“Zeigen, dass wir keine faulen Säcke sind” JobAct to connect

JobAct – Theaterprojekt mit Mannheimer Langzeitarbeitslosen:
“Zeigen, dass wir keine faulen Säcke sind”
“Wir wollen zeigen, dass wir keine faulen
Säcke sind!” Gerade heraus und drastisch formuliert ein Teilnehmer, mit welchem Vorwurf viele Langzeitarbeitslose kämpfen. Ein
Stempel, der sich schnell aufs Selbstwertgefühl legen kann, sich in Auftreten und Körpersprache niederschlägt. Dagegen hält die
Wittener Projektfabrik mit bundesweiten
Theaterprojekten in Kooperation mit Jobcentern und Bildungsträgern.
Eindringliche Fragen stellen sich die Protagonisten im Probenraum der Mannheimer
Bürgerbühne, in der theaterbegeisterte Laien mit Profis zusammenarbeiten: “Warum
seid ihr hier? Wozu das alles? Was hättest du
anders machen können?” Die Körper sacken
zusammen, straffen sich, spiegeln Hoffnungslosigkeit und aufkeimende Hoffnung wider.
Goethes berühmter Faust-Monolog erklingt
– auf Russisch, gebrochen, verfremdet. “Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie durchaus
studiert, mit heißem Bemühn. Da steh’ ich
nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie
zuvor!” Jeder der Spieler verbindet seine
ganz eigene Erfahrung mit dieser Feststellung. Denn eines eint die zwanzig Menschen, die an dem Theaterprojekt teilnehmen: Trotz Ausbildung oder Studium ist jeder seit längerer Zeit erwerbslos.
Seit Dezember spielen sie unter professioneller Begleitung der beiden Theaterpädagoginnen Lea Hennecke und Nina Lenz. Im
Mai präsentieren sie ihr Stück im Studio des
Nationaltheaters Mannheim. Es verbindet
Versatzstücke bekannter Sturm-und-DrangDramen mit der Lebenswirklichkeit der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Schon
Wochen vor dem öffentlichen Auftritt gelingen beeindruckende Momente, blitzt hinter
den bekannten Versen die Wucht und Wahr-
haftigkeit individueller Schicksale auf. “Es
ist spannend, die eigenen Grenzen auszutesten, körperlich und geistig”, sagt eine Teilnehmerin.
aus rund 250 JobAct-Premieren in zehn Jahren. Doch wer dann auf der Bühne stehe und
beklatscht werde, wer etwas Unvorstellbares geschafft habe, der entwickle auch Zu-
Skepsis und Hoffnung, beides thematisieren Langzeitarbeitslose
in einem selbst entwickelten Theaterstück.
An vier Tagen in der Woche wird das Stück
als work in progress entwickelt, gibt es Improvisationen und Übungen zur Selbstwahrnehmung, wird Theater gespielt und dabei
der ganze Kosmos an alltäglichen Beziehungserfahrungen durchlebt und gemeistert, Streit und Konflikte inklusive. Schlüsselkompetenzen werden so reaktiviert, trainiert und weiterentwickelt: Tagesstrukturen
entwickeln, Absprachen einhalten, praktisches Mitdenken, kollegialer Umgang, Ausdauer, Konflikt- und Teamfähigkeit.
“Anfangs kann sich keiner vorstellen, dass
ihm Theater spielen nützt”, schildert Jürgen
Fritz von der Projektfabrik die Erfahrungen
JobAct to connect
Die Projektfabrik führt 'JobAct to connect' seit 2010 durch. Zielgruppe sind Erwerbslose Ü30 und Ü50 mit ihren besonderen Problemen am Arbeitsmarkt. Bisweilen haben sie keinen Schul- oder Berufsabschluss und multiple Vermittlungshemmnisse,
etwa durch chronische Krankheit. Das Projekt wird von den Jobcentern finanziert und
in Zusammenarbeit mit örtlichen Bildungsträgern umgesetzt. “Kultur als Instrument,
um die Persönlichkeit zu stärken und neue Perspektiven zu entwickeln, ist sehr erfolgreich und nachhaltig”, weiß Michaela Frieß vom Jobcenter Mannheim.
Ziel ist die Aktivierung, Stabilisierung, berufliche Orientierung und Kompetenzvermittlung durch die Entwicklung und Umsetzung eines eigenen Theaterstücks. Neben
der Erweiterung der persönlichen Kompetenzen werden berufliche Kenntnisse und
Fertigkeiten vermittelt – Friseurhandwerk, Schreinerei, Maler/Lackierer, Schneider,
Kaufmännisches, all das fließt in die Theaterproduktion ein.
versicht, dass es mit dem Job klappt. “Man
wird stärker”, sagt Fritz und liefert Zahlen:
Die Integrationsquote in Arbeit liegt für die
unter 25-Jährigen bei 60 Prozent, für alle
Altersgruppen bei 55 Prozent, auch nach
drei Jahren sind noch 55 Prozent in Arbeit.
Daran hat die Zusammenarbeit mit örtlichen
Bildungsträgern, in Mannheim sind es die
Biotopia Arbeitsförderungsbetriebe, großen
Anteil. Ein Tag in der Woche gehört Bewerbungstrainerin Sophia Richter. Sie unterstützt die Frauen und Männer bei der Suche
nach Praktika und Arbeitsplätzen, arbeitet
im Einzelcoaching ihre Stärken heraus und
schärft ihr berufliches Profil. Nach den Auftritten im Mai schließt sich eine viermonatige Praktikumsphase an, die mit wöchentlichen theater- und sozialpädagogischen Einheiten begleitet und unterstützt wird.
Die von den pAp, den persönlichen Ansprechpartnern des Mannheimer Jobcenters,
vorgeschlagenen Mitspieler sind zwischen
30 und 60 Jahre alt und bringen die unterschiedlichsten Biographien mit. “Das ist etwas ganz Anderes als die üblichen Maßnahmen”, sagt eine Teilnehmerin. “Hier können
wir unsere Persönlichkeit zeigen.”
info
Premiere:
13. Mai 2016
Studio des Nationaltheaters Mannheim,
Mozartstraße
ZukunftBeruf
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