Sensorik 4.0 erfordert eine leistungsfähige Kommunikation

ANWENDUNGEN & LÖSUNGSBAUSTEINE - SENSORIK
Sensorik 4.0 erfordert
eine leistungsfähige
Kommunikation
Für Ideen ohne Grenzen
AUTOR: Dipl.-Ing. Benedikt Rauscher, Entwicklungsgruppenleiter IVC, Pepperl+Fuchs GmbH
Das Konzept der Industrie 4.0 baut auf weitgehend selbständige, dezentrale Einheiten. Die
Autonomie der Produktionsmodule beruht wiederum auf deren Fähigkeit, Gegebenheiten
genau zu erfassen und – daraus abgeleitet – Entscheidungen zu treffen. Das geht nur mit
intelligenten, kommunikationsfähigen Sensoren, die ein möglichst hochaufgelöstes Bild der
Produktionsrealität liefern können; in Echtzeit und über jeden verfügbaren Kommunikationskanal.
Ein Leben ohne digitale Vernetzung ist heutzutage kaum mehr
denkbar. Längst hat der Megatrend alle Lebens- und Arbeitsbereiche erfasst. In der Automatisierungstechnik liefern intelligente Sensoren, Aktoren und Feldgeräte bereits grundlegende
Daten. Nun braucht es neue Übertragungstechnologien, um die
Autonomie und Automatisierung von Anlagen und Fabriken weiter voranzutreiben. Dass solche Sensorik 4.0 greifbar nah ist oder
schon im Alltag funktioniert, wird an vielen Projekten von Pepperl+Fuchs deutlich. Der Mannheimer Sensorikspezialist zeigt
an Beispielen, welche potenziellen Anwendungen für Messgeräte
eine größere Autonomie im Feld ermöglichen.
Infrastruktur 4.0 bei der Müllentsorgung
Innerhalb eines Projekts im Bereich Smart-City bestand die Aufgabe darin, die Müllentsorgung zu optimieren. Dazu wurde jeder Müllcontainer mit einem Sensor ausgestattet, der über eine
Mobilfunkverbindung an den Server des Entsorgungsunternehmens meldet, wenn er zu über 80 % gefüllt ist. Die webbasierte
Software visualisiert die Füllstände der Abfallbehälter mithilfe eines Ampelsystems. Müllfahrzeuge fahren jetzt nur noch die Abfallbehälter an, die tatsächlich geleert werden müssen, was Zeit,
Geld und Kraftstoff spart und die Abgas- und Lärmbelastung
der Anwohner reduziert. Den Praxistest hat das vom Limburger
Unternehmen Moba Mobile Automation AG entwickelte System
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als Teil des Smart-City-Projekts in Barcelona bereits bestanden.
An der Einführung in weiteren Städten wird gearbeitet. Da hier
absolute Zuverlässigkeit gefordert ist, hat man sich für Ultraschall-Füllstandssensoren von Pepperl+Fuchs entschieden. Die
Geräte sind mit einer SlM-Karte ausgestattet, sodass der Sensor
Füllstands- und Sensordaten in regelmäßigen Abständen senden
kann. Dank des geringen Stromverbrauchs hält die Batterie bis zu
zehn Jahre. Das ist ein gutes Beispiel für einen intelligenten Sensor, der ein differenziertes Abbild der Realität in Echtzeit liefert.
Quantensprung in der Informationstiefe
Hochwertige Sensoren liefern schon heute genaue Informationen
aus der Produktion, allerdings meistens mit einem spezialisierten Fokus und in nur einer oder zwei Dimensionen. Das genügt
für herkömmliche, gleichbleibende Anwendungen, aber nicht
unbedingt für autonome Produktionsmodule. So ist zum Beispiel
eine Robotereinheit, die ein Werkstück selbsttätig erkennen,
greifen und bearbeiten soll, auf differenzierte dreidimensionale
Daten angewiesen. Diese müssen zum großen Teil aber erst von
Sensoren aus der Realität abgeleitet werden – mit zunehmenden
Anforderungen an die Auflösung. Kombiniert man nun mehrere
Sensoren unterschiedlicher Bauart und fügt ihre Signale zu einem Gesamtbild zusammen, lässt sich ein Quantensprung in der
Informationstiefe erreichen.
Competence Book - Industrie 4.0 II
Quelle: Pepperl+Fuchs GmbH
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Sensor Technologie 4.0 für die Fabrik der Zukunft
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Wie das funktioniert, macht das Unternehmen am Beispiel des
MultiScan 3D deutlich. Ein sich drehendes Objekt wird von drei
optoelektronischen Sensoren erfasst und seine Oberfläche vermessen. Ein 2D-Laserscanner detektiert mithilfe des Laufzeitverfahrens PRT (Pulse Range Technology) Vorhandensein und Konturen des Objekts mit einer Auflösung im Millimeter-Bereich. Er
könnte in einer Produktionsumgebung außerdem die Ankunft
des Werkstücks erkennen, seine Positionierung steuern und den
Folgeprozess auslösen. Ein Laser-Lichtschnitt-Sensor ermittelt
daraufhin die Tiefeninformationen mit einer Genauigkeit von
0,1 mm. Schließlich liefert ein Weißlicht-Interferometer Aufnahmen von Strukturen und Oberflächen mit einer Genauigkeit
von 1 µm. Mit den so gewonnenen Daten lassen sich hochpräzise
Bearbeitungsprozesse steuern oder eine minutiöse Qualitätskontrolle durchführen. Zusammen liefern die drei Sensoren ein
dreidimensionales, tiefenscharfes Bild als Grundlage für beliebig
komplexe Bearbeitungsschritte. Der Nutzen besteht hier in der
Kombination der gewonnenen Sensordaten.
In einem weiteren Projekt wurden nicht die Objekte rotiert,
sondern zwei Triangulationssensoren. Diese bestimmen die
Positionen bewegter Objekter unterschiedlicher Größe zuverlässig und genau, sodass diese beispielsweise von einem Roboter gegriffen werden könnten. Beide Beispiele arbeiten mit
bewährten Sensoren. Im nächsten Schritt kommt es darauf an,
diese Daten über standardisierte Schnittstellen zur Verfügung
zu stellen.
Neue Brücken für die Daten
Gemeinsam mit anderen Unternehmen hat Pepperl+Fuchs in
einer Studie gezeigt, dass Ethernet nicht nur in der Fabrikautomation sondern auch in der Prozessautomation, unter Berücksichtigung deren besonderen Anforderungen wie Verwendung
von Zweileiter-Kabel, Leitungslängen bis 1200 m und der Explosionsschutz, bis in die Feldebene geführt werden kann. Mit
einem entsprechend definierten Physical-Layer könnte es dort
die Feldbusse ersetzen und die Bandbreite der Kommunikation
enorm steigern. Das lässt sich anhand der Zusammenschaltung
von Geräten verschiedener Hersteller in einer prototypischen Implementierung zeigen. In dieser Applikation ist der Zugriff auf
Daten von Switches und Feldgeräten über einen Webserver sowie
das Auslesen und Verwenden der in den Feldgeräten gespeicherten FDI-Packages durch die Software PACTware möglich.
Das Ethernet erlaubt darüber hinaus einen durchgängigen Zugriff
auf Infrastruktur und Geräte auch von außerhalb des Automatisierungsnetzwerks. Selbst einfache Geräte wie Temperatursensoren
können kosteneffizient mit den entsprechenden Schnittstellen ausgestattet werden. Damit ist eine umfassende Vernetzung aller am
Prozess beteiligten Komponenten und Funktionseinheiten möglich.
Drahltos über WirelessHART
Wie das auch drahtlos funktionieren kann, einschließlich einer
Aktor-Steuerung, zeigt eine Design-Studie zum Einsatz von WirelessHART. In der Prozessautomation ist WirelessHART weit
verbreitet – dabei handelt es sich um eine intelligente und robuste Übertragungstechnologie, bei der alle angeschlossenen Geräte
als Sender und Empfänger agieren können. Mit der Technologie sind ausgedehnte und weitläufige Netzwerke einfach durch
die maschenförmige Netzwerkstruktur zu realisieren. Mit dem
WHA-DIO hat Pepperl+Fuchs ein Gerät entwickelt, dass diskrete I/Os über WirelessHART zur Verfügung stellt. Das Gerät
kommt beispielsweise in einem Projekt zum Einsatz, bei dem der
Füllstand eines Tanks drahtlos von zwei Grenzsignalgebern überwacht wird. Das Discrete I/O gibt nicht nur die Fülldaten weiter,
sondern steuert sowohl die fürs Befüllen zuständige Pumpe als
auch das Ventil für die Entnahme. Über seine digitalen Ein- und
Ausgänge können verschiedene Feldgeräte angesteuert werden.
Mit einem Low-Power-Piezoventil lässt sich darüber hinaus die
pneumatische Ventilstellung regeln. Dieses Ventil gibt seine Daten an das WirelessHART-Gateway und von dort an die SPS weiter. So kann ganz einfach mittels Tablet oder Smartphone auf das
Gerät und die Regelung zugegriffen werden.
Während dieses WHA-DIO Discrete I/O bisher nur als Prototyp existiert, hat sich SmartBridge bereits zum fertigen Produkt
gemausert. Es besteht aus einem Adapter für IO-Link-Sensoren
und der SmartBridge-App für handelsübliche Mobilgeräte wie
Tablets oder Smartphones. Der Adapter übernimmt Daten und
Parameter aus dem Sensor und stellt sie dem Mobilgerät über
Bluetooth zur Verfügung. Die App visualisiert die Daten und ermöglicht den Zugriff auf die Parameter.
Zu Benedikt Rauscher:
Dipl.-Ing. Benedikt Rauscher ist Entwicklungsgruppenleiter IVC im Geschäftsbereich Fabrikautomation bei Pepperl+Fuchs
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