Musterlösung für die Klausur über “Josef Bochenski” der Wert 1. Beschreiben Sie die Kennzeichen alttestamentlicher Ethik. (ca. 15 min) 1. Ethik der Erinnerung: Die ethischen Forderungen des AT beruhen auf dem vorausgehenden befreienden Handeln Gottes an Israel. Quasi als Vorspann zu den 10 Geboten, vor allem aber als Begründung für das 1. Gebot wird an Gottes Befreiungstat in Ägypten erinnert: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten befreit hat, dem Sklavenhaus. Israel übernimmt aus Dankbarkeit gegenüber Gottes Befreiungstat die Verpflichtungen der Thora. 2. Ausschließlichkeit des einen Gottes: Immer wieder schärfen die Gebote den Israeliten ein, dass Jahwe die Verehrung anderer Götter neben sich nicht duldet. Die häufige Geißelung des Abfalls zu anderen Göttern, besonders bei den Propheten, zeigt, dass Israel immer wieder in der Versuchung war, auch anderen Göttern zu dienen. Das 1. Gebot begründet allerdings noch keinen strengen Monotheismus sondern eher einen Henotheismus bei dem die Existenz anderer Götter nicht geleugnet wird sondern nur deren Verehrung verboten ist. 3. Absolutheit des Rechts: Normen und Gesetze gelten überwiegend absolut. Strafen dienen nicht primär zur Besserung sondern zur Wiederherstellung einer verletzten Ordnung. Lex Talionis: Typisch für das at-liche Recht ist die Vergeltung: “Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn”. 4. Heiligkeit des Landes: Die Rechtsordnung geht davon aus, dass das Land, die Gabe Gottes, ein heiliges Land ist. Dementsprechend stellen Verbrechen häufig auch eine Entweihung dieses Landes dar. Die oft drakonischen Strafen haben dann meist das Ziel, durch Auslöschung des Täters, bzw. “Entsühnung” die Heiligkeit des Landes wieder herzustellen. 5. Apodiktisches und kasuistisches Recht: Der Dekalog spricht in schlichten Sollens-Sätzen: Du sollst nicht ... Man nennt dies “apodiktisches Recht”. Viele andere Stellen, beschreiben aber einen konkreten Fall, z.B. eine bestimmte Straftat und die dafür vorgesehene Strafe: Ex 21,22: Wenn Männer miteinander streiten und stoßen dabei eine schwangere Frau, so daß ihr die Frucht abgeht, ihr aber sonst kein Schaden widerfährt, so soll man ihn um Geld strafen, wieviel ihr Ehemann ihm auferlegt, und er soll's geben durch die Hand der Richter. 2. Erklären Sie kurz den Unterschied zwischen Werten und Wertungen, wie er im vorliegenden Text gemacht wird. (ca. 10 min) Bochenski hält Werte - anders als die Positivisten - nicht für einen Bodensatz aus Wertungen sondern für das Grundlegende. Für Bochenski entspringen Werte nicht der Menge von Wertungen sondern umgekehrt liegen den (Einzel) Wertungen jeweils grundlegendere “evidente” Werte zugrunde. Wertungen beruhen für Bochenski auf Einsichten in Werte stellen eine Reaktion auf diese Einsichten dar. Die Werte selbst basieren wiederum, wie Bochenski es am Beispiel der Elternliebe verdeutlicht, auf menschlichen Grundgegebenheiten, der “menschlichen Konstitution”. Werte sind damit an diese gebunden und nur insofern veränderlich, als auch die menschliche Konstitution veränderlich ist. 3. Welchem oder welchen der bisher im Unterricht behandelten ethischen Grundmodelle ist dieser Text verpflichtet oder steht ihm nahe. Begründen Sie ausführlich!(ca. 25 min Der Text steht sowohl der idealistischen Wertsicht Platons, dem Naturrecht, wie auch der Pflichtethik Kants nahe. Zwar sagt Bochenski, dass er die Werte nicht in “irgeneinden platonischen Himmel” verlegen wolle, bezeichnet sie aber dennoch als etwas “Ideales” das besteht, wie mathematische Gesetze. Werte sind demnach, wie mathematische Gesetze, dem Menschen vorgegeben und nicht von ihm beliebig veränderbar. Die “Werte aber sind ewig und unveränderlich.” Diese idealistische und klar Platon nahestehende Behauptung macht sich Bochenski auch selbst zu eigen. “Die Werte sind auf der Beziehung zwischen dem Menschen und den Dingen gegründet”. Hier wird deutlich gesagt, dass sich Werte aus der Natur der Sache ergeben. Weil dies und jenes so ist - folgt daraus ein bestimmter Wert oder einen Norm. Verdeutlicht wird dies am Beispiel der Mutterliebe und zwar im direkten naturalistischen Schluss (den die Gegner der Naturrechtslehre einen naturalistischen Fehlschluss nennen). Aus dem Wesen der Mutter ergibt sich direkt, dass ein Muttermord immer ein Verbrechen ist. Die Naturrechtslehre schließt vom Sein auf das Sollen. Genau dies geschieht hier. Vom Wesen der Mutter wird auf ein Sollen geschlossen. Bochenski bekennt sich selbst zu dieser Position, steht also auch der Naturrechtslehre nahe. Diese ist gleichzeitig immer auch eine deontologische Position, wie sie auch Kant vertrat. Die positivistische Auffassung, die vor allem von den britischen Empiristen vertreten wurde kritisiert Bochenskin deutlich. Damit steht der klar in der Tradition Kants, der in Wertfragen jeglichen Empirismus oder Positivismus abgelehnt hat. Für Kant entstehen Werte und Pflichten niemals aus irgendwelchen Nützlichkeitserwägungen, wie dies die Empiristen behaupten. Kant wie Bochenski gehen beide klar deduktiv vor: aus grundlegenden und unveränderlichen Grundwerten folgen konkrete Pflichten (Einzelwertungen), deren Wert nicht von den Konsequenzen der pflichtgemäßen Handlungen abhängen. 4. Ein reales Problem: Das Bundesbildungsministerium lädt Schüler zur Teilnahme an einer “Physik-Olympiade” ein. Den Bundessiegern wird in Aussicht gestellt, an der Internationalen Physik-Olympiade 2007 im Iran teilzunehmen. Nehmen wir an Sie hätten eine realistische Chance, bei einer Teilnahme an einer solchen “Olympiade” tatsächlich in die Endrunde zu kommen. Welche ethischen Überlegungen würden oder sollten Sie vor Ihrer Teilnahme anstellen und welchem ethischen Grundmodell würden diese Überlegungen eher folgen. ( 15 min) Antwort 4 Der Iran ist ein Land, dessen Präsident in der letzten Zeit den Holocaust in Frage gestellt hat, was in Deutschland als Verbrechen gilt. Viele Neonazis sehen in Präsident Achimanaschab eine Heldenfigur. Etliche Äußerungen des Präsidenten wurden von der Weltgemeinschaft als Angriff auf das Existenzrecht Israels interpretiert. Das Urananreicherungsprogramm Irans wird als Bedrohung für den Weltfrieden empfunden, weil es den Iran in die Lage versetzen könnte, Atombomben zu bauen. Kontollen durch die Weltatomkontrollbehörde unterbindet der Iran mittlerweile. Alle möglichen diplomatischen Initiativen anderer Länder unterläuft der Iran. Die Situation der Menschenrechte, insbesondere die der Frauenrechte ist beklagenswert. Sollen deutsche Schüler also in einem solchen Land an einer Physik-Olympiade teilnehmen? 1. Argumentation für eine Teilnahme Grundsätzlich würde ich vor einer Teilnahme an der “Physikolympiade” überlegen, ob meine Teilnahme überwiegend positive oder überwiegend negative Folgen sowohl für mich, als auch ingesamt hätte. Insofern wären meine Überlegungen dem Typ der teleologischen Ethik, der sogenannten Verantwortungsethik zuzuordnen. In einer Zeit, in der die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Iran und den anderen Ländern immer schwieriger werden, halte ich es gerade für wichtig, den Iran nicht völlig aussenpolitisch zu isolieren. Wenn die Kontakte auf den höheren Ebenen nicht mehr funktionieren, sollte man nicht auch noch auf den unteren Ebenen den Kontakt abbrechen lassen. Nur wenn man auf vielen Ebenen im Gespräch bleibt, kann man auch auf einen “Wandel durch Annäherung” hoffen. Dies war ja auch lange die Politik der Bundesregierung gegenüber der ehemaligen DDR. Ein wissenschaftlicher Austausch auf Schülerebene hat aus meiner Sicht keine negativen sondern eher positive Konsequenzen. Für die Teilnehmer: Sicher werden die iranischen Behörden alles für die Sicherheit der ausländischen Gäste tun. Grundsätzlich geht es hierbei um sein Ansehen in der Weltgemeinschaft. Insgesamt: Junge Menschen aus vielen Ländern würden durch einen Aufenthalt auch Interesse an diesem Land gewinnen, und sich später vielleicht sogar für eine Verbesserung der Situation in diesem Land einsetzten, z.B. durch Unterstützung von Amnesty International. 2. Argumentation gegen eine Teilnahme Grundsätzlich würde ich vor einer Teilnahme an der “Physikolympiade” überlegen, ob meine Teilnahme überwiegend positive oder überwiegend negative Folgen sowohl für mich, als auch ingesamt hätte. Aber ich will auch grundsätzliche Überlegungen nicht ausser acht lassen, nach denen sich der Wert meines Handelns nicht allein nach den Folgen bemisst. Insofern wären meine Überlegungen einer gemischt deontologisch-teleologischen Ethik zuzuordnen. In Deutschland, in dem Land, in dem der Holocaust stattgefunden hat, haben alle Bürger eine besondere Verantwortung: gegenüber dem jüdischen Volk, gegenüber dem Staat Israel und gegenüber der Wahrheit (pflichtethischer Gedanke). Zu dieser Pflicht zur Wahrheit gehört es auch, dass man Menschen klar entgegentritt, welche den Holocaust leugnen und damit dessen Opfer verhöhnen, wie es iranische Regierungskreise tun. Ein offizielles Händeschütteln mit Regierungsvertretern des Iran wäre ein Schlag ins Gesicht der Opfer der Schoa. Es verwundert daher nicht, dass deutsche Politiker zur Zeit ein öffentliches Händeschütteln mit Regierungsvertretern des Iran vermeiden. (Bei der Fußballweltmeisterschaft wäre eine Einreise des iranischen Präsidenten höchst unwillkommen und nur sein diplomatischer Status würde ihn in Deutschland vor einer sofortigen Verhaftung schützen. ) Genau dies, wird aber nun deutschen Schülern (und denen anderer Länder) zugemutet. Man stelle sich dies vor: Der iranische Bildungsminister oder sein Stellvertreter begrüßt offiziell die “Jugend der Welt” zu einer “Olympiade”. Die Sieger erscheinen händeschüttelnd mit einem Staatsvertreter in der Zeitung unter der Überschrift: “Die Jugend der Welt zu Gast bei Freunden”. Das Regime des Iran erhielte damit - wenn auch nur zu einem weniger bedeutenden Anlass - Gelegenheit zur Propaganda im eigenen Land. Ungewollte Mitspieler dabei wären Schüler - unter anderem aus Deutschland. Ungute Erinnerungen an die Olympiade in Hitlerdeutschland 1936 werden wach. Noch schlimmer wäre ein Szenario, in denen deutschen Schülern per Dolmetscher die scheinbar unschuldige Frage gestellt würde, ob sie nicht endlich genug davon hätten, sich für den “angeblichen” Holocaust gegenüber Israel schuldig fühlen zu müssen und was sie denn von einer “Wahrheitsfindungskommission” in dieser Sache hielten. Es sollte hier kein Lawieren geben, keine herausgeschobene Entscheidung nach dem Motto: “Jetzt mache ich erstmal mit - und wenn ich tatsächlich ausgewählt würde - kann ich ja immer noch entscheiden, ob ich in den Iran fahre. Vielleicht kommt doch alles anders!” Gefordert ist hier eine klare Entscheidung, wie sie z.B. bei der offiziellen sportliche Olympiade 1980 von vielen demokratischen Ländern gefällt worden ist. Damals boykottierten sie die Spiele in Moskau wegen des Einmarsches der Sowjetarmee in Afghanistan. Diese Entscheidung ist - auf kleinerm Niveau - auch hier gefordert.
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