestimmun-
nachvalidiert. Bei diesem Vorgehen vereinigen sich die
gen zurückzuführen waren, während es sich bei den ge-
Vorteile beider Technologien, Serologie und Genetik, und
netischen Fehlbestimmungen bisher ausnahmslos um
liefern kostengünstig und in hoher Zahl, breit untersuchte
neue genetische Allel-Varianten oder Allele, die für die
Spender mit validen Blutgruppenbestimmungen.
Gendiagnostik nicht explizit berücksichtigt worden waren,
18
25 2015
AUSBLICK: WELCHE PROBLEME
­STEHEN DEM ERSATZ DER SEROLOGISCHEN TESTUNG DURCH EINE
­GENOTYPISIERUNG NOCH IM WEG?
Die nicht bekannten Varianten
Wird eines Tages die Serologie vollständig den Rückzug
funden werden. Weak D Typ 1.1 wurde nur in einer klei-
Selbst wenn man alle bekannten Varianten in ein Testsystem packen würde, käme es immer wieder zu Fehlvorhersagen: Manche Varianten sind so selten oder regional so
beschränkt, dass sie in den Validierungstudien nicht ge-
antreten und durch eine molekulare Testung verdrängt?
nen Region in Norddeutschland gefunden. In der Blut-
Bei einigen „raren“ Antigenen ist dieser Zustand schon
gruppenserologie kennen wir Phänotypen, die mit einer
erreicht. Für die Gesamtheit der Erythrozytenserologie
Frequenz von unter 1:100.000 auffallen. Das mag auf den
müssen jedoch noch einige Probleme gelöst werden:
ersten Blick vernachlässigbar erscheinen, aber was passiert, wenn wir bei einem Patienten molekular den Phäno-
Das Geschwindigkeitsproblem
typ „A“ bestimmen und in Wirklichkeit ist er „0“?
Die serologische Bestimmung der AB0-Blutgruppe im Direktansatz dauert wenige Minuten, eine Genotypisierung
Die nicht betrachteten Gene
mit konventionellen Methoden über eine Stunde. Gerade
Um beim A/0-Beispiel zu bleiben: Was hilft es uns, wenn
für die Abklärung von Notfällen ist die Genotypisierung
wir bei einem Patienten den Phänotyp „A“ vorhersagen,
häufig noch nicht schnell genug, zumal sie in vielen Fällen
und in Wirklichkeit handelt es sich um einen Patienten
eine Weitergabe der Probe an ein anderes Labor bedingt.
mit dem seltenen Bombay-Phänotyp? Dieser wird durch
Die nicht getesteten Varianten
AB0-Gen so intensiv untersuchen wie man will, das Er-
Aktuelle Genotypisierungsverfahren beruhen meist auf
gebnis ist immer falsch. Diese Abhängigkeiten sind weit
der Untersuchung einiger weniger „diagnostischer“ Poly-
verbreitet: Die Expression der Rhesusantigene hängt
morphismen. Alle anderen Veränderungen im Gen wer-
nicht nur von den Rhesusgenen, sondern auch vom
den schlichtweg nicht beachtet. Für einige Gene sind aber
RHAG (Rhesus-assoziiertes Glykoprotein) ab. Kell benö-
Veränderungen im H-Gen ausgelöst, und man kann das
hunderte Allelvarianten bekannt, von denen man viele nur
tigt das KX-Protein, der LU(a-b-)-Phänotyp ist nicht durch
findet, wenn man spezifisch auf sie untersucht. Beispiels-
Veränderungen im Lutheran-Protein, sondern durch Mu-
weise sind für RHD in der Rhesusbase über 50 D negati-
tationen in einem Regulationsprotein bedingt. Will man ei-
ve Allele gelistet, die man nur von „normalen“ D positiven
ne vollständige Vorhersage, muss man alle diese Gene
Allelen unterscheiden kann, wenn man auf die spezifische
mit betrachten.
Mutation in diesen Allelen (meist Stop-Codons, Spleißmutationen oder Verschiebungen des Leserahmens)
Der Preis?
untersucht. Hier liegt ein wesentliches Problem im Ver-
Manch einer wird sich wundern, dass der Preis noch nicht
gleich zur Serologie: Bei der Abarbeitung von Diskrepan-
als Argument gegen eine generelle Genotypisierung auf-
zen zwischen serologischer Untersuchung und molekula-
geführt wurde. Das liegt daran, dass der Preis pro vorher-
rer Vorhersage zeigt sich immer wieder, dass viele Fehler
gesagtes Antigen bei paralleler Untersuchung sehr niedrig
durch eine fehlerhafte Serologie bedingt sind. Die serolo-
sein kann. Nicht umsonst wird die molekulare Vorhersage
gischen Fehler treten aber typischerweise bei schwachen
der Spenderantigene mittels Hochdurchsatz-Genotypi-
Antigenen auf, und wenn ein schwaches Antigen überse-
sierung breitflächig eingesetzt und nicht die serologische
hen wird, hat es meist keine katastrophalen Folgen. Die
Typisierung der Spender für alle denkbaren hochfrequen-
molekularen Diskrepanzen betreffen dagegen durchaus
ten Antigene. Betrachtet man alle denkbaren Antigene, ist
voll ausgeprägte Antigene: Wird ein seltenes RHD-Allel
daher oft die Genotypisierung das kostengünstigere Ver-
beim Patienten nicht erkannt, so wird er als normal D po-
fahren. Das gilt allerdings nicht für die „einfachen“ Anti-
sitiv vorhergesagt, ist aber in Wirklichkeit D negativ. Da
gene wie AB0 oder „normales“ D: Hier sind die serologi-
in der Mehrzahl der Fälle die Diskrepanz dem Schema
schen Kosten minimal und der molekulare Aufwand zur
„Vorhersage Antigen positiv – Wirklichkeit Antigen nega-
sicheren Vorhersage enorm.
tiv“ folgt, ist diese Problematik besonders bei der Untersuchung von Patienten bedeutsam. Allerdings kann auch
der umgekehrte Fall auftreten, wenn beispielsweise eine
Next generation sequencing Licht am Ende des Tunnels?
Mutation, die keine Auswirkung auf die serologische An-
Ein prinzipieller Lösungsansatz zur Erkennung unerwar-
tigenausprägung hat, die Bindung des entsprechenden
teter Varianten und Einflussfaktoren liegt in der Sequenzi-
Primers behindert: Hier ergibt sich die Kombination „Vor-
erung großer Genomabschnitte oder am besten des ge-
hersage Antigen negativ – Wirklichkeit Antigen positiv“.
samten Genoms mit Hilfe von Hochdurchsatz-Verfahren
19
(Next-Generation-Sequencing, NGS). Sequenziert man
Technologie sind die Sequenzierungslängen noch zu ge-
alles, so kann man keine Mutation übersehen. Mit dem
ring, um bei biallelen Systemen die inaktivierende Mutati-
NGS stehen Verfahren zur Verfügung, die das prinzipiell
on dem richtigen Allel zuzuordnen. Zudem erfordert eine
bewältigen könnten. Bei optimaler Auslastung der Ana-
sichere Antigenvorhersage die Kenntnis aller Zusammen-
lysekapazität, d. h. möglichst viele Genabschnitte gleich-
hänge, und es könnte durchaus passieren, dass man ei-
zeitig bei vielen Individuen, ist eine umfangreiche Geno-
nes Tages alle Informationen besitzt, sie aber nicht rich-
typisierung kosteneffizent möglich. Im Vergleich zu her-
tig interpretieren kann. Die Methoden werden jedoch von
kömmlichen Sequenzierungsverfahren liegen die Kosten
Jahr zu Jahr besser, und man sollte nicht vergessen, dass
pro Kilobase DNA-Sequenz etwa um den Faktor 10.000
noch um das Jahr 2000 die Sequenzierung des gesam-
niedriger. Jedoch bleiben auch beim NGS noch Proble-
ten menschlichen Genoms eine Herausforderung war,
me: Für einen Routineeinsatz in der Patientendiagnostik
während man aktuell auf die Ergebnisse eines „1.000-Ge-
sind die Analysezeiten noch zu lang und die Kosten für die
nom-Projekts“ zurückgreifen kann.
Analysen von Einzelproben sind noch zu hoch. Je nach
Die Autoren
PD Dr. med. Franz Wagner
DRK-Blutspendedienst NSTOB gemeinnützige
GmbH, Institut Springe
Dr. med. Christof Weinstock
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg –
­Hessen gemeinnützige GmbH, Institut für Klinische
Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm (IKT)
Mitwirkung: Abschließende Zusammenstellung,
weak D Diagnostik, Testung D negativer Blutspender,
Ausblick
Mitwirkung: Molekulare Mechanismen
Dr. rer. nat Andrea Döscher
DRK-Blutspendedienst NSTOB gemeinnützige
GmbH, Institut Bremen-Oldenburg
PD Dr. med. Christoph Gassner
Regionale Blutspende Zürich, SRK, Abteilung für Molekulare Diagnostik und Forschung und Entwicklung
(MOC), Zürich-Schlieren, Schweiz
Mitwirkung: Pränatale Blutgruppenbestimmung aus
dem Blut der Mutter
Mitwirkung: Tauglichkeit der genetischen
Blutgruppen-Bestimmung für die Routine-Nutzung
Dr. med. Christof Jungbauer
ÖRK Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich
und Burgenland
Prof. Dr. med. Peter Bugert
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gemeinnützige GmbH, Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie Mannheim
Mitwirkung: Hochdurchsatz-Genotypisierung von
Blutspendern
Mitwirkung: Anwendungsbereiche
Dr. phil. nat. Sofia Lejon Crottet
Interregionale Blutspende SRK AG
Mitwirkung: Analyse von Problemfällen
Dr. med. Christof Geisen
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gemeinnützige GmbH, Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie Frankfurt am Main
Mitwirkung: Initiale Idee, Einleitung,
Anwendungsbereiche
Dr. med. Angelika Reil
DRK-Blutspendedienst West gemeinnützige GmbH,
Zentrum für Transfusionsmedizin Hagen, Labor für
Leukozyten- und Thrombozytenimmunologie
Die Literaturhinweise zu diesem Artikel finden Sie im Internet zum
Download unter: www.drk-haemotherapie.de
Mitwirkung: Thrombozyten- und
Granulozytendiagnostik
20
25 2015
Welche Zentren führen genetische Typisierungen von
­Blutgruppenantigenen (Patienten, Spender, NIPD) durch?
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gemeinnützige GmbH
Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie Frankfurt am Main
Sandhofstraße 1
60528 Frankfurt
Dr. med. Christof Geisen
Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie Mannheim
Friedrich-Ebert-Straße 107
68167 Mannheim
Prof. Peter Bugert
Institut für Klinische Transfusionsmedizin
und Immungenetik Ulm (IKT)
Helmholtzstraße 10
89081 Ulm
Dr. med. Christof Weinstock
Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes gemeinnützige GmbH
Institut München
Herzog-Heinrich-Str. 4
80336 München
Dr. med. Gabriele Fauchald
DRK-Blutspendedienst Nord-Ost gemeinnützige GmbH
Institut für Transfusionsmedizin Berlin
Am Großen Wannsee 80
14109 Berlin
Dr. med. Roland Karl
Institut für Transfusionsmedizin Lütjensee
Hamburger Straße 24
22952 Lütjensee
Dr. med. Sabine Kraas
Institut für Transfusionsmedizin Dresden
Blasewitzer Straße 68/70
01307 Dresden
Prof. Dr. med. Torsten Tonn
DRK-Blutspendedienst NSTOB gemeinnützige GmbH
Institut Dessau
Altener Damm 50
06847 Dessau
Dr. med. Hartmut Kroll
Institut Bremen-Oldenburg
Brandenburger Straße 21
26133 Oldenburg
Dr. rer. nat Andrea Döscher
Institut Springe
Eldagsener Straße 38
31830 Springe
PD Dr. med. Franz Wagner
DRK-Blutspendedienst West gemeinnützige GmbH
Zentrum für Transfusionsmedizin Hagen
Labor für Immunhämatologie
Feithstraße 182
58097 Hagen
Dr. med. Burkhard Just
Zentrum für Transfusionsmedizin Breitscheid
Abteilung für Immunhämatologie und HLADiagnostik
Linneper Weg 1
40885 Ratingen
Dr. med. Gabriele Bringmann
Zentrum für Transfusionsmedizin Bad
Kreuznach
Labor für Immunhämatologie und
­Thrombozytenimmunologie
Burgweg 5–7
55543 Bad Kreuznach
Dr. med. Andreas Opitz, PD Dr. Brigitte Flesch,
Anastasia Karnot
Medizinische Universität Wien
Institut für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin
Prof. Dieter Schwartz
Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Salzburg
Institut für Transfusionsmedizin
Dr. med. Christoph Grabmer
Österreichisches Rotes Kreuz
Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich
und Burgenland
Dr. med. Christof Jungbauer
Universität Innsbruck
Institut für Transfusionsmedizin und Immunologische Abteilung
Prof. Harald Schennach
Österreichisches Rotes Kreuz
Blutzentrale Linz
Prim. Dr. Christian Gabriel
Labor für Leukozyten- und
­Thrombozytenimmunologie
Feithstraße 182
58097 Hagen
Dr. med. Angelika Reil
Österreich
Schweiz
Blutspende Zürich
PD Dr. med. Christoph Gassner
Interregionale Blutspende SRK AG
Dr. med. Christoph Niederhauser
21
Dr. med. Robert Deitenbeck, Dr. med. Uwe Sievert, Dr. med. Christian Halfwassen
Autologe Serumaugentropfen
Eine ungewöhnliche Form der Hämotherapie
Zusammenfassung
Summary
Neben industriell hergestellten künstlichen Tränenersatzmitteln werden seit
Apart from industrially produced artificial tears, patients with severe corneal
etwa Anfang der 90er Jahre des zurückliegenden Jahrhunderts Patienten mit
defects or chronic dry eye syndrome have been treated with great success
schweren Hornhautdefekten oder chronisch trockenem Auge mit großem Er-
with autologous serum eye-drops (ASE) since the early 1990s. The thera-
folg mit autologen Serum-Augentropfen behandelt (ASA). Der Therapieeffekt
peutic effect is based on epitheliotrophic substances present in the serum
ist auf die im Serum vorhandenen epitheliotrophen Substanzen wie epithe-
such as epithelial growth factor (EGF), platelet-derived growth factor (PDGF),
lial growth factor (EGF), platelet-derived growth factor (PDGF), Fibronektin
Fibronektin and others. For some years now, ASE can be produced in a closed
und andere zurückzuführen. Seit einigen Jahren können ASA GMP-gerecht
system according to GMP-guidelines under adherence to drug law and phar-
unter Wahrung arzneimittelrechtlicher und pharmazeutischer Standards im
maceutical standards.
geschlossenen System hergestellt werden.
Since the non-inferiority of ASE compared with industrially produced artificial
Da die Nichtunterlegenheit von ASA gegenüber industriell hergestellten
­Tränenersatzmitteln bisher nicht eindeutig belegt ist, sind die Kostenträger
tears could not be proved yet, health insurance providers are reluctant to bear
nur schwer zu einer Kostenübernahme zu bewegen. Zudem gibt es bisher kein
regard to dilution, storage length and storage temperature. Furthermore the
standardisiertes Herstellungsverfahren mit Blick auf Verdünnung, Lagerdauer
lack of measurable therapeutic effects such as abating pain and reduced
und -temperatur. Dies sowie der schwierige Nachweis objektivierbarer Thera-
foreign body sensation significantly restricts the use of these preparations
pieerfolge wie Rückgang von Schmerzen und Fremdkörpergefühl schränkt die
though they are well-tolerated and a subjective and perceptible improvement
Verfügbarkeit dieser Präparate weiterhin deutlich ein, obwohl sie gut verträg-
of the symptomology can be expected.
the cost. Nevertheless, there is still no standardized production protocol with
lich sind und subjektiv spürbare Besserung der Symptomatik erwarten lassen.
EINLEITUNG
in der Therapie ist die Substitution des fehlenden Tränenfilms mit künstlichen Tränenersatzmitteln. Empfohlen sind
Die Tränenflüssigkeit schützt das gesunde Auge vor me-
hier insbesondere konservierungsmittelfreie Tränener-
chanischen, mikrobiologischen und sonstigen schäd-
satzmittel. Als Wirkstoffe stehen hier unter anderem Hy-
lichen Einflüssen und hat zudem eine nutritive Funktion
aluronsäure, Povidon, Carmellose, Carbomer und Hypro-
für die Hornhaut. Eine gleichmäßige Benetzung der Horn-
mellose zur Verfügung. Eine starke Beschwerdesympto-
hautoberfläche ist eine Voraussetzung für eine gute op-
matik erfordert häufig eine stündliche oder halbstündliche
tische Qualität der Hornhaut und damit für das scharfe
Gabe von Tränenersatzmitteln. Als Unterstützung zu die-
Sehen. Bei Patienten mit stark vermindertem Tränenfluss
ser Tropftherapie kann bei stark trockenen Augen auch
oder durch mechanische Ursachen bedingte Defekte der
ein Verschluss der ableitenden Tränenwege z. B. mittels
Hornhaut kann es zu schweren chronischen Veränderun-
kleiner Silikon-Okkluder (Punctum-Plugs) die Therapie
gen des Hornhaut- und Bindehautepithels kommen, die
unterstützen.
im schlimmsten Fall in die Erblindung münden. Bei Patienten mit chronisch trockenen Augen (Sicca-Syndrom)
In extremen Fällen gehen die bei diesen Erkrankungen
treten ohne Therapie häufig Beschwerden wie Druck-
eintretenden Epitheldefekte nicht nur mit kaum erträgli-
gefühl, starker Tränenfluss (reflektorisch), Brennen und
chen Schmerzen einher, sondern bergen zudem ein ho-
Fremdkörpergefühl auf. Bei sehr starker Ausprägung kön-
hes Risiko für chronische Ulcerationen der Hornhaut,
nen starke Schmerzzustände und Oberflächenverletzun-
Hornhaut-Narben und damit eine dauerhafte Sehschärfe-
gen der Hornhaut auftreten. Weltweit leiden zwischen 5 %
Reduktion des betroffenen Auges.
und 34 % der Menschen am trockenen Auge, wobei die
Prävalenz mit dem Alter signifikant ansteigt1.
Seit etwa Ende des 20. Jahrhunderts werden für die Behandlung von Patienten mit schweren Hornhautdefek-
22
Eine Übersicht zur Stufendiagnostik und Therapie findet
ten oder chronisch trockenem Auge weltweit mit gro-
sich in einer unlängst publizierten Übersicht1. Erste Wahl
ßem Erfolg autologe Serumaugentropfen (ASA) einge-
25 2015
Bei folgenden Erkrankungen des vorderen
Augenabschnittes können ASA indiziert
sein:
• Keratokonjunctivitis sicca (Syndrom
des trockenen Auges)
• Superiore limbale Keratokonjunctivitis
• Persistierende Epitheldefekte
Abbildung 1
Hornhautulkus bei schwerer neurotropher Keratopathie.
Abbildung mit freundlicher Überlassung von Dr. med. Vinodh ­Kakkassery,
• Hornhautulkus bei chronischer Polyarthritis
und ­anderen Grunderkrankungen
• Sjögren-Syndrom
Universitäts-Augenklinik am Knappschaftskrankenhaus Bochum.
• Neurotrophe Keratopathie (Abbildung 1)
(Direktor: Professor Dr. med. Burkhard Dick)
• Graft vs. Host Disease u. v. m.
setzt. Die Wirkung beruht auf dem epitheliotrophen Effekt
HERSTELLUNG
verschiedener, im Serum vorkommender Substanzen
wie z. B. epithelial growth factor (EGF), platelet derived
Die Herstellung der ASA ist denkbar einfach. Nach Klä-
growth factor (PDGF), Fibronektin, Vitamin A u. a. In Zell-
rung aller formalen (z. B. Kostenübernahmeerklärung
kulturexperimenten unterstützt das Serum die Prolifera-
durch den Kostenträger) und medizinischen (Indikation?
tion, Migration und den intrazellulären Stoffwechsel hu-
Patient geeignet für das Spendeverfahren?) Vorausset-
maner Hornhautepithelzellen besser als konservierte
zungen vereinbart der Patient mit dem zuständigen trans-
oder unkonservierte Fertigarzneimittel2. Eigenserum för-
fusionsmedizinischen Zentrum einen Termin für die Eigen-
dert zudem auch die Differenzierung von Hornhaut- und
blutspende. Nach entsprechender Aufklärung und Vor-
Bindehautepithelzellen3.
bereitung spendet der Patient ggf. in Abhängigkeit von
seinem Hämatokrit bis zu 500 ml Vollblut. Während der
Wurden in früheren Jahren durch die Ophtalmologen auf-
Spende wird er selbstverständlich ärztlich überwacht.
wändige Präparationen unter Reinraumbedingungen her-
Anders als bei der herkömmlichen homologen oder auto-
gestellt, steht in jüngster Zeit ein geschlossenes System
logen Blutspende wird bei diesem Verfahren Vollblut ohne
zur Verfügung, welches Durchführung der Spende und
Antikoagulans entnommen. Ca. 30 – 60 Minuten nach der
anschließende Portionierung in Ophtiolen mittels steri-
Eigenblutspende kann der Patient – sofern es sein allge-
ler Konnexion im geschlossenen System und damit die
meiner Gesundheitszustand zulässt – sich auf den Weg
Herstellung eines nicht konservierten, temperatursensi-
nach Hause machen.
blen, biologischen Blutprodukts unter Wahrung arzneimittelrechtlicher und pharmazeutischer Standards er-
Parallel zur Herstellung erfolgt die Testung der Proben aus
laubt. Dieses geschlossene Ophtiolensystem (TF12 oder
der Vollblutspende wie bei jeder homologen Spende auf
TF36) wurde in jüngster Zeit von der Fa. Meise Medizin-
Abwesenheit von Krankheitserregern (Hepatitis B, Hepa-
technik GmbH in Schalksmühle in enger Zusammenar-
titis C, HIV 1/2, Lues), zusätzlich erfolgt aus einem Aliquot
beit mit dem Zentrum für Transfusionsmedizin und Hä-
einer jeden Spende eine Sterilkontrolle. Eine Freigabe zur
motherapie des Universitätsklinikums Gießen entwickelt.
Anwendung kann nur bei infektionsserologisch unauffäl-
Selbstverständlich entspricht die Herstellung sämtlichen
ligen Spenden erfolgen, nicht zuletzt, da diese Präpara-
pharmazeutischen Standards nach den internationalen
te im Regelfall im Rahmen der häuslichen Selbstanwen-
GMP-Vorgaben (GMP = „good manufacturing practice“)
dung eingesetzt werden und Familienmitglieder oder an-
und unterliegt nicht nur standardisierten Inprozesskon-
dere Haushaltsangehörige ebenfalls sicher vor durch Blut
trollen, sondern auch der regelmäßigen Überwachung
übertragbaren Infektionskrankheiten geschützt werden
durch die zuständigen Aufsichtsbehörden. Als autologes
müssen (z. B. im Falle akzidentieller Fehlanwendung).
Blutprodukt sind die ASA von der Zulassungspflicht ausgenommen, jedoch ist für die Entnahme und Präparati-
Nach vollständiger Gerinnung des Vollblutes wird dieses
on eine Herstellungserlaubnis nach § 13 Arzneimittelge-
zentrifugiert und der Überstand nach erneuter Zentrifuga-
setz4,5 erforderlich.
tion in einen speziellen Beutel des geschlossenen Entnah-
23
Leider gibt es bisher kein standardisiertes Herstellungsverfahren mit Blick auf Verdünnungsgrad, Lagerdauer
und -temperatur und andere Kenngrößen von autologen
Serumaugentropfen, weshalb die in der Literatur berichteten Herstellungsmethoden ebenso differieren wie Daten
zur Anwendungsbeobachtung. So wird z. B. in Deutschland überwiegend ein unverdünntes Produkt eingesetzt,
wenngleich es Hinweise darauf gibt, dass eine Verdünnung auf 20 % insbesondere das antiproliferativ wirksame TFG-β derart verdünnt, dass die Konzentration dieses, aber auch der übrigen wirksamen Zytokine an die
Abbildung 2
physiologische Konzentration der Tränenflüssigkeit an-
Aliquotierung in Ophtiolen
passt7. Eine Verdünnung mit NaCl 0,9 % oder BSS auf
12,5–25 % Serumanteil ermöglicht nachweislich eine ad-
mesystems überführt. An diesen Beutel wird dann mittels
äquate Zellproliferation3.
steriler Konnexion ein geschlossenes 12er oder 36er-Ophtiolensystem angeschweißt. Anschließend wird das Serum dem hydrostatischen Druck folgend nach dem Prin-
VERTRIEB
zip der kommunizierenden Röhren aus dem Beutel in die
Ophtiolen aliquotiert. Eine Ophtiole enthält ca. ­1,5–2,0 ml
Leider stellt der Vertrieb dieser Produkte aufgrund der
Eigenserum. Insgesamt können maximal bis zu 144 Oph-
Regelungen des deutschen Arzneimittelrechtes eine be-
tiolen aus einer Vollblutspende hergestellt werden, wo-
sondere Herausforderung dar. Nach § 47 Arzneimittelge-
bei ein gewisses Volumen für die Sterilkontrollen und die
Qualitätskontrollen benötigt wird. Die ­Ophtiolen werden
vor Auslieferung in geeignete ­Umverpackungen konfek-
ambulanten Behandlung nur an (öffentliche) Apotheken
tioniert. Eine Ophtiole entspricht hierbei einer Tagesdo-
Herstellungserlaubnis des Pharmazeutischen Unterneh-
setz dürfen die konfektionierten Ophtiolen im Rahmen der
abgegeben werden4. Diese geben die Präparate je nach
sis. Jede einzelne Ophtiole wird ebenso wie die jeweilige
mers in tiefgefrorenem oder aufgetautem Zustand direkt
Umverpackung EDV-gestützt etikettiert. Da ein gewisses
an den Patienten weiter, der die Präparate zu Hause in ei-
Volumen für die notwendigen Sterilitäts- und Qualitäts-
nem handelsüblichen Kühlschrank oder Tiefkühlfach auf-
kontrollen benötigt wird, liegt die Reichweite einer derarti-
bewahrt und tagesbezogen anbricht und verbraucht.
gen Präparation mit unverdünnten ASA bei maximal etwa
3 Monaten. Dann muss der Patient zur nächsten Entnah-
Die einzuhaltenden Anwendungsempfehlungen erhält
me vorstellig werden.
der Patient zuvor vom verschreibenden Ophtalmologen.
Die komplexe Schnittstellenproblematik beschreibt das
Die Lagerung der Gesamtcharge erfolgt bis zur Abgabe
Schema in Abbildung 4.
an die Apotheke des Patienten bei -20 °C und kälter für bis
zu 180 Tage. Die Lagerung der aufgetauten Präparate ist
Leider ist die direkte Abgabe der Präparate an den Pa-
abhängig von den vom jeweiligen Hersteller eingereichten
tienten durch den Hersteller vom Arzneimittelgesetz un-
Haltbarkeitsdaten bei der lokalen Überwachungsbehörde.
tersagt. Hier sollte im Interesse der Patienten und zur
Vereinfachung der Logistik möglichst eine Ausnahmeregelung mit den zuständigen Behörden oder gar eine Änderung oder Ergänzung der entsprechenden Regelungen
des Arzneimittelgesetzes erwirkt werden, welche eine Direktabgabe an den Patienten in Analogie zur Praxis bei
Gerinnungspräparaten ermöglicht6.
ANWENDUNG UND THERAPIEERFOLG
In einem jüngst publizierten Cochrane-Review wur-
24
Abbildung 3
de die Effektivität und Sicherheit autologer Serumau-
Versandfertige konfektionierte Opthiolen
gentropfen bewertet7. Hier standen lediglich vier klei-
25 2015
Kostenträger
Re
ze
pt
7
ert
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ng
, In
dik
ati
on
ss
tel
lun
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or
inf
10
Augenklinik
beantragt Kostenübernahme
1
Au
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ah
ern
üb
ten
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K
er
üb
stellt Apothekenleistung
und Produktkosten in
Rechnung
2
4
informiert über
Spende und
Auslieferung
Patient
6
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orm
inf
9
5
Apotheke
8
übersendet
„Auftrag für die
Entnahme von
Eigenblut“
3
5
Blutspendedienst
liefert Endprodukt, stellt Rechnung
lagert Bestände
Abbildung 4
Schnittstellen zwischen Patient, Augenklinik, Krankenkasse, Apotheke und Blutspendedienst
nere, ­unizentrische randomisierte kontrollierte Studien
zur Auswertung zur
Verfügung8,9,10,11.
Im Ergebnis ka-
men die Autoren zu der Schlussfolgerung, dass die Be-
In Ermangelung großer randomisierter und kontrollierter klinischen Studien, welche die
handlung mit 20 %igen autologen Serumaugentropfen
Nichtunterlegenheit dieser Prä-
zwar bei kurzfristiger Anwendung subjektive Linderung
parationsform gegenüber an-
bringt, insbesondere eine objektivierbare Verbesserung
deren, kommerziell erhältlichen
der Hornhautoberfläche der behandelten Patienten hin-
Tränenersatztherapeutika bele-
gegen nicht nachweisbar war. Die in diesen Studien nicht
gen, ist es nur äußerst schwer
nachweisbare Wirksamkeit liegt jedoch im Wesentlichen
und nur im Einzelfall unter ge-
an den schwer messbaren Therapieerfolgen einer The-
nauester Schilderung der Prog-
rapie mit Tränenersatzmitteln. Insbesondere Schmerzen
nose des Einzelfalles möglich,
und Fremdkörpergefühl sind nicht objektiv messbar. In
die Kostenträger der betroffe-
den Studien verwendete objektive Parameter würden ei-
nen Patienten zu einer Kosten-
ne Heilung der Erkrankung erfordern. Seltenere Kompli-
übernahme für diese recht teu-
kationen erfordern sehr hohe Fallzahlen und lange Nach-
re Therapie zu bewegen.
beobachtungszeiträume. Für unverdünnte Augentropfen
liegen vergleichbare Erkenntnisse nicht vor, sondern allenfalls in Form von
Kasuistiken6
oder kleineren Untersu-
Abbildung 5
Jenseits dessen stellt die Anwendung
autologer
Gebrauchsfertige Ophtiole
Serum-
chungen auf Basis von Umfragen. In einer jüngst publi-
augentropfen bei vielen Patienten mitunter die letzte
zierten Befragung von 26 behandelten Patienten wurde in
mögliche Therapieform dar13. In zahlreichen ophtalmo-
53,8 %–91,7 % der Befragten ein signifikanter Rückgang
logischen Zentren in Deutschland werden diese Präpa-
des Fremdkörpergefühls oder brennender Schmerzen
rate mittlerweile empfohlen. In Deutschland haben zwi-
angegeben12. Den individuellen Zugewinn an Lebensqua-
schenzeitlich unter anderem die DRK-Blutspendezentren
lität belegt eindrucksvoll die abgedruckte Schilderung ei-
in Chemnitz, Frankfurt/Main und Hagen sowie verschie-
ner mit autologen Serumaugentropfen behandelten Pati-
dene universitäre transfusionsmedizinische Einrichtungen
entin, leider jedoch ebenso eindrucksvoll ihren bisher ver-
eine behördliche Herstellungserlaubnis zur Produktion
geblichen Kampf um Kostenerstattung für diese Therapie.
von ASA aus autologen Vollblutspenden.
25
AUSBLICK
Die Autoren
Dr. med. Robert Deitenbeck
DRK-Blutspendedienst West gGmbH
Zentrum für Transfusionsmedizin Hagen
Feithstraße 182
58097 Hagen
Es erscheint dringend geboten, die Herstellungsmethodik zu standardisieren. Völlig ungeklärt ist beispielsweise
die Frage, ob das Präparat im Rahmen der Präparation filtriert werden sollte. Auch ist wissenschaftlich bisher nicht
hinreichend belegt, ob unverdünnte den verdünnten autologen Serumaugentropfen unterlegen sind. Die Frage des
idealen Verdünnungsgrades ist ebenfalls noch ungeklärt.
Dr. med. Uwe Sievert
DRK-Blutspendedienst Nord-Ost gGmbH
Institut für Transfusionsmedizin Chemnitz
Zeisigwaldstr. 103
09130 Chemnitz
Mit Blick auf Verfügbarkeit des Ausgangsmaterials müsste prospektiv geprüft werden, ob nicht auch Plasma statt
Serum verwendet werden könnte, ggf. nach Rekalzifizierung14. Damit böte sich die Plasmapherese als Spendemöglichkeit an, womit Reichweite und damit Kosten der
Dr. med. Christian Halfwassen
Universitätsklinikum Essen (AöR)
Klinik für Erkrankungen des vorderen
­Augenabschnittes
Hufelandstraße 55
45147 Essen
Präparate erheblich gesenkt werden könnten. In jüngster
Zeit wird auch über den Einsatz von autologem plättchenreichen Plasma berichtet15,16. Schließlich wäre – unter der
Annahme einer Arzneimittelzulassung, die allerdings eine
randomisierte und kontrollierte klinische Studie voraussetzt – auch die Verwendung von homologem AB-Serum
denkbar, womit die Verfügbarkeit des Präparates nahezu
Die Literaturhinweise zu diesem Artikel finden Sie im Internet zum
Download unter: www.drk-haemotherapie.de
unbegrenzt wäre.
Bis zu einer breiten Anwendung dieses sehr vielversprechenden Präparates ist also noch ein langer Weg zu
beschreiten.
Sehr geehrter Herr Dr. med. Sievert,
im Folgenden schildere ich Ihnen meine Erfahrungen mit den Serum-Augentropfen:
Im Sommer 2004 bekam ich erste Probleme mit meinen Augen, Tränenfluss, müde schwere Augen, Schlieren, Brennen und Schmerzen. Im Laufe eines Jahres wurden ergebnislos einige pharmazeutische Augentropfen ausgetestet. Der Zustand meiner Augen verschlechterte sich mehr und
mehr, hinzu kam eine Blepharitis. Mein behandelnder Augenarzt resignierte und gab mir eine Überweisung zur Augenklinik der Charité. Dort stellte
man eine schwere Keratokonjunktivitis sicca fest, Schirmertest 0 %, sowie schwere Blepharitis. Anschließend wurde auch hier ohne Erfolg mit weiteren konventionellen Augentropfen therapiert, bis schließlich als letzter Ausweg das Eigenblutserum angeboten wurde. Bis dahin waren die Symptome immer unerträglicher geworden, ich bekam eine Depression, die behandelt werden musste. Diese quälenden Schmerzen möchte ich nie wieder
erleben. Seit Oktober 2005 werde ich nun mit autologen Serum-Augentropfen behandelt, die Besserung folgte allmählich und seit Jahren ist der Zustand stabil und erträglich – das bedeutet für mich Lebensqualität.
Inzwischen erfolgt die Herstellung der Serum-Augentropfen in einem logistisch komplizierten und teuren Herstellungsprozess im Institut für Transfusionsmedizin Chemnitz. Die Kosten für diesen Weg sind enorm hoch und für die Patienten nicht tragbar. Seit drei Jahren kämpfe ich bei der Krankenkasse um Kostenübernahme, die Krankenkasse weigert sich. Ich habe mehrere Widersprüche eingereicht, alle wurden abgelehnt, immer mit dem
Hinweis, ich solle doch Mittel der pharmazeutischen Industrie nehmen. Meine Verzweiflung ist groß und ich finde es empörend, dass die Krankenkassen bei nachweisbar sehr guten Behandlungserfolgen eine Kostenübernahme ablehnen. Ich weiß von sehr vielen Patienten, dass sie auf diese
Behandlung angewiesen sind, lebenslang, auch weil damit Komplikationen/chirurgische Eingriffe vermieden werden können.
Mit sehr herzlichen Grüßen
Barbara Immanns
26
25 2015
Dr. Katja Bettina Ferenz
Künstliche Sauerstoffträger
Wie lange müssen wir noch warten?
Zusammenfassung
Summary
Momentan ist kein künstlicher Sauerstoffträger in Westeuropa zugelassen.
In Western Europe no artificial oxygen carrier has been approved yet. Howev-
Die prinzipielle Funktionalität verschiedener Präparate ist allerdings unbestrit-
er, the general concept of artificial oxygen carriers is beyond dispute. In other
ten; in Ländern wie z. B. Russland oder Mexiko stehen den Ärzten bereits
countries such as Russia or Mexico, such substances are available for clinical
zugelassene Präparate zur Verfügung. Aufgrund der vielversprechenden prä-
use. The existence of promising preclinical and clinical pipelines yields hope
klinischen sowie klinischen Pipeline besteht die Hoffnung, dass in absehbarer
that artificial oxygen carriers will provide an additional treatment in the near
Zeit auch im westeuropäischen Raum künstliche Sauerstoffträger eine neue
future in Western Europe, too.
Behandlungsoption darstellen werden.
ZIELSETZUNG
dukte normalerweise erst in der Klinik transfundiert, obwohl es bereits Hinweise gibt, dass einige Patientengrup-
Dieser Review gibt einen Überblick über die Notwendig-
pen von einer möglichst frühen Transfusion noch auf dem
keit sowie den aktuellen Entwicklungsstand künstlicher
Weg vom Unfallort in die Klinik profitieren7. Aus all diesen
Sauerstoffträger. Die bisher wichtigsten Entwicklungen
Gründen hat inzwischen in vielen Kliniken ein generelles
auf diesem Gebiet mit besonderem Fokus auf klinisch be-
Umdenken im Umgang mit Blutprodukten stattgefunden
reits getesteten Präparaten, die sich aktuell in klinischen
und Blutsparmaßnahmen, wie die Anwendung restriktive-
Studien befinden, werden im Folgenden erläutert. Die
rer Transfusionstrigger3 oder etwas umfassender „patient
Herstellung von Erythrozyten aus Stammzellen wird in ei-
blood management“, finden Einzug in viele Häuser1; aller-
nem separaten Artikel dieser Ausgabe der hämotherapie
dings ist ihr Potenzial in Europa noch längst nicht ausge-
näher beleuchtet.
schöpft8. Trotz solcher Maßnahmen wird der Bedarf an
Blutprodukten aufgrund des demografischen Wandels in
unserer Bevölkerung innerhalb der nächsten 5–10 Jahre
EINLEITUNG
wieder zunehmen5,9,10.
Blutprodukte sind aus der modernen Medizin nicht mehr
Nach wie vor machen allogene EKs dabei den größten
wegzudenken. Allerdings sind sie nicht unbegrenzt ver-
Anteil aus; allein 2013 wurden in Deutschland über 4 Milli-
fügbar und geraten immer wieder wegen möglicher Infek-
onen EKs transfundiert11. Sicherlich auch deswegen, weil
tionsrisiken und Immunmodulationen in die Diskussion1-3.
eine funktionierende Sauerstoffversorgung des Gewe-
Keimreduktionsmaßnahmen sind zwar in Europa weit ver-
bes bzw. ein Abtransport von Kohlenstoffdioxid (CO2 ) aus
breitet und etablieren sich immer mehr auch in den USA,
dem Gewebe nicht nur bei Patienten mit Anämie oder im
in Entwicklungsländern fehlt für solche Maßnahmen aber
hämorrhagischen Schock3,12,13, sondern auch in vielen
nicht nur das Geld sondern auch die Infrastruktur4. Zu-
weiteren Situationen, wie z. B. Sichelzellkrisen, während
dem bergen auch bisher unbekannte Infektionskrankhei-
Operationen mit hohem Blutverlust oder wenn Blut nicht
ten selbst in entwickelten Ländern nach wie vor ein Rest-
in großen Mengen verfügbar ist (z. B. Katastrophensze-
risiko. Außerdem verändern sich Blutprodukte wie z. B.
narien, Kriegseinsätze) eine entscheidende Rolle spielt14.
Erythrozytenkonzentrate (EKs) während ihrer Lagerung,
wobei die Auswirkungen auf den Patienten nach wie vor
In all diesen Situationen wären künstliche Sauerstoffträ-
umstritten sind und die optimalen Lagerbedingungen so-
ger in plasmaähnlichen Trägerlösungen eine sehr interes-
wie die maximal zulässige Lagerdauer immer wieder an
sante Alternative. Die Ansprüche an das perfekte Bluter-
neue Erkenntnisse angepasst werden5,6. Aufgrund dieser
satzmittel sind jedoch hoch14:
Lagerungsproblematik (Dauer, Temperatur) sowie dem
zeitaufwändigen „matching“ werden klassische Blutpro-
27
• Funktionalität: Gewährleistung einer zu Vollblut äquiva-
HBOCs
lenten Versorgung mit O2 sowie des Abtransports von
CO2
• Herstellung vollsynthetisch und in großen Mengen
(kein Infektionsrisiko, Unabhängigkeit von der Spendenbereitschaft
der
Bevölkerung,
Anwendung
Blutgruppen-unabhängig)
Kühlketten
in
Entwicklungsländern
Hämoglobin ist nicht uninteressant, insbesondere wegen
seiner guten Verfügbarkeit. Allerdings befindet sich hu-
Katastrophen- und Kriegsgebieten, Produktion im Vo-
manes bzw. bovines Hämoglobin nicht grundlos inner-
raus möglich, Infusion ohne Auftauen oder Aufwärmen)
halb von Erythrozyten:
wenig Nebenwirkungen (keine Immunreaktionen, keine
Vasokonstriktion, keine chronische Toxizität)
• Ohne die schützende Hülle des Erythrozyten zerfällt
Hämoglobin in αβ-Dimere, die in hohen Konzentrationen
die Nierentubuli verstopfen und zu Nierenversagen
Bisher wurden in der Entwicklung künstlicher Sauerstoffträger im Wesentlichen zwei grundsätzlich verschiedene
Ansätze verfolgt: Zum einen die Entwicklung von Sauerstoffträgern auf Hämoglobin-Basis („hemoglobin-based
oxygen carriers“, HBOCs), zum anderen die Entwicklung
von Sauerstoffträgern auf Perfluorcarbonbasis („perfluorocarbon-based oxygen carriers“, PFCOCs). Beide Substanzklassen ermöglichen den Gastransport auf völlig unterschiedliche Weise. Während HBOCs genau wie natürliches Hämoglobin Sauerstoff (O2 ) koordinativ binden, löst
sich dieser in PFCOCs physikalisch und linear, abhängig
vom jeweiligen Gaspartialdruck (siehe Abbildung 1).
O2-Gehalt (ml/dl)
nes Hämoglobin synthetisch nachzubilden; dieser Ansatz
und
• lange Zirkulation im Gefäßsystem (lange Wirkdauer) bei
führen15.
• Hämoglobinmoleküle
haben
ohne
die
zusätzli-
che Diffusionsbarriere eine zu hohe Affinität zu
Stickstoffmonoxid (NO) und erreichen aufgrund ihrer
geringen Größe die Zwischenräume der Endothelzellen.
Dort fangen sie entstehendes NO ab16. Dies kann
zu Vasokonstriktion (Folge: systemische und pulmonale Hypertension) sowie zu verstärkter Gerinnung
(Folge: Myokardinfarkt) führen, da NO seine Funktion
als Thrombozytenaggregationshemmer/-Inhibitor nicht
mehr wahrnehmen kann17,18.
• Hämoglobin ist als Sauerstofftransporter (nicht als
Sauerstoffspeicher)
25
konzipiert;
seine
Affinität
zu
Sauerstoff lässt sich durch Interaktion mit Molekülen wie
z. B. 2,3-Bisphosphoglycerat (2,3-BPG) regulieren und
20
somit genau auf die unterschiedlichen Anforderungen
in der Lunge bzw. der Peripherie abstimmen. Außerhalb
15
eines Erythrozyten sind die Konzentrationen von 2,3BPG zu niedrig, um die Sauerstoffaffinität zu senken19.
10
Frei im Blut vorliegendes Hämoglobin wirkt daher eher
als Sauerstoffspeicher.
5
Fazit: Soll aus Erythrozyten isoliertes Hämoglobin als
0
100
200
300
400
500
pO2 (mmHg)
Blut berechnet
Perftoran
Oxygent
Plasma berechnet
Abbildung 1
Darstellung des Sauerstoffgehalts in Abhängigkeit des Sauerstoffpar-
künstlicher Sauerstoffträger verwendet werden, muss
dieses entweder mit einer künstlichen Membran umgeben werden oder es müssen chemische Veränderungen
am Hämoglobinmolekül vorgenommen werden.
Strategien, aus Vollblut isoliertes
Hämoglobin doch nutzen zu können20,21
tialdrucks. Während Blut die typische sigmoidale Bindungskurve aufweist,
Um die Dissoziation des Hämoglobintetramers zu un-
löst sich Sauerstoff in Plasma und PFCOCs (Perftoran und Oxygent)
terbinden, eignet sich intramolekulares crosslinking
proportional zum Gaspartialdruck. Während Blut schon bei Luftatmung
(100 mmHg) nahezu vollständig mit Sauerstoff gesättigt ist, ist bei PFCOCs
eine Sauerstoffbeatmung (500 mmHg) notwendig, um einen relevanten
Sauerstoffgehalt zu erreichen. Daten modifiziert nach59.
28
Bei der Entwicklung künstlicher Sauerstoffträger liegt
es nahe, Hämoglobin aus Blut zu isolieren bzw. humawird schon seit den 60er Jahren verfolgt13. Auch bovines
• lange Lagerungszeiten ohne Kühlung (Unabhängigkeit
von
Zu Grunde liegende Idee und zu
Grunde liegende Probleme
mit Reagenzien wie z. B. Acetaldehyd, Formaldehyd,
­Pyridoxalphosphat oder Diaspirin. Das Abfangen von NO
lässt sich durch Synthese größerer Moleküle, die nicht
mehr in die Endothelzellzwischenräume wandern können,
25 2015
verhindern. Dies wird durch intermolekulares crosslinking,
den zusätzlichen Vorteil, weitere Stoffe wie z. B. Enzyme
also eine Polymerisation von Hämoglobinmolekülen, z. B.
(Catalase, Superoxiddismutase), Antioxidantien (Gluthati-
mit Glutaraldehyd oder o-Raffinose, erreicht; eine Pegy-
on, Ascorbinsäure) oder 2,3-BPG mit einzukapseln15,22.
lierung (Konjugation mit Polyethylenglykol) hat den gleimisch einstellen; z. B. durch crosslinking mit Pyridoxal-
Strategien, andere Quellen als Vollblut
für Hämoglobin zu erschließen
chen Effekt. Auch die Sauerstoffaffinität lässt sich chephosphat, Diaspirin oder Inositolhexaphosphat, welche
Seit den 80er Jahren existieren Bestrebungen, humanes
die Wirkung von 2,3-BPG nachahmen. Alle angesproche-
Hämoglobin rekombinant in E.coli herzustellen (rHb2.0,
nen Methoden werden bei Centis und Vermette oder auch
Optro23). Inzwischen ist sehr genau bekannt, welche
Scurtu et al. detailliert beschrieben15,19. Allerdings ist die
Funktionen die einzelnen Untereinheiten/Bausteine von
Sauerstoffaffinität bei freiem Hämoglobin durch kovalente
Hämoglobin haben und wo welche Moleküle mit welcher
Bindung der beschriebenen Moleküle unveränderbar und
Funktion binden. Durch rationale Mutagenese wurde ver-
kann sich nicht, wie es physiologisch der Fall wäre, durch
sucht, an diesen Stellschrauben zu drehen, um Proble-
An- und Abdissoziation von 2,3 BPG an die jeweilige Si-
men wie z. B. dem Zerfall in Dimere, dem Abfangen von
tuation (Lunge/Peripherie) anpassen. Die Festlegung der
NO oder dem Sauerstofftransportverhalten zu begegnen.
Sauerstoffaffinität ist daher immer eine Gratwanderung:
Letztendlich war jedoch bis heute keines der rekombinan-
zu hohe Affinität nimmt Hämoglobin die Funktion als Sau-
ten Hämoglobine erfolgreich: Sobald eine Eigenschaft ge-
erstofftransporter; zu niedrige Affinität könnte eine lokale
netisch optimiert worden war, verschlechterte sich eine
Überversorgung mit O2 induzieren, weil das Hämoglobin
andere durch eben diese Mutation23.
seinen O2 zu schnell ins Gewebe abgibt. Das ist für das
lokal betroffene Gewebe ungünstig (Bildung von Sauer-
Als Alternative zu Wirbeltierhämoglobin wird seit einiger
stoffradikalen, oxidativer Stress) und fördert eine Hyper-
Zeit Ringelwurmhämoglobin aus dem Wattwurm (Areni-
oxie-induzierte Vasokonstriktion, die bereits bestehen-
cola marina, HEMOXYcarrier24) oder dem Regenwurm
de, vasokonstriktive Effekte weiter verstärkt. Um der phy-
(Lumbricus terrestris, LtEc25) erforscht. Die Struktur von
siologischen Situation etwas näher zu kommen, besteht
HEMOXYcarrier unterscheidet sich stark von humanem
auch die Möglichkeit, Hämoglobin einzukapseln, z. B. in
Hämoglobin. Das 3,6 Megadalton große Molekül kann
Polymerkapseln19.
Der Ein-
156 Moleküle O2 gleichzeitig transportieren. Obwohl es
schluss in eine künstliche Erythrozytenmembran löst Pro-
auch unter physiologischen Bedingungen nicht von einer
Liposomen oder abbaubaren
bleme wie den Zerfall in die nierentoxischen Dimere oder
Membran umgeben ist, fängt es, aufgrund seiner enor-
die zu hohe Affinität zu O2 und NO. Dieser Ansatz bietet
men Größe, kein NO in den Endothelzellzwischenräumen
29
ab, und besitzt zudem eine natürliche Superoxiddismu-
Gruppe der Eisenbasierten Sauerstoffträger, eine Un-
tase-ähnliche Aktivität24. Auch andere Nebenwirkungen
tergruppe der HBOCs. Natürliche oder synthetisch her-
ausbleiben26.
gestellte Häm-Bausteine gibt es mittlerweile z. B. einge-
wie Immunreaktionen sollen in Säugetieren
bettet in die Membran von Phospholipidvesikeln (Hb-Ve-
Strategien, nur die für die Sauerstoffbindung
essenziellen Bausteine des Hämoglobins
zu nutzen/nachzubauen
einer Hülle aus Humanalbumin (PEG-HSA-FeXP)29 oder
Wird ganz isoliert nur die direkte Bindestelle von O2 im
nen Bindetaschen von pegyliertem Humanalbumin (PEG-
Hämoglobin betrachtet, reduziert sich das Molekül auf
rHSA-Häm, PEG-HSA-FeP)27.
sicles)27, in Cyclodextrinen (Hemo-CD)28, umgeben von
auch gebunden an die natürlicherweise bereits vorhande-
den Häm-Baustein (Porphyrinring mit einem zentralen
Eisenatom). Aufgrund dieser Überlegung entstand die
HBOCs: die aktuelle präklinische Pipeline
Viele Präparate befinden sich noch im präklinischen Entwicklungszustand. Einige Präparate waren bereits in Tiermodellen erfolgreich, so dass zu erwarten ist, dass sie in absehbarer Zeit in die klinische Erprobung gelangen:
Präparate ohne synthetische
Erythrozytenmembran, weitere Details siehe13
Präparate mit synthetischer
Erythrozytenmembran
• HEMOXYcarrier, LtEc: freies, unverändertes Hämo-
• Hb-Vesicles: Liposomen aus Phospholipiden gefüllt
mit humanem Hämoglobin36
globin aus Watt- bzw. Regenwurm
• im Mausmodell zeigte HEMOXYcarrier keine
• Im Rattenmodell unkontrollierter hämorrhagischer
Nebenwirkungen und versorgte ­hypoxisches Gewebe mit O2 26, LtEc bewies im Hämodilutionsmodell im Hamster gute Sauerstofftransport-
Hämoglobin,
Inositolhexaphosphat,
Nicotin-
amidadenindinukleotid, Glukose, Adenin und Inosin39
Hypertension25
• Austausch von 86 % des Blutvolumens im
• Oxyvita: Rinderhämoglobin, zero-linked (= ohne physiologisch schlecht verträglichen Linker wie z. B.
Glutaraldehyd, stattdessen verlinkt über Carboxylauch
• Neo Red Cells: Liposomen gefüllt mit humanem
eigenschaften und verursachte keine
Lysyl-Reste)30,
Schock erfolgreich37,38
carboxyliert
erhältlich
(setzt
Kohlenstoffmonoxid (CO) frei, dieses soll anti-inflammatorisch und anti-vasokonstriktiv wirken)
• positive Ergebnisse im schweren hämorrhagischen
Schock der Ratte31
• Vitalheme (PNPH): pegyliertes Rinderhämoglobin,
NO-Moleküle kovalent gebunden (dadurch Superoxiddismutase-ähnliche Aktivität)32, auch carboxyliert
erhältlich
• im Mausmodell hämorrhagischer Schock plus
Schädel-Hirn-Trauma neuroprotektiv33
Kaninchenmodell erfolgreich39
• Entwicklung momentan zugunsten der
Weiterentwicklung von LEH pausiert40
• LEH: Liposomen aus spezieller Lipidkomposition, teilweise pegyliert, gefüllt mit humanem Hämoglobin und
Inositolhexaphosphat41,42
• Protektiv bei Gehirnischämie an Ratten und
Nichtprimaten41,43
• Hemoglobin-Particles: Rinderhämoglobin ummantelt
mit einer Membran aus Humanalbumin, quervernetzt
mit Glutaraldehyd44
• Im Rattenmodell wurde der Austausch von 20 %
des Blutvolumens gegen Hemoglobin-Particles gut
vertragen45
• Artificial Red Cells: mit Glutaraldehyd polymerisiertes Rinderhämoglobin verlinkt mit Superoxiddismutase,
Catalase und Carboanhydrase34
• Im Rattenmodell hämorrhagischer Schock ­erfolgreicher Abtransport von CO2 aus dem
Gewebe12,35
30
25 2015
HBOCs in klinischen Studien
ten im distributiven (septischen) Schock mit systemisch
Einige wenige HBOCs wurden und werden bereits in klini-
inflammatorischem Syndrom wurde wegen zu wenig ein-
schen Studien getestet. Obwohl das Konzept des Sauer-
geschlossenen Patienten (aufgrund unpassenden Studi-
stofftransports prinzipiell funktionierte, wurden viele Stu-
endesigns) abgebrochen, obwohl die mit PHP behandel-
dien aufgrund von Nebenwirkungen der Präparate oder
ten Patienten weniger Vasopressorverbrauch sowie mehr
finanzieller Probleme der Sponsoren abgebrochen18,46.
beatmungsfreie Tage und einen insgesamt kürzeren Auf-
Häufig stellte sich im Nachhinein heraus, dass die ver-
enthalt auf der Intensivstation aufwiesen als die Kontroll-
meintlichen Nebenwirkungen doch nicht direkt durch das
gruppe. Die bis zu diesem Zeitpunkt eingeschlossenen
HBOC selbst verursacht worden waren.
Patienten wurden als Phase-II-Studie ausgewertet, wobei
die Patientenzahl nicht ausreichte, um Effekte auf Mortali-
Präparate, die bereits in klinischen
Studien getestet wurden
zunächst in direktem Zusammenhang mit PHP gemelde-
tät oder andere wichtige Endpunkte festzumachen53. Die
Diese Präparate wurden zwar in klinischen Studien getes-
ten Myokardinfarkte wurden nach Studienabbruch von ei-
tet, ihre Entwicklung/Produktion wurde aber inzwischen
nem unabhängigen Kardiologenteam als nicht PHP-asso-
eingestellt bzw. der Entwicklungsstand ist unklar:
ziiert bewertet53.
Hemolink
MP4-OX
Hemolink ist ein mit Raffinose verlinktes, polymerisier-
Im Gegensatz zur früheren Formulierung (Hemospan)
tes, humanes Hämoglobin. Es gelangte bis in eine Pha-
enthält MP4-OX nur noch 4 g/dl Maleimid- und PEG-mo-
se-II-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Hemolink
difiziertes humanes Hämoglobin; eine Konzentration, die
bei Patienten, die sich erstmalig einer Koronararterienby-
ohne Kombination mit Blut nicht mehr zum Überleben
pass-Operation unterzogen (NCT00038454). Aufgrund
ausreicht. Daher wird MP4-OX auch als „Blutexpander“
der in klinischen Studien beobachteten Herztoxizität wur-
(hyperonkotisches Kolloid) oder Sauerstofftherapeutikum
de die Entwicklung eingestellt (letztes Studienupdate in
bezeichnet, welches die Versorgung speziell von schlecht
2005)47.
Hemassist (DCLHb)
Bei Hemassist handelt es sich um ein mit Diaspirin verlinktes (diaspirin crosslinked (DCL)), humanes Hämoglobin. Zwei Studien (USA/Europa) an Patienten mit traumatisch-hämorrhagischem Schock mussten 1998 vorzeitig
abgebrochen werden. In der US-Studie war die 28-Tages-Sterblichkeit (wahrscheinlich bedingt durch verstärkten Blutverlust verursacht durch Hypertension47) in der
Hemassist-Gruppe um das 3-fache erhöht48; in der zeitgleich im europäischen Raum laufenden Studie konnte
kein Benefit unter der Behandlung mit Hemassist beobachtet werden49. Ein ebenfalls höheres Todesrisiko unter Hemassist wurde in Studien bei Schlaganfällen sowie verschiedenen Operationen beobachtet, so dass die
Produktion von Hemassist eingestellt wurde50. In einer
Neuauswertung der genannten Trauma-Studien in 2010
konnte weder eine schlechtere Perfusion noch ein Vasopressoreffekt direkt mit der Anwendung von Hemassist
korreliert werden51,52.
PHP
PHP ist ein Polyoxyethylen-konjugiertes und pyridoxiliertes humanes Hämoglobin, welches zudem mit Catalase
und Superoxiddismutase assoziiert ist. PHP wurde durch
die Phoenix-Studie bekannt50. Diese, als Phase III konzipierte Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit an Patien-
31
zugänglichen oder unterversorgten Gewebebereichen si-
MP4-CO bei Patienten mit Sichelzellanämie wurde ab-
chern soll50. Eine Phase-IIb-Studie (an der auch mehrere
geschlossen (NCT01356485), die folgende Phase-II-Stu-
Kliniken in Deutschland beteiligt waren) zur Sicherheit und
die zur Behandlung von vaso-okklusiver Sichelzellkrise
Wirksamkeit an Patienten mit Laktatazidose, verursacht
(NCT01925001) wurde, genau wie die erwähnte Phase-
durch hämorrhagischen Schock, wurde abgeschlossen
IIc-Studie zu MP4-OX, noch vor Einschluss von Patien-
(NCT01262196). Aufgrund der bei anderen HBOCs auf-
ten aufgrund von Geschäftsaufgabe durch den Sponsor
getretenen Nebenwirkungen zwang die Food and Drug
zurückgezogen.
Administration (FDA) den Sponsor, weitere Studien zunächst an „low-risk“ Patienten und nicht der eigentlichen
Polyheme
Zielgruppe durchzuführen. So entstanden Phase-III-Stu-
Bei Polyheme handelt es sich um ein mit Pyridoxalphos-
dien zur Verhinderung bzw. zur Behandlung von Hypoten-
phat verlinktes und mit Glutaraldehyd polymerisiertes hu-
sion unter Spinalanästhesie, bei Patienten, die eine totale
manes Hämoglobin. Polyheme hatte in vorangegange-
Endoprothese der Hüfte implantiert bekamen. Hier zeigte
nen Phase-II-Studien gezeigt, dass es, bei guter Verträg-
MP4-OX keine nennenswerten Komplikationen, verkürzte
lichkeit, die Notwendigkeit von EK-Transfusionen nach
erfolgreich die Hypotension-Episoden und reduzierte den
einer Operation oder einem Trauma reduziert und auch
Vasopressorverbrauch50. Eine folgende Phase-IIc-Stu-
die Organdysfunktion sowie die immuninflammatorische
die an einem besser passenden Patientenkollektiv mit der
Antwort nach hämorrhagischem Schock vermindert50.
­Eine Phase-III-Studie an Patienten im hämorrhagischen
Indikation hämorrhagischer Schock (NCT01973504) ist
noch vor dem ersten Patienteneinschluss zurückgezogen
Schock bot durch die Einbeziehung der Erstversorgung
worden, weil der Sponsor seine Geschäfte eingestellt hat.
des Patienten am Unfallort ein Studiendesign, das ge-
MP4-CO, ebenfalls eine Weiterentwicklung von He-
stoffträger abgestimmt war. In dieser „pre-hospital“-Infu-
nau auf einen möglichen Einsatzort künstlicher Sauermospan, enthält CO und soll dadurch antientzündlich und
sionsphase wurde entweder Polyheme oder kristalloide
antiapoptotisch wirken50. Eine Studie zur Sicherheit von
Volumenersatzlösung verabreicht, im Krankenhaus angekommen erhielt die Kristalloidgruppe EKs, die Polyheme-Gruppe zunächst weiter Polyheme und erst wenn nötig EKs. In der Polyheme-Gruppe wurden mehr (schwere)
Nebenwirkungen berichtet, insbesondere Fälle von Myokardinfarkt54. In einer nachträglichen Auswertung durch
ein unabhängiges Expertenkomitee konnten weder der
Zusammenhang zwischen Polyheme und Myokardinfarkt
noch unter Polyheme signifikant häufiger auftretende
(schwere) Nebenwirkungen bestätigt werden50. Dennoch
erteilte die FDA (aufgrund des nicht signifikanten Trends
zu vermehrt auftretenden Nebenwirkungen unter Polyheme) keine Zulassung; die Firma stellte daraufhin die Entwicklung von Polyheme ein50.
Aktuelle klinische Pipeline
Diese Präparate befinden sich aktuell in klinischen
­Studien, so dass hier eine tatsächliche Option auf Zulassung in absehbarer Zeit besteht.
Hemopure
Hemopure besteht aus mit Glutaraldehyd polymerisiertem Rinderhämoglobin. Im Gegensatz zu seinem veterinärmedizinischen Pendant Oxyglobin ist Hemopure sehr
stark gereinigt und enthält nur noch 2 % Tetramere, welche für den hypertensiven Effekt verantwortlich gemacht
werden47. Hemopure ist das einzige HBOC, das bereits
zugelassen ist; bisher allerdings nur in Südafrika und
Russland, da die FDA eine große Studie an chirurgischen
32
25 2015
Patienten aufgrund von Sicherheitsbedenken abbrach55.
Perspektive HBOCs
Insbesondere Effekte auf das kardiovaskuläre System
Unter den HBOC basierten künstlichen Sauerstoffträgern
(z. B. Myokardinfarkt oder Hypertension) führen immer
ist bisher nur Hemopure in Russland und Südafrika zu-
wieder zu schlechten Studienergebnissen, obwohl die
gelassen. Aufgrund langjähriger Erfahrung mit verschie-
prinzipielle Wirksamkeit von Hemopure unbestritten ist18.
densten HBOCS ist ihre Funktionalität allerdings unbe-
Um eine Zulassung auch in anderen Ländern erwirken zu
stritten; lediglich das Nutzen/Risiko-Verhältnis ist derzeit
können, wurden die hämodynamischen Effekte von He-
für viele Zulassungsbehörden nicht akzeptabel. Daher
mopure erneut systematisch untersucht (Phase-II-Studie
werden nach wie vor neue HBOCs entwickelt oder be-
(mit deutscher Beteiligung) an Patienten mit akutem Ko-
reits bekannte Präparate systematisch neu untersucht
ronarsyndrom, die eine perkutane, koronare Intervention
(auch unter Beteiligung von Zentren in Deutschland oder
erhielten)56. Nur bei einem Patienten konnte eine schwere
der USA). Insbesondere Präparate aus der aktuellen kli-
Nebenwirkung (Hypertension) direkt mit der Anwendung
nischen Pipeline haben Chancen, in absehbarer Zeit eine
von Hemopure korreliert werden, außerdem wurden der
Zulassung zu erreichen.
koronare Blutfluss und der linksventrikuläre „stroke work
index“ nicht beeinflusst56. Aktuell läuft in den USA eine
„expanded access“ Studie zur Behandlung von lebensbe-
PFCOCs
drohlicher Anämie (NCT01881503).
Hemo Tech
Zu Grunde liegende Idee und zu
Grunde liegende Probleme
Hemo Tech enthält Rinderhämoglobin, welches mit
Perfluorcarbone (PFCs) sind synthetische, vollständig ha-
ringoffenem ATP und Adenosin verlinkt und mit Gluta-
logenierte Kohlenstoffverbindungen (linear, (poly)cyclisch).
thion konjugiert wurde. ATP soll die Dissoziation in Dimere
Meist sind die Wasserstoffatome durch Fluor ersetzt, aber
unterbinden, Adenosin eine Vasokonstriktion und Entzün-
auch andere Halogene wie Brom oder Chlor kommen vor.
dung verhindern und zudem die Polymerisation fördern.
Wegen der sehr hohen Kohlenstoff-Fluor-Bindungsener-
Glutathion soll die Extravasation ins Gewebe blocken,
gie sind PFCs chemisch und metabolisch inert; d. h. sie
die glomeruläre Filtrationsrate durch Absenken des iso-
bilden keine toxischen Metabolite. PFCs sind weder hyd-
elektrischen Punkts erniedrigen und das Hämoglobin vor
ro- noch lipophil und nicht mischbar mit wässrigen Flüs-
NO und reaktiven Spezies abschirmen. Beim klinischen
sigkeiten wie Blut. Da sie aber eine geringe Löslichkeit in
„proof of concept“ wurden im Kongo drei Kinder mit Si-
Lipiden aufweisen, werden sie zur intravenösen Anwen-
chelzellanämie erfolgreich behandelt57. Andere Indikatio-
dung als Emulsionen formuliert. Die Formulierung einer
nen wie z. B. Hirntrauma oder Schlaganfall wurden bisher
sterilen, bei Raumtemperatur stabilen, homogenen Emul-
nur in vitro untersucht57.
sion mit einer Tröpfchengröße zwischen 0,1–0,2 µm, die
Sanguinate
vial. Molekulare Diffusion (Oswaldreifung) führt unter die-
für die parenterale Anwendung geeignet ist, ist nicht triSanguinate ist ein pegyliertes, bovines Carboxy-Hämo-
sen Bedingungen schnell zur Tröpfchenvergößerung. Der
globin, das CO freisetzt. Dieses soll anti-entzündlich, anti-
Zusatz geringer Konzentrationen von PFCs mit höherem
apoptotisch und anti-vasokonstriktiv wirken. Eine Phase-
Molekulargewicht (aber längerer Organretentionszeit) als
I-Studie wurde ohne Komplikationen abgeschlossen (im
das primär für den Sauerstofftransport ausgewählte PFC
Rahmen dieser Studie wurde eine Zeugin-Jehovas mit
sowie die Verwendung von Oberflächenspannung redu-
Sichelzellanämie erfolgreich behandelt)58. Weil die Pha-
zierenden Emulgatoren wirken diesem Problem entge-
se-Ib-Studie in Panama und Kolumbien bei Patienten mit
gen59. Synthetische Emulgatoren wie z. B. Pluronic F-68
Sichelzellanämie (NCT01848925) im Dezember 2014 er-
weisen bei schlechter Verträglichkeit sehr gute stabilisie-
folgreich abgeschlossen werden konnte, wurde die noch
rende Eigenschaften auf60. Neuere Präparate arbeiten
laufende Phase-I-Studie in Israel (NCT01847222) im Ja-
daher mit einer Kombination aus den etwas schlechter
nuar 2015 beendet. Derzeit läuft in den USA eine Phase-
stabilisierenden (aber besser verträglichen) Phospholipi-
II-Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit von Sanguina-
den, z. B. aus Eigelb, und hochmolekularen PFCs wie z. B.
te an Patienten mit erhöhtem Risiko einer verspätet auf-
Perfluordecylbromid (CF3 (CF2 )10 Br), Perfluortributylamin
tretenden Gehirnischämie nach Subarachnoidalblutung
(N(CF2 CF2 CF2 CF3 )3 ) oder Perfluormethylcyclohexylpipe-
(NCT02323685). Eine Phase-I-Studie bei chronischer
ridin (C12 F22 N)60.
Niereninsuffizienz (NCT02437422) und eine Phase-II-Studie bei Patienten mit Sichelzellanämie und vaso-okklusi-
Aufgrund ihres hohen Lösungsvermögens für Gase eig-
ver Krise (NCT02411708) sind geplant.
nen sich PFCs besonders gut für den Transport respira-
33
torischer Gase. Diese lösen sich physikalisch basierend
Anämiepatienten letztendlich nicht verbesserte65. Anfang
auf dem Henry´schen Gesetz in Abhängigkeit vom jewei-
der 90er Jahre wurde Fluosol-DA unter einer anderen In-
ligen Gaspartialdruck (siehe Abbildung
1)59,61.
Physiolo-
dikation (Verbesserung der Sauerstoffversorgung sowie
gisch relevante Sauerstoffkonzentrationen werden aller-
der Perfusion der Koronararterien bei Koronarangioplas-
dings erst bei Sauerstoffbeatmung erreicht. Im Gegen-
tie) in den USA, Europa und Japan zugelassen47,64,66.
satz zum Hämoglobin tritt bei PFCs keine Sättigung ein,
Nur wenige Jahre später wurde das Produkt wieder vom
so dass die Sauerstoffkonzentration im Blut in Druckkam-
Markt genommen, weil Stabilitätsprobleme der Emulsion
mern linear weiter erhöht werden kann. Abgesehen von
sowie sehr lange Organretentionszeiten (begründet durch
O2 lösen sich in PFCs auch andere Gase wie z. B. CO2 ,
Perfluotributylamin) auftraten und die Lagerung bei -20 °C
welches daher aus dem Gewebe abtransportiert werden
bzw. das langsame Auftauen vor Verwendung des Pro-
kann62.
dukts nicht sehr praktikabel waren65. Seit 1994 ist die
Ähnliches gilt auch für hohe CO-Konzentrationen,
z. B. bei Rauchgasvergiftungen63.
Produktion von Fluosol-DA eingestellt64.
Nicht alle PFCs sind für den parenteralen Einsatz als
Fluosol-43 (Oxypherol)
künstliche Sauerstoffträger geeignet. Hier spielen nicht
20 % Perfluortributylamin, Pluronic F-68
nur die Löslichkeiten respiratorischer Gase eine Rolle,
sondern auch Parameter wie Verweilzeit im Gefäßsys-
Die Kombination aus Perfluortibutylamin sowie Pluro-
tem, Emulgierbarkeit und Organretentionszeit59. Nach
nic F-68 resultierte in einer sehr stabilen Emulsion. Auf-
Phagozytose der Emulsionströpfchen diffundieren PFCs
grund extrem langer Organretentionszeiten verweigerte
zurück ins Blut und werden, assoziiert an Lipoproteinen,
die FDA aber die Zulassung und seine Entwicklung wur-
zur Lunge transportiert, wo sie (wenn sie einen entspre-
de eingestellt66.
chend hohen Dampfdruck besitzen) unverändert ausgeatmet werden64. Die häufigsten medizinisch verwendeten
Oxyfluor
PFCs sind Perfluordecalin (C10 F18 ), Perfluoroctylbromid
78 % Perfluordichloroctan, Eigelb-Phospholipide, Distelöl
(CF3 (CF2 )7 Br), Perfluordichloroctan (C8 Cl2 F16 ) und Perfluortertbutylcyclohexan (C10 F20 ).
Auch natürliche Emulgatoren wie Eigelb-Phospholipide sind in hohen Konzentrationen im Blut toxisch. Daher
PFCOCs in klinischen Studien
wurde hier versucht, die Konzentration von Eigelb-Phos-
Eine erwähnenswerte präklinische Pipeline existiert der-
pholipiden durch den Zusatz von Distelöl zu erniedrigen67.
zeit im Bereich der PFCOCs nicht. Allerdings wurden aber
Zwei Dosiseskalationsstudien (Phase Ia und Ib) wurden
einige wenige PFCOCs bereits in klinischen Studien ge-
abgeschlossen67. Darauffolgende Phase-I/II-Studien in
testet. Ähnlich wie bei den HBOCs wurden viele Studien
den USA und Europa zur Sicherheit und Wirksamkeit von
abgebrochen, obwohl die Funktionalität von PFCOCs un-
Oxyfluor an Patienten, die einen kardiopulmonalen By-
bestritten ist. Anders als bei den HBOCs spielten hier aber
pass- bzw. einen Koronararterienbypass bekamen, wur-
häufig nicht nur tatsächliche Nebenwirkungen der Präpa-
den freiwillig durch den Sponsor beendet bzw. bis heu-
rate oder finanzielle Probleme der Sponsoren eine Rol-
te pausiert; die amerikanische Studie aufgrund zu niedri-
le. Stattdessen waren oft z. B. unpassende Studienpro-
ger Patienteneinschlussquoten (bedingt durch Verlegung
tokolle oder schlechte Schulung des beteiligten Personals
von risikoarmen Herzoperationen in ein Nachbarkranken-
im Umgang mit PFCOCs selbst oder Begleitmaßnahmen
haus), die europäische Studie aufgrund des Wegbruchs
wie z. B. der fachgerechten Hämodilution (in diesem Kon-
der Finanzierung67. Oxyfluor wird heute nur noch in vitro
text eine profunde, intraoperative, normovolämische Hä-
in der Mikroskopie verwendet66.
modilution (A-ANH)) ursächlich.
Oxygent
Fluosol-DA
58 % Perfluoroctylbromid, 2 % Perfluordecyl-
14 % Perfluordecalin, 6 % Perfluortributylamin, Pluronic
bromid, Eigelb-Phospholipide
F-68, Eigelb-Phospholipide
Oxygent schnitt in verschiedenen Phase-II-Studien z. B.
Bereits 1983 sollte Fluosol-DA zur Behandlung von An-
34
an Patienten mit orthopädischen oder herzchirurgischen
ämiepatienten in den USA zugelassen werden. Fluosol-
Eingriffen (meist in Kombination mit Hämodilution) posi-
DA scheiterte damals nicht aufgrund von Nebenwirkun-
tiv ab66,68. Herz-Kreislauf-assoziierte Nebenwirkungen
gen oder mangelnder Funktionalität, sondern an seiner
traten unter Oxygent nicht häufiger als in den jeweiligen
kurzen Verweilzeit im Gefäßsystem, die das Outcome der
Kontrollgruppen auf68. In einer unverblindeten, europäi-
25 2015
schen Phase-III-Studie an Patienten mit chirurgischen
sikofaktoren in den Studiengruppen als wahrscheinliche
(aber nicht herzchirurgischen) Eingriffen wurde Oxygent
Ursache angesehen47,66,68. Aufgrund dieser Erfahrungen
in Kombination mit Hämodilution eingesetzt. Patienten in
legte der Sponsor der europäischen Zulassungsbehör-
der Oxygent-Gruppe wurden seltener transfundiert und
de (EMA) ein neues Studienprotokoll (keine Hämodiluti-
benötigten (wenn transfundiert wurde) weniger EKs als
on, nur allgemeinchirurgische Patienten) vor. Hier sollten
die Kontrollgruppe68,69. Die unter Oxygent häufiger auf-
entweder Oxygent oder EKs erst bei Erreichen des Trans-
tretenden, schweren Nebenwirkungen (z. B. postope-
fusionstriggers gegeben werden. Dieses Studienprotokoll
rativer Ileus) bezogen sich alle auf das Verdauungssys-
wurde nicht genehmigt, weil die EMA einen direkten Ver-
tem. Das data safety monitoring board stellte fest, dass
gleich zwischen einem künstlichen Sauerstoffträger und
eben diese Ereignisse in der Kontrollgruppe untypisch
Spenderblut aus technischen Gründen (z. B. Studienpo-
selten berichtet worden waren und vermutete eine Beein-
wer) als nicht durchführbar einordnete68. Eine 2005 ver-
flussung des beteiligten Studienpersonals (Hawthorne-
öffentliche Studie, in der speziell die Gehirndurchblutung
Effekt)69.
Die in der Oxygent-Gruppe nicht immer fach-
unter Oxygent an herzchirurgischen Patienten untersucht
gerecht durchgeführte Hämodilution wurde als eine der
worden war, berichtete von mehr neurologischen Kom-
Hauptursachen für die häufiger beobachteten Nebenwir-
plikationen wie z. B. cerebralen Emboli unter Oxgent, die
kungen unter Oxygent ausgemacht68. Die parallel in den
ein höheres Schlaganfallrisiko erklären könnten70. Aller-
USA und Kanada laufende, unverblindete Phase-III-Stu-
dings wurden cerebrale Emboli in dieser Studie mit einem
die an einem herzchirurgischen Patientenkollektiv wurde
transcranialen Doppler-Ultraschall detektiert, was auf-
2001 aufgrund von vermehrt auftretenden Schlaganfäl-
grund der Tatsache, dass PFCs auch als Ultraschallkon-
len unter Oxygent vom Sponsor abgebrochen47,68. Ähn-
trastmittel zugelassen sind und klinisch eingesetzt wer-
lich wie in der europäischen Studie waren schwere, uner-
den, berechtigterweise in Frage zu stellen ist71. Die Ent-
wünschte Ereignisse (in diesem Fall die Schlaganfallrate
wicklung des amerikanischen Oxygents wurde zunächst
und die Mortalität) im Kontrollkollektiv untypisch niedrig. In einer nachträglichen post-hoc Analyse konnten die
von einem chinesischen Sponsor weitergeführt64,66,
­allerdings ist der momentane Entwicklungsstand unklar47.
Schlaganfälle nicht direkt mit dem Einsatz von Oxygent
Oxygent scheint zumindest für präklinische Studien ver-
korreliert werden. Vielmehr wurde wieder eine nicht fach-
fügbar zu sein72. Derzeit laufen aber im amerikanischen
gerecht durchgeführte Hämodilution sowie ungleiche Ri-
und europäischen Raum keine klinischen Studien.
35
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Oxycyte
60 % Perfluortertbutylcyclohexan
Noch immer ist in Westeuropa kein künstlicher SauerstoffEine 2005 begonnene Phase-II-Studie (NCT00174980)
träger zur Anwendung am Menschen zugelassen, obwohl
an Patienten mit schwerer Schädelfraktur wurde in
die prinzipielle Funktionalität sowohl von HBOCs als auch
2008 abgeschlossen. Die 2009 gestartete Phase-II-Stu-
von PFCOCs offensichtlich ist. Häufig standen finanziel-
die (NCT00908063) zur Sicherheit und Wirksamkeit von
le Probleme der Sponsoren oder fälschlicherweise dem
Oxycyte bei Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trau-
Studienpräparat zugeordnete, unerwünschte Ereignis-
ma wurde im September 2014 durch den Sponsor been-
se einem erfolgreichen Abschluss der klinischen Studie
det; die bisher eingeschlossenen Patienten sollen noch
entgegen. Tatsächliche Nebenwirkungen der Präparate
ausgewertet werden73. Nachdem deutlich geworden war,
spielten meist nur eine untergeordnete Rolle. Deswegen
dass die Studie aufgrund niedriger Patienteneinschluss-
bewerteten die Behörden anderer Länder das Nutzen-/
quoten nicht in einem sinnvollen Zeitrahmen abgeschlos-
Risikoprofil solcher Präparate teilweise auch anders und
sen werden kann, entschied sich der Sponsor, ein ande-
ermöglichten die Zulassung von Hemopure (HBOC) bzw.
res Produkt aus seinem Portfolio zu fördern73.
Perftoran (PFCOC). Aufgrund der zu erwartenden Knappheit von Blutprodukten in den kommenden Jahren sowie
Perftoran
immer wieder diskutierter, transfusionsassoziierter Ne-
14 % Perfluordecalin 6 % Perfluormethylcyclohexylpiperi-
benwirkungen, brauchen aber auch wir solche künstli-
din, Proxanol 268, Eigelb-Phospholipide
chen Sauerstoffträger. Um den hier entstehenden Bedarf
decken zu können, werden bis heute ständig neue künst-
Perftoran ist das einzige bereits zugelassene PFCOC; al-
liche Sauerstoffträger (aktuell primär HBOCs) entwickelt.
lerdings nur in Russland, der Ukraine, Kasachstan, Kirgis-
Allerdings hat sich der Fokus innerhalb der letzten Jah-
tan und Mexiko66,74. Hauptindikationsgebiete sind akute
re deutlich verändert. War es früher das Ziel, herkömmli-
Blutverluste und die Oxygenierung spezifischer Gewebe,
che Blutprodukte vollständig zu ersetzen, ist die Idee heu-
z. B. bei Koronargefäßerkrankungen, Ischämien der Ext-
te eher, den Ärzten eine zusätzliche Behandlungsoption,
remitäten oder des Gehirns, aber auch akute und chroni-
insbesondere in der Notfallmedizin, zu bieten, um nur be-
sche Anämie oder Wundheilung sind Einsatzbereiche von
grenzt verfügbare Blutprodukte effizient an ausgewählten
Perftoran75. Perftoran ist generell gut verträglich. Bisher
Patienten einsetzen zu können. Mit dem vorzeitigen Ende
berichtete Nebenwirkungen wie transienter Juckreiz, Hy-
der Phase-II-Studie von Oxygent im September 2014, ist
perämie, Schwindel, Nierenschmerzen, Hypotension oder
das vielversprechendste PFCOC aus der klinischen Pipe-
Lungenprobleme treten nicht sehr häufig
auf75.
Allerdings
line weggebrochen. Da sich im Gegensatz zu den HBOCs
ist Perftoran auch gekühlt nur 1 Monat haltbar und weist
derzeit keine weiteren PFCOCs in klinischen Studien be-
durch den Zusatz von Perfluormethylcyclohexylpiperidin
finden, ruhen alle Hoffnungen nun auf den HBOCs. Diese
eine sehr lange Organretentionszeit von 90 Tagen auf66.
sind, aufgrund der vielversprechenden klinischen Pipeline,
Unter anderem deswegen ist Perftoran bisher weder in
nicht unberechtigt, doch auch hier wird es sicherlich noch
Europa noch den USA zugelassen.
einige Jahre bis zur Zulassung dauern.
Perspektive PFCOCs
Eine relevante präklinische Pipeline neuer PFCOCS existiert derzeit nicht. Zudem befindet sich momentan kein ein-
Die Autorin
ziges neues Präparat in einer klinischen Studie. Lediglich
mit Perftoran werden derzeit klinische Studien durchgeführt, allerdings nur in Ländern, in denen Perftoran bereits
zugelassen ist. Studien mit dem ­vielversprechendsten
Dr. Katja Bettina Ferenz
Universitätsklinikum Essen
Institut für Physiologische Chemie
Vertreter dieser Substanzklasse, Oxycyte, wurden Ende
2014 eingestellt. Aktuell besteht keine Aussicht, dass in
naher Zukunft ein neues PFCOC zugelassen wird.
Die Literaturhinweise zu diesem Artikel finden Sie im Internet zum
Download unter: www.drk-haemotherapie.de
36
25 2015
Prof. Dr. med. Reinhard Henschler, Dr. med. Beat M. Frey
Erythrozytenkonzentrate aus Stammzellen
Eine Vision soll wahr werden: Erythrozyten aus der Retorte
Zusammenfassung
Summary
Die Vision, aus Stammzellkulturen eine Blutversorgung mit Erythrozytenkon-
The vision of a blood supply by culture-expanded red cells (RBCs) is moving
zentraten zu ermöglichen, rückt in den Bereich der Machbarkeit. In Kultur
closer to reality. Culture-expanded blood cells might help to overcome risks
erzeugte Erythrozyten könnten z. B. helfen, Versorgungslücken bei Pandemi-
in blood supply in cases of pandemia, increase infection safety, and could
en zu schließen und die Infektionssicherheit zu vergrößern. Auch enthalten
help to improve the situation in allo-sensitized chronically transfused patients.
sie, anders als konventionelle EK, ausschließlich junge Erythrozyten. Mögliche
Also, expanded red cells are young, other than donated RBCs with an average
weitere Qualitätsverbesserungen liegen bei chronisch transfundierten Patien-
age of 50–60 days. Expression of alternative hemoglobin forms such as HbF
ten mit anti-erythrozytären Antikörpern, die z. B. mit autologen expandierten
could be useful e. g. for intrauterine transfusions. The greatest challenge in
EK versorgt werden könnten. Auch birgt die gezielte Expression bestimmter
the field is currently the adaptation of the expansion process to large scale
Hämoglobine (z. B. Hämoglobin F) neue Möglichkeiten in der Optimierung der
production.
Sauerstoffversorgung für bestimmte Patienten. Eine große Herausforderung
stellt derzeit noch die technische Lösung der Expansion im großen Massstab
im Bioreaktor dar.
EINFÜHRUNG
• Die rote Blutzellbildung in vitro gelingt wesentlich besser
in serumfreien Medien als in Anwesenheit von Serum.
Forschung und Entwicklung der Biologie der blutbildenden Stammzellen gingen vor allem aus der weltweit initiierten Strahlenforschung im Gefolge des zweiten Weltkriegs
hervor. Nachdem in den 1950er und 1960er Jahren die
Existenz transplantierbarer blutbildender Stammzellen
• Die
Entfernung
der
Kerne
(„Enukleation“)
aus
den Vorstufen ist ein kritischer Schritt, der durch
Makrophagen (Fresszellen) oder sog. Stromazellen bewerkstelligt werden kann.
mit Hilfe der Knochenmark-Transplantation im Tiermodell
• Auch noch nicht ganz reife Zellen (z. B. Normoblasten)
belegt werden konnte, waren es vor allem die Studien von
sind effizient transfundierbar und reifen in Tiermodellen
Pike und Robinson (1970)1 und weiteren, die erstmals das
in vivo zu funktionsfähigen Erythrozyten aus.
Wachstum und die Differenzierung blutbildender Zellen
aus Stammzellen in vitro ermöglicht haben. Nachdem das
Diese wichtigen Ergebnisse bildeten die Voraussetzung
Erythropoetin als einer der ersten in diesen Systemen effi-
für weitere große Anstrengungen, die Vision der Erzeu-
zienten Kolonie-stimulierenden Faktoren (CSF) identifiziert
gung von Erythrozyten im Reagenzglas Wirklichkeit wer-
und rekombinant hergestellt wurde, gelang es Anfang der
den zu lassen – also von Erythrozytenkonzentraten (EK),
1990er Jahre mit Hilfe neu entdeckter, mit den CSFs sy-
die ständig verfügbar sind, die sicher sind, steril, und ex-
nergistisch wirkender Faktoren wie dem Stammzellfaktor
tensiv serologisch und molekular charakterisiert.
(SCF), aus einer einzigen Stamm- oder Vorläuferzelle der
Erythropoese über 100.000 Tochterzellen in Kultur zu er-
Die vorliegende Übersicht möchte die bisher zurückge-
zeugen. Seither beschäftigen sich weltweit mehrere For-
legten Meilensteine auf diesem Weg beschreiben und die
schungsgruppen mit der weiteren Verbesserung von Be-
noch bestehenden Herausforderungen und auch die po-
dingungen für die Proliferation und Differenzierung eryth-
tentiellen Einschränkungen auf diesem Weg darstellen.
rozytären Zellen aus Stamm- oder Vorläuferzellen. Hierzu
zählen unter anderen diejenigen von Professor ­Giovanni
Ganz bewusst möchten wir zuvor auch die vielen neu-
Migliaccio am Istituto Superiore di Sanitá in Rom und von
Professor Luc Douay am Hospital St. ­Antoine in Paris.
solche Präparate gegenüber der Versorgung von Trans-
en Möglichkeiten ins Zentrum der Betrachtung stellen, die
fusionsempfängern mit herkömmlichen EK bieten soll-
Wichtige Fortschritte dieser Arbeiten waren vor allem fol-
ten. Diese bilden sicherlich bereits jetzt einen wesentli-
gende Entwicklungen und Erkenntnisse:
chen treibenden Faktor in der Verwirklichung der Vision
37
einer sich immer stärker entwickelnden Versorgung mit
len als infektiologisch sicheres Ausgangsmaterial dienen.
aus Stammzellen erzeugten EK.
Des Weiteren könnten die derzeit bestehenden demographischen Entwicklungen zu Schwierigkeiten oder Rückgängen in der Senderrekrutierung führen. Hinzu kommt,
NEUE MÖGLICHKEITEN IN DER
VERSORGUNG VON TRANSFUSIONSEMPFÄNGERN MIT EK
dass eine ausreichende Blutversorgung in großen Teilen der Welt auf dem konventionellen Wege heute nicht
­sichergestellt ist. In Bezug auf alle diese Punkte bergen
in vitro hergestellte EK ein signifikantes Weiterentwick-
In vitro erzeugte EK zur Verringerung
von Risiken in der Blutversorgung
bedenken, dass insbesondere bei weiterhin steigendem
lungspotential für die Hämotherapie. Letztlich ist auch zu
Da in vitro erzeugte EK (und weitere Blutkomponenten)
Aufwand in der Rekrutierung von freiwilligen Blutspen-
unabhängig von der kontinuierlichen Blutspendetätigkeit
dern neuartige Blutprodukte, die in vitro nach Bedarf aus
hergestellt werden können, ist zu erwarten, dass poten-
Stammzellen produziert werden können, erhebliche logis-
tiellen einschneidenden Unterbrechungen der Blutversor-
tische Vorteile in der Blutversorgung aufweisen können
gungskette durch massive Spendersperren (z. B. Pande-
und am Ende der Entwicklung mit einiger Sicherheit auch
mien, grössere Epidemien) durch die in vitro Expansion
ökonomisch konkurrenzfähig sein dürften.
entgegengewirkt werden kann. So können nicht infizierte gespendete, tiefgefrorene Stammzellen aus der Zeit vor
Weitere zu erwartende Innovationen und Verbesserungs-
einer Epidemie als Grundbaustein der EK Versorgung die-
möglichkeiten durch eine Einführung der Versorgung mit
nen. Alternativ könnten von negativ getesteten Spendern
in vitro aus Stammzellen expandierten EK sind (siehe
Stammzellen, oder z. B. reprogrammierte somatische Zel-
auch Tabelle 1):
Weiterentwicklungsmöglichkeit
Umsetzung in der Versorgung
Verringerung von Risiken in der Blutversorgung
Versorgung z. B. bei Pandemien mit hohen Spenderausschlussraten
Verlängerung der Lebensdauer der transfundierten
• Reduktion der Zahl der nötigen EK Transfusionen
Erythrozyten
bei chronisch substituierten Patienten
• Reduktion der Eisenüberladung
Flexibler anpassbare Vorräte von EKs für Patien-
statt Einbestellung speziell typisierter Spender vermehrt Versorgung aus vorpro-
ten mit Antikörpern mit hochfrequent exprimierten
duzierten EK, bei sehr seltenen Phänotpyen tiefgefrorene EK, ansonsten Versor-
Antigenen
gung z. B. über 1-2 Produktionszentren für Europa
Autologe EK aus Stammzellen
• zur Versorgung chronisch transfusionsbedürftiger vorsensibilisierter Patienten, aus einer Stammzellentnahme
• Vermeidung der Sensibilisierung und evtl. Hämolysen
EK mit alternativen Hämoglobinen
z. B. HbF exprimierende EK zur intrauterinen Transfusion
Versorgung der Bevölkerung mit steigender ethni-
in Regionen mit erhöhtem Anteil von Migranten aus anderen Erdteilen: Produk-
scher Diversität
tion von Erythrozyten aus Stammzellen aus ethnisch diversen Spenderrepertoirs
(immunologisch relevante Phänotypen)
Vereinfachte Logistik der Grundversorgung mit EK
bei Komplettversorgung eines Gebietes mit expandierten EK z. B. Vorhaltung/bedarfsgerechte Produktion von EK aus 11 Stammzelllinien zur Gesamtversorgung
Globale Verbesserung des Zugangs zu EK und weite-
bei ökonomischer Produktion und akzeptablen Preisen: vermehrter Zugang zu
ren Blutkomponenten
Blut für bedürftige Patienten in Regionen ohne konventionelle Blutversorgung
Tabelle 1: Möglichkeiten der Verbesserung der Versorgung durch in vitro expandierte EK.
38
25 2015
Verlängerung der Lebensdauer
von Erythrozyten
Peyrard et al.3 kalkuliert, dass > 99 % aller Patienten, inklusive solcher, die bereits gegen erythrozytäre Antigene im-
Nach der Erwartung und allen bisher vorliegenden Da-
munisiert sind, mit expandierten Erythrozyten aus 3 ver-
ten werden in den EK-Kulturen praktisch ausschliesslich
schiedenen Stammzelllinien versorgt werden könnten. Sie
frische Erythrozyten erzeugt, die also keine Alterungser-
errechneten anhand der Daten von über 16.000 sensibi-
scheinungen aufweisen. Im Gegensatz hierzu sind in Blut-
lisierten Patienten der französischen Hämovigilanzdatei,
spenden gewonnene Erythrozyten natürlicherweise im
dass mit EK aus 15 Klonen die Versorgung der Patienten
Schnitt 50-60 Tage alt. Durch die höhere Lebenserwar-
in Frankreich zu 100 % abgedeckt werden könnte.
tung der transfundierten Erythrozyten ist ein länger an-
lebenszeit in vitro erzeugte Erythrozyten nach Transfusion
Flexibel anpassbare Vorräte von EKs
für Patienten mit Antikörpern mit
hochfrequent exprimierten Antigenen
besitzen. Die erste Anwendung in vitro mit traditionel-
In den Fällen von Patienten, die sog. hochfrequente eryth-
len Kulturmethoden expandierten Erythrozyten am Men-
rozytäre Antigene nicht exprimieren und durch Vortrans-
haltender Effekt der Transfusionen zu erwarten. Bis heute ist jedoch nicht geklärt, welche durchschnittliche Über-
20112,
zeigte ein mit Ery-
fusionen gegen ein solches Antigen Antikörper erworben
throzyten aus konventionellen EK vergleichbares Über-
haben, wie anti-k anti-Vel oder anti-Ge, gestaltet sich die
leben dieser in vitro aus Nabelschnurblut-Stammzellen
Versorgung mit EK teilweise schwierig oder sehr schwie-
generierten radioaktiv markierten Erythrozyten. Dies be-
rig. In Zukunft könnten solche Patienten mit vorgelager-
schen von ca. 2 ml EK, publiziert
legte zunächst die in dieser Hinsicht international gefor-
ten (z. B. kryokonservierten) aus Stammzellen oder repro-
derte Minimalanforderung an die pharmazeutische Quali-
grammierten somatischen Zellen (iPS)-abgeleiteten EK
tät. In der weiteren Entwicklung ist zu erwarten, dass die
entsprechend kompatibler Stammzellspender versorgt
durchschnittlichen in vivo Überlebenszeiten in vitro gene-
werden. Alternativ könnten, wenn die Zeit es erlaubt, in-
rierter Erythrozyten bei einem unter optimalen Bedingun-
dividuell aus Stammzell-Eigenspenden hergestellte EK für
gen hergestellten klinischen Präparat länger sein werden.
die Versorgung in Frage kommen (siehe unten).
Durch die Gabe unverbrauchter junger Erythrozyten sollenten, durch die zu erwartende geringere Zahl notwen-
Versorgungsmöglichkeiten für chronisch
transfusionsbedürftige Patienten
diger Transfusionen auch eine Verringerung der Zahl der
Patienten mit chronischem Transfusionsbedarf erhalten
notwendigen Transfusionen, und auch Eisenüberladung
derzeit nach Möglichkeit weitergehend oder weitgehend
erreicht werden.
auf erythrozytäre Antigenmuster ausgetestete EK, um die
te, vor allem bei chronisch substitutionsbedürftigen Pati-
potentielle – und bei einigen Patienten klinisch bedrohEin Mechanismus der physiologischen Elimination von
liche – Bildung multipler Antikörper gegen erythrozytäre
Erythrozyten beinhaltet die Interaktion des „signal regu-
Antigene möglichst zu vermeiden oder zu kontrollieren.
lating protein (SIRP)-1 alpha“-Moleküls auf Phagozyten
Für dieses Patientenkollektiv bieten sich expandierte EK
mit dem auf Erythrozyten exprimierten CD47
Rezeptor3.
Durch genetische Manipulation könnte auch versucht
als Alternative in besonderer Weise an. Gewissermassen
das Idealpräparat, um die Immunisierung auf einem Mini-
werden, die Expressionsstärke des CD47 Rezeptors zu
mum bzw. Null zu halten, dürften in immunologischer Hin-
erhöhen, und die Überlebenszeit transfundierter Erythro-
sicht autologe EK darstellen. Homologe Spender kom-
zyten ggf. zu verlängern. Besonders bei chronisch Trans-
men vermutlich ebenfalls in Frage, da sie in Bezug auf die
fundierten könnte so der allfälligen Eisenüberladung ggf.
Übereinstimmung der relevanten erythrozytären Antige-
entgegengewirkt werden.
ne weitgehend vorcharakterisiert werden können, und die
Exposition der Empfänger mit neuen Antigenen durch die
Vereinfachte Logistik der
Grundversorgung mit EK
enge Vorauswahl vermutlich in weit engeren Grenzen gehalten werden kann als derzeit.
Für mögliche Sensibilisierungen der Empfänger werden
sprechenden Varianten verantwortlich gemacht. Für die
Ausstattung expandierter EK mit
alternativen Hämoglobinen
Allgemeinheit der zu versorgenden Patienten kann daher
Vor allem für chronisch transfusionsbedürftige Patien-
eine Versorgung mit EK etwa der Blutgruppe 0, Rh D ne-
ten könnte die Ausstattung der in jüngster Zeit erst ent-­
gativ (z. B. 0 cc..ee K-), sicherlich nicht ausreichend sein.
wickelten Verfahren zur Erzeugung von EK aus pluripoten-
Für den Fall der Versorgung eines Gesamt-Patientenkol-
ten und embryonalen Stammzellen mit fötalem Hämoglo-
lektivs ausschliesslich mit ex vivo expandierten EK haben
bin (HbF) von Bedeutung sein. Die schnellere Aufnahme
eine Vielzahl von erythrozytären Antigenen und ihre ent-
39
von Sauerstoff und die langsamere Sauerstoffabgabe
genüber der herkömmlichen Versorgung mit EK aus Blut-
könnten genutzt werden, um die therapeutische Effizi-
spenden eröffnet eine zusätzliche Versorgungslinie mit
enz der EK z. B. bei Intensivpatienten oder Patienten mit
Kultur-expandierten Erythrozyten sicherlich auch bessere
Lungenschäden und vermindertem Sauerstoffaustausch
Abdeckungen von Patienten jeweiliger ethnischer Minori-
zu erhöhen. Im Rahmen von „genetic engineering“ wä-
täten im Versorgungsgebiet.
re auch denkbar, weitere, ggf. genetisch alterierte Hämoglobine mit gewünschten therapeutischen Eigenschaften
in den EK zu exprimieren und zum klinischen Einsatz zu
Globale Verbesserung des Zugangs zu
EK und weiteren Blutkomponenten
Selbstverständlich hat die veränderte Logistik der Versor-
bringen.
gung im Falle von aus Stammzellen expandierten, durch
Versorgung der Bevölkerung mit
steigender ethnischer Diversität
Blutspendedienste oder komplett industriell hergestellten EKs erhebliche Konsequenzen für den Zugang zu
Die zunehmende Migration und der dadurch bedingten
Blutprodukten sich entwickelnder Länder. In vielen die-
wachsenden ethnischen Divergenzen in der heutigen Be-
ser Regionen existieren bis heute keine oder kaum Blut-
völkerung, sowohl in den sogenannten klassischen In-
spendedienste, oder es gelingt den existierenden Diens-
dustrieländern, aber auch in Schwellenländern und den
ten nur ungenügend, ausreichend Spender zu rekrutie-
weiter entwicklungsbedürftigen Regionen der Erde, stel-
ren um qualitativ und quantitativ ausreichend und für alle
len die klinische Immunhämatologie vor zunehmende und
zugängliche Blutprodukte anzubieten. Wenn es gelingt,
besondere Herausforderungen in Bezug auf Sensibilisie-
die Herstellung ex vivo expandierter EK und evtl. Throm-
rungen durch auf Erythrozyten exprimierte Antigene. Ge-
bozytenkonzentrate technisch und ökonomisch in den
A
Stammzelle,
Frühe Vorläuferzelle
Polychromat.
Erythroblast
Retikulozyt
Orthochromat.
Erythroblast
Pro-Erythroblast
Erythrozyt
B
Vermehrungsfaktor*
Panzenböck et al., 1998
SCF, IGF-1, EPO
15 % FBS
EPO
Transferrin, Dexamethason
0,5 – 1× 103
Insulin
Neildez-Nyuyen et al., 2002
Serumfrei
SCL, IGF-1, EPO
FLT3L, SCF, TPO
IGF-1, EPO
2,2 × 104
Lymphozyten-kond. Medium, Transferrin, FeSO4 , FeNO3 , Insulin, Hydrocortison
Giarratana et al., 2005
Serumfrei
EPO
IL-3, SCF, EPO
1,2 × 105
Stromalayer aus Fibrolasten
Lymphozyten-kond. Med., Transferrin, FeSO4 , FeNO3 , Insulin
Fujimi et al., 2008
Serumfrei
IL-3, SCF, TPO
SCF, IL-3, EPO
hTERT experimierende Fibrobl.
Makrophagen-Kokult
Plasmanat,
Adenin
3,3 × 106
Stromalayer-Support
Abbildung 1
Erythrozytäre Differenzierung aus hämatopoetischen Stammzellen. (A) Morphologische Differenzierungsreihe, (B) Meilensteine in der Entwicklung von Kulturbedingungen zur Ausreifung kernloser erythrozytärer Zellen aus humanen Stammzellen. Die Zeitachse verläuft von links nach rechts und umfasst jeweils ca.
18–24 Tage (nicht maßstäblich). Der Vermehrungsfaktor pro eingesetzter aus CB-SC hat sich in 10 Jahren um 3 Log Stufen verbessert. Plasmanat und Adenin
sind Zusätze, die reife Erythrozyten stabilisieren. Übernommen und angepasst aus6.
40
25 2015
Griff zu bekommen, könnten die Voraussetzungen für ei-
Einzelketten sicher. Der Zusatz von Stoffen wie Adenin,
nen besseren Zugang zu Blutprodukten in vielen Län-
das reife Erythrozyten stabilisiert, ist ebenfalls ein Schritt
dern entscheiden verbessert werden. Selbstverständ-
auf dem Weg zu einem fein abgestimmten Prozess, der
lich ist klar, dass zunächst mit relativ hohen Kosten für
eine möglichst synchrone und effiziente Proliferation der
die neuen Blutprodukte gerechnet werden muss. Den-
Stammzellkulturen und eine koordinierte Differenzierung
noch wagen wir zu spekulieren, dass sowohl die Häufig-
zu möglichst reifen Erythrozyten darstellt. Diese Proto-
keit der Anwendung von Blutkomponenten, und die ein-
kolle ermöglichen bis dato, in statischen Kultursyste-
zusparenden Kosten der Spenderrekrutierung, Entnahme
men, pro eingesetzter Stamm- oder Progenitorzelle bis
und konventionellen Bereitstellung, die dem gegenüber-
zu 3 × 10E6 Tochterzellen zu erzeugen.
stehen, letztlich die weltweite Durchsetzung der artefiziell
hergestellten Blutpräparate begünstigen sollten. Obwohl
Stammzellquelle
als Vergleich vielleicht nur bedingt geeignet, sollte die Ent-
Eine weitere Frage ist, welche Stammzellen für die Gene-
wicklung z. B. beim rekombinanten Gerinnungsfaktor VIII
rierung von EK geeigneten Ausgangszellen darstellen. Bis-
und anderen ähnlichen Plasmaprodukten den Weg hier-
her wurden im Wesentlichen sog. Periphere Blutstamm-
zu und die prinzipielle Entwicklungsmöglichkeit aufzeigen.
zellen (PBSC), Nabelschnurblut-Stammzellen (CB-SC), induzierte pluripotente Zellen (iPS Zellen) oder embryonale
STAND DER TECHNISCHEN UND
KLINISCHEN UMSETZUNG
Stammzellen (ESC) auf ihr erythropoetisches Differenzierungpotential untersucht, und kommen als Stammzellquelle in Frage (Tabelle 2). Während bei den PBSC oder
CB-SC rechnerisch pro Stammzelle ca. 10E5–10E7 rei-
Kulturprotokolle
fe Erythrozyten oder erythrozytäre Zellen generiert wer-
Der Differenzierungsverlauf von der hämatopoetischen
den konnten, ist der Expansionsfaktor bei den pluripoten-
Stammzelle oder von primitiven Progenitorzellen bis zum
ten Zellen wesentlich höher, da sie in Kultur ja bereits als
reifen Erythrozyten, sowie Beispiele für wesentliche Fak-
Stammzellen über viele Generationen vermehrt werden
toren auf diesem Weg sind in Abbildung 1 dargestellt.
können, bevor mit einer entsprechend größeren Zahl von
Hieraus geht hervor, dass Stammzellen zunächst durch
Stamm- und evtl. Progenitorzellen dann die Differenzie-
Stammzellfaktor und FLT3 Ligand (FL) und sog. kolonie-
rung eingeleitet werden kann. Für die Generierung eines
stimulierenden Faktoren zur Proliferation angeregt wer-
EK (es enthält ca. 2 × 10E12 Erythrozyten) müssen in der
den können. Ein weiterer nützlicher Faktor ist der Insu-
Größenordnung von 10E6 bis 10E7 adulte oder aus Na-
linartige Wachstumsfaktor (IGF)-1. Beim Erythropoetin,
belschnurblut gewonnene hämatopoetische Stammzel-
das ursprünglich bereits in frühen Phasen den Differen-
len (HSC) eingesetzt werden. Anhand der bekannten Zah-
zierungskulturen zugesetzt wurde, wurde später erkannt,
len von z. B. CD34+ Zellen, die pro Patient z. B. nach Mo-
dass es erst in mittleren und späteren Reifungsphasen
bilisierung mit G-CSF gewonnen werden können, könnte
notwendig ist. Eine wichtige Rolle vor allem beim Enuk-
hier absehbar lediglich eine endliche Zahl Präparate (im
leationsprozess (d. h. dem Ausstoss der Zellkerne) spie-
Bereich von wahrscheinlich ca. 2–20 EK/Spende) gene-
len Stromazellen, entweder in Form von Makrophagen
riert werden. Die ersten im Menschen transfundierten und
oder von Stromazellinien (Abbildung 1). Mit Eisen bela-
auf ihre Überlebensfähigkeit hin 2010 getesteten ex vivo
denes Transferrin stellt die Bildung intakten Hämoglobins
generierten Erythrozyten stammten aus peripherem Blut2.
aus den in den kernhaltigen Vorstufen synthetisierten Hb-
Stammzellart
Quelle
Zahl Erythrozyten/ Ausgangszelle
PBSC
Peripheres Blut
≈ 10E5
CB-SC
Nabelschnurvene
≈ 10E6–10E7
iPS Zellen
Viele Gewebe, auch Blut und Nabelschnur
ESC*
Embryonen
Nach Bedarf adjustierbar, da als Stammzellen
expandierbar
Tabelle 2: Stammzellarten als Ausgangszellen für die in vitro Generierung von EK
* in Deutschand beschränkt auf wenige Linien, Sondergenehmigungen erforderlich
41
Auf zwei Wegen könnte die derzeit endliche Proliferations-
bereits in den letzten 20 Jahren getätigten Entwicklungen
kapazität der PBSC und CB-SC in den Kulturen erweitert
für das „Scale-Up“ der Produktion z. B. rekombinanter
werden: Zum einen durch eine sogenannte Reprogram-
Proteine aus Säugerzelllinien müssen auf die Erythropoe-
mierung von HSC, zum anderen durch die Generierung
se angepasst werden5. Minimal müssten 5 × 10E7/ml Zel-
von immortalisierten HSC- oder Progenitorzelllinien. Zu
len als End-Zelldichte erreicht werden (entsprechend 30
beidem gibt es erste grundlegende Arbeiten: Eine japa-
Litern pro EK), die verwendeten Reaktorsysteme dürften
nische Arbeitsgruppe beschrieb z. B. eine immortalisierte
eine etwa 10fach höhere Zelldichte zulassen, unter ent-
erythrozytäre Vorläuferzelllinie, die einerseits undifferen-
sprechender Perfusion5. Die Reaktoren müssen eine gute
ziert proliferieren kann, andererseits gezielt zu Erythrozy-
Versorgung mit Eisen (z. B. über humanes Transferrin) und
ten ausdifferenziert werden kann. Auch die erfolgreiche
sauerstoffarmem Medium zulassen. Mit Hilfe von Mess-
Reprogrammierung von adulten PBSC oder CB-SC und
sonden und Erfassung von Feedback-Parametern muss
ihre anschließende Ausdifferenzierung zu reifen Blutzel-
eine sowohl quantitativ und qualitativ zielsicher gesteuer-
len wurde gezeigt.
te Expansion ermöglicht werden. Derzeit sind u. a. sogenannte Hohlfaser („hollow-fiber“) Reaktorsysteme in der
42
Etablierung, Robustheit und Ökonomie der
Produktion im pharmazeutischen Maßstab.
Versuchsphase, die sowohl die kontinuierliche Durchflu-
Hier liegt derzeit die wohl größte Herausforderung in der
die Anordnung in mehreren sukzessiv in der Reihenfolge
klinischen Entwicklung von in vitro aus Stammzellen ex-
der Zellreifung zu besiedelnden Kompartimenten. Insbe-
tung mit Kulturmedium ermöglichen. Sie erlauben auch
pandierten EK. Der Einsatz speziell adaptierter Bioreak-
sondere für die kritischen Phasen des Eiseneinbaus und
torsysteme ist ein Schlüssel auf dem Weg zur Bewältigung
der Enukleation müssen vermutlich besondere Struktu-
der Generierung großer Zellmengen. In der klassischen,
ren mit sog. Nischen, entsprechend der kleinsten Einheit
zweidimensionalen (2-D) Kultur werden Zelldichten bis et-
der Hämatopoese im Knochenmark, dem „Hämaton“ zur
wa 3 × 10E6/ml erreicht. Für ein EK mit 2 × 10E12 Zellen
Verfügung stehen. Besondere Herausforderungen dürf-
entspricht das einem Kulturvolumen von 600 Litern! Die
ten hierbei auch die evtl. nötige Freisetzung von Progeni-
25 2015
torzellen aus einem Progenitor-generierenden Komparti-
renen Zellen aus nur ein oder zwei Zentren erfolgen, und
ment und ihre Ansiedlung und Weiterentwicklung in sog.
die Machbarkeit der Verfahren zudem weiter etablieren
„erythropoetischen Inseln“ oder geeigneter ähnlicher Ele-
helfen. Stufenweise könnten weitere Versorgungen eta-
mente sein. Gegenwärtig ist die Entwicklung der Erythro-
bliert werden, z. B. die Versorgung mit autologen EK für
poese in Bioreaktoren in einigen in der pharmazeutischen
multipel allo-sensibilisierte multitransfundierte Patienten.
Industrie angesiedelten Projekten angesiedelt. Von deren
In weiteren Schritten könnte allmählich eine weitere Ver-
Fortschritt dringt derzeit wenig an die Öffentlichkeit.
sorgung bis hin evtl. zur probeweisen oder dauerhaften
Flächenversorgung etabliert werden.
Parameter für die pharmazeutische Qualität
Aus Stammzellen erzeugte Erythrozyten wurden, zusätz-
Es ist daher Aufgabe der Versorger von Blutprodukten
lich zu den bei konventionellen EK etablierten Qualitäts-
und der im Feld der Hämotherapie Tätigen, sich auf die-
parametern, bezüglich weiterer Parameter charakterisiert.
sem sehr wichtigen Gebiet auf dem Laufenden zu hal-
Hierzu zählen die Deformierbarkeit, der Gehalt wichtiger
ten, und sich bei den Schritten zur Umsetzung in die Pati-
katalytischer Enzyme wie 2,3-Diphosphoglycerat-Syn-
entenversorgung frühzeitig und intensiv zu beteiligen. Die
thase (Biphosphoglycerat-Mutase), die Kapazität des
­Hämoglobins in den Erythrozyten, Sauerstoff zu binden
gute interdisziplinäre Zusammenarbeit und die fruchtba-
und freizugeben, die Vollständigkeit der Enukleation, der
ders“ ist sicherlich als Grundlage für diese – für unse-
Retikulozytengehalt, und die Expression der Blutgrup-
re Patienten vielversprechende – Neuentwicklung eines
penantigene. Selbstverständlich müssen die Parameter
substantiellen Teils der Hämotherapie eine unabdingba-
einer endgültigen pharmazeutischen Qualitätskontrolle im
re Voraussetzung.
re gemeinsame Entwicklung aller hier tätigen „Stakehol-
Rahmen von Zulassungsverfahren, z. B. bei der European
Medicines Agency (EMA) jeweils noch etabliert werden.
ZU ERWARTENDE WEITERE ­KLINISCHE
ENTWICKLUNG UND AUSBLICK
2011 wurde mit der ersten Transfusion in Menschen
und der Ermittlung einer akzeptablen Überlebensrate
von noch in klassischen Kultursystemen ein sehr wichtiger Parameter für die weitere klinische Entwicklung erstmals etabliert. Die Autoren erwarten, dass aufgrund der
engen Abstimmung mit den Behörden z. B. in Frankreich
bei Vorliegen pharmazeutisch ausreichend qualifizierter
ganzer EK aus Stammzellen eine erste Phase-I-Pilotstudie durchführbar ist. Natürlich muss auch auf evtl. negative Auswirklungen und Nebenwirkungen ex vivo erzeugter
EK geachtet werden. Hierzu könnten die nicht abgeschal-
Die Autoren
Prof. Dr. med. Reinhard Henschler
Blutspende Zürich
Rütistrasse 19
8952 Schlieren
Tel. 058 272 51 17 / 51 27
Fax 044 731 90 12
[email protected]
tete Expression nicht erwünschter Gene und Genprodukte auf den erzeugten Erythrozyten gehören.
Der Erfolg und die Zeit bis zu ersten klinischen Anwendungen hängen sicher wesentlich von der Entwicklung
von Bioreaktor-Verfahren ab. Für die weitere klinische
Entwicklung sind verschiedene Szenarien denkbar: Zunächst könnte eine Teilversorgung z. B. für Patienten, für
die sehr schwer kompatible Spender rekrutiert werden
können (s. o.), europaweit z. B. bereits mit ca. 20 Präpa-
Dr. med. Beat M. Frey
Blutspende Zürich
Rütistrasse 19
8952 Schlieren
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[email protected]
Die Literaturhinweise zu diesem Artikel finden Sie im Internet zum
Download unter: www.drk-haemotherapie.de
raten pro Jahr über die Rare Donor Banken mit tiefgefro-
43
Manuela Krause
Neues aus der Rubrik „Was tun wir bei …?“
Positive Eigenkontrolle und/oder positiver Direkter Coombstest: Was nun?
Zusammenfassung
Summary
Die Ursachen eines positiven Direkten Coombstestes (DCT) bzw. einer po-
The reasons for a positive direct Coombstest (DCT) or a positive autocontrol
sitiven Eigenkontrolle sind vielfältig: sie reichen von physiologischer Immun-
are diverse. They range from the physiological binding of immunoglobulin or
globulin- oder Komplement-Anlagerung über erkrankungs- und medikamen-
complement to phenomena caused by diseases or drugs to clinically relevant
tenbedingte Phänomene bis hin zu klinisch relevanten Alloantikörpern nach
alloantibodies in the wake of transfusion.
Transfusionen.
The magnitude of the response of the DCT must not be a decision criterion
Als Entscheidungskriterium für eine weitere Abklärung darf nicht die Reakti-
for further evaluation.
onsstärke des positiven DCT dienen.
A positive DCT is of no diagnostic relevance if not corroborated by clinical or
Auch hat ein alleiniger positiver DCT keine diagnostische Bedeutung, solange
anamnestic evidence or additional laboratory tests (for hemolysis).
er nicht durch klinische und anamnestische Informationen oder zusätzliche
The most important issue concerning a positive DCT is if the patient has been
labormedizinische Untersuchungen (Hämolyseparameter) vervollständigt ist.
transfused during the last 3–4 weeks up to 3 months at the most or if he
Die wichtigste Frage bei einem positiven DCT ist, ob der Patient in den letzten
shows signs of hemolysis. If so, then a further evaluation in the laboratory per
3–4 Wochen bis maximal 3 Monaten transfundiert wurde oder ob er Hämo-
elution with subsequent antibody differentiation is necessary.
lysezeichen aufweist? Wenn ja, dann ist eine labormedizinische Abklärung in
Form einer Elution mit anschließender Antikörperdifferenzierung erforderlich.
Als Referenzlabor und Ansprechpartner für unsere Kun-
?
Zunächst darf man sich erst einmal freuen, denn es könn-
den (Kliniken) werden wir täglich mit den unterschiedlichs-
te viel schlimmer aussehen – wenn nämlich alles positiv
ten Problemen der einsendenden Labore konfrontiert.
wäre!
Eine Frage taucht aber immer wieder auf und scheint
Aber Scherz beiseite! Ich möchte mich im Folgenden der
wirklich landauf, landab Diskussionen auszulösen:
obigen Fragestellung annehmen und diese Thematik von
verschiedenen Seiten beleuchten.
„Was tun wir bei positiver Eigenkontrolle bzw. positivem Direkten Coombstest
und gleichzeitig negativem AKS und negativer Kreuzprobe? Weiter abklären?“
Zuerst ein paar Begriffserklärungen:
• Die Eigenkontrolle, die hier gemeint ist, wird normalerweise
bei
der
Kreuzprobe
und/oder
dem
Antikörpersuchtest (AKS) im indirekten Coombstest
(ICT) mitgeführt; sie setzt sich zusammen aus
Patientenserum und Patientenerythrozyten.
• Für den direkten Coombstest, der nun im Anschluss
oft durchgeführt wird oder manchmal routinemäßig bereits mitläuft, setzt man nur die Patientenerythrozyten
ein (möglichst Erythrozytensuspension aus gewaschenem EDTA- oder Citratblut verwenden, um eine
„in vitro-Anlagerung“ zu verhindern!).
Fall 1: negativer AKS mit positiver Eigenkontrolle
Abbildung 1
44
25 2015
• Der direkte Coombstest (DCT; oft auch als DAT
Dies bedeutet, dass nicht jeder positive DCT eine kli-
(Direkter Antiglobulintest) bezeichnet) dient zum Nach-
nische Relevanz (z. B. in Form einer verkürzten Überle-
weis einer „in vivo Beladung“ der Erythrozyten mit:
benszeit der Erythrozyten) besitzt! Bei 1 % der Blutspen-
• Immunglobulinen
der und ca. 10 % aller hospitalisierten Patienten ist der
• Komplement
DCT positiv!
• oder beidem
Weitere Ursachen für einen positiven
DCT sind Erkrankungen und/oder
Therapien (Medikamente):
• Bei der Elution, die zur Abklärung des positiven DCT
durchgeführt wird, werden die Antikörper von den
Patientenerythrozyten abgesprengt und anschließend
differenziert.
• Unspezifische Bindung von Antikörpern an die
Erythrozyten bei Erkrankungen mit erhöhtem
Immunglobulinspiegel:
• Plasmozytom
DIE URSACHEN, WARUM
­EIGENKONTROLLE BZW. DIREKTER
COOMBSTEST ISOLIERT POSITIV
SEIN KÖNNEN, SIND VIELFÄLTIG
• Morbus Waldenström
• Sichelzellanämie
• ß-Thalassämie
• Nierenerkrankungen
• Multiple Myelome
Ein Problem stellen die hoch sensitiven Nachweisme-
• Autoimmunerkrankungen
thoden dar, die auf der einen Seite ja erwünscht sind,
• Leberzirrhose
um niedrigtitrige Antikörper zu detektieren. Andererseits überschneiden sich aber die Normbereiche mit den
Nachweisgrenzen auf Gelkarten (oder in der Capturetechnik) wie folgend dargestellt:
Normbereich (Kleinste Mengen IgG und C3d sind
immer auf den Erythrozyten vorhanden, sozusagen
physiologisch):
• 5–100 Moleküle IgG/Erythrozyt
• 5–500 Moleküle C3d/Erythrozyt
Nachweisgrenze auf Gelkarten:
• Hochdosierte Therapie mit Immunglobulinen
• Adsorbtionsveränderung
Membran
gegenüber
der
Erythrozyten-
körpereigenen
Proteinen
(IgG, Komplement), z. B. bei Cephalosporintherapie
• Krankheitsbedingt
unspezifische
Komplement-
Aktivierung, z. B. durch Bakterien bei Sepsis
• Chimärische Antikörper nach Knochenmark- bzw.
Stammzell- oder Organtransplantation – „Empfänger
gegen Spender“ oder umgekehrt
• Passiver Transfer von Antikörpern bei Gabe von
Blutprodukten, z. B. Isoagglutinine/Isohämolysine bei
• 100–500 Moleküle IgG/Erythrozyt
• 400–1.100 Moleküle C3d/Erythrozyt
der Transfusion von plasmahaltigen Thrombozytenkonzentraten (minorinkompatible Transfusion)
• Medikamentenbedingte Anlagerung von IgG (dieses Phänomen tritt sehr häufig auf, weshalb man
den Zusammenhang noch näher erklären sollte): Das
Medikament lagert sich am Erythrozyten an und bildet eine Art Antigen (Neo-Antigen), worauf das
Immunsystem nun reagiert und Antikörper gegen dieses fremde Antigen produziert. Die Antikörper sind in
diesem Fall nicht gegen Blutgruppenantigene gerichtet,
sondern direkt gegen das Medikament, sodass man
nach der Antikörperabsprengung im Eluat keine erythrozytären Antikörper nachweisen kann!
Fall 1: positiver DCT
Gelkarte mit monospezifischen Antiseren
Abbildung 2
• Medikamente können allerdings auch die Bildung
von Auto-Antikörpern auslösen bzw. begünstigen.
Man geht davon aus, dass hier die Supressorzellen unterdrückt werden und so Auto-Antikörper gegen die
45
eigenen Blutgruppen-Antigene (meist Rh-Merkmale)
sen Fällen ist der DCT oft nur schwach positiv, da ja
gebildet werden (beispielsweise Auto-Anti-e). Dieses
nur die transfundierten, AK-beladenen, aber noch nicht
Phänomen kann sich je nach IgG-Subtyp und Stärke
abgebauten Spendererythrozyten reagieren. Gerade
der Beladung in einer autoimmunhämolytischen Anämie
bei den gefährlichen transfusionsrelevanten Kidd-
(AIHA) äußern!
Antikörpern, die dafür bekannt sind, schnell unter die
Nachweisgrenze zu rutschen, kann das Bild nach ei-
Womit wir nun bei den meiner Ansicht nach wirklich rele-
ner Boosterung durchaus mal so aussehen, wie es die
vanten und eine Abklärung erfordernden Ursachen eines
Abbildungen 3 und 4 zeigen. Oder es ist sogar nur
positiven DCT angekommen wären:
C3d positiv und trotzdem können wir dann mit Hilfe einer Elution den Antikörper nachweisen, der sich mo-
• Autoimmunhämolytische
durch
mentan nur auf den transfundierten, im Kreislauf zirku-
Wärme-Auto-Antikörper oder Kälte-Auto-Antikörper.
lierenden, Erythrozyten befindet und im Serum noch
Hier dient die Abklärung meist zur Diagnosestellung
nicht bestimmen lässt!
Anämie
(AIHA)
bzw. -Sicherung. Bei der Abklärung findet man mitunter eine Spezifität des Auto-Antikörpers (z. B. AutoAnti-e). In den meisten Fällen haben Wärme-AutoAntikörper aber eine breite Spezifität (gerichtet gegen
die „Rh-Grundsubstanz“) und reagieren somit mit allen
Testzellen!
• Alloantikörper (IgG) im mütterlichen Blut, die die
Plazenta passieren, an den fötalen Erythrozyten binden und so einen MHN auslösen können. Vor einer
Transfusion des Neugeborenen ist unbedingt abzuklären, warum der DCT positiv ist. Dazu kann man auch
eine Antikörperdifferenzierung mit dem mütterlichen
Serum durchführen, wenn man von dem Neugeborenen
zu wenig Blut für eine Elution hat. Achtung: auch eine
Rh-Prophylaxe verursacht meist einen schwach positiven DCT beim Neugeborenen, der nicht weiter abgeklärt werden muss, wenn die Information über die
durchgeführte Prophylaxe gesichert ist und bei der
Mutter keine Alloantikörper bekannt sind.
• Alloantikörper im Plasma eines Empfängers, die
mit den Erythrozyten-Antigenen des transfundierten Blutes reagieren und dadurch hämolytische
Transfusionsreaktionen verursachen können. In die-
Fall 2: Schwach positive Eigenkontrolle mit negativem
AKS nach Antikörper-Boosterung
Abbildung 3
46
­ NTSCHEIDUNGSKRITERIUM
E
REAKTIONSSTÄRKE?
Ob die positive Eigenkontrolle bzw. der positive DCT weiter abgeklärt werden sollte, darf also nicht von der Reaktionsstärke abhängen, sondern vielmehr muss die Anamnese des Patienten im Vordergrund stehen!
Denn, wie oben beschrieben, verbirgt sich hinter schwach
positiven Reaktionen nicht selten ein geboostertes AntiJk(a) (Anti-Kidd a). Oder, die Entscheidung für eine weitere
Abklärung davon abhängig zu machen, ob es sich um eine IgG- od. C3d –Anlagerung handelt, kann genau in diesem Fall falsch sein, denn ein niedrigtitriger Kidd-AK zeigt
sich manchmal nur über die Komplementaktivierung!
Fragestellung bei positiver Eigenkontrolle
bzw. positivem direkten Coombstest:
Wurde der Patient kürzlich transfundiert?
• Zeitrahmen: in den letzten 3–4 Wochen,
max. 3 Monaten!
Fall 2: Schwach positiver DCT durch IgG-Beladung
nach Antikörper-Boosterung
Abbildung 4
25 2015
Wenn Ja, sind weitere Abklärungen
notwendig (Elution)
enten mit einem bereits bekannten, abgeklärten positiven
• Nach erstmaliger Transfusion können AK in der
DCT, die regelmäßig transfundiert werden (z. B. in der On-
Nun stellt sich noch die Frage: Was machen wir bei Pati-
Regel frühestens nach 1–2 Wochen (meist etwa nach
4 Wochen) nachgewiesen werden.
• Nach vorangegangen Transfusionen oder Schwangerschaften
können
die
AK
durch
eine
erneute
Immunisierung bereits schon nach zwei Tagen auftreten = sog. Boostereffekt! Wenn der Titer so angestiegen ist, dass die freien Antikörper im Serum
nachgewiesen werden können, ist „die Gefahr gebannt“1 und man kann kompatible (= Antigen-negative)
Erythrozytenkonzentrate bereitstellen. Kritisch für die
immunhämatologische Laboruntersuchung sind freilich
die ersten Tage nach der Boosterung, da sich die anfangs noch wenigen Antikörper an die Antigen-positiven
Erythrozyten binden und der Antikörpersuchtest und
kologie) und somit unter die Rubrik „vortransfundiert“ fallen? Ist hier der DCT jedes Mal erneut abzuklären? Das
würde in manchen Fällen bedeuten, alle 2–3 Tage eine
Elution mit anschließender Differenzierung durchzuführen. Das kann nicht sinnvoll sein und verbietet sich in der
heutigen von Sparmaßnahmen geprägten Zeit ohnehin!
Wir haben in unserem Labor aufgrund langjähriger Erfahrung folgende Vorgehensweise festgelegt: Sofern sich
die Untersuchungsergebnisse von AKS und Kreuzprobe
nicht verändern, also negativ bleiben, und auch die Reaktionsstärke des DCT nicht groß variiert, klären wir den
DCT nach ca. 3 Monaten erneut ab. Natürlich sollte man
hier immer die Hämolyseparameter im Blick haben.
die Kreuzprobe daher negativ ausfallen. Hier geben nur
eine positive Eigenkontrolle und ein positiver DCT den
Hinweis, dass sich „etwas entwickelt“.
KÖNNEN UNS DIE HÄMOTHERAPIERICHTLINIEN HELFEN?
Sollten die Informationen über stattgefundene oder fehlende
Vortransfusionen
(Transfusionsanamnese)
nur
Bei immunhämatologischen Fragestellungen sucht man
schwer abrufbar sein (Patient nicht ansprechbar, war vor-
gerne und oft Rat und Hilfe im Abschnitt „Blutgrup-
her in einer anderen Klinik etc.), dann könnten folgende
penserologische Untersuchungen bei Patienten“ der
Laborwerte (bzw. deren Dynamik) einen Hinweis auf
Richtlinien2.
hämolytische Ereignisse geben:
Die Ausführungen zum direkten Coombstest (4.2.5.7.2 Di-
• Hb erniedrigt bzw. gefallen
rekter AHG-Test) sind allerdings recht knapp gefasst und
• HCT erniedrigt bzw. gefallen
helfen meist nicht viel weiter:
• Bilirubin erhöht bzw. gestiegen
• LDH erhöht bzw. gestiegen
• Haptoglobin erniedrigt bzw. gefallen
• Retikulozytenzahl erhöht bzw. gestiegen
Zugegebenermaßen sind die Fälle sehr selten, bei denen
der geboosterte Antikörper nur auf den transfundierten
„Der direkte AHG-Test dient dem Nachweis von Antikörpern und Komplementfaktoren, die sich in vivo an die
Probanden-Erythrozyten gebunden haben (z. B. Auto-
Medikamente, die einen positiven DCT
verursachen können
Alpha-Methyldopa
Erythromycin
Penicilline
Aldomet
Fluoracil
Probenezid
Carbimazol
Ibuprofen
Procainamid
abklären sollte.
Chinin
Insulin
Rifampicin
In den allermeisten Fällen allerdings laufen die Abklärun-
Cephalosporine
Levodopa
Streptomycin
gen ins Leere, da es sich entweder um physiologische
Cisplatin
Metamizol
Sulfonamide
Diclofenac
Methadon
Tetracycline
Doxepin
Methotrexat
…
Erythrozyten zu finden und nicht im Plasma/Serum des
Patienten nachweisbar ist. Aber sie kommen eben vor
und sind einer der Hauptgründe, warum man die isoliert
positive Eigenkontrolle bzw. den positiven DCT überhaupt
Anlagerungen (s. Normbereiche und Nachweisgrenze)
oder um krankheits-bzw. medikamentenbedingte Phänomene handelt (wie bereits beschrieben)! Tabelle 1 zeigt
einige der Medikamente auf, die für einen positiven DCT
verantwortlich sein können.
Tabelle 1
47
antikörper, Antikörper der Mutter bei Morbus haemolyti-
In diesem Fall war nun wirklich „alles möglich“ und der po-
cus neonatorum, Alloantikörper gegen Erythrozyten bei
sitive DCT des Kindes konnte folgende Ursachen haben:
Transfusionsreaktionen). Der direkte AHG-Test sollte mit
mindestens zwei verschiedenen polyspezifischen AHGReagenzien durchgeführt werden. Bei positivem Ausfall
sind weitere Untersuchungen zur Klärung durchzuführen.“
Ich würde mir wünschen, dass in der nächsten Gesamt-
• Klinisch relevante Alloantikörper der Mutter z. B. Anti-c,
Anti-e, Anti-Fy(a), Anti-Jk(a) …
• Isohämolysine der Mutter (immunes Anti-A und/oder
Anti-B)
novelle der Richtlinien, die wohl für 2016 zu erwarten ist,
• Rhesusprophylaxe
die Ausführungen zum DCT etwas modifiziert bzw. erwei-
• Rhesusprophylaxe, Alloantikörper und Isohämolysine
tert werden. So sollte statt der Festlegung auf zwei verschiedene polyspezifische Reagenzien auch die Option
Ohne eine Abklärung des DCT oder einer Antikörper-
für den Einsatz monospezifischer Antiseren offen gelas-
differenzierung aus dem mütterlichen Serum darf hier
sen werden.
nicht einfach ein Erythrozytenkonzentrat der Blutgruppe
0 Rh negativ ccddee bestellt werden.
Auch die Formulierung „weitere Untersuchungen zur Abklärung“ sollte überdacht werden. Die Ansicht ist näm-
Der positive DCT des Kindes könnte ja auf Antikör-
lich weit verbreitet, dass die Richtlinien hier weitere
­labortechnische Untersuchungen fordern oder empfeh-
per der Mutter mit der Spezifität Anti-c zurückzuführen
sein – dann wäre die Konstellation „ccddee“ eben nicht
Untersuchungsgang – wie oben von mir dargestellt – un-
kompatibel. Und wenn bei der Mutter beispielsweise ein
­Anti-Fy(a) vorliegen würde, müsste man unbedingt ein
bedingt und oftmals vorrangig die anamnestische Abklä-
entsprechend Antigen-negatives Erythrozytenkonzentrat
rung, die nicht selten weitere aufwendige Laboruntersu-
(Fy (a) negativ) zur Verfügung stellen.
len. Tatsächlich aber gehört zu dem sich anschließenden
chungen unnötig erscheinen lässt.
In der gleichen Nacht (gegen Mitternacht!) wollte jene KliWünschenswert wäre auch, wenn auf die von mir darge-
nik aber die positive Eigenkontrolle eines älteren ortho-
stellte Problematik der Patienten mit dauerhaft positiven
pädischen Patienten abklären lassen, bevor dieser am
DCT eingegangen würde. Hier sollte richtlinienseitig der
nächsten Tag zur OP (TEP) anstand! Dieser Patient hat-
Spielraum gegeben (und damit auch durch die Richtlinien
te keine Vortransfusionen erhalten und zeigte auch sonst
als „Instanz“ gestützt) werden, Einzelfallentscheidungen
keine Auffälligkeiten in Bezug auf Hämolysezeichen. Hier
zu treffen, wie häufig der positive DCT immer wieder ab-
war meines Erachtens nach eine Abklärung überflüssig
geklärt werden muss.
(zumindest aber fragwürdig, und schon gar nicht so pressant, dass man den „Nachtdienst“ beschäftigen müsste).
Der positive DCT war mit Sicherheit durch die Medikati-
ABSCHLIESSEND EIN FALLBEISPIEL
ZU DIESER THEMATIK:
on (Schmerzmittel) verursacht. Die Liste der Medikamente, die einen positiven DCT verursachen können, ist mittlerweile sehr lang und wächst stetig weiter!
Eine Klinik ließ bei einem transfusionsbedürftigen Neugeborenen den positiven DCT nicht abklären und orderte ohne Vorbefunde der Mutter beim Blutspendedienst
ein Erythrozytenkonzentrat der Blutgruppe 0 Rh negativ ­ccddee („das geht ja bekanntlich immer…“). Niemand
Die Autorin
(weder das anfordernde Kliniklabor noch der Blutspendedienst) hatte zum Zeitpunkt der Bestellung Informationen
über die Blutgruppe oder evtl. vorhandene Alloantikörper
der Mutter und die Blutgruppe des Kindes!
Manuela Krause
Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes
Institut für Transfusionsmedizin Augsburg
Westheimer Straße 80
86156 Augsburg
[email protected]
Die Literaturhinweise zu diesem Artikel finden Sie im Internet zum
Download unter: www.drk-haemotherapie.de
48
25 2015
Brigitte Hoffmann
Qualitätssicherung im Immunhämatologischen Labor
Ursachen von Abweichungen und Maßnahmen zur Prävention
Zusammenfassung
Summary
In der Transfusionsmedizin liegen großer Nutzen und großer Schaden eng
In transfusion medicine great benefit and great harm are closely together. So
beieinander. Deswegen wird hier höchste Qualität und Sicherheit gefordert.
the top quality and security is demanded here. In the immunohaematological
Im Immunhämatologischen Labor, als einem Glied der gesamten Transfu-
lab, as a limb of the complete transfusion chain, numerous measures already
sionskette, werden bereits zahlreiche Maßnahmen zur Qualitätskontrolle be-
carried out to the high-class control with regard to methodology and work
züglich Methodik und Arbeitsablauf durchgeführt. Dies allein ist jedoch nicht
routine. Nevertheless, this alone is not sufficient to minimize risks and to avoid
ausreichend, um Gefahren zu minimieren und mögliche Fehler zu vermeiden.
possible errors. Rather the complete process must be considered. All persons
Vielmehr muss der gesamte Ablauf betrachtet werden. Alle Personen, die in
involved in the transfusion process must take responsibility for their actions in
den Transfusionsprozess involviert sind, müssen Verantwortung für ihr Han-
order to avoid potential errors.
deln übernehmen, um potentielle Fehler zu vermeiden.
EINFLUSSGRÖSSEN VON
FEHLERN IM LABOR
EINFÜHRUNG
Die Qualitätssicherung im Immunhämatologischen Labor
mit den dazugehörigen Kontrollen und der aufwendigen
Von der Anforderung der Testung bis zur endgültigen
Dokumentation, insbesondere am manuellen Arbeits-
Berichterstattung der Ergebnisse kann jeder Feh-
platz, mag sich zunächst lästig und übersteigert darstel-
ler, der theoretisch möglich ist, irgendwann tatsächlich
len. Doch niemand möchte an einer Fehltransfusion mit
vorkommen.
ihren fatalen Folgen ursächlich beteiligt sein.
Bei der Sicherheit von Vene zu Vene liegt die Qualitätssicherung nicht nur in der Verantwortung einer Person oder
einer Abteilung. Qualität ist hier „Everybodys Business!“
Alle Personen, die in den Transfusionsprozess involviert
!
Die Folgen können tödlich sein!
Sie können vermieden werden!
Was müssen wir tun?
sind, müssen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen,
um potentielle Fehler zu vermeiden. Gerade auch die
Bei entstandenen Fehlern oder besser ausgedrückt Ab­
Schnittstellen vor und nach dem Immunhämatologischen
weichungen bzw. Vorkommen unerwarteter Ereignisse
Labor müssen besonders kritisch betrachtet werden.
muss man verdeutlichen:
Blutspende
Bluttransfusion
Blutabnahme Patient
Probeneingang im Labor
Konservenverarbeitung
Transportwege
Ausgabe aus Blutdepot
Immunhämatologisches Labor
Transportwege in Klinik
Transfusionsvorbereitung
Bedside-Test, Überwachung
49
Es geht nicht um persönliche
Schuldzuweisungen, sondern um die Sicherheit
und das Wohlbefinden des Patienten!
Fehlerhäufigkeit steigt auch stark an, wenn die Mitarbeiter unzureichend ausgebildet, gestresst oder übermüdet sind, wie dies z. B. bei Überlastung durch Personal-
Bei einer offenen Fehlerkultur,
mangel entstehen kann. Aber auch Gedankenlosigkeit
und Nichtbeachtung der Vorgaben spielen hier eine ­Rolle.
ohne Befürchtung von Sank-
So sind Verschreiben, Vertippen, Vergessen, Verwech-
tionen, müssen entstandene
seln die häufigsten Ursachen für fehlerhafte Ergebnisse.
Fehler nicht vertuscht werden
Für einfache Routineuntersuchungen ist die Zeit der MTA
und man hat die Chance, aus
einem entstandenen Fehler
viel zu kostbar. Diese Tätigkeiten werden durch Automaten ­effizienter ausgeführt. Zahlreiche In-Prozess-Kontrol-
zu lernen, damit er nicht ein
len gewährleisten dabei Sicherheit für jeden Arbeitsschritt.
zweites Mal vorkommt.
Mit entsprechender EDV-Unterstützung werden PatienDer Faktor „Inadäquate so-
tendaten, Ergebnisse und Chargenbezeichnungen fehler-
ziale Interaktion“ wirkt dabei
frei dokumentiert.
in besonderem Maße kritisch mit anderen Einflussgrößen
zusammen. Übergabe und Weitergabe von Informationen
in der Transfusionsmedizin sind überlebensnotwendig!
Aber das ist einfacher gesagt als getan.
Ein weiteres wichtiges Augenmerk gilt der Qualifizierung
der zuständigen Mitarbeiter. Es entscheiden zunehmend
die Klinikverwaltungen, welches Personal wie und wo
möglichst kostengünstig eingesetzt werden kann.
Missverständnisse aller Art (Koordinationsschwierigkei-
So kommt es nicht selten vor, dass z. B. MTAs, die sonst
ten, Kompetenzdifferenzen, Sprachbarrieren) sind oft
tagsüber ausschließlich in der Klinischen Chemie einge-
Ursachen für Fehler oder Fehlverhalten! Eine eindeutige
setzt sind, nachts das Blutdepot mit abdecken müssen.
Kommunikation sollte daher rechtzeitig, verständlich und
Es sind dann nur geringe Kenntnisse vorhanden und eine
möglichst schriftlich erfolgen.
aufgetretene Schwierigkeit wird irgendwie gelöst.
Blutgruppenserologie ist eine der MTA vorbehaltene Tätigkeit. So steht es im MTA-Gesetz. Aber inzwischen ist,
so wie in der gesamten Medizin, das Wissen so umfangreich geworden, dass Spezialisierungen nötig sind. Institutionen, die dieses Wissen vermitteln, sind dünn gesät und werden zunehmend weniger. Unzureichende
Schulung oder Ausbildung ist ein Risiko und in der heutigen Zeit des effizienten Gesundheitssystems ein weiterer krankmachender Faktor. In TFG und Richtlinien heißt
es: Der transfundierende Arzt muss besonders sachkun-
50
Mit zu den häufigsten Abweichungen gehören Konzen-
dig sein. Jedoch bedingt durch den gravierenderen Ärz-
trationsfehler. Die volle Aufmerksamkeit auf die gerade
temangel, auch in den Kliniken, kann man sich immer we-
ausgeführte Tätigkeit zu lenken, ist bei dem heute übli-
niger auf das nötige Spezialwissen „Transfusionsmedizin“
chen „Multitasking“ im Labor oft nicht mehr möglich. Die
der diensthabenden Ärzte verlassen.
25 2015
Ein Support seitens der Blutspendedienste ist deshalb ein
wichtiges Sicherheitstool für diensthabende MTAs, Ärzte
Richtlinien heißen zwar „Richtlinien“, haben aber
­Gesetzescharakter, wenn es zu rechtlichen Auseinander-
und letztendlich für Patienten. Dies gilt vor allen Dingen
setzungen kommen sollte.
am Abend, in der Nacht und an den Wochenenden.
!
Doch für manch einen bleibt das ganze Qualitätsmanagement-System ein Dorf mit vielen Q´s und so ist es
„Wer mit Anerkennung knausert,
spart am falschen Ort.“
auch nicht verwunderlich, wenn man die Begrifflichkeiten
durcheinander bringt.
All diese Gesetze und Richtlinien sind kein Garant und er-
Anerkennung braucht jedermann! Mangelnde Wert-
setzen nicht die wichtigste Voraussetzung für gute Qua-
schätzung wirkt sich auf Mitarbeiter ziemlich demotivie-
lität: Gut ausgebildete, motivierte Mitarbeiter in allen
rend aus. Und wenn die Motivation sinkt, steigt das Feh-
Funktionen und in ausreichender Anzahl!
lerrisiko! Dieser sog. „softskill“ wirkt sich nicht nur qualitätsmindernd aus, wenn z. B. nur noch nach Vorschrift
Die Mindestanforderungen zur Qualitätssicherung für
gearbeitet wird und Augenmaß und gesunder Menschen-
das Immunhämatologische Labor sind im Kapitel 4 der
verstand außen vor bleiben, sondern es kann für den Trä-
„Hämotherapie-Richtlinien“ und im Speziellen Teil B 2
ger der Einrichtung richtig teuer werden, wenn Mitarbeiter
„Qualitative
laboratoriumsmedizinische
langsamer und ohne Engagement ihre Arbeit verrichten,
Untersuchungen“ beschrieben. Demzufolge ist es verpflichtend, ­alle
gleichgültig handeln oder öfter als nötig krank sind.
Qualitätsmerkmale des Labors in einem Qualitätsmanagement-Handbuch zusammen zu fassen.
In der Transfusionsmedizin liegen
großer Nutzen und großer Schaden eng
beieinander. Deswegen ist hier höchste
Qualität und Sicherheit gefragt.
An einer Externen Qualitätskontrolle in Form des sog.
Ringversuches muss demgemäß 4-mal jährlich teil genommen werden. Die hier durchzuführenden Tests richten sich nach dem jeweiligen Untersuchungsumfang des
Im Bestreben nach einem gut funktionierenden Quali-
Labors. Hierbei wird die Materialienqualität, die Metho-
tätsmanagement-System wurden zahlreiche Regularien,
deneffizienz und das Fachwissen der Mitarbeiter über-
wie TFG, AMWHV, MPG, AMG, Leitlinien zur Therapie mit
prüft. Der für das Labor verantwortliche Arzt muss das
Blutkomponenten, EU-Guidelines, MTA-Gesetz usw. auf-
Bestehen bzw. Teilnahme des RV bei der Ärztekammer
gestellt, die u. a. Verantwortlichkeiten und Qualifikationen
oder Kassenärztlichen Vereinigung melden. Sollte wegen
festlegen.
eines unrichtigen Testergebnisses kein Zertifikat erteilt
worden sein, so hat man die Verpflichtung, die Unrichtig-
Zu den hier bedeutendsten Regelwerken gehören die
keit zu klären und zu beheben, sowie diesen Vorgang zu
Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandtei-
protokollieren!
len und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Quali-
Die gesetzlichen Vorgaben zur Einhaltung der Internen
tätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchun-
Qualitätskontrolle sind in den RiliBÄK und Rili zur Hä-
gen und die Regeln der Guten Herstellungspraxis (GMP).
motherapie verhältnismäßig kurz abgehandelt. Diesen
zufolge sollen die ABO-Merkmale, die Rhesusformel mit bekannten Blutgruppen, sowie der Direkte ­Anti-Humanglobulintest mit zwei
verschiedenen
polyspezifischen
AHG-Reagenzien nach Angaben der
­Reagenzienhersteller,
wenigstens
wöchentlich bzw. bei Chargenwechsel überprüft werden. Für weitere
Antigenaustestungen, wie z. B. Kell,
Duffy, Kidd usw., ist wie beim Rhesus-System ein zweites Antiserum
(bzw. Klon) erforderlich. Negative
51
und positive Kontrollen sollen mitgeführt werden, wobei
Die Sensitivität und Spezifität des Antikörpersuchtestes
sich der Einsatz einer Zelle mit schwacher Antigenausprä-
ist arbeitstäglich mit einem geeigneten Serum bekannter
gung (heterozygot) für die Positivkontrolle empfiehlt.
Antikörperspezifität von schwacher Reaktivität zu kontrollieren. Diese Kontrolle ist bei jeder verwendeten Technik
Die verwendeten Chemikalien, Lösungen, Supplemen-
und in jedem Nachweismilieu durchzuführen.
te, Enzyme, Plasmen und Testzellen sind wöchentlich
auf ihre Beschaffenheit, insbesondere auf Hämolyse,
­Schlierenbildung und Trübung zu überprüfen.
Entsprechende Kontrollkits für die interne Qualitätskontrolle werden von nahezu allen Reagenzienherstellern
angeboten. Die Positivkontrolle für den Antikörpersuch-
Das Erkennen von patientenspezifischen Störfaktoren wie
test (meist ein Anti-D) muss entsprechend verdünnt wer-
Pseudoagglutinationen, Mischfeldagglutinationen, Auto-
den, um eine schwach positive Reaktion zu erhalten. Eine
Antikörper oder Spontanhämolyse sollte eine Selbstver-
Standardisierung stellt sich schwierig dar, da auch die un-
ständlichkeit sein.
terschiedliche D-Antigenausprägung der Erythrozyten zu
Abweichungen führt. Mit einem schwach reagierendem
Die Ergebnisangaben der Qualitätskontrolle sollen folgen-
Anti-Fy(a) Kontrollserum kann eine Enzymkontamination
de Daten enthalten: Hersteller der verwendeten staatlich
z. B. der AKS-Zellen überprüft werden.
zugelassenen Testseren und Reagenzien, Verfallsdatum,
Chargen-Nr. und Klon, sowie die Reaktionsstärke (1 bis 4).
Bei der Antikörperidentifizierung lassen sich keine festen, immer gültigen Regeln aufstellen. Ein eingeschlage-
Für alle Dokumente der internen und externen Qualitäts-
!
ner Weg kann zum Ziel oder in die Irre führen. Deshalb
kontrolle gilt eine Aufbewahrungsfrist von 5 Jahren. Hierzu
bedarf es hier zur Ergebnisfindung neben reichlichem
gehören auch die Hygieneprotokolle und Temperaturauf-
Wissen auch vieler Erfahrung. Damit ein Zufallsbefund
zeichnungen. Ein sauberer und ordentlicher Arbeitsplatz
ausgeschlossen werden kann, ist es notwendig, den oder
ist die Grundbedingung der Guten Herstellungspraxis.
die detektierten Antikörper über mindestens zwei weitere positive und negative Testzellen abzusichern. Auch die
dazugehörige Antigenbestimmung gibt Aufschluss über
„Tue, was aufgeschrieben ist.
Schreibe auf, was getan ist.
Was nicht aufgeschrieben ist,
ist nicht getan.“
die gefundenen Antikörper. Im Befundbericht ist die Relevanz der Antiköper für eine Transfusion oder Schwangerschaft anzugeben. Damit klinisch relevante Antikörper
auch im Falle eines Titerabfalls unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze berücksichtigt werden können, ist der betreffenden Person ein Notfallpass auszustellen.
Jeder Teil des Equipments wie z. B. Inkubatoren,
Waschzentrifugen, Reagenzien-Kühl- und Gefrierschrän-
Für alle Methoden gilt es nach dem neuesten Stand der
ke, Pipetten, Timer, Thermometer usw. muss auf Funktio-
Wissenschaft und Technik zu arbeiten. Zum Nachweis
nalität überprüft werden. Alle Ereignisse sind in einem sog.
von Antikörpern ist der indirekte Antihumanglobulintest
Gerätebuch festzuhalten. Geräte, insbesondere Automa-
(oder vergleichbare Methoden wie z. B. ein Festphasen-
ten, sind an jedem Arbeitsplatz auf ihre Funktionstüchtig-
Immuno-Assay) vorgeschrieben. Generell gilt es die Ar-
keit zu überprüfen. Hierbei sind Kontrollen bzw. Validie-
beitsanleitungen einschließlich dazugehöriger Qualitäts-
rungen bei Neuinstallationen, nach Reparaturen, bei Pro-
kontrollen der Diagnostika-Hersteller zu beachten.
blemen und regelmäßig durchzuführen. Die Freigabe zum
Wiedereinsatz erfolgt durch eine verantwortliche Person.
Eine Validierung eigener Arbeitsweisen ist unumgänglich,
Zur Qualitätskontrolle gehören auch die Überwachung
abgewichen wird.
wenn aus praktikablen Gründen von diesen Vorschriften
der Transportbedingungen von Blutpräparaten, sowie eine Depotoptimierung. Die Lagerung der Blutkomponen-
Die häufigste Ursache eines schweren hämolytischen
ten bedarf einer kontinuierlichen Temperaturaufzeichnung.
Transfusionszwischenfalls ist die Verwechslung von Patient, Blutprobe oder Blutkonserve. Daher ist die Identität
Achtung! Bei häufiger und zu langer ­Verweildauer
des Patienten, der Blutprobe und der Konserve an meh-
(z. B. RT > 30 min) der Erykonzentrate während der Labor-
reren Stellen zu sichern!
arbeiten riskiert man ein Keimwachstum innerhalb des
Arzneimittels.
52
Die Probenidentifikation beim Eingang ins Labor ist
25 2015
­deshalb mit besonderer Sorgfalt zu prüfen. Was nützt ei-
Wenn Blutprodukte aus dem Blutdepot ausgegeben wer-
ne perfekt bestimmte Blutgruppe, wenn der „falsche Pa-
den, ist eine nochmalige Überprüfung von Patientendaten,
tient im Röhrchen“ ist? Deshalb ist hier neben dem doku-
Begleitpapieren und des Blutpräparats auf Unversehrtheit
mentierten Eingangszeitpunkt ein Vergleich von Begleit-
oder Hämolysezeichen dringend erforderlich.
papieren und Probenröhrchen wichtig. Ein Heranziehen
von Vorbefunden gibt zusätzliche Sicherheit.
Jedes immunhämatologisch arbeitende Labor sollte neben der Einhaltung der in den Richtlinien niedergelegten
Standards die eigenen speziellen Begebenheiten berücksichtigen und die individuellen Regeln daraufhin erweitern.
Dies ist in Arbeitsanleitungen (SOPs) festzulegen, zu
schulen und deren Einhaltung ist z. B. mittels Selbstinspektionen zu überprüfen. Werden Abweichungen festgestellt, sollen diese ausgewertet und korrigierende sowie
präventive Maßnahmen folgen.
Die Anforderung für Blutprodukte entspricht einem ärztlichen Rezept. Sie muss vollständig ausgefüllt, von der ab-
Selbstverständlich ist die Teilnahme an der Transfusions-
nehmenden Person unterschrieben und mit dem Entnah-
kommission, genauso wie an regelmäßig stattfindenden
medatum, das die Gültigkeit der Kreuzprobe limitiert, ver-
Besprechungen und angebotenen Fortbildungsveranstal-
sehen sein.
tungen. Durch ein multidisziplinäres Audit, das sich auch
außerhalb des Labors über Transportwege, Station, OP,
Der anfordernde Arzt haftet für die Identität der Blut-
Notaufnahme erstreckt, erhält man Einsicht in den ge-
probe! Für alle immunhämatologischen Untersuchungs-
samten Transfusionsprozess.
aufträge sind bedeutende anamnestische Angaben notwendig. Dies betrifft die Diagnose, aktuelle Medikation,
Vortransfusionen, Schwangerschaften, Rh-Prophylaxe,
Um bestmögliche Qualität auch in Notfallsituationen
­sicher zu stellen, soll ein entsprechender Katastrophen-
Z. n. Knochenmark-/Stammzell-Transplantation, Vorbe-
Plan aufgestellt und regelmäßig eingeübt werden.
funde bezüglich der Blutgruppe und irregulärer Antikörper.
Es würde den Rahmen sprengen, hier alle zweckmäßiZur Durchführung aller Teste gehört eine lückenlose und
gen Maßnahmen zur Qualitätskontrolle im Detail zu be-
GMP-gerechte Dokumentation aller Untersuchungser-
schreiben. Jedes Labor muss für sich entscheiden, wel-
gebnisse im Labor. Die Aufbewahrungsfrist beträgt je
che zusätzlichen Kontrollen sinnvoll sind. Generell ist
nach Dokument bis zu 30 Jahren.
festzustellen, dass Qualitätssicherung kein statischer
Zustand ist. Denn, wie es so schön heißt, man befindet
Die Kontrolle aller Daten nach Abschluss immunhämatologischer Untersuchungen, durch eine zweite qualifizierte Person, das sog. 4-­AugenPrinzip, ist von enormer Wichtigkeit!
sich hier in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess,
wobei Augenmaß und gesunder Menschenverstand eine
wichtige Rolle spielen.
Die Autorin
Brigitte Hoffmann
Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes
gemeinnützige GmbH
Institut für Transfusionsmedizin Augsburg
Westheimer Straße 80
86156 Augsburg
[email protected]
Die Literaturhinweise zu diesem Artikel finden Sie im Internet zum
Download unter: www.drk-haemotherapie.de
53
Dokumentation von Transport und Lagerung
von Gerinnungspräparaten
LESERFRAGE:
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin externer Qualitätsbeauftrag-
PPSB, ATIII, Fibrinogen o.Ä. in einem Zwischenlager nah an den mög-
ter für Hämotherapie für 2 Krankenhäuser. In den Transfusionskom-
lichen Patienten.
missionen kommt immer wieder die Frage nach der korrekten Dokumentation auf. In den Richtlinien steht unter „4.3.10 Dokumentation“:
Im Fall eines empfängerseitigen Lookbacks sind dann nur das Applikationsdatum und Uhrzeit sowie die Chargennummer des Plas-
„Die Annahme nach Transport [ ... ] sind lückenlos zu dokumentieren“
maderivates bekannt. Transport/Annahme/Zeitpunkt können jedoch
Dies betrifft ja sicherlich auch Plasmaderivate aus der Apotheke oder
nicht eindeutig zurückverfolgt werden, da mehrere dieser Blutproduk-
dem Labor. Diese haben jedoch nur eine Chargennummer – Eine in-
te auf Station aus unterschiedlichen Lieferungen (der Apotheke) die-
dividuelle eineindeutige Nummer wie bei einer Blutkonserve wird nicht
selbe Chargennummer haben. Somit kann 4.3.10 nicht vollständig er-
vergeben. Zwar dürfen diese Blutprodukte auf Station nicht auf Vor-
füllt werden.
rat vorgehalten werden, ohne dass diese für einen bestimmten Patienten bestimmt wären. Jedoch finden sich auf Intensivstationen häufig
Welches praktische Vorgehen können Sie empfehlen?
ANTWORT:
teren Dokumentation zu verwenden. Mir ist nur ein EDVSystem bekannt, dass diese Möglichkeit bietet.
Sehr geehrter Herr Kollege, in Ihrer Anfrage über die Dokumentation von Transport und Lagerung von Gerinnungs-
Für die Etablierung sinnvoller, einfacher und praktika-
präparaten greifen Sie ein Problem auf, dass auch mir bei
bler Lösungen in den Krankenhäusern lohnt es sich je-
Audits in Krankenhäusern immer wieder unterkommt. Im
doch (wie eigentlich immer) den sachlichen Hintergrund,
Gegensatz zu den Blutkomponenten (Erythrozytenkon-
der in den Richtlinien unter 4.3.10 genannten Festlegun-
zentraten, Thrombozytenkonzentraten und therapeuti-
gen anzusehen. Es geht hier darum, den dokumentierten
schen Plasmen), bei denen jeder einzelne Beutel seine
Nachweis zu führen, dass Blutprodukte und Blutkompo-
eigene Chargennummer hat, tragen bei Gerinnungsfak-
nenten ordentlich und sachgemäß gelagert und transpor-
toren und Plasmaderivaten oft hunderte gleichartiger Pro-
tiert wurden. Meines Erachtens ist es dabei nicht zwin-
dukte dieselbe Chargennummer. Dies ist für Medikamen-
gend erforderlich künstliche (Sub-) Chargennummern
te, die in größeren Gebinden hergestellt werden üblich.
zu schaffen. Ich habe in einigen Häusern sehr gute Do-
Daher lässt sich die von den Blutkomponenten gewohn-
kumentationen gefunden, die sich sowohl in Papierform,
te und etablierte Technik der absolut individuellen Doku-
als auch elektronisch an dem uns allseits aus der Kran-
mentation des Transportes, der Annahme und der Lage-
kenhauspraxis bekannten „BTM-Buch“ orientieren. Hier
rung jedes einzelnen Beutels nicht so ohne Weiteres auf
wird bei Übernahme mehrerer Produkte ein und dersel-
diese industriell hergestellten Produkte übertragen.
ben Charge die Übernahme der einzelnen Gebinde und
deren Menge in den Bestand dokumentiert mit Zeitpunkt
54
Wollte man den Anspruch der absolut individuellen
­Dokumentation für jedes einzelne Produkt, auch für die-
der Übernahme. Bei Ausgabe einzelner Produkte dieses
se industriell hergestellten Produkte realisieren, dann blie-
Chargennummer und Patient hergestellt. Die Dokumenta-
be hier nur die Möglichkeit seitens der versorgenden Apo-
tion der Annahme nach Transport und der Lagerungsbe-
theke, oder bei Übernahme der Produkte durch das De-
dingungen erfolgt damit natürlich für eine gewisse Anzahl
pot, zusätzlich zu den vorhandenen, nicht eindeutigen
einzelner Produkte gemeinsam, gleichwohl kann aber
Chargennummern, selbst generierte Chargennummern
dann bei Zweifeln an der ordnungsgemäßen Lagerung
für die Einzelprodukte zu verteilen und diese bei der wei-
und Transport auf diese Gesamtdokumentation zurück-
Gebindes wird dann eine eindeutige Zuordnung zwischen
25 2015
gegriffen werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang
Eine Regelung auf dieser Basis wird aus meiner Sicht den
allerdings, dass für den Fall, dass zu unterschiedlichen
Anforderungen der Richtlinien, wie sie unter Punkt 4.3.10
Zeitpunkten Präparate mit gleicher Chargennummer an-
ausgeführt sind, gerecht werden.
geliefert werden, eine saubere Logistik im Bezug auf
­First-in, First-out sichergestellt ist.
Freundliche Grüße
PD Dr. med. Thomas Zeiler
Anwendung eines Dreiwegehahns
LESERFRAGE:
4.3.4 Aufgaben des transfundierenden Arztes
Der transfundierende Arzt hat sich über die Aufklärung und Einwilligung des Patienten vor Einleitung der
Transfusion zu versichern ­(s. Abschn. 4.3.10). Die Einleitung der Transfusion erfolgt durch den Arzt, bei
mehreren zeitlich unmittelbar nacheinander transfundierten Blutkomponenten werden die Einzelheiten
im ­Qualitätssicherungssystem unter Beachtung der Abschnitte 4.3.2 und 4.3.2.1 festgelegt.
Nun wurde die Frage aufgeworfen, ob es machbar ist, dass zwei
­anderen ­Konserve beaufsichtigt. Dann würde er sich entfernen, die
Konserven über einen Dreiwegehahn angeschlossen werden, der
­Bedside-Test gemacht wird, und dann der transfundierende Arzt zu-
die Pflege würde über den Dreiwegehahn den Konservenwechsel
nächst einen kleinen Teil der einen und dann einen kleinen Teil der
vornehmen.
ANTWORT:
Transfusion würde aber nicht „unbeaufsichtigt“ erfolgen,
weitere Transfusion würde dann also unbeaufsichtigt erfolgen und
denn es ist ja in den Hämotherapie-Richtlinien gefordert,
Die nach Abschnitt 4.3.4 im QM-System festzulegenden
dass für eine geeignete weitere Überwachung zu sorgen
Einzelheiten der Transfusionseinleitung bei mehreren zeitlich unmittelbar nacheinander transfundierten Blutkom-
ist. Auch wenn dieser Wortlaut – übrigens sinnvollerweise
– ­Interpretationsspielraum lässt, kann es nicht sein, dass
ponenten können nichts anderes beinhalten, als dass der
„die weitere Transfusion ... dann also unbeaufsichtigt erfol-
gewählte Weg garantieren muss, dass die Transfusion je-
gen“ würde. Mindestens muss die zuständige Pflegekraft
der einzelnen Blutkomponente durch den Arzt eingelei-
die zeitliche Kapazität haben, regelmäßig nach dem Pa-
tet wird, weil die Transfusionseinleitung in Deutschland
tienten zu sehen. Der zuständige transfundierende Arzt
schon immer eine nicht delegationsfähige Arztaufgabe
muss außerdem unverzüglich erreichbar sein.
war und ist. Dabei sind auch die Anforderungen an die
Identitätssicherung und den Bedside-Test je Transfusi-
Die Bestimmung, dass die transfundierende ärztliche Per-
onsserie zu beachten. Die Einleitung der Transfusion einer
son die Transfusion von Blutkomponenten persönlich ein-
Blutkomponente ist also generell nicht delegierbar, son-
zuleiten hat, bezieht sich auf die Durchführung der bio-
dern nur die Fortführung der Transfusion.
logischen Verträglichkeitsprüfung, auch Oehleckerprobe
genannt, die ergänzend zur serologischen Verträglich-
In der Praxis kann dieses Problem tatsächlich dadurch
keitsprüfung durchgeführt werden muss. Diese Verträg-
gelöst werden, dass nach Durchführung des Bedside-
lichkeitsprüfung geht auf den Chirurgen Oehlecker und
Tests zwei Konserven über einen Dreiwegehahn ange-
die Zeit der Direkttransfusion von Spendern auf Empfän-
schlossen werden und der transfundierende Arzt zu-
ger zurück; sie besteht in der raschen Übertragung von
nächst einen kleinen Teil der einen und dann einen klei-
10–20 ml Blut, die bei Unverträglichkeit im AB0-System
nen Teil der anderen Konserve transfundiert und dabei
innerhalb weniger Minuten zu Gesichtsrötung, Unruhe
den Patienten auf Unverträglichkeitsreaktionen beob-
und Übelkeit führt. Treten diese Symptome auf, ist die
achtet. Dann würde sich der Arzt entfernen. Die weitere
Transfusion selbstverständlich sofort abzubrechen, da
55
sich ansonsten rasch eine ausgeprägte Schocksympto-
Christoph Metzelder
matik einstellen würde.
Nicht nur die Überprüfung der zu applizierenden Blutkomponenten gehört zu den wesentlichen transfusionsvorbereitenden Aufgaben, die nicht delegierbar sind, son-
Mutspende 2015
MIT BLUT SPENDEN MUT SPENDEN.
dern auch diese biologische Sicherheitsprüfung. Sie und
nur sie ist der Grund dafür, warum der Arzt die Transfu-
Das Motivieren der Menschen in Deutschland für die Blut-
sion von Blutkomponenten persönlich einzuleiten hat. Es
spende ist eine der zentralen Aufgaben der Blutspende-
gibt keinen Grund, hier irgendwelche Unterschiede zwi-
dienste des Deutschen Roten Kreuzes. Gleichzeitig ist es
schen der ersten und jeder nachfolgenden Konserve zu
aber auch eine der größten Herausforderungen: Rund
sehen. Die Einleitung der Transfusion einer Blutkompo-
um die Uhr und 365 Tage im Jahr müssen Patienten in
nente ist also generell nicht delegierbar, sondern nur die
Deutschland mit Blutpräparaten versorgt werden, sodass
Fortführung der Transfusion.
der Bedarf an Blutspenden nie ausbleibt.
In der Praxis wird dieses Problem gelegentlich dadurch
Um diesem Auftrag gerecht werden zu können, müs-
gelöst, dass mehrere Blutkomponenten über ein Mehr-
sen die Blutspendedienste des DRK regelmäßig aus der
weg-Infusionssystem verbunden werden und zunächst
kleine Teilvolumina aller Blutkomponenten, deren Transfusion geplant ist, appliziert werden. Damit ist die Transfusion all dieser Blutkomponenten eingeleitet und die Fortführung wird dann an das Pflegepersonal delegiert. Wenn-
mutspende.de
gleich dies sachlich nicht zu beanstanden ist, stellt sich
doch die Frage, wozu solche Konstruktionen notwendig
sein sollen. Sie werden letztlich immer auf eine Personalknappheit zurückzuführen sein, die das haftungsrechtliche Problem nach sich zieht, wie die Patientensicherheit
gewährleistet ist, wenn im Verlauf der Transfusionsfortführung unerwünschte Reaktionen auftreten.
Deshalb muss an dieser Stelle abschließend darauf hingewiesen werden, dass zwar die Fortführung und die Überwachung der Transfusion delegierbar sind, keinesfalls jedoch die ärztliche Verantwortung für diese Prozesse. Diese ist grundsätzlich nicht delegierbar. Eben aus diesem
Grund kann man die Leseranfrage auch nicht präziser
und befriedigender beantworten. Die Regelung der nach
Abschnitt 4.3.4 im QM-System festzulegenden Einzelheiten der Transfusionseinleitung bei mehreren zeitlich unmittelbar nacheinander transfundierten Blutkomponenten
muss unbedingt die organisatorischen, personellen und
technischen Besonderheiten der eigenen Einrichtung berücksichtigen, um den richtigen Weg zwischen Personalknappheit, angestrebter organisatorischer Erleichterung, Patientensicherheit und Haftungsrecht zu finden.
Freundliche Grüße
Prof. Dr. med. Robert Zimmermann
56
25 2015
MIT BLUT
MUT
Masse der Werbetreibenden heraustreten und in das Be-
te Gesichter. Mittlerweile ist es zum Standard g
­ eworden,
wusstsein der Zielgruppe vordringen. Täglich prasseln
­etwa 10.000 Werbebotschaften auf jeden Deutschen ein,
dass mit Hilfe von bekannten Persönlichkeiten aus den
aus der jede einzelne versucht herauszustechen. In die-
schauer gewonnen wird und im Optimalfall die Marken-
sem Kommunikationskampf um die Währung „Aufmerk-
attribute der Personen auf die Marke übertragen werden.
samkeit“ konkurrieren die Blutspendedienste mit sämtli-
Hierbei spielt insbesondere die Authentizität eine große
verschiedensten Branchen die Aufmerksamkeit der Zu-
chen Werbetreibenden in Deutschland – vor allem aber
Rolle. Gerade die jüngere Zielgruppe bewertet Prominen-
mit Hilfsorganisationen und Projekten, die ebenso den
te durchaus reflektiert und sieht es nicht gerne, wenn ein
Anreiz „Gutes tun“ bzw. „Menschen in Not helfen“ befrie-
Promi „wild“ für Marken aus allen Umfeldern wirbt, die im
digen. Erschwerend kommt hinzu, dass oftmals die Bar-
schlimmsten Fall nicht einmal zu ihm oder ihr passen.
rieren für eine Unterstützung der Hilfsorganisationen sehr
viel niedriger liegen als bei denen einer Blutspende, die
Ein positiv aufgeladenes Umfeld, in dem Marken gerne
statt einer Online-Überweisung immer einen Aufwand
mit Prominenten werben, ist der Sport. Gerade Jugendli-
von circa einer Stunde mit sich bringt.
che identifizieren sich leicht mit Sportlern und in Deutsch-
Die Aufmerksamkeit der Zielgruppe kann durch positive
mehr Strahlkraft entfacht. Im letzten Jahr nutzten die Blut-
Auffälligkeiten gewonnen werden – z. B. durch prominen-
spendedienste des DRK genau dieses Umfeld, um mit
land insbesondere mit Fußballern, wodurch die Werbung
Fußballprofis aus der Bundesliga auf die Thematik „Blutspenden“ aufmerksam zu machen.
Unterstützt von:
Mit einer Award-Idee der Hamburger Werbeagentur
Jung von Matt, in der Julian Draxler und weitere Größen
der Bundesliga aus dem Bereich des Blutspendedienstes West, Gesichter einer deutschlandweiten Kampagne
wurden, konnte eine PR-Welle losgetreten und deutsch-
SPENDEN
SPENDEN.
landweit auf die Thematik aufmerksam gemacht werden.
Die Idee hinter den blutspendenden Fußballprofis: Mit einer Blutspende geben die Profis zusätzlich eine Portion
Kampfgeist, Siegeswille und Kraft an die Patienten weiter – die Blutspende wird also gleichzeitig zur Mutspende.
Um diesen Erfolg noch auszubauen, wurde die Mutspende-Kampagne in diesem Jahr auf ganz Deutschland ausgeweitet. Mit Fußballern wie Clemens Fritz (Werder Bremen), Alexander Meier (Eintracht Frankfurt) oder KlaasJan Huntelaar (FC Schalke 04) aus den Einzugsgebieten
der regionalen Blutspendedienste, wurde bewusst Nähe erzeugt, welche die Identifikation der potentiellen Blutspender mit den Mutspendern erhöht. Auf einem gemeinsamen Mannschaftsfoto treten die Spieler und Patienten
als „Mutspende-Elf“ auf und sagen der Blutarmut den
Kampf an. Alle Kampagnenmotive sowie der PR-Film sind
unter www.mutspende.de zu finden.
Der Autor
Christoph Metzelder
Ehemaliger Fußballprofi
Geschäftsführer Jung von Matt/sports und
Sky-Experte
57
Die Autoren
Prof. Dr. Peter Bugert
Jahrgang 1964, ist Molekularbiologe und leitet seit März
2000 das molekularbiologische Labor am Institut für
Transfusionsmedizin und Immunologie Mannheim des
DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg - Hessen
gemeinnützige GmbH. Nach seinem Biologie-Studium
in Würzburg und Heidelberg war er zunächst am Max-Planck-Institut für
Medizinische Forschung in Heidelberg tätig um seine Promotion im Bereich
molekulare Bakteriologie anzufertigen. Es folgten 5 Jahre als Postdoc in Heidelberg mit Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der molekularen Onkologie.
Seit seinem Wechsel in die Transfusionsmedizin im Jahr 2000 arbeitet Prof.
Bugert auf dem Gebiet der Thrombozyten-Immunologie und -Funktion sowie
der Molekulargenetik der Blutgruppen. Im Jahr 2004 hat er an der Medizinischen Fakultät Mannheim im Fach Klinische Molekularbiologie habilitiert
und lehrt seitdem die Fächer Biochemie und Molekularbiologie im Mannheimer Reformstudiengang für Medizin (MaReCuM). Seit Oktober 2007 ist er
akademischer Oberrat an der Medizinischen Fakultät Mannheim und führt seit
Dezember 2008 die Bezeichnung außerplanmäßiger Professor. Prof. Bugert
ist Autor und Koautor von über 100 wissenschaftlichen Originalarbeiten, Übersichtsartikeln und Buchbeiträgen. Er ist Gutachter zahlreicher internationaler
Fachzeitschriften und Mitherausgeber der Zeitschrift „Transfusion Medicine
and Hemotherapy“.
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gemeinnützige GmbH,
Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie Mannheim, FriedrichEbert-Straße 107, 68167 Mannheim, [email protected]
Dr. phil. nat. Sofia Lejon Crottet
ist seit 2012 stellvertretende Abteilungsleiterin des Immunhämatologielabors und des schweizerischen nationalen Referenzlabors für Immunhämatologie. Dr. Lejon
Crottet arbeitet seit 2009 bei der Interregionalen Blutspende SRK AG (ehemalige Blutspendedienst SRK Bern
AG). Sie war zunächst in der Forschung und Entwicklung tätig im Bereich
molekulare Blutgruppendiagnostik. Wissenschaftlich beschäftigt sie sich mit
der Abklärung immunhämatologischer Spezialfälle, serologisch sowie molekularbiologisch. Daneben absolviert sie die monodisziplinäre FAMH-Ausbildung
in Hämatologie (Fachausbildung labormedizinische Diagnostik im Bereich
Hämatologie mit Schwerpunkt Immunhämatologie). Dr. Lejon Crottet ist auch
Mitglied der nationalen und der internationalen (ISBT Working Party on Immunohematology) Arbeitsgruppe für Immunhämatologie.
Interregionale Blutspende SRK AG, Murtenstrasse 133, 3008 Bern, Schweiz,
[email protected]
Dr. med. Robert Deitenbeck
Facharzt für Transfusionsmedizin mit Zusatzbezeichnung
Hämostaseologie. Nach dem Studium absolvierte er seine
klinische Zeit an der Chirurgischen Klinik am Kantonalen
Spital Walenstadt (SG) in der Schweiz. In den Jahren
1995-1998 absolvierte er seine transfusionsmedizinische
Facharztweiterbildung am Institut für Hämostaseologie und Transfusionsmedizin der Universität Düsseldorf. Seit 1998 ist er im DRK-Blutspendedienst West
tätig. Hier war er zunächst bis Ende 2005 als Leiter der
Abteilung Entnahme am Standort Ratingen-Breitscheid tätig, bis er Anfang
2006 die ärztliche Leitung des Zentrums für Transfusionsmedizin Hagen
übernahm. Der Standort Hagen beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der
z. T. überregionalen Versorgung von Patientinnen und Patienten mit seltenen
58
erythrozytären Antigen-/Antikörperkonstellationen und betreibt für diese Zwecke eines von drei in Deutschland verbliebenen Depots mit kryokonservierten
Erythrozytenkonzentraten mit seltenen Blutgruppenmerkmalen.
DRK-Blutspendedienst West gemeinnützige GmbH, Zentrum für Transfusionsmedizin Hagen, Feithstraße 182, 58097 Hagen
Dr. rer. nat Andrea Döscher
Diplom-Studiengang Biologie, seit 1995 Mitarbeiterin
des DRK- Blutspendedienst NSTOB, Institut Oldenburg.
Laborleitung des Bereichs Forschung und Entwicklung
seit 2005
Schwerpunkte: Sequenzierung von Blutgruppen,
Thrombozytenfunktions-Untersuchungen, Untersuchungen mitochondrialer
DNA, Pränatale Genotypisierungen aus Fruchtwasser und Amnionzellen, seit
1998 pränatale RHD-Genotypisierung aus dem Blut der Mutter
DRK-Blutspendedienst NSTOB gemeinnützige GmbH, Institut Bremen –
Oldenburg, Abteilung Forschung und Entwicklung, Brandenburger Str. 21,
26133 Oldenburg
Dr. Katja Bettina Ferenz
lehrt und forscht am Universitätsklinikum Essen am Institut für Physiologische Chemie unter der Leitung von
Prof. Dr. Dr. Herbert de Groot. Sie studierte Pharmazie
an der Philipps-Universität Marburg sowie der Université
Paris-Sud. Seit 2011 leitet sie ihre eigene Arbeitsgruppe
mit dem Forschungsschwerpunkt „Entwicklung künstlicher Sauerstoffträger“.
Ihr Interesse gilt insbesondere den Perfluorcarbon-basierten künstlichen Sauerstoffträgern.
Universitätsklinikum Essen, Institut für Physiologische Chemie
Dr. med. Beat M. Frey
Direktor und Chefarzt des Regionalen Blutspendedienstes SRK in Zürich (Blutspende Zürich). Nach dem Studium
der Humanmedizin in Zürich absolvierte er von 1982 –
1994 die klinische Ausbildung in Innerer Medizin, Hämatologie und Onkologie in Zürich, Baden und St. Gallen.
Von 1994 – 1997 ließ er sich zum Transfusionsmediziner am New York Blood
Center ausbilden und gleichzeitig hatte er die Position eines Research Fellows in der hämatologischen Stammzellforschung am Sloan Kettering Cancer
Center, New York inne. Ab 1998 folgte die Ausbildung in Labormedizin FAMH
Hämatologie sowie oberärztliche Tätigkeit bei Blutspende Zürich. 2002 übernahm er die Betriebsleitung von Blutspende Zürich als Direktor und Chefarzt.
Die hauptsächlichen Forschungsinteressen sind die molekulare Hämatologie
und molekulare Immunhämatologie, Phänotyp-Genotyp-Beziehungen bei der
Blutgruppendiagnostik sowie adaptive Veränderungen des Eisenstoffwechsels
unter physiologischen und pathologischen Bedingungen.
Blutspende Zürich, Rütistrasse 19, 8952 Schlieren,
[email protected]
PD Dr. Christoph Gassner
Österreicher. Biologe. Doktorarbeit zur Phagen T1 DNAMethyltransferase in E.coli, Universität Innsbruck. Routine
HLA- und nicht HLA Immungenetik (KIR, IL, TIM), 1994
– 2010, Blutspendedienst Innsbruck. Seit 2006 Erfüllung
der Qualifikation als (Co)Director HLA entsprechend EFI,
seit 2007 Fachimmungenetiker mit der Ermächtigung für die Weiterbildung
entsprechend DGI. PostDoc zur genomischen Organisation und zum Polymor-
25 2015
phismus von KIR, 1999, Fred Hutchinson Cancer Research Center/Seattle bei
Daniel E. Geraghty. PostDoc zum KIR- und ILT-Poylmorphismus, 2000, Basel
Institut für Immunologie bei Marco Colonna.
Blutgruppen-Genetik, seit 1995 Entwicklung und Betreuung kommerzieller
Blutgruppen-Genotypisierungs-Systeme basierend auf PCR-SSP und ab 2009
zusätzlich auf MALDI-TOF Massen-Spektrometrie. Habilitation zum Thema
Blutgruppen-Genotypisierung mit Focus RHD-Genetik, 2005. Seit 2010 Leiter
der Abteilung Molekulare Diagnostik und F&E an Blutspende Zürich. Seit 2008
Associate Editor des Journals „Transfusion Medicine and Hemotherapy”, und
seit 2012 Mitglied der ISBT working party „Blood Group Terminology”, Kurator
der Blutgruppen Lutheran (LU, BCAM) und John Milton Hagen (SEMA7A).
Regionale Blutspende Zürich, SRK, Abteilung für Molekulare Diagnostik und
Forschung und Entwicklung (MOC), Zürich-Schlieren, Schweiz
Dr. med. Christof Geisen
Facharzt für Transfusionsmedizin und Laboratoriumsmedizin mit den Zusatzbezeichnungen Hämostaseologie und
Notfallmedizin.
Seit 2005 leitet Dr. Geisen am Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie in Frankfurt am Main die
Abteilungen für Immunhämatologie und Molekulare Hämostaseologie. Seine
Weiterbildung zum Hämostaseologen absolvierte er an den Universitätskliniken in Bonn, Köln und Frankfurt am Main. Wissenschaftlich beschäftigt er
sich mit den molekularen Grundlagen von Gerinnungsstörungen sowie deren
Therapie. Einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei die Pharmakogenetik
der oralen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten wie Marcumar® bzw.
Coumadin®.
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gemeinnützige GmbH,
Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie Frankfurt am Main
Dr. med. Christian Halfwassen
ist Facharzt für Augenheilkunde und leitet seit 2014 die
Ambulanz der Abteilung für Erkrankungen des vorderen
Augenabschnitts am Zentrum für Augenheilkunde des
Universitätsklinikums Essen. Neben weiteren Schwerpunktthemen gibt es hier eine spezielle Sprechstunde
für Patienten mit trockenen Augen, die hier sehr umfassend untersucht und
beraten werden.
Klinik für Erkrankungen des vorderen ­Augenabschnittes, Universitätsklinikum
Essen (AöR)
Prof. Dr. med. Reinhard Henschler
Ärztlicher Leiter und Geschäftsführer des Regionalen
Blutspendedienstes Graubünden SRK in Chur/Schweiz
und Leiter des Medizinischen Dienstes des Regionalen
Blutspendedienstes SRK in Zürich (Blutspende Zürich).
Er studierte Medizin in Würzburg und Mainz und wurde
an der University of Manchester auf dem Gebiet der Stammzellbiologie und
-transplantation ausgebildet. Ab 1992 war er am Universitätsklinikum Freiburg als wiss. Assistent, ab 1995 als Leiter des Stammzelllabors für die GMP
Herstellung hämatopoetischer Stammzellpräparate sowie die Entwicklung
experimenteller Zelltherapeutika verantwortlich. Von 1999 bis 2011 leitete er
die Abteilung für Produktion am DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg –
Hessen gGmbH in Frankfurt/Main. Er habilitierte dort 2006 und etablierte seit
2008 die Stabstelle Forschung und Entwicklung. Von 2011 bis 2015 leitete er
die Abteilung für Transfusionsmedizin am Klinikum der Universität München.
Seine experimentelle Arbeitsgruppe befasst sich vor allem mit der ex vivoExpansion hämatopoetischer Stamm-und Vorläuferzellen sowie mit Mechanismen des Homings transplantierter Stammzellen.
Brigitte Hoffmann
ist Biomedizinische Fachanalytikerin für Immunhämatologie und Transfusionsmedizin und seit 1982 für den Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes als leitende
MTA im Institut für Transfusionsmedizin in Augsburg tätig.
Sie war von 2002 bis 2013 Mitarbeiterin der Stabsabteilung Qualitätsmanagement, die die Qualitätsmanagementprozesse für den
gesamten BRK-Blutspendedienst ausführt. Seit vielen Jahren ist Frau Hoffmann sowohl organisatorisch wie auch inhaltlich als Referentin bei Seminaren
und Fortbildungsveranstaltungen des BSD/BRK, dem Deutschen Institut zur
Weiterbildung Technischer Assistenten (DIW-MTA) und dem deutschen MTAVerband (DVTA) maßgeblich beteiligt.
Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes gemeinnützige GmbH,
Institut für Transfusionsmedizin Augsburg, Westheimer Straße 80, 86156
Augsburg, [email protected]
Dr. med. Christof Jungbauer
ist Facharzt für Transfusionsmedizin, stellvertretender
medizinischer Leiter und verantwortlich für die Labordiagnostik im Blutspendedienst für Wien, Niederösterreich
und Burgenland des Österreichischen Roten Kreuzes.
Neben der Aufbringung, Herstellung und Testung der
Blutprodukte für den Ostösterreichischen Raum liegen die weiteren Schwerpunkte des Instituts auf der Abklärung immunhämatologischer Problemfälle,
der Genotypisierung erythrozytärer Antigene und beim Betrieb eines Kryodepots für seltene Bluttypen.
ÖRK Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich und Burgenland
Manuela Krause
ist Biomedizinische Fachanalytikerin für Immunhämatologie und Transfusionsmedizin und arbeitet als MTLA im
immunhämatologischen Service- und Referenzlabor im
Institut Augsburg des BRK-Blutspendedienstes.
Außerdem ist sie Mitarbeiterin der Stabsabteilung Qualitätsmanagement, die die Qualitätsmanagementprozesse für den gesamten
BRK-Blutspendedienst ausführt. Zu Ihren Schwerpunkten zählen hier die
Durchführung interner Audits sowie regelmäßige Schulungen von Mitarbeitern im Gesamtunternehmen zu den Themen GMP (Gute Herstellungspraxis),
Hygiene und Immunhämatologie.
Zusätzlich engagiert sich Frau Krause seit vielen Jahren auch maßgeblich
als Organisatorin und Referentin bei den Fortbildungsveranstaltungen
des BSD/BRK sowie Seminaren des deutschen MTA-Verbandes und des
Deutschen Instituts zur Weiterbildung Technischer Assistenten in der Medizin
(DIW-MTA).
Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes gemeinnützige GmbH,
Institut für Transfusionsmedizin Augsburg, Westheimer Straße 80,
86156 Augsburg, [email protected]
Christoph Metzelder
Christoph Metzelder ist Mitinhaber und Gründer von Jung
von Matt/sports, Vorstand seiner Stiftung und TV-Experte
für Sky Deutschland.
In seiner aktiven Karriere spielte der 47fache Nationalspieler und Vize-Weltmeister 2002 für Real Madrid,
Schalke 04 und BvB. Mit der Christoph Metzelder Stiftung begleitet er seit
2006 Kinder und Jugendliche auf ihrem schulischen und persönlichen Lebensweg. 2014 hat Christoph Metzelder die DRK Mutspende mit initiiert.
Blutspende Zürich, Rütistrasse 19, 8952 Schlieren, Tel.: 058272 5117-5127,
Fax: 044731 9012, [email protected]
59
Dr. med. Angelika Reil
ist Ärztin und Apothekerin. Sie leitet seit 2004 das Labor
für Leukozyten- und Thrombozytenimmunologie im Zentrum für Transfusionsmedizin des DRK-Blutspendedienstes West in Hagen. Seit 2010 ist sie Stufenplanbeauftragte des DRK-Blutspendedienstes West. Davor war sie am
Institut für Klinische Immunologie und Transfusionsmedizin der Justus-LiebigUniversität Gießen sowie beim Blutspendedienst Bern des Schweizerischen
Roten Kreuzes tätig. Ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt ist die Granulozytenimmunologie.
DRK-Blutspendedienst West gemeinnützige GmbH, Zentrum für Transfusionsmedizin Hagen, Labor für Leukozyten- und Thrombozytenimmunologie
Dr. med. Uwe Sievert
ist Facharzt für Transfusionsmedizin und am Institut für
Transfusionsmedizin Chemnitz des DRK-Blutspendedienstes Nord-Ost, gemeinnützige GmbH tätig.
Nach dem Studium der Humanmedizin an der Humboldt
Universität Berlin und der Universität Leipzig begann er
1985 seine Ausbildung zum Facharzt für Transfusionsmedizin.
Seit 1989 leitet er im Institut für Transfusionsmedizin in Chemnitz die Spenderabteilung, seit 2005 auch den Produktionsbereich. Er ist Leiter der Herstellung und Sachkundige Person.
Im Standort Chemnitz werden neben Blut-, Plasma- und Thrombozytenspenden auch Stammzellpräparate und Eigenblutspenden entnommen. Seit 2006
werden hier spezielle Eigenblutpräparate für Patienten, die an Augenkliniken
in Berlin und Sachsen behandelt werden, hergestellt.
PD Dr. med. Franz Wagner
ist Hauptabteillungsleiter am Institut Springe des DRKBlutspendedienstes NSTOB, verantwortlich für die Labordiagnostik am Institut Springe, einschließlich der
Labordiagnostik aller Blutspenden im Bereich des DRKBlutspendedienstes NSTOB, zugleich ist er Stufenplanbeauftragter und stellvertretende sachkundige Person für das Institut Springe.
Herr Dr. Wagner ist seit mehr als 15 Jahren im Fach der Transfusionsmedizin
tätig, er ist derzeit Leiter der Sektion Immunhämatologie und -genetik der
DGTI und wissenschaftlicher Leiter von immunhämatologischen Ringversuchen bei INSTAND. Während seiner Zeit in Ulm hat er sich intensiv mit der
molekularen Grundlage der Rhesus-Blutgruppe beschäftigt und unter anderem die Ursache des „weak D“-Phänotyps und die Struktur des Rhesus-Lokus
aufgeklärt. Seit 2003 beschäftigt er sich wissenschaftlich schwerpunktmäßig
mit der Entwicklung von Genotypisierungsmethoden im Bereich der Blutgruppendiagnostik.
DRK-Blutspendedienst NSTOB gemeinnützige GmbH, Institut Springe
Dr. med. Christof Weinstock
Facharzt für Transfusionsmedizin. Seit 2011 leitet er die
Abteilung Blutgruppenserologie und Immunhämatologie
am Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik in Ulm.
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – ­Hessen
gemeinnützige GmbH, Institut für Klinische Transfusionsmedizin und
Immungenetik Ulm (IKT)
DRK-Blutspendedienst Nord-Ost gGmbH, Institut für Transfusionsmedizin
Chemnitz, Zeisigwaldstraße 103, 09130 Chemnitz, [email protected]
60
25 2015
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