KRISENMANAGEMENT Foto: Coloures-pic – Fotolia Weder Pest noch Cholera Chancen für Haftungsvermeidungen durch erfolgreiche Krisenbewältigung Krankenhausverantwortliche unterliegen aufgrund der dualen Finanzierung gegenüber nicht geförderten Unternehmen einer ggf. schärferen Insolvenzantragspflicht. Daher ist die Sicherung der Zahlungsfähigkeit die zentrale Voraussetzung der Krisenbewältigung. Voraussetzung hierfür ist das rechtzeitige Erkennen einer wirtschaftlichen Krise. Als wirkungsvolle Maßnahme ist eine Implementierung von Planungsmodellen notwendig, die in der Lage sind Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu integrieren und die Auswirkungen unterschiedlicher Szenarien auf die Liquiditätsprognose darzustellen. Durch rechtzeitiges Handeln kann die eigene Haftung vermieden werden. Zudem werden im Artikel Ad-HocMaßnahmen zur Soforthilfe vorgeschlagen. Axel Remmeke, StB Geschäftsfeldleiter Unternehmenskrisen Curacon GmbH 40 I KU Gesundheitsmanagement 10/2014 K urt Tucholsky hat treffend gesagt, „Krise ist jener ungewisse Zustand, in dem sich etwas entscheiden soll: Tod oder Leben – Ja oder Nein.“ Eine Entwicklung, die eines Wendepunktes, oder besser, einer Reaktion bedarf, um nicht zeitnah zur Katastrophe zu führen. Bedingt durch die aktuell noch geringe Anzahl an Krankenhausinsolvenzen wird das persönliche Haftungsrisiko von Geschäftsleitungen und sonstigen dem Unternehmen nahestehende Personen, die durch Übernahme operativer Entscheidungen rechtlich als faktischer Geschäftsführer gestellt und behandelt werden, unterschätzt. Obgleich die Drohkulisse mit Freiheitsstrafen bis zu fünf – in Ausnahmefällen zehn – Jahren und Geldstrafen durchaus gewaltig ist. Fast jedem Geschäftsführer ist die Gefahr einer Insolvenzverschleppung und die damit im worstcase verbundene persönliche Haftungsdimension bekannt. Seltener ist jedoch das Bewusstsein dafür, dass schon die Verharmlosung von Problemen, das Weglassen von Informationen oder eine verschönerte Darstellung der eigenen Zukunftser- wartungen gegenüber internen oder externen Adressaten als Betrug ausgelegt werden kann. Darin liegt Vorsatz, und dagegen nutzt die beste D&O-Versicherung nichts. Insolvenzantragspflichten von Krankenverantwortlichen Aktuell wird die insolvenzrechtliche Beurteilung eines Unternehmens ausschließlich über die Prognose der Zahlungs- und damit der Fortführungsfähigkeit determiniert. Im Hinblick auf die Frage einer Überschuldung, ist zunächst zu prüfen, ob eine insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose besteht. Diese ist jedoch nichts anderes als die Prognose der Zahlungsfähigkeit für den Zeitraum bis zum Ultimo der auf das aktuelle Geschäftsjahr folgenden Periode (also aktuell bis zum 31. Dezember 2015). Wird festgestellt, dass für einen Zeitraum von mehr als drei Wochen mehr als zehn Prozent der fälligen Verbindlichkeiten nicht erfüllt werden können, ist drohende Zahlungsunfähigkeit zu vermuten. Für verantwortliche Organträger ergibt sich dann die Verpflichtung den Status Damoklesschwert über Verantwortlichen Gerade im Krankenhauswesen schwebt hier ein Damoklesschwert über den Verantwortlichen. Krankenhausimmobilien werden im Wesentlichen über Fördermittel des Landes finanziert und bilanziell durch die Sonderposten neutralisiert. In der Überschuldungsprüfung besteht wegen zuvor erkannter drohender Zahlungsunfähigkeit keine Fortbestehensprognose mehr. Dann sind die Zweckimmobilien mit ihren Liquidationswerten anzusetzen. Hier ist mit einem deutlichen Abwertungsbedarf zu rechnen. Passivisch ist die Berücksichtigung der Sonderposten im Regelfall abhängig vom Einvernehmen der Fördermittelbehörde über die Schließung eines Krankenhauses. Im Normfall wird die Insolvenzgefahr jedoch gegenüber Dritten nicht angesprochen. Dann sind die gebildeten Sonderposten als Verbindlichkeit mit ihrem Rückzahlungswert zu berücksichtigen. Dies wird flankiert durch die Bildung weiterer Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit der Zerschlagung des Betriebes entstehen (voraussichtliche Sozialplankosten, Entschädigungszahlungen für die Nichteinhaltung langfristiger Vertragsbindungen, etc.). Strafrechtliche Konsequenzen vermeiden Sofern nicht erhebliches Eigenkapital bilanziert wird, ist die Möglichkeit, überschuldungsvermeidende und ausreichende stille Reserven der Vermögenswerte eines Krankenhauses aufzudecken, nur theoretisch vorhanden. Im Regelfall liegt bei drohender Zahlungsunfähigkeit eines Krankenhauses zugleich Überschuldung, also eine Insolvenzantragspflicht vor. Es gilt in diesem Falle unverzüglich zu handeln, um selbst nicht strafrechtliche Konsequenzen zu erleiden. Die gesetzliche drei-Wochen-Frist stellt hier eher ein persönliches Risiko als eine Chance dar. Denn wenn schon keine Möglichkeiten gesehen wurden, die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, wird innerhalb Ad-Hoc-Maßnahmen Untersuchung, ob geplante oder noch nicht abgeschlossene Investitionen verschoben, unterbrochen oder ausgesetzt werden können * Einstellungsstopp mit Ausnahme der Stellen, die absehbar zu einer spürbaren Verbesserung der Ertragslage führen oder deren Vakanz eine existenzielle Bedrohung zur Folge hätte * Stundung von Gesellschafterdarlehen * Reduzierung der durchschnittlichen Debitorenlaufzeit durch schnellere Abrechnung der erbrachten DRG – zumeist nur möglich über die deutliche zeitliche Straffung der Kodierungsfreigabe * Aufbau eines regelmäßigen Mahnwesens im Bereich der Selbstzahler und intensive Bearbeitung des Altforderungsbestands z. B. durch Aufnahme von Fallbesprechungen der Altfälle mit den Kostenträgern * sale-and-lease-back-Maßnahmen * Alternative Finanzierungsmodelle, wie Leasing oder stilles Forderungsfactoring * Reduzierung der Chargengröße und Minimierung des Lagerumfanges * der Frist der Überschuldungssituation kaum wirksam zu begegnen sein. Rechtzeitiges Erkennen wirtschaftlicher Krisen Besteht also nur die Wahl zwischen Pest und Cholera? Der Wahl zwischen Insolvenzantrag und eigenem Haftungsrisiko? Sicherlich nicht. Die Krankenhausunternehmensleitung sollte nur gerade in der Krise permanent „am Ball sein“ und die aktuelle wirtschaftliche Situation kennen. Dann kann sie nachhaltige Verbesserungen der wirtschaftlichen Situation einleiten und so den Niedergang des Hauses und in der Folge die persönliche Haftung vermeiden. Krisenphasen stellen ein Krankenhaus und damit vor allem die beteiligten Mitarbeitenden unter extremen Druck. Zum einen bedingt die Situation eine schnelle, stringente Reaktion. Dazu sind Planungen zu erstellen und Verbesserungspotentiale zu identifizieren, Analysen vorzunehmen und Maßnahmen umzusetzen. Diese sollten ad hoc zu einer Stabilisierung und absehbar zu einer Verbesserung der Lage führen. Zum anderen wartet daneben das laufende Geschäft, das gerade in der Krise umso intensiverer Betreuung bedarf. Probleme selten angesprochen Hinzu kommen Kommunikationsprobleme, da wirtschaftliche Krisen immer auch interne Ursachen haben. So stellen wir oft fest, dass Friktionen, die sich über Jahre einge- KRISENMANAGEMENT der Überschuldung feststellen zu lassen. Bei Unterlassung wird § 15a Insolvenzordnung einschlägig. Der Tatbestand der Insolvenzverschleppung ist dann regelmäßig erfüllt. schlichen haben oder auf Entscheidungen von Führungspersonen beruhen, durch nachgeordnete Mitarbeitende zwar erkannt, aber nur selten angesprochen werden. All dies verschärft sich proportional mit dem Ausmaß der Krise. Es kommt also darauf an, so rechtzeitig zu reagieren, dass noch die finanzielle Kraft oder das notwendige Vertrauen externer Dritter besteht, das für die Umsetzung einer Restrukturierung bzw. der Sanierung des kranken Hauses notwendig ist. Leider wird der Ernst der Lage oft erst wahrgenommen, wenn die Liquidität zur Neige geht. Spätestens bei den ersten Zahlungsstockungen sind in kürzester Zeit Gegenmaßnahmen zu treffen, die die Zahlungsfähigkeit sichern. Ad-Hoc-Maßnahmen zur Soforthilfe Solche Maßnahmen richten sich vor allem auf die Stabilisierung der liquiden Ausstattung des Krankenhauses. Soweit die kurzfristige Aufnahme von Betriebsmittelkrediten nicht mehr möglich ist, gewährte Zahlungsziele bereits ausgenutzt sind oder die Unterstützung durch frisches Geld der Gesellschafter bzw. zusätzlicher Gesellschafter nicht zur Verfügung steht, können die folgenden Ad-Hoc-Maßnahmen ergriffen werden (s. Infokasten). Flankierende Maßnahmen, die sich hauptsächlich auf die Verhinderung der Überschuldung des Krankenhauses beziehen, wie qualifizierte Rangrücktritte für Gesellschafter- KU Gesundheitsmanagement 10/2014 I 41 KRISENMANAGEMENT Krisenanalyse Stabilisierung erste 21 Tage Konzepterstellung 6 bis 12 Wochen Grundlegende Analyse der wirtschaftlichen Lage Entwicklung einer Unternehmensstrategie mind. monatliche Planungsaktualisierung Ausbau der kurz- bis mittelfristigen Liquiditätsplanung Markt- und Wettbewerbsuntersuchungen Maßnahmeidentifikation & otentialbewertungen Prozess- und Organisationsoptimierung Strukturmaßnahmen Verhandlungen und Gespräche zur Liquiditätstärkung – Fremdkapitalgeber – Gesellschafter – Kostenträger – Investoren Stärken/Schwächen Chancen/RisikenProfilerstellun Implementierung in ein integriertes Planungsmodell Steuerung & stetige Kontrolle des Prozessfortschritts Erstellung eines Konzeptes (nach IDW S6), ggf. Begutachtung des Konzeptes durch erfahrene Dritte darlehen, der Erlass von Verbindlichkeiten gegen Besserungsschein und Eigenkapitalerhöhungen gegen Verrechnung bestehender Darlehensforderungen sind grundsätzlich sinnvoll. Da sie sich aber in erster Linie auf die bilanzielle Situation des Hauses auswirken, minimiert sich ihr Effekt auf den ggf. wegfallenden Kapitaldienst sowie einen Ratingeffekt in der externen Darstellung gegenüber Fremdkapitalgebern. Mit dem richtigen Konzept zur Wende Sofortmaßnahmen unterstützen zwar die Stabilisierung des Unternehmens, die Krisenursache wird durch ihre Impulswirkung aber in den seltensten Fällen abgestellt. Bereits parallel zur Umsetzung der Adhoc-Maßnahmen ist ein mittel- bis langfristiges Konzept zu erstellen, das realistisch, vollständig und transparent ist. Es wirkt dann glaubwürdig, wenn die Ursachen für das betriebliche Defizit erkannt und eliminiert werden. Dritte akzeptieren die Bitte um Unterstützung in einer Notlage eher, wenn die Geschäftsleitung transparent und offen die Ursachen der Situation analysiert und ein nachvollziehbares Konzept für eine erfolgversprechende Zukunft darlegt. Aus den Krisenursachen wird der strukturelle Anpassungsbe- I 6 bis 24 Monate Identifikation & Umsetzung von Ad-Hoc-Maßnahmen Typischer Verlauf einer Krankenhaussanierung 42 Umsetzung der Sanierungs-/ Restrukturierungsmaßnahmen KU Gesundheitsmanagement 10/2014 darf ermittelt, der seinerseits zu Maßnahmen führt, deren Effekte den mittelfristigen Turnaround einleiten. Die Palette an möglichen Maßnahmen reicht dabei von arbeits- und tarifrechtlichen Maßnahmen, über In- und Outsourcingfragen sowie Standort- oder Teilbetriebsschließungen bis zu zusätzlichen oder wesentlich veränderten Leistungsangeboten. Integriertes Planungsmodell überzeugt Ein integriertes Planungsmodell bildet flexibel, aber valide die wirtschaftliche Entwicklung und die Liquiditätslage ab. Es sollte Szenarien rechnen können, damit Adressaten des Konzepts die Eintrittswahrscheinlichkeit der Prognosen und Planungen einschätzen können. Je problemloser Einzelaspekte in der Planung berücksichtigt und neben der Ergebnisauswirkung zugleich die Liquiditätseffekte antizipiert werden können, umso eher kann ein Dritter der dargestellten Prognose von der Vollständigkeit und Plausibilität des zugrunde liegenden Planungsmodells überzeugt werden. Ein wesentlicher Aspekt der Planung betrifft die voraussichtliche Budgetentwicklung, d. h. die Berücksichtigung von Vereinbarungen mit den Kostenträgern und von Ver- Kommunikation der wirtschaftlichen Lage gegenüber Beteiligten Quelle: Curacon handlungsrisiken. Wenn das Konzept nur geringe Erwartungen an etwaige Sanierungsbeiträge der Kostenträger stellt, steigt dessen Umsetzungswahrscheinlichkeit. Zügige stringente Umsetzung der Sanierung Auch das beste Konzept taugt nicht, wenn die identifizierten Maßnahmen nicht schnell und wirksam zur Umsetzung kommen. Typischerweise fordern begleitende Banken einen straffen Projektplan, in dem Meilensteine der Sanierung definiert sind. Daher sollten die ersten Maßnahmen bereits während der Konzeption eingeleitet sein. Mitarbeitende können im Rahmen einer Sanierung oftmals von Betroffenen zu Beteiligten werden. Jedoch entfällt deren Mitwirkung spätestens dann, wenn der Eindruck entsteht, dass die Sanierung ins Stocken gerät und einzelne Bereiche bewusst ausgenommen werden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit der Sanierung hängt letztlich immer davon ab, mit welcher Deutlichkeit und Konsequenz die Reaktion auf die Krise erfolgt. $ Axel Remmeke Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Scharnhorststr. 2 48151 Münster
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