Über 7000 Athleten schaffen den Rekord

Aachen
Seite 15 · Nummer 230 · Samstag, 3. Oktober 2015
Personalwechsel
Neue Gesichter an der
Fraktionsspitze der SPD
samstagsinterview
Andreas Pütz, Hermann
Mündel und das Erntedankfest
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Über 7000 Athleten schaffen den Rekord
4. Firmenlauf: Ein Menschenstrom kreist rund um den Hangeweiher. Doppelsieger Mussa Hudrog schafft 9,2 Kilometer in 29 Minuten.
von marie ludwig
Kenger, was für ein Wetterchen.
Mullefluppet hat gestern bei seinem Bummel durchs Städtchen
nur in strahlende Gesichter geschaut. Sommer im Herbst oder
goldener Oktober – wie man
will. So lässt es sich aushalten,
wa! Ein besonders Sonnenhungriger saß am Elisenbrunnen in
T-Shirt und Shorts und genoss
ein Eis. Nicht schlecht. Mullefluppet hat seiner Erkältung geschuldet doch auf mehr Textilien vertraut. Das Eis hat er sich
trotzdem schmecken lassen.
Und der Blick auf den Wetterfrosch hat seine Laune noch
besser werden lassen. Weiterhin
Sonne satt. Was will man mehr?
▶ [email protected]
Kurz notiert
Teile der Hörn rund
80 Minuten ohne Strom
Aachen. Zahlreiche Haushalte
und Hochschulinstitute auf der
Hörn, insbesondere im Bereich
zwischen Seffenter Weg, Ahornstraße und Melatener Straße,
waren am Freitagnachmittag
zwischen 16 und 17.30 Uhr von
der Stromzufuhr abgeschnitten.
Ursache für den Ausfall war laut
Stawag vermutlich ein Kabeldefekt. Näheres ließ sich bis gestern Abend nicht sagen.
Bauarbeiten an der
Krauthausener Straße
Aachen. Die Stawag erneuert ab
Montag, 5. Oktober, in der
Krauthausener Straße zwischen
Hausnummer 17 und 89 die
Versorgungsleitungen sowie
teilweise die Hausanschlüsse für
Wasser. Die Gesamtbauphase
dauert voraussichtlich zehn
Monate. Die Bauarbeiten beginnen mit umfangreichen Tiefbauarbeiten zu Beginn der
Herbstferien. Während dieser 14
Tage wird in zwei Bereichen der
Krauthausener Straße unter
Vollsperrung gearbeitet. Der Anliegerverkehr und die Zufahrt zu
den Häusern bleiben größtenteils gewährleistet. Eine Umleitungsstrecke über Marienstraße,
Dorffer Straße (Napoleonsberg)
und Bilstermühler Straße und
umgekehrt wird ausgeschildert.
Die Einbahnstraßenregelung in
der Grachtstraße wird für die
Dauer der Vollsperrung aufgehoben. Nach den Herbstferien
wird der Verkehr in beide Richtungen über eine temporäre
Ampelanlage geregelt. Statt des
regulären Linienverkehrs in
Krauthausen wird die Aseag
während der Herbstferien einen
Ersatzverkehr in Form eines
Shuttle-Services zu den Bushaltestellen in Brand gewährleisten. Weitere Informationen gibt
es unter ☎181-1444 und im Internet.
über die Baustellen:
? Übersicht
www.stawagbaut.de
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Aachen. Bei strahlendem Herbstwetter heißt es am Freitag: Rein in
die Sportschuhe und rund um den
Teich für den guten Zweck! Die
Vampires des Aachener American
Football Clubs haben sich die erste
Reihe gesichert und bringen sich
in voller Montur – sogar mit Helm
– in Schwung. Hinter ihnen erstreckt sich ein Meer aus Köpfen.
Noch zwei Minuten. Ein Trainer
hopst auf einem Gerüst auf und ab
und animiert zum Aufwärmtraining. Hektisch wechselt noch eine
letzte Schaulustige mit Mops auf
dem Arm auf die andere Straßenseite. Dann wird die Balustrade geschlossen. Gleich geht‘s los.
Auf die Millisekunde
Es ist der vierte Firmenlauf in Aachen, über 7000 Sportlerinnen
und Sportler und insgesamt 487
Firmen nehmen am Lauf um den
Hangeweiher teil – ein Rekord, und
ein großer Organisationsaufwand.
Deshalb haben schon in den frühen Morgenstunden die Aufbauarbeiten am Hangeweiher begonnen: Umkleiden, Duschen, T-ShirtAusgaben, Verpflegungsstände,
Vereinsstände, Leinwände, aufblasbare Ziele und vor allem die
Nummernausgabe. Denn in jeder
Nummer ist ein kleiner Sensor mit
großer Bedeutung enthalten.
Stephan Werland ist Messtechniker, und seine Geräte spielen
heute eine entscheidende Rolle.
Unter beharrlichen Pieps-Geräuschen ermitteln sie bis in auf die
Millisekunde, wann welche Nummer gerade ins Ziel kommt.
Drei, zwei, eins – Peng. Die Pistole in der Hand von OB Marcel
Philipp knallt und der Wettlauf
(über 4,63 Kilometer) beginnt. Im
Hechtstart setzen sich Vampires
und Gefolge in Bewegung. Die frühere Bundesliga-Volleyballerin Ka-
Sportlicher Herdentrieb: Über 7000 Läuferinnen und Läufer starteten gestern beim Firmenlauf.
rolina Bednarova gibt den Startschuss für den zweiten Lauf über
9,26 Kilometer.
Rund um den Hangeweiher
kreist ein quietschbuntes Trikotmeer. Lila, Rot, Weiß, Grün. Der
Zoll hat sich für leuchtend gelbe TShirts mit dem Aufdruck „Halt,
Zoll! Bitte folgen!“ entschieden.
Aber auch die Zuschauer haben
sich in Schale geworfen. Das Unterstützungsteam vom Pharma-
großhandel Geilenkirchen hat
sich für seine zwölf Läufer extra
mit leeren Kopfschmerztabletten-,
Schmerzsalben- und Salbeibonbon-Verpackungen geschmückt
und feuert kräftig an. Doch es geht
nicht nur ums Gewinnen, sondern
auch um den guten Zweck. Eine
Spendensumme von 15 000 Euro
wird an drei Förderprojekte für
Kinder und Jugendliche gehen.
Und es gibt prominente Rückende-
ckung: Musiker und TV-Star Joey
Kelly läuft in Aachen mit.
Endspurt:
Zur
Motivation
schwingen die Akrobatinnen des
Turnvereins Richterich ihre glitzernden Pompons. Dann rennt
Mussa Hudrog als erster Sieger
durchs Ziel. Jubel bricht aus. Erleichtert laufen die Sportler und
Sportlerinnen in die Arme ihrer
Freunde und Familien. „Es ist einfach ein Klassegefühl“, sagt Anne
Lubjuhn. Sie hat für den Lauf hart
trainiert und ist froh, es geschafft
zu haben. Immer mehr kommen
ins Ziel, entspannen an den zahlreichen Verköstigungsständen –
und auf der Bühne funkeln schon
die gläsernen Trophäen und warten auf ihre neuen Besitzer. Und,
ja: Jetzt strahlt ncht nur die Sonne.
Einziger Schatten: Viele standen
wegen des Massenandrangs und
der Absperrungen im Stau – genauso wie der Firmenlauf-ShuttleService vom Bendplatz.
Fotos: Andreas Schmitter
Frenetischer Jubel: Die Athleten
wurden vom Streckenrand eifrig
angefeuert – und fotografiert.
Die Siegerinnen und Sieger – Einzel und Team
Strahlende Gewinner: Die besten Läuferinnen und Läufer feierten, unter ihnen Doppelsieger Mussa Hudrog, der
auf der Bühne seinen Pokal gen Himmel streckte.
Sieger über 4,63 Kilometer: Männer: „Ericsson 5 KM“, Frauen: „Beck
+ Blüm-Beck Architekten“.
Sieger über 9,26 Kilometer: Männer:
„FEV Betriebssport 1“, Frauen: „Skikeller“.
Einzel Männer: Mussa Hudrog
(14:00); Einzel Frauen: Anne Lubjuhn
(19:34).
Sieger Einzel Männer: Mussa Hudrog (29:10); Einzel Frauen: Kristina
Ziemons (34:47).
Filterhersteller KMS verlässt Aachen: 100 Jobs sind weg
US-Konzern kaufte 2004 die hochdekorierte Puron AG und verlagert nun alles in die Heimat. Gründer von einst vor Neuanfang.
von stePhan mohne
Aachen. Diese Geschichte beginnt
mit einem Senkrechtstart. Und sie
endet mit fast 100 Arbeitslosen.
Dies deshalb, weil die „Koch Membrane Systems“ (KMS) mit Sitz an
der Kackertstraße und Produktion
in der Krantzstraße Ende November in Aachen dichtmacht. Die
Produktion wird in die USA verlagert – dort kommt der Chemieund Energieriese Koch her.
Überzeugendes Konzept
Es war im November 2001, als drei
Ingenieure des RWTH-Instituts für
Verfahrenstechnik die „Puron AG“
gründeten. Sie hatten innovative
Membranfilter für die Wasseraufbereitung entwickelt. Das Konzept
des jungen Unternehmens war
derart überzeugend, dass Puron
2003 für den Deutschen Gründerpreis nominiert wurde. 2004 verkauften die Aktionäre ihre PuronAnteile an KMS. Das US-Unternehmen bekundete, den Standort Aachen auszubauen. Was auch geschah. Die Produktion fand und
findet (noch) im ehemaligen Garbe-Lahmeyer-Gebäude an der
Krantzstraße statt. Das Gebäude
spielt in dieser Geschichte auch
eine Rolle. Dazu später.
Elf Jahre später hört das Unternehmen in Aachen auf zu existieren. KMS sprach gestern von einer
„möglichen“ Schließung, von der
laut Unternehmen rund 100 Mitarbeiter betroffen wären. Weiter
heißt es jedoch, dass man „nach einer gründlichen Prüfung der aktuellen und potenziellen künftigen
Überlebensfähigkeit des Standorts“ zu dem Schluss gekommen
sei, dass „signifikante Investitionen für die Modernisierung und
Erweiterung des angemieteten
Standorts in Aachen erforderlich“
seien, man diese aber nicht für gerechtfertigt halte im Vergleich zu
den „signifikanten Vorteilen“, die
eine Konzentration der Firmenaktivitäten in den USA habe.
„Das ist natürlich schlimm“,
sagt
Betriebsratsvorsitzender
Hans-Peter Plum. Die Konzernentscheidung sei jedoch irgendwie
auch nachvollziehbar. Auch wegen der hohen Kosten etwa durch
Umzug in die USA: Die im ehemaligen GL-Gebäude produzierende „Koch
Membrane Systems“ macht in Aachen dicht.
Foto: Andreas Steindl
die aufwändige Reinigung der Produktionsabwässer.
Aber auch besagtes Gebäude ist
ein Problem. Vor einiger Zeit hatte
die AZ berichtet, dass der Eigentümer, also der KMS-Vermieter, seine
Stromrechnung nicht bezahlte
und nur ganz knapp das Kappen
der Stromzufuhr für das Gebäude
abgewendet werden konnte. Im
Juni schließlich wurde die Zwangsversteigerung terminiert. Der
Marktwert des Gebäudes wurde auf
3,6 Millionen Euro festgelegt. Laut
Plum zu viel, als dass KMS das Gemäuer selbst hätte ersteigern und
dann mit hohem Aufwand herrichten wollen. So habe das Risiko
bestanden, dass ein Käufer von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen könnte und die
Produktion auf der Straße stünde.
Es kamen also offenbar einige Faktoren zusammen, die das Aus besiegelten. Laut Martina Weber von
der IG Metall sei es noch ein Glück,
dass 2011 ein Betriebsrat gegründet wurde, sonst gäbe es nicht einmal einen Sozialplan und Interessenausgleich für die Mitarbeiter,
von denen einige einst bereits vom
Aus der LG.Philips-Bildröhrenfabrik betroffen gewesen seien. „Wir
danken unseren Mitarbeitern für
ihr Engagement und ihre harte Arbeit in all den Jahren“, ließ KMSChef Mark Farrell gestern wissen.
Um den Kreis zu schließen: Einer jener Puron-Gründer von 2001
war Klaus Voßenkaul. Er steht kurz
davor, mit einem innovativen
Nachfolgeprodukt neu durchzustarten, bekundete er gestern. Er
hat dazu in Roetgen die Membion
GmbH gegründet. Die Geschichte
könnte also ein gutes Ende in einem Neuanfang nehmen.