Weder Pest noch Cholera

KRISENMANAGEMENT
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Weder Pest noch Cholera
Chancen für Haftungsvermeidungen durch erfolgreiche
Krisenbewältigung
Krankenhausverantwortliche unterliegen
aufgrund der dualen Finanzierung gegenüber
nicht geförderten Unternehmen einer ggf.
schärferen Insolvenzantragspflicht. Daher ist
die Sicherung der Zahlungsfähigkeit die zentrale Voraussetzung der Krisenbewältigung.
Voraussetzung hierfür ist das rechtzeitige
Erkennen einer wirtschaftlichen Krise. Als
wirkungsvolle Maßnahme ist eine Implementierung von Planungsmodellen notwendig,
die in der Lage sind Vermögens-, Finanz- und
Ertragslage zu integrieren und die Auswirkungen unterschiedlicher Szenarien auf die Liquiditätsprognose darzustellen. Durch rechtzeitiges Handeln kann die eigene Haftung vermieden werden. Zudem werden im Artikel Ad-HocMaßnahmen zur Soforthilfe vorgeschlagen.
Axel Remmeke, StB
Geschäftsfeldleiter Unternehmenskrisen
Curacon GmbH
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KU Gesundheitsmanagement 10/2014
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urt Tucholsky hat treffend gesagt, „Krise ist jener ungewisse Zustand, in dem sich etwas
entscheiden soll: Tod oder Leben –
Ja oder Nein.“ Eine Entwicklung, die
eines Wendepunktes, oder besser,
einer Reaktion bedarf, um nicht zeitnah zur Katastrophe zu führen.
Bedingt durch die aktuell noch geringe Anzahl an Krankenhausinsolvenzen wird das persönliche Haftungsrisiko von Geschäftsleitungen
und sonstigen dem Unternehmen
nahestehende Personen, die durch
Übernahme operativer Entscheidungen rechtlich als faktischer Geschäftsführer gestellt und behandelt
werden, unterschätzt. Obgleich die
Drohkulisse mit Freiheitsstrafen bis
zu fünf – in Ausnahmefällen zehn –
Jahren und Geldstrafen durchaus gewaltig ist. Fast jedem Geschäftsführer ist die Gefahr einer Insolvenzverschleppung und die damit im worstcase verbundene persönliche Haftungsdimension bekannt. Seltener
ist jedoch das Bewusstsein dafür,
dass schon die Verharmlosung von
Problemen, das Weglassen von Informationen oder eine verschönerte
Darstellung der eigenen Zukunftser-
wartungen gegenüber internen oder
externen Adressaten als Betrug ausgelegt werden kann. Darin liegt Vorsatz, und dagegen nutzt die beste
D&O-Versicherung nichts.
Insolvenzantragspflichten von
Krankenverantwortlichen
Aktuell wird die insolvenzrechtliche
Beurteilung eines Unternehmens
ausschließlich über die Prognose
der Zahlungs- und damit der Fortführungsfähigkeit determiniert. Im
Hinblick auf die Frage einer Überschuldung, ist zunächst zu prüfen,
ob eine insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose besteht. Diese ist
jedoch nichts anderes als die Prognose der Zahlungsfähigkeit für den
Zeitraum bis zum Ultimo der auf das
aktuelle Geschäftsjahr folgenden
Periode (also aktuell bis zum 31. Dezember 2015).
Wird festgestellt, dass für einen Zeitraum von mehr als drei Wochen
mehr als zehn Prozent der fälligen
Verbindlichkeiten nicht erfüllt werden können, ist drohende Zahlungsunfähigkeit zu vermuten. Für verantwortliche Organträger ergibt sich
dann die Verpflichtung den Status
Damoklesschwert über
Verantwortlichen
Gerade im Krankenhauswesen
schwebt hier ein Damoklesschwert
über den Verantwortlichen. Krankenhausimmobilien werden im Wesentlichen über Fördermittel des
Landes finanziert und bilanziell
durch die Sonderposten neutralisiert. In der Überschuldungsprüfung besteht wegen zuvor erkannter
drohender Zahlungsunfähigkeit keine Fortbestehensprognose mehr.
Dann sind die Zweckimmobilien mit
ihren Liquidationswerten anzusetzen. Hier ist mit einem deutlichen
Abwertungsbedarf zu rechnen. Passivisch ist die Berücksichtigung der
Sonderposten im Regelfall abhängig
vom Einvernehmen der Fördermittelbehörde über die Schließung eines Krankenhauses.
Im Normfall wird die Insolvenzgefahr jedoch gegenüber Dritten nicht
angesprochen. Dann sind die gebildeten Sonderposten als Verbindlichkeit mit ihrem Rückzahlungswert zu
berücksichtigen. Dies wird flankiert
durch die Bildung weiterer Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang
mit der Zerschlagung des Betriebes
entstehen (voraussichtliche Sozialplankosten, Entschädigungszahlungen für die Nichteinhaltung langfristiger Vertragsbindungen, etc.).
Strafrechtliche Konsequenzen
vermeiden
Sofern nicht erhebliches Eigenkapital bilanziert wird, ist die Möglichkeit, überschuldungsvermeidende
und ausreichende stille Reserven
der Vermögenswerte eines Krankenhauses aufzudecken, nur theoretisch vorhanden.
Im Regelfall liegt bei drohender Zahlungsunfähigkeit eines Krankenhauses zugleich Überschuldung, also eine Insolvenzantragspflicht vor. Es
gilt in diesem Falle unverzüglich zu
handeln, um selbst nicht strafrechtliche Konsequenzen zu erleiden. Die
gesetzliche drei-Wochen-Frist stellt
hier eher ein persönliches Risiko als
eine Chance dar. Denn wenn schon
keine Möglichkeiten gesehen wurden, die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, wird innerhalb
Ad-Hoc-Maßnahmen
Untersuchung, ob geplante oder noch nicht abgeschlossene Investitionen verschoben, unterbrochen oder ausgesetzt werden können
* Einstellungsstopp mit Ausnahme der Stellen, die absehbar zu einer
spürbaren Verbesserung der Ertragslage führen oder deren Vakanz
eine existenzielle Bedrohung zur Folge hätte
* Stundung von Gesellschafterdarlehen
* Reduzierung der durchschnittlichen Debitorenlaufzeit durch
schnellere Abrechnung der erbrachten DRG – zumeist nur möglich
über die deutliche zeitliche Straffung der Kodierungsfreigabe
* Aufbau eines regelmäßigen Mahnwesens im Bereich der Selbstzahler und intensive Bearbeitung des Altforderungsbestands z. B.
durch Aufnahme von Fallbesprechungen der Altfälle mit den Kostenträgern
* sale-and-lease-back-Maßnahmen
* Alternative Finanzierungsmodelle, wie Leasing oder stilles Forderungsfactoring
* Reduzierung der Chargengröße und Minimierung des Lagerumfanges
*
der Frist der Überschuldungssituation kaum wirksam zu begegnen sein.
Rechtzeitiges Erkennen
wirtschaftlicher Krisen
Besteht also nur die Wahl zwischen
Pest und Cholera? Der Wahl zwischen Insolvenzantrag und eigenem
Haftungsrisiko? Sicherlich nicht.
Die Krankenhausunternehmensleitung sollte nur gerade in der Krise
permanent „am Ball sein“ und die
aktuelle wirtschaftliche Situation
kennen. Dann kann sie nachhaltige
Verbesserungen der wirtschaftlichen Situation einleiten und so den
Niedergang des Hauses und in der
Folge die persönliche Haftung vermeiden.
Krisenphasen stellen ein Krankenhaus und damit vor allem die beteiligten Mitarbeitenden unter extremen Druck. Zum einen bedingt die
Situation eine schnelle, stringente
Reaktion. Dazu sind Planungen zu
erstellen und Verbesserungspotentiale zu identifizieren, Analysen vorzunehmen und Maßnahmen umzusetzen. Diese sollten ad hoc zu einer
Stabilisierung und absehbar zu einer Verbesserung der Lage führen.
Zum anderen wartet daneben das
laufende Geschäft, das gerade in der
Krise umso intensiverer Betreuung
bedarf.
Probleme selten angesprochen
Hinzu kommen Kommunikationsprobleme, da wirtschaftliche Krisen
immer auch interne Ursachen haben. So stellen wir oft fest, dass Friktionen, die sich über Jahre einge-
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der Überschuldung feststellen zu
lassen. Bei Unterlassung wird § 15a
Insolvenzordnung einschlägig. Der
Tatbestand der Insolvenzverschleppung ist dann regelmäßig erfüllt.
schlichen haben oder auf Entscheidungen von Führungspersonen beruhen, durch nachgeordnete Mitarbeitende zwar erkannt, aber nur selten angesprochen werden. All dies
verschärft sich proportional mit dem
Ausmaß der Krise. Es kommt also
darauf an, so rechtzeitig zu reagieren, dass noch die finanzielle Kraft
oder das notwendige Vertrauen externer Dritter besteht, das für die
Umsetzung einer Restrukturierung
bzw. der Sanierung des kranken
Hauses notwendig ist.
Leider wird der Ernst der Lage oft
erst wahrgenommen, wenn die Liquidität zur Neige geht. Spätestens
bei den ersten Zahlungsstockungen
sind in kürzester Zeit Gegenmaßnahmen zu treffen, die die Zahlungsfähigkeit sichern.
Ad-Hoc-Maßnahmen zur
Soforthilfe
Solche Maßnahmen richten sich vor
allem auf die Stabilisierung der liquiden Ausstattung des Krankenhauses. Soweit die kurzfristige Aufnahme von Betriebsmittelkrediten
nicht mehr möglich ist, gewährte
Zahlungsziele bereits ausgenutzt
sind oder die Unterstützung durch
frisches Geld der Gesellschafter bzw.
zusätzlicher Gesellschafter nicht zur
Verfügung steht, können die folgenden Ad-Hoc-Maßnahmen ergriffen
werden (s. Infokasten).
Flankierende Maßnahmen, die sich
hauptsächlich auf die Verhinderung
der Überschuldung des Krankenhauses beziehen, wie qualifizierte
Rangrücktritte für Gesellschafter- KU Gesundheitsmanagement 10/2014
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Krisenanalyse
Stabilisierung
erste 21 Tage
Konzepterstellung
6 bis 12 Wochen Grundlegende
Analyse der
wirtschaftlichen Lage
Entwicklung einer
Unternehmensstrategie
mind. monatliche
Planungsaktualisierung
Ausbau der kurz- bis
mittelfristigen
Liquiditätsplanung
Markt- und
Wettbewerbsuntersuchungen
Maßnahmeidentifikation & otentialbewertungen
Prozess- und Organisationsoptimierung
Strukturmaßnahmen
Verhandlungen und
Gespräche zur
Liquiditätstärkung
– Fremdkapitalgeber
– Gesellschafter
– Kostenträger
– Investoren
Stärken/Schwächen
Chancen/RisikenProfilerstellun
Implementierung in
ein integriertes
Planungsmodell
Steuerung & stetige Kontrolle des
Prozessfortschritts
Erstellung eines Konzeptes (nach IDW S6),
ggf. Begutachtung des Konzeptes durch
erfahrene Dritte
darlehen, der Erlass von Verbindlichkeiten gegen Besserungsschein
und Eigenkapitalerhöhungen gegen
Verrechnung bestehender Darlehensforderungen sind grundsätzlich
sinnvoll. Da sie sich aber in erster Linie auf die bilanzielle Situation des
Hauses auswirken, minimiert sich
ihr Effekt auf den ggf. wegfallenden
Kapitaldienst sowie einen Ratingeffekt in der externen Darstellung gegenüber Fremdkapitalgebern.
Mit dem richtigen Konzept zur
Wende
Sofortmaßnahmen
unterstützen
zwar die Stabilisierung des Unternehmens, die Krisenursache wird
durch ihre Impulswirkung aber in
den seltensten Fällen abgestellt. Bereits parallel zur Umsetzung der Adhoc-Maßnahmen ist ein mittel- bis
langfristiges Konzept zu erstellen,
das realistisch, vollständig und
transparent ist. Es wirkt dann glaubwürdig, wenn die Ursachen für das
betriebliche Defizit erkannt und eliminiert werden. Dritte akzeptieren
die Bitte um Unterstützung in einer
Notlage eher, wenn die Geschäftsleitung transparent und offen die Ursachen der Situation analysiert und
ein nachvollziehbares Konzept für
eine erfolgversprechende Zukunft
darlegt. Aus den Krisenursachen
wird der strukturelle Anpassungsbe-
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6 bis 24 Monate
Identifikation &
Umsetzung von
Ad-Hoc-Maßnahmen
Typischer Verlauf einer Krankenhaussanierung
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Umsetzung
der Sanierungs-/
Restrukturierungsmaßnahmen
KU Gesundheitsmanagement 10/2014
darf ermittelt, der seinerseits zu
Maßnahmen führt, deren Effekte
den mittelfristigen Turnaround einleiten. Die Palette an möglichen
Maßnahmen reicht dabei von arbeits- und tarifrechtlichen Maßnahmen, über In- und Outsourcingfragen sowie Standort- oder Teilbetriebsschließungen bis zu zusätzlichen oder wesentlich veränderten
Leistungsangeboten.
Integriertes Planungsmodell
überzeugt
Ein integriertes Planungsmodell bildet flexibel, aber valide die wirtschaftliche Entwicklung und die Liquiditätslage ab. Es sollte Szenarien
rechnen können, damit Adressaten
des Konzepts die Eintrittswahrscheinlichkeit der Prognosen und
Planungen einschätzen können. Je
problemloser Einzelaspekte in der
Planung berücksichtigt und neben
der Ergebnisauswirkung zugleich
die Liquiditätseffekte antizipiert
werden können, umso eher kann ein
Dritter der dargestellten Prognose
von der Vollständigkeit und Plausibilität des zugrunde liegenden Planungsmodells überzeugt werden.
Ein wesentlicher Aspekt der Planung betrifft die voraussichtliche
Budgetentwicklung, d. h. die Berücksichtigung von Vereinbarungen
mit den Kostenträgern und von Ver-
Kommunikation der
wirtschaftlichen Lage
gegenüber Beteiligten
Quelle: Curacon
handlungsrisiken. Wenn das Konzept nur geringe Erwartungen an etwaige Sanierungsbeiträge der Kostenträger stellt, steigt dessen Umsetzungswahrscheinlichkeit.
Zügige stringente Umsetzung
der Sanierung
Auch das beste Konzept taugt nicht,
wenn die identifizierten Maßnahmen nicht schnell und wirksam zur
Umsetzung kommen. Typischerweise fordern begleitende Banken einen
straffen Projektplan, in dem Meilensteine der Sanierung definiert sind.
Daher sollten die ersten Maßnahmen bereits während der Konzeption eingeleitet sein.
Mitarbeitende können im Rahmen
einer Sanierung oftmals von Betroffenen zu Beteiligten werden. Jedoch
entfällt deren Mitwirkung spätestens dann, wenn der Eindruck entsteht, dass die Sanierung ins Stocken gerät und einzelne Bereiche bewusst ausgenommen werden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit der Sanierung hängt letztlich immer davon
ab, mit welcher Deutlichkeit und
Konsequenz die Reaktion auf die Krise erfolgt. $
Axel Remmeke
Curacon GmbH
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