Kugelzellen-Anämie Leitlinie Empfehlungen der Fachgesellschaft zur Diagnostik und Therapie hämatologischer und onkologischer Erkrankungen Herausgeber DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. Alexanderplatz 1 10178 Berlin Geschäftsführender Vorsitzender: Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer Telefon: +49 (0)30 27 87 60 89 - 0 Telefax: +49 (0)30 27 87 60 89 - 18 [email protected] www.dgho.de Ansprechpartner Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann Medizinischer Leiter Quelle www.onkopedia.com Die Empfehlungen der DGHO für die Diagnostik und Therapie hämatologi scher und onkologischer Erkrankungen entbinden die verantwortliche Ärztin / den verantwortlichen Arzt nicht davon, notwendige Diagnostik, Indikationen, Kontraindikationen und Dosierungen im Einzelfall zu überprüfen! Die DGHO übernimmt für Empfehlungen keine Gewähr. Inhaltsverzeichnis 1 Was ist das? ................................................................................... 2 1.1 Was ist eine Kugelzellen-Anämie? ................................................................. 2 1.1.1 Wie häufig sind Kugelzellen-Anämien? ....................................................... 3 1.1.2 Wie entsteht eine Kugelzellen-Anämie?...................................................... 3 2 Krankheitszeichen .......................................................................... 4 2.1 Welche Krankheitszeichen sind typisch?........................................................ 4 2.2 Welche Laborwerte sind verdächtig? ............................................................. 5 2.3 Was bedeutet ein erhöhter MCHC Wert? ....................................................... 6 3 Untersuchungen ............................................................................. 7 3.1 Welche Untersuchungen sind erforderlich? ................................................... 7 3.2 Könnte es eine andere Krankheit sein?.......................................................... 9 4 Behandlung .................................................................................. 11 4.1 Welche Behandlung gibt es?........................................................................ 11 4.1.1 Wann ist die Operation der Milz sinnvoll? ................................................. 11 5 Kontrollen .................................................................................... 12 5.1 Sind regelmäßige Blutkontrollen erforderlich?............................................. 12 7 Weitere Infos................................................................................ 13 8 Wer behandelt? ............................................................................ 13 8.1 Onkologische Zentren.................................................................................. 13 8.2 DGHO Mitgliederdatenbank ......................................................................... 13 8.3 GPOH (Kinderärzte)...................................................................................... 13 9 Anschriften der Verfasser.............................................................. 13 1 Kugelzellen-Anämie Stand: Dezember 2011 1 Was ist das? 1.1 Was ist eine Kugelzellen-Anämie? Unter dem Begriff ‚angeborene Kugelzellen-Anämie‘ wird heute eine ganze Gruppe unterschiedlicher Erkrankungen zusammengefasst. Gemeinsames Merk mal sind Fehler in der äußeren Hülle der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Ihre Form verändert sich, ein Teil der Erythrozyten nimmt die Form von Kugeln an. Die äußere Hülle (Membran) von Erythrozyten ist aus mehreren Eiweißen aufge baut. In jedem dieser Eiweiße können vererbte Fehler auftreten. Die Erythrozyten verlieren dadurch ihre Elastizität und werden beschleunigt abgebaut, vor allem in der Milz. Der Prozess der Auflösung roter Blutkörperchen wird als Hämolyse, eine dadurch entstehende Blutarmut als hämolytische Anämie bezeichnet. Kugelzel len-Anämien gehören zu den hämolytischen Anämien. Durch die Zerstörung der defekten roten Blutkörperchen entwickelt der Patient eine Blutarmut. Der Körper versucht die Blutarmut zu kompensieren, in dem er vermehrt neue rote Blutkörperchen im Knochenmark herstellt. Kugelzellen-Anämien wurden erstmals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschrieben. Im Jahre 1900 veröffentlichte Oskar Minkowski seine Beobachtun gen über die Häufung dieser Krankheit in bestimmten Familien. 2 1.1.1 Wie häufig sind Kugelzellen-Anämien? Die Häufigkeit wird in Deutschland auf 1 pro 2000 – 2500 Einwohner geschätzt. Damit sind die Kugelzellen-Anämien die mit Abstand häufigsten angeborenen hämolytischen Anämien bei Nord- und Mitteleuropäern. 1.1.2 Wie entsteht eine Kugelzellen-Anämie? Kugelzellen-Anämien entstehen aufgrund von Fehlern in den Eiweißen der äuße ren Hülle roter Blutkörperchen. Die Fehler werden verursacht durch Mutationen in den für die Eiweiße zuständigen Gene. Je nachdem wie schwerwiegend diese Fehler sind, in welchem Eiweiß sie auftre ten und wie sie vererbt werden, wirken sich diese Defekte ganz unterschiedlich auf die roten Blutkörperchen aus. Fehler können in verschiedenen Eiweißen auftreten. Am häufigsten betroffen sind Ankyrin, Bande 3 und Spektrin. Seltener sind Veränderungen von Protein 4.2 und im Rhesus-Komplex. Es gibt auch Patien ten, bei denen die Ursache der Kugelzellen-Anämie nicht gefunden wird. Bei etwa 70 % der Betroffenen wird die Erkrankung autosomal dominant vererbt, nur bei etwa 15 % autosomal rezessiv. Die übrigen Patienten erkranken aufgrund von Neumutationen. Eine Einteilung mit Beschreibung der verschiedenen Formen von angeborenen Kugelzellen-Anämien ist in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1: Einteilung der Kugelzellen-Anämie auf der Basis der Membrandefekte Typ Defekt Häufigkeit1 Vererbung2 betroffene Eiweiße Verlaufsform3 1 Ankyrin-1 40 - 65 % autos. dom., autos. rez., Ankyrin-1 und Spektrin meist mittelschwer; selten leicht oder schwer 2 β Spektrin 15 - 30 % autos. dom., β Spektrin leicht bis mittelschwer 3 α Spektrin <5% autos. rez. α Spektrin meist schwer 4 Bande 3 20 - 35 % autos. dom. Bande 3 leicht bis mittelschwer; sehr selten schwere rezessive Form 5 Protein 4.2 <5% autos. rez. Protein 4.2 leicht bis mittelschwer Legende: 1 Häufigkeit - relative Häufigkeit in Mitteleuropa; 2 autos. - autosomal, dom. - dominant, rez. - rezessiv; 3 Verlaufsform - s. Tabelle 2; 3 2 Krankheitszeichen 2.1 Welche Krankheitszeichen sind typisch? Die Krankheitszeichen lassen sich durch die Biologie der Kugelzellen-Anämie gut erklären. Membrandefekte führen zur vermehrten Zerstörung von roten Blutkör perchen, vor allem in der Milz. Es kommt zur Blutarmut. Im Blut und im Urin finden sich Abbauprodukte von roten Blutkörperchen. Bei einer schweren Verlaufsform steigt Bilirubin so an, dass sich die Haut gelb und der Urin dunkel braun verfärben. Das Knochenmark versucht, die Blutarmut zu korrigieren und produziert vermehrt rote Blutkörperchen. Dadurch werden auch unreife rote Blut körperchen ins Blut ausgeschüttet, die Retikulozyten. Eine Kugelzellen-Anämie kann bei den Betroffenen ganz unterschiedlich verlau fen. Bei schweren Verlaufsformen sind schon im Kindesalter Blutübertragungen erforderlich. Bei leichten Verlaufsformen fühlt sich der Betroffene nicht krank, die Diagnose wird zufällig bei einer Laboruntersuchung gestellt. Charakteristisch für die Kugelzellen-Anämie ist das gemeinsame Auftreten von • Blutarmut (Anämie) • Gelbfärbung der Haut (Ikterus) • Vergrößerung der Milz (Splenomegalie) Weitere, typische Komplikationen sind • Gallensteine • hämolytische Krisen • aplastische Krise Gallensteine entstehen durch den ständigen, schleichenden Abbau von roten Blutkörperchen. Die dabei entstehenden Abbauprodukte fördern die Bildung von Gallensteinen. Hämolytische Krisen beschreiben die plötzliche Zerstörung von roten Blutkörper chen. Diese Krisen treten in der Folge von eigentlich ‚harmlosen‘ Infekten auf. Bei jungen Erwachsenen ist der Verlauf der Krisen meist milde, eine Blutübertragung ist nicht erforderlich. Hämolytische Krisen können wiederholt auftreten. 4 Die aplastische Krise ist meistens einmalig. Sie führt rasch zu einem starken Abfall der roten Blutkörperchen. Oft wird eine Blutübertragung erforderlich. Typi scherweise wird die aplastische Krise durch Parvovirus B19 ausgelöst. Weitere seltene Komplikationen einer Kugelzellen-Anämie sind Erkrankungen von Herz und Gefäßen, Blutbildung außerhalb des Knochenmarks und eine vermehrte Eisenablagerung im Körper. Die Blutbildung außerhalb des Knochenmarks findet sich am häufigsten im Brustkorb und kann mit Tumoren verwechselt werden. Bei älteren Patienten können Durchblutungsstörungen an den Unterschenkeln auftreten, bis zu einem ‚offenen Bein‘. Neben der Einteilung der Kugelzellen-Anämie auf der Basis der defekten Eiweiße gibt es auch eine Einteilung nach der Schwere der Krankheit, siehe Tabelle 2. Tabelle 2: Einteilung der Kugelzellen-Anämie auf der Basis der Blutarmut Träger1 leicht Patienten (%)2 Mittelschwer schwer sehr schwer 25 - 30 60 – 70 10 3–5 Hämoglobin (g/L) normal 11 - 15 8 – 11 6-8 <6 Retikulozyten (%) 1–3 <6 ≥6 > 10 > 10 Bilirubin (mg / dL) 0–1 1-2 ≥2 ≥2-3 ≥3 normal vereinzelte Kugelzellen deutlich vermehrte Kugelzellen deutlich ver mehrte Kugel zellen Mikro-Kugelzellen, Poikilozytose nein 0-1 0–2 ≥3 regelmäßig Blutausstrich Blutübertragungen3 Legende: 1 Personen mit der Anlage für eine Kugelzellen-Anämie in der Familie, aber ohne Krankheitszeichen; 2 relative Häufigkeit; 3 voraussichtlicher Bedarf an Blutübertragungen im Lauf des Lebens 2.2 Welche Laborwerte sind verdächtig? Bei einem Teil der Betroffenen wird die Kugelzellen-Anämie zufällig bei einer Blut untersuchung gefunden. Diese Personen fühlen sich nicht krank, die Laborunter suchung wurde aus anderen Gründen veranlasst. Hinweise auf eine KugelzellenAnämie sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Tabelle 3: Labor - Hinweise auf eine Kugelzellen-Anämie Laborwert Kommentar •MCHC oberhalb der Normgrenze (35 oder 36 g / dl)1 sehr verdächtig ist die Kombination von MCHC oberhalb der Norm grenze und RDW2 > 15 % •Retikulozyten erhöht •Kugelzellen einzelne •LDH erhöht •indirektes Bilirubin erhöht Selten 5 Laborwert Kommentar •Haptoglobin erniedrigt •Vermehrung hyperchromer Erythrozy ten •leichte Erhöhung der osmotischen Fra gilität in den besonders empfindlichen Testverfahren (AGLT) Legende: 1 RDW - Größenverteilung von Erythrozyten im automatischen Blutbild; 2 siehe Kapitel 2.3 für eine ausführlichere Darstellung von MCHC Wenn mehrere Laborwerte verändert sind, erhärtet sich der Verdacht. Wenn keine Kugelzellen nachweisbar sind, der MCHC-Wert nicht erhöht ist und auch die Retikulozyten nicht erhöht sind, ist eine Veranlagung zur Kugelzellen-Anämie nicht ausgeschlossen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die betroffene Person jemals Beschwerden entwickelt. Die Grenze zwischen einer Veranlagung und einer leichten Form von KugelzellenAnämie ist nicht immer leicht zu ziehen. Gelegentlich können bei leichten Formen eine hämolytische oder auch eine aplastische Krise auftreten. 2.3 Was bedeutet ein erhöhter MCHC Wert? MCHC ist ein errechneter Laborwert. Er gibt die Hämoglobin – Konzentration in Hämoglobin pro 100 ml Erythrozyten an. Der erhöhte MCHC – Wert (mean cellular hemoglobin concentration) ist typisch für die Kugelzellen-Anämie. Allerdings kann ein erhöhter MCHC-Wert auch in anderen Situationen gemessen werden. Dazu gehören •andere, angeborene Membrandefekte der Erythrozyten, siehe Kapitel 3.2 Könnte es eine andere Krankheit sein? •Kälteagglutinine •Hämoglobin C – Anomalie •Sichelzellkrankheiten •Patienten mit massiver Eisen - Überladung 6 3 Untersuchungen 3.1 Welche Untersuchungen sind erforderlich? Die Krankengeschichte und eine komplette körperliche Untersuchung sind Grund lage der weiteren Untersuchungen. Die weiteren Untersuchungen bei Erwachse nen sind in den Tabellen 4 und 5 zusammengefasst und in Abbildung 1 darge stellt. Tabelle 4: Basisuntersuchungen bei Verdacht auf angeborene Kugelzellen-Anämie Untersuchung (unbedingt erforderlich) Beschreibung Bewertung Kugelzellen-Anämie in der Fami lie • autosomal dominant oder rezes siv kann zutreffen, muss aber nicht Vergrößerung der Milz • körperliche Untersuchung kann zutreffen, muss aber nicht • Ultraschall Blutbild automatisch • Anämie • MCHC1 > 35 g/dl kann zutreffen, muss aber nicht kann zutreffen, muss aber nicht kann zutreffen, muss aber nicht • Anisozytose (RDW2) Blutausstrich mikroskopisch gesteigerte Hämolyse • Kugelzellen • Anisozytose trifft bei den meisten Patienten zu3, 4 kann zutreffen, muss aber nicht • Retikulozyten normal oder erhöht mindestens 2 Veränderungen müssen zutreffen • indirektes Bilirubin erhöht • LDH5 erhöht • Haptoglobin nicht nachweisbar Coombs Test • negativ muss zutreffen Legende: 1 MCHC - mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration; 2 RDW- Größenverteilung von Erythrozyten im automatischen Blutbild; 3 nur in einwandfreien Ausstrichen zu erkennen; 4 bei leichten Formen können nur wenige oder keine Sphärozyten nachweisbar sein; 5 LDH – Laktatdehydrogenase 7 Tabelle 5: Weiterführende Untersuchungen bei Verdacht auf angeborene Kugelzellen-Anämie Test Beschreibung osmotische Fragilität Acidified Glycerol Lysis Time (AGLT), Inkubation von frischem Blut Durchflusszytometrie Eosin-5-Maleimid Bindung Membran – Analyse SDS PAGE Gen – Analyse Sequenzierung der Kandidatengene: Linkage Analyse Es gibt keinen Einzeltest, der alle Formen der Hereditären Sphärozytose erkennt. In einer aktuellen Studie an 150 Patienten wurde gezeigt, dass die Kombination von AGLT und EMA Test eine Empfindlichkeit von 100 % erreicht. Diese Kombina tion wird jetzt als Standard empfohlen. Andere Untersuchungsmethoden der osmotischen Resistenz sind weniger empfindlich und werden deshalb nicht mehr als Standard empfohlen. Osmotische Fragilität / osmotische Resistenz: Sie beschreibt die Widerstandsfähigkeit der äußeren Hülle roter Blutkörperchen unter bestimmten Stressbedingungen. Der Test mit der Acidified Glycerol Lysis Time (AGLT) hat eine hohe Genauigkeit, die Empfindlichkeit liegt zwischen 80 und 95 %. Der Test muss innerhalb von Stunden nach Blutabnahme oder an per Eilbo ten versandten Proben (je nach Jahreszeit gekühlt) vorgenommen werden! Durchflusszytometrie: Die durchflusszytometrische Methode (EMA Test) wurde im Jahre 2000 eingeführt. Sie beruht auf der verminderten Bindung des Fluoreszenzfarbstoffs Eosin-5-Malei mid bei Patienten mit angeborener Kugelzell-Anämie im Vergleich zu Normalper sonen. Die Empfindlichkeit liegt bei 90 - 95 %, die Genauigkeit bei 95 - 99 %. Membran – Analyse: Bei dieser Untersuchung werden die einzelnen Eiweiße in der Hülle von Erythrozy ten aufgetrennt und untersucht. Gen – Analyse: Der verantwortliche Gen – Defekt kann bei den Patienten und in den betroffenen Familien direkt untersucht werden. Da verschiedene Gene in Frage kommen und es innerhalb dieser Gene verschiedene Defekte gibt, sind die Kosten für diese Untersuchungen hoch. Sie sind Spezialfällen vorbehalten. Mit keiner Methode kann die Diagnose einer Kugelzellen-Anämie allein und sicher gestellt werden. Ausnahme sind Personen aus Familien, in denen die KugelzellenAnämie schon bekannt ist und der Defekt nachgewiesen wurde. Dann kann die Diagnose bei einem ‚verdächtigen‘ Familienmitglied auch mit einer einzigen Methode bestätigt werden. In allen anderen Fällen sollten mindestens 2 verschiedene Verfahren eingesetzt werden, empfohlen werden AGLT und EMA-Test. 8 Abbildung 1: Empfehlungen zum Vorgehen bei Verdacht auf eine angeborene KugelzellenAnämie Legende: 1 typische Krankheitszeichen – Blutarmut, Gelbfärbung der Haut, Vergrößerung der Milz, hämolyti sche Krise oder aplastische Krise nach Virusinfekt; 2 auffällige Laborbefunde – MCHC > 35 und RDW > 15 %; Retikulozyten erhöht, Zeichen der Hämo lyse; 3 Basisdiagnostik - großes Blutbild, Retikulozyten, LDH, Bilirubin, Haptoglobin, Coombs Test; 4 AGLT – Acidified Glycerol Lysis Time, Test zur Bestimmung der osmotischen Fragilität, 5 Durchflusszytometrie – Färbung mit Eosin-5-Maleimid; 3.2 Könnte es eine andere Krankheit sein? Elliptozytose Eine ganze Reihe anderer, seltener Krankheiten kann ähnliche Beschwerden und Laborveränderungen hervorrufen wie die Kugelzellen-Anämie. Blutarmut, gestei gerte Aktivität des Knochenmarks und Kugelzellen im Blut können auch bei folgenden Krankheiten auftreten: Angeboren Hereditäre Elliptozytose: Entscheidend ist der mikroskopische Befund, siehe Abbildung 1. Die Befunde der Basisuntersuchungen sind ähnlich wie bei Kugelzel 9 len-Anämie, allerdings ist der AGLT Test meist nur bei mittelschwerem bis schwe rem Verlauf auffällig. Hereditäre Pyropoikilozytose: Die durchflusszytometrische Untersuchung (EMA Test) zeigt ebenso wie bei der Kugelzellen-Anämie eine eindeutig verminderte Bindung des Farbstoffs. Entscheidend sind der Blutausstrich und eine im Gegen satz zu anderen Membrandefekten ausgeprägte Verminderung des mittleren Erythrozytenvolumens (MCV) auf Werte unter 70 fl. Hereditäre Defekte der Kationendurchlässigkeit der Erythrozytenmembran: Bei dieser Gruppe von Krankheiten führt der angeborene Defekt zu einer veränderten Durchlässigkeit der Membranen. Dadurch verschiebt sich vor allem das Gleichge wicht von Kalium und Natrium in der Erythrozyten. Zu dieser Gruppe gehören die folgenden Krankheiten, siehe Tabelle 6: Tabelle 6: Erkrankungen mit Störung der Kationendurchlässigkeit der Erythrozytenmembran Stomatozytose mit zellulä rer Überwässerung Kryohydrozy tose Familiäre Pseudohy per-kaliämie Xerozytose Hämolyse mittel bis schwer mild bis mit tel mild bis normal mild bis mit tel MCV1 (80 - 100 fl) 110 – 150 90 – 105 82 - 104 84 – 122 MCHC2 (32 - 36 g/dl) 24 – 30 34 – 38 33 - 39 34 – 38 Erythrozytäres K+ und Na+ (95-110 mmol/ L Ery) 110 – 140 75 – 105 87-109 75-99 osmotische Fragilität stark erhöht normal bis leicht erhöht leicht erniedrigt erniedrigt intrauterin Aszites nein nein nein gering bis stark Ansprechen auf Operation der Milz gut schlecht Operation der Milz nicht empfohlen Operation der Milz nicht emp fohlen Legende: 1 MCV - mittleres korpuskuläres Volumen; 2 MCHC - mittlere Hämoglobinkonzentration; Hereditäre Stomatozytose: Entscheidend ist bei diesem sehr seltenen Krankheits bild der Blutausstrich. Die Abgrenzung zur Kugelzellen-Anämie ist wichtig, da die Operation der Milz nicht wirksam und mit einem hohen Risiko für Thrombosen und Embolien belastet ist. Hereditäre Xerozytose (früher auch dehydrierte hereditäre Stomatozytose): Weit gehend unauffälliges Blutbild, nur selten sind Stomatozyten und Echinozyten nachweisbar. Die osmotische Fragilität ist leicht erniedrigt. Die Operation der Milz ist nicht wirksam und aufgrund eines erhöhten Risikos für Thrombosen und Embo lien nicht empfohlen. 10 Kongenitale dyserythropoetische Anämie Typ II: Auch hier sind einzelne Kugelzel len im Ausstrich nachweisbar sind. Im Vordergrund steht aber ein sehr buntes Bild der roten Blutkörperchen. Die Retikulozytenzahl ist oft normal, im Verhältnis zur Blutarmut aber zu niedrig. Im Zweifelsfall ist eine Punktion des Knochenmarks erforderlich. Darin zeigen sich bei Patienten mit kongenitaler dyserythropoieti scher Anämie Typ II deutliche Störungen der Blutbildung mit atypischen Vorläu ferzellen der roten Blutkörperchen. In der Eiweiß-Untersuchung (SDS PAGE) ist das Eiweiß ‚Bande 3‘ verschoben. Erworben • Autoimmunhämolytische Anämie • Mikroangiopathische hämolytische Anämie • Hämolytisch - urämisches Syndrom • Hypophosphatämie • (verzögerte) hämolytische Transfusionsreaktion • Hämolyse toxischer oder infektiöser Genese 4 Behandlung http://www.powerpoint-aktuell.de/uploads/tx_pplarchive/02_2011_KBB_05.png 4.1 Welche Behandlung gibt es? Eine Reparatur des genetischen Defektes gibt es nicht. Die wirksamste Behand lung ist die Entfernung der Milz. Bei Beschwerden aufgrund von Gallensteinen ist die Entfernung der Gallenblase sinnvoll. Bei vielen Patienten mit KugelzellenAnämie ist keine Behandlung erforderlich. 4.1.1 Wann ist die Operation der Milz sinnvoll? Die roten Blutkörperchen werden bei Patienten mit einer Kugelzellen-Anämie vor allem in der Milz zerstört. Das führt zum einen zur Blutarmut, zum anderen zur Vergrößerung der Milz. Nach einer Entfernung der Milz steigt die Zahl der roten Blutkörperchen, die Anämie verschwindet. Nach einer Operation der Milz steigt die Zahl der sichtbaren Kugelzellen im Blut: Die Krankheit ist ja nicht verschwunden, nur der größte Abbauort wurde ausge schaltet. Die Entscheidung über eine Operation der Milz fällt meist im Kindesalter. Die Operation sollte aber nach Möglichkeit nicht vor dem Schulalter vorgenom men werden. 11 Bei Erwachsenen muss sie in Abhängigkeit von der Schwere des Krankheitsbildes getroffen werden, siehe Tabelle 7. Wenn sich überaktives Knochenmark außer halb der Knochen bildet, ist auch bei Erwachsenen die Entfernung der Milz sinn voll. Tabelle 7: Gründe für eine Operation der Milz Schweregrad Empfehlung leicht in der Regel nicht erforderlich mittelschwer bei mehreren hämolytischen Krisen bei > 2 Transfusionen jenseits der Neugeborenenzeit bei ausgeprägter Leistungsminderung schwer und sehr schwer alle Patienten Das Risiko der Milzoperation liegt in der Operation selbst und in dem lebenslang erhöhten Risiko für schwere Entzündungen. Gefürchtet sind Pneumokokken-Infek tionen. Sie können bei Patienten ohne Milz zum Tod führen, das Risiko beträgt 0,1 – 0,4 %. Eine Alternative zur vollständigen Entfernung der Milz ist die teilweise Entfer nung. Dabei wird der größte Teil der Milz entfernt, es bleibt aber funktionierendes Milzgewebe erhalten. Diese ‚fast vollständige‘ Entfernung ist heute die Methode der Wahl. Bei einigen Patienten mit schwerer Verlaufsform kann auch nach einer Milzopera tion eine leichte Blutarmut bestehen bleiben. Dies betrifft vor allem Patienten, bei denen Spektrin defekt ist. Vor einer Milzoperation werden bestimmte Impfungen empfohlen, um das Risiko für schwere Infektion zu vermindern. Zu den Vorsichtsmaßnahmen gehören auch Empfehlungen zur vorsorglichen Gabe von Antibiotika in Risikosituationen. 5 Kontrollen Sphärozyten I 5.1 Sind regelmäßige Blutkontrollen erforderlich? Es ist nicht erwiesen, dass regelmäßige Kontrollen des Blutbildes bei Patienten mit Kugelzellen-Anämien einen Unterschied machen. Blutuntersuchungen sollten immer dann erfolgen, wenn Zeichen einer Blutarmut auftreten – vor allem nach Infekten. Bei Patienten mit mittelschweren und schweren Verlaufsformen wird eine jährliche Kontrolle von Ferritin im Blut empfohlen zur Überwachung des 12 Eisenhaushaltes. Eine Ultraschalluntersuchung der Gallenwege sollte mindestens alle 3 Jahre durchgeführt werden. 7 Weitere Infos Leitlinie der Kinderärzte: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/ 025-018l_S1_Hereditaere_Sphaerozytose.pdf 8 Wer behandelt? 8.1 Onkologische Zentren Liste zertifizierter Onkologischer Zentren: https://www.onkologie-zertifizierung.de/ 8.2 DGHO Mitgliederdatenbank DGHO Mitgliederverzeichnis: http://www.dgho.de/gesellschaft/mitglieder/mitglie derverzeichnis/@@mitgliederverzeichnis 8.3 GPOH (Kinderärzte) http://www.kinderkrebsinfo.de/e2260/index_ger.html 9 Anschriften der Verfasser Prof. Dr. med. Stefan Eber Schwerpunktpraxis Pädiatrische Hämatologie/Onkologie und Kinderklinik der TU München Waldfriedhofstr. 738 81377 München Tel: 089 7140975 Fax: 089 74160384 [email protected] 13 Prof. Dr. med. Gerhard Ehninger Universitätsklinikum Carl Gustav Carus TU Dresden Medizinische Klinik und Poliklinik I Fetscherstr. 74 01307 Dresden Tel: 0351 458-4190 Fax: 0351 458-5362 [email protected] Prof. Dr. med. Winfried Gassmann St. Marien-Krankenhaus Siegen Medizinische Klinik III Kampenstr. 51 57072 Siegen Tel: 0271 231-1302 Fax: 0271 231-1309 [email protected] Prof. em. Dr. med. Hermann Heimpel† Prof. Dr. med. Hubert Schrezenmeier Universitätsklinikum Ulm Institut f. klin. Transfusionsmedizin Helmholtzstr. 10 89081 Ulm Tel: 0731 150-550 Fax: 0731 150-500 [email protected] Prof. Dr. med. Bernhard Josef Wörmann Amb. Gesundheitszentrum d. Charité Campus Virchow-Klinikum Med. Klinik m.S. Hämatologie & Onkologie Augustenburger Platz 1 13344 Berlin Tel: 030 450553219 [email protected] Disclaimer Mein Onkopedia richtet sich an Patienten, Angehörige und alle Interessierten. Es basiert auf den aktu ellen Leitlinien der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. für Ärzte, zusammengefasst in Onkopedia. Diese werden in Kooperation mit der OeGHO Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, der SGMO Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie, der SGH+SSH Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie und der GPOH Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, erstellt. Fachbegriffe und Medikamente sind in einem getrennten Verzeichnis erklärt. Mein Onkopedia bietet Informationen, es ersetzt in keinem Fall die persönliche ärztliche Betreuung bei Erkrankung und Beschwerden. 14
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