HerrBirnbergaufderSuchenachdemGlück

Samstag, 16. Mai 2015 · nummer 112
Die Seite Drei
Seite 3 ABcde
Herr Birnberg auf der Suche nach dem Glück
Der 53-jährige US-Amerikaner und Wahl-Aachener kämpft für Zufriedenheit am Arbeitsplatz.
Wertschätzung als Schlüssel zum erfolg.
Von Amien idries
Aachen. Notorisch übel gelaunten
Menschen dürfte Randall Birnberg
nach einer gewissen Zeit ein wenig
auf die Nerven gehen. Der USAmerikaner und Wahl-Aachener
hat meist gute Laune, lacht gerne
und beginnt und beendet Gespräche oder E-Mails stets mit einem
Dank an oder guten Wünschen für
sein Gegenüber.
Diese Fröhlichkeit wirkt nicht
aufgesetzt und ist dennoch kein
Selbstzweck, sondern gewissermaßen die Visitenkarte des 53-Jährigen. Birnberg ist Glückscoach.
Eine esoterisch klingende Jobbezeichnung, die Griesgram und
schlechte Laune quasi ausschließt.
Weniger esoterisch klingt es,
wenn der Glückstrainer seine Tätigkeit näher beschreibt. Birnberg
bringt vor allem Führungskräften
bei, ihren Mitarbeitern Wertschätzung und Respekt entgegenzubringen. Aus der Sicht von Birnberg
entscheidende Faktoren, um Menschen glücklich zu machen. Und
glückliche Mitarbeiter lohnen sich
für Unternehmen. „Firmen profitieren von glücklichen Mitarbeitern. Es gibt eine geringere Personalfluktuation und höhere Produktivität“, sagt Birnberg. Eine
Studie hätte herausgefunden, dass
„happy“ Vertriebler bis zu 35 Prozent mehr verkaufen.
Kritik am Optimierungsgedanken
mit dem beginnt, was gut läuft.
Man sieht nachdenkliche Gesichter in der Runde der Caritas-Mitarbeiter, die zu sagen scheinen:
Stimmt, könnte man alles mal machen. Birnberg hat eine gewinnende, einnehmende Art, seine
gute Laune steckt an, sein amerikanischer Akzent passt perfekt zur
Happy-Botschaft. Nach dem Seminar geht es in Mittagspause und
alle wirken irgendwie locker.
Und, was bringt’s?
Was ist Glück? Gute Frage, die randall Birnberg bei seinen Workshops zu klären versucht.
mit mentaler Gesundheit zu tun.
Burn-Outs würden so bestenfalls
aufgeschoben.
Eine Kritik, die Adalbert Lechner
nicht nachvollziehen kann. Lechner ist Geschäftsführer der Lindt &
Sprüngli GmbH in Aachen und hat
bereits des Öfteren die Glückscoachings von Birnberg bei Führungskräften und Vertriebsmanagern
eingesetzt. Natürlich gehe es um
Steigerung der Motivation und
Produktivität, sagt Lechner auf Anfrage unserer Zeitung. Die Teil-
Schaut man sich andere Studien
an, so ist hier noch Luft nach oben.
Das Beratungsunternehmen Gallup erfasst jährlich die Zufriedenheit von Arbeitnehmern in
Deutschland. Zwar lässt sich seit
2001 ein positiver Trend erkennen,
dennoch sind nach der aktuellen
Umfrage lediglich 15 Prozent der
Arbeitnehmer Feuer und Flamme
für ihren Job. 70 Prozent leisten
Dienst nach Vorschrift
und 15 Prozent haben innerlich gekündigt.
„Baue Deine Stärken aus,
Arbeitszufriedenheit
steht also inzwischen bei
anstatt an Deinen Schwächen
den Unternehmen auf
herumzudoktern.“
der Agenda, die natürlich
ein großes Interesse an
MARtin SeliGMAn, US-PSycHOlOGe
leistungsfähigen und engagierten Mitarbeitern
haben. Allerdings nicht
immer zur Freude der Arbeitneh- nahme an den Coachings sei aber
mer, weil es durchaus Firmen gibt, freiwillig. Ein verbessertes Selbstdie das Thema anders herum auf- management bewirke grundsätzzäumen, und den Blick auf die Mit- lich mehr Zufriedenheit, mehr Erarbeiter statt auf die Führungs- folg und eine bessere mentale Gekräfte lenken.
sundheit. Darin könne er nichts
Hier heißt das Stichwort Resili- Negatives sehen. Die Arbeit von
enz. Ein Begriff aus der Material- Birnberg komme im Unternehwissenschaft, der in der Psycholo- men gut an und es sei bereits eine
gie die Widerstandsfähigkeit be- Steigerung der Mitarbeiterzufriezeichnet, mit der Menschen Stress denheit zu erkennen.
aushalten und Krisen überwinden.
Eine Kraft, die schwinden, die aber Wut ist nicht per se schlecht
auch gemehrt werden kann. Auf
Letzteres setzten Resilienztrai- Basis von Birnbergs Arbeit ist die
nings, die Überschneidungen mit vom US-Psychologen Martin Seligdem Glückscoaching aufweisen. man formulierte Positive PsychoMit Hilfe von Überzeugungen, logie. Der Gedanke dahinter ist,
dem Glauben an sich selbst und in dass man weg vom defizitorienKrisen erlernten Lösungsstrategien tierten Blick der klassischen Psysollen Menschen dem Unbill des chologie kommt, hin zur WertLebens besser entgegentreten kön- schätzung der eigenen Person,
nen. An sich seien diese Resilienz- aber auch des Gegenübers. „Baue
trainings nichts Schlechtes, wür- Deine Stärken aus, anstatt an Deiden sie nicht– nach Ansicht man- nen Schwächen herumzudokcher Experten – von Firmen dazu tern“, ist deshalb der Leitspruch
genutzt, ihre Belegschaft auf Pro- Seligmans und auch Birnbergs.
duktivität zu trimmen. „Wenn
Dabei geht es laut Birnberg
sich Firmen für Resilienzpro- nicht um Naivität. Was schlecht
gramme interessieren, schwingt läuft, müsse angesprochen werder Optimierungsgedanke häufig den. Auch und vor allem in Firmit“, sagt der Managementtrainer men. Wut und negative EmotioThomas Voss der „Süddeutschen nen seien nicht per se schlecht.
Zeitung“. Es gehe um ein Höher, Wer aber auf Dauer wütend sei,
Schneller, Weiter und habe nichts sollte sich um die Gründe dafür
Kritisieren nach der Hamburger Methode
dem Glückscoach randal Birnberg
(Foto) geht es nach eigenen Angaben darum, in Unternehmen eine
neue, wertschätzende Unternehmenskultur zu etablieren. Das bedeute nicht, sich nur noch mit Samthandschuhen anzufassen, sondern
es gehe um die Grundhaltung zu den
Mitarbeitern.
Kritik äußere man am besten mit
der sogenannten Hamburger-Methode. Wenn etwa ein Angestellter
häufig zu spät kommt, sollte der
Vorgesetzte ein Gespräch damit beginnen, den Wert des Mitarbeiters
für das Unternehmen herauszustellen: „Sie sind bereits sei 20 Jahren in
unserem Haus. Wir schätzen ihre Arbeit sehr“. Das ist quasi die untere
Brötchenhälfte. Als nächstes kommt
das Fleisch, die Kritik: „Wir haben
festgestellt, dass Sie öfter zu spät
kommen. Gibt es dafür einen konkreten Grund? Können wir ihnen
helfen?“ eventuell ergeben sich ganz
konkrete Lösungsansätze, sagt Birnberg. Zum Schluss die obere Brötchenhälfte: „Wir hoffen, dass Sie uns
noch lange als Mitarbeiter erhalten
bleiben.“
Birnberg ist nicht so naiv zu glauben, dass sich so alle Probleme lösen
lassen. Seine erfahrung zeige aber,
dass die erfolgsaussichten so am
größten sind. Der effekt dieses
freundlichen insistierens: es entsteht kein Groll und keine Genervtheit, sondern lediglich die hilfreiche
erinnerung, dass da noch etwas auf
dem Schreibtisch liegt.
Foto: Amien idries
kümmern. Dabei klammert Birn- als Lehrer für Business-Englisch
berg psychische Erkrankungen und entdeckte, dass in vielen Unausdrücklich aus. „Ich bin kein ternehmen ein Mangel herrscht.
Therapeut“, sagt Birnberg, der in „Viele Leute waren nicht happy“,
den USA Betriebspsychologie stu- sagt Birnberg. Die Klagen waren
diert hat. Es gehe lediglich um ei- häufig die gleichen: wenig Empanen positiveren Blick auf
sich selbst, der fast automatisch zu einem positi„Wer meine tipps über einen
veren Blick auf die Umwelt und die Mitmengewissen Zeitraum antrainiert,
schen führe.
dem garantiere ich ein
Birnbergs derzeitige
Tätigkeit wurde ihm dapositiveres Grundgefühl.“
bei gewissermaßen in die
RAndAll BiRnBeRG
Wiege gelegt. Er wuchs
in Chicago in einer Familie mit ukrainischen, rumänischen und italienischen thie und Wertschätzung von VorWurzeln auf, seine Eltern hatten gesetzten. Birnberg vertiefte sich
ein Restaurant. Da ging es um in die Idee der Positiven PsycholoKommunikation und Bedienen. gie von Seligman, die nicht wie die
Seine Mutter habe ihm zwei Dinge klassische Psychologie in die Verbeigebracht: „Die Menschen mö- gangenheit schaut, um dort Probgen es, wenn man ihnen etwas leme aufzudecken, sondern auf das
gibt. Und sie mögen es, wenn man Jetzt schaut und fragt, was derzeit
sie emotional berührt“, erzählt gut läuft. „Wohin Du Deinen FoBirnberg, der 1999 mit seiner da- kus richtest, das wächst“, sagt
maligen deutschen Lebensgefähr- Birnberg. Er predige das nicht nur,
tin und dem gemeinsamen Kind sondern betreibe es auch selbst. Jenach Aachen kam.
den Abend nehme er sich etwa die
In der neuen Heimat arbeitete er Zeit, um mit seiner Lebensgefähr-
tin über Dinge zu reden, die am
Tag gut gelaufen seien und für die
er dankbar ist.
Mit dieser Grundhaltung gibt er
seine Happy-Workshops. Zum Beispiel Mitte März in Eschweiler.
Hier treffen sich Mitarbeiter und
Führungskräfte des Caritas-Behindertenwerks. Geschäftsführer Michael Doersch hat Birnberg eingeladen, um zwischen den Strategiebesprechungen das Programm aufzulockern. Birnberg spricht von
Respekt gegenüber Mitarbeitern
und von Führungspersonal, das
den Angestellten hilft.
Er macht Rollenspiele, etwa,
dass man seinem Nebenmann von
seinen Stärken berichten soll. Eine
ungewohnte Erfahrung für einen
deutschen Arbeitnehmer. Er gibt
konkrete Tipps: Wie man etwa mit
Hilfe der Hamburger-Technik Kritik an Mitarbeitern übt und Ihnen
trotzdem Wertschätzung entgegenbringt (siehe Infobox). Dass
man es sich zur Gewohnheit
macht, zu Beginn des Arbeitstages
eine E-Mail an jemanden im Betrieb zu schicken, um ihm für etwas zu danken oder zu loben. Und,
dass man die nächste Besprechung
Nachfrage beim Geschäftsführer
etwa einen Monat später: Und
Herr Doersch, was hat’s gebracht?
Wertschätzung sei prinzipiell ein
großes Thema bei der Caritas, da
lege man viel Wert drauf. Das habe
man sogar schon zu einem Jahresthema gemacht. Was Geschäftsführer halt sagen. Er räumt ein,
dass sich der Effekt des Seminars
im Alltag ein wenig verliere. „Wir
wollen das aber nachhaltiger machen und weiter in die Mitarbeiterschaft tragen“, sagt Doersch.
Für Birnberg ist der nachlassende Effekt keine Enttäuschung.
Er ist überzeugt, dass man Glück
und positive Einstellung trainieren
kann. „Wer meine Tipps über einen gewissen Zeitraum antrainiert, dem garantiere ich ein positiveres Grundgefühl“, sagt er.
Lacht, wünscht noch „a great day“
und verschwindet.
Positive Psychologie
ist die Grundlage
dem Glückscoaching liegt die sogenannte Positive Psychologie (PP)
zugrunde, die vom US-Psychologen
Martin Seligman entwickelt wurde.
im Gegensatz zur klassischen Psychologie soll hier die Konzentration
nicht auf Störungen und Konflikten, sondern auf positiven Aspekten liegen. Die PP will sich mit dem
beschäftigen, was den Menschen
allgemein stärkt und das Leben lebenswerter macht.
in der akademischen Psychologie
ist die Positive Psychologie umstritten. Die US-amerikanische Autorin Barbara ehrenreich ist der
Auffassung, „dass sich der erfolg
der PP vor allem in Dozentenstellen und Karrierechancen auf dem
Coaching-Markt messen lässt: für
die Positiven Psychologen selbst“.
Der Begriff Glückscoach ist nicht
geschützt. Man wird also im internet viele Glückstrainer finden.
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Samstag · 30. Mai 2015
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