Künstliche Beschneiung in der Schweiz

Hintergrund
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Künstliche Beschneiung in der Schweiz
Der intensive Wintersport riskiert, sein wertvollstes Gut zu beeinträchtigen: die Natur
und Schönheit der Alpen. Der Skibetrieb mit Bahnen, Pisten sowie Zu- und Wegfahrten
führt teilweise zu massiven Eingriffen in die alpine Umwelt. Dazu kommen die Einflüsse
der seit Jahren wachsenden Anzahl Beschneiungsanlagen in den Alpen.
Wenn SchneesportlerInnen in der Wintersaison über die planierten weissen Pisten carven,
dann tun sie dies immer häufiger auf mit Kunstschnee präparierten Pisten. 40% der Schweizer
Pisten sind heute künstlich beschneit. Die künstlich beschneite Fläche beträgt rund 92 km2 und
hat sich seit 1990 mehr als verzehnfacht.1
Graphik: Verband Seilbahnen Schweiz, Fakten und Zahlen zur Schweizer Seilbahnbranche, Ausgabe 2014
Pro Natura hat sich immer gegen die grossflächige Beschneiung ausgesprochen. Gegen die
Beschneiung sprechen hauptsächlich vier Punkte:
• negativer Einfluss auf Landschaft, Flora und Fauna
• hoher Energieverbrauch
• hoher Wasserverbrauch
• hohe Kosten nur tragbar wegen einer verstärkten Abhängigkeit von Bundes- und KantonsSubventionen
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Verband Seilbahnen Schweiz, Fakten und Zahlen zur Schweizer Seilbahnbranche, Ausgabe 2014.
Künstliche Beschneiung in der Schweiz2
1. Negativer Einfluss auf Landschaft, Flora und Fauna
Ohne umfangreiche Infrastruktur kann nicht beschneit werden. Das Verlegen von Wasser- und
Stromleitungen erfordert massive Landschaftseingriffe mit schweren Baumaschinen. Riesige
Speicherseen werden in urtümliche Landschaften gebaggert. Gebirgsökosysteme sind empfindlich und je höher die Baustelle gelegen ist, desto länger dauert es, bis die Narben mehr oder
weniger verheilt sind. Es kann Jahrzehnte, oder je nach Boden noch viel länger dauern bis sich
Boden und Vegetation von solchen Eingriffen erholen. Fauna, Flora, Boden und Landschaftsbild
werden somit langfristig negativ beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass mit dem Bau von Beschneiungsanlagen oft auch Planierungen von Pisten verbunden sind, da sich planierte Pisten einfacher beschneien lassen. Dies stellt einen weiteren massiven Eingriff in Natur und Landschaft
dar. Neben der massiven Beeinträchtigung der Vegetation durch die Baumassnahmen hat auch
der Kunstschnee als solcher Auswirkungen auf die Flora. Wie gravierend diese Auswirkungen
zu bewerten sind, fällt je nach Studie unterschiedlich aus. Obwohl Resultate von LangzeitStudien noch fehlen wird weiter munter in den Ausbau von Beschneiungsanlagen investiert.
Beschneiung mit Kunstschnee bedeutet immer massive Eingriffe in die Landschaft. Pisten müssen planiert werden, Wasserrohre und Stromleitungen verlegt und Wasserspeicher angelegt werden. Die Schäden an der fragilen Flora und Fauna sind schwerwiegend
und zum Teil irreparabel.
2. Hoher Wasserverbrauch
Für die Grundbeschneiung (ca. 30 cm Schneehöhe – oftmals wird auch mehr beschneit) einer
Piste von ca. 2 – 2.5 km Länge werden 7‘500 – 12‘500 Kubikmeter Wasser benötigt.2 Das Wasser wird Bächen, Flüssen, Quellen oder der Trinkwasserversorgung entzogen und dies ausgerechnet in der wasserarmen Winterzeit. Beschneit wird vor allem im November und Dezember
sowie im Januar und Februar. Während der kalten Wintermonate ist in der Natur das meiste
freie Wasser gebunden, Bäche und Quellen haben ihr Niedrigstwasser. Die Wasserabflussmenge verlagert sich auf wenige Tage im Frühling zur Schneeschmelze. Durch die Verdunstung und
das Anzapfen von Wasser aus den Gebirgsquellen besteht die Gefahr, dass zu wenig Restwasser in den Bächen fliesst, mit negativen Konsequenzen für die Wasserfauna. Für die Beschneiung der Pisten in Davos werden bereits 21.5 % des gesamten jährlichen Wasserverbrauchs der
Landschaft Davos versprüht.
Die Beschneiungsanlagen in der Schweiz verbrauchen, je nach Wirkungsgrad und Wetterverhältnissen, rund 18 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Dies entspricht dem
Bedarf von 140‘000 Haushalten.3 In grossen Skigebieten verbrauchen die künstlichen Beschneiungsanlagen unterdessen bereits ein Fünftel des gesamten Wasserverbrauchs. Für
die künstliche Beschneiung werden oft neue Speicherseen in alpinem Gelände gebaut.
2, 3
Thomas, Lang (2009): Energetische Bedeutung der technischen Pistenbeschneiung und Potentiale für
Energieoptimierung, UVEK, BFE, In Zusammenarbeit mit Seilbahnen Schweiz SBS.
Künstliche Beschneiung in der Schweiz3
3. Hoher Energieverbrauch
Im Kunstschnee steckt Energie, sehr viel Energie. Eine Schneekanone der 80er Jahre verbrauchte für die Produktion eines Kubikmeters Kunstschnee rund 7kWh Strom. Moderne Kanonen
verbrauchen heute deutlich weniger. Je nach klimatischen Bedingung und Gerätetyp verbrauchen die Kanone rund 0.4 bis 1kWh für die Herstellung eines Kubikmeter Schnees.4 Schneelanzen brauchen weniger Energie. Doch fällt hier der Stromverbrauch ins Gewicht um das
Wasser überhaupt durch die Lanzen zu pumpen. Da die Anzahl der Anlagen aber massiv zugenommen hat, ist der Gesamtenergieverbrauch aller Beschneiungsanlagen weiterhin gross.
Noch nicht berücksichtigt ist dabei der Verbrauch von fossilen Treibstoffen für die Anfahrt der
Touristen und der Pistenpräparierung.
Der gesamte Strombedarf der Beschneiungsanlagen in der Schweiz beträgt gemäss Schätzungen pro Wintersaison rund 60 Millionen kWh. Das entspricht dem Bedarf von 11‘000
Haushalten oder rund 0.1% des gesamten Schweizer Stromverbrauches.5
4. Hohe Kosten
Ein Kubikmeter Kunstschnee (inklusive Abschreibungen, Energie, Personalkosten) kostet die
Seilbahnbetreiber heute zwischen vier und sieben Franken. In der Schweiz muss gemäss einer
Faustregel für einen Kilometer beschneibarer Piste mit Investitionen von rund 1 Million Franken und jährlichen Betriebskosten von 50‘000 – 70‘000 Franken gerechnet werden (bei einer
Betriebsdauer von 110 Tagen).6 Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco gewährt Kredite für
Berggebiete. Seit 1994 erhielten die Bergbahnen Seco-Gelder für insgesamt 45 Beschneiungsanlagen. Das Gesamtvolumen der Investitionshilfe im Schneesportbereich beträgt jährlich im
Schnitt knapp 7 Millionen Franken (Bund, 8. Februar 2007). Aktuellere Zahlen liegen uns nicht
vor. Ob diese hohen Kosten je wieder amortisiert werden können, ist sehr unsicher.
Die jährlichen Betriebskosten für die Pistenpräparierung eines Kilometers mit Kunstschnee belaufen sich auf 50‘000 – 70‘000 Franken.7 Bisher wurden ca. 500 Mio. Franken
in Beschneiungsanlagen investiert. Gemäss Schätzungen müssten die Schweizerischen
Seilbahnunternehmer über 1 Milliarde Franken in Beschneiungsanlagen investieren,
wollten sie auf einen vergleichbaren Stand wie Österreich kommen.
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Daten gemäss Hersteller, z.B. Bächler Top Track AG.
a.a.O. (Fn. 2)
Priska, Mathis; Dominik Siegrist & Rico Kessler (2003): Neue Skigebiete in der Schweiz?
Kapitel 3.8.3, Haupt.
a.a.O. (Fn. 1)
Künstliche Beschneiung in der Schweiz4
5. Fazit
Infolge der Klimaänderung werden die Wetterextreme und damit auch schneearme Winter
zunehmen. Für die Wintersportorte in der Schweiz wird dies weitreichende Folgen haben. Der
Skitourismus stösst an immer mehr Grenzen – finanzielle, ökologische, kulturelle. Beschneiungsanlagen tragen das ihre dazu bei. In Zukunft braucht es vermehrt andere Tourismusformen, insbesondere dort, wo der Schnee immer öfters ausbleiben wird.
Pro Natura fordert:
• Kein Kunstschnee auf Magerwiesen, Feuchtgebieten, nationalen, kantonalen und regionalen Biotopen. Ebenso lehnt Pro Natura Bauten in diesen sensiblen und ökologisch
wertvollen Standorten ab.
• Keine chemischen Zusätze, da keine mittel- oder langfristigen Untersuchungen zu den
Auswirkungen existieren.
• Regionale Koordination, z.B. im Berner Oberland werden Projekte aufgelegt, die der
Richtplanung widersprechen bzw. dort nicht enthalten sind.
Fakten zur künstlichen Beschneiung die niemanden kalt lassen sollten:
• In der Schweiz wurde im Jahr 2014 eine Fläche von über 92 km2, rund 40% der Pisten,
künstlich beschneit. Dies entspricht einer Fläche von rund 12‘600 Fussballfeldern oder
einer 2‘730 km langen und 33 Meter breiten Kunstschneepiste.
• Für die Grundbeschneiung von einer Hektare Kunstschneepiste von 30 cm Höhe werden mindestens 1‘000 Kubikmeter Wasser verbraucht. Die Beschneiungsanlagen in der
Schweiz verbrauchen ca. 18 Millionen Kubikmeter Wasser. Dies entspricht dem Bedarf
von 140‘000 Haushalten.
• Für die Herstellung eines Kubikmeters Kunstschnee werden, je nach Effizienz der Maschine, 1 bis 7 kWh Strom verbraucht. Der Gesamtstromverbrauch aller Schneekanonen in der
Schweiz beträgt ca. 60 Millionen kWh.
• Effizientes Kunstschneien erfordert ein Planieren der Pisten, bereits 3/4 der Kunstschneepisten sind planiert.
• Momentan stehen über 15‘000 Schneekanonen und Lanzen im Einsatz, Tendenz steigend.
Künstliche Beschneiung in der Schweiz5
November 2015
Marcel Liner, Markus Arn
Pro Natura
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Förderung und den Erhalt der einheimischen
Tier- und Pflanzenwelt ein.
Quellen und Literatur
• Bruno, Abegg (2007): Skifahren ohne Schnee, UNIMAGAZIN Nr. 3, 2007.
• Bruno, Abegg (2012): Natürliche und technische Schneesicherheit in einer wärmeren Zukunft, Forum für Wissen, S. 29-35.
• Holger, Dambeck (17.04.2008): Kunstschnee mit Kollateralschäden, Spiegel Online.
• Elsbeth, Flüeler (2014): Mit Kanonen gegen den Klimawandel, Pro Natura Magazin 2/14.
• Daniel, Fuchs (12.12.2014): Kein Skiplausch ohne sie: «Feuer frei!» für Frau Holles kleine
Helfer, Basellandschaftliche Zeitung.
• Felix, Hahn (2004): Künstliche Beschneiung im Alpenraum – Ein Hintergrundbericht, CIPRA Internationale Alpenschutzkommission.
• Thomas, Lang (2009): Energetische Bedeutung der technischen Pistenbeschneiung und Potentiale für Energieoptimierung, UVEK, BFE, In Zusammenarbeit mit Seilbahnen Schweiz
SBS.
• Priska, Mathis; Dominik Siegrist & Rico Kessler (2003): Neue Skigebiete in der Schweiz?
Kapitel 3.8.3, Haupt
• Franziska, Meister (2012): Mit nachhaltigen Schneekanonen, Wochenzeitung, Nr. 49/12.
• Verband Seilbahnen Schweiz, Fakten und Zahlen zur Schweizer Seilbahnbranche, Ausgabe
2014.