MARKENWÄSCHE

TAGESZEITUNG FÜR VEGESACK · BLUMENTHAL
BURGLESUM · RITTERHUDE · SCHWANEWEDE · LEMWERDER · BERNE
D I E N S T A G , 16. FEBRUAR 2016 | NR. 39 | R E G I O N A L A U S G A B E
KO R SA KOW -SYNDROM: REHABILITATION FÜR ALKOHOLKRANKE MENSCHEN IM HAUS NOAH
Das Leben lernen
Blumenthal. Zwei Fußgänger, beide 71
Jahre alt, sind am Sonntagnachmittag auf
dem Gehweg der Weserstrandstraße von
einem Pkw erfasst worden. Beide wurden
so schwer verletzt, dass sie anschließend
ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Wie die Polizei mitteilt, war der 17-jährige Fahrer des Unfallwagens in Richtung
Landrat-Christian-Straße unterwegs. In
einer Linkskurve verlor er die Kontrolle
über sein Fahrzeug, das ins Schleudern geriet und nach rechts auf den Gehweg abkam, auf dem gerade die beiden Senioren
unterwegs waren. Die Polizei geht davon
aus, dass der 17-Jährige mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren ist. Bei der Unfallaufnahme stellte sich zudem heraus, dass
er noch keinen Führerschein besitzt. Den
Schaden schätzt die Polizei auf gut 2000
Euro. Der Wagen musste abgeschleppt werAJB
den.
V ON KA TJA BET T INA W IL D
Grambke. Reiner Hoolt beugt sich über das
fast vollendete Konturenpuzzle, das einen
Großteil des Wohnzimmertischs einnimmt.
Es besteht aus mehr als 1000 Teilen und
zeigt die nächtliche Skyline von New York
City. Der 51-Jährige schiebt eines der wenigen noch verbliebenen Teile in Richtung
Freiheitsstatue – es passt. Lächelnd schaut
ihm seine Frau Manuela Hoolt zu. Sie hat
ihm das Puzzle geschenkt.
Das Paar lebt im Haus Noah, einer Fördereinrichtung des Sozialwerks der Freien
Christengemeinde. In der Einrichtung werden alkoholkranke Menschen unterstützt,
bei denen die jahrelange Abhängigkeit zu
sehr schweren und vielfältigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hat.
Korsakow-Syndrom heißt das Krankheitsbild, das Ende des 19. Jahrhunderts
von dem russischen Psychiater Sergej Korsakow beschrieben wurde und nach ihm benannt ist. Es handelt es sich um eine hirnorganische Schädigung, die sich bei chronisch Alkoholkranken durch einen Vitamin-B1-Mangel entwickeln kann. Starke
Alkoholiker sind oft nicht mehr in der Lage,
sich ausgewogen zu ernähren. Hinzu
kommt, dass die Vitaminaufnahme im Körper alkoholbedingt gestört sein kann.
„Das Korsakow-Syndrom betrifft vor allem die Gehirnregion, die für die Verarbeitung und Speicherung von Informationen
zuständig ist. Dadurch treten insbesondere
im Bereich des Kurzzeitgedächtnisses und
des Orientierungsvermögens Störungen
auf“, erläutert die Sprecherin des Sozialwerks, Dorothea Salzmann-Schimkus.
„Die Menschen vergessen beispielsweise
innerhalb weniger Minuten, worüber gerade gesprochen wurde oder finden den
Weg zu ihrem Zimmer nicht.“ Diese Beeinträchtigungen müsse man den Bewohnern
nicht unbedingt anmerken, da es vielen
recht gut gelinge, die Gedächtnislücken zu
überspielen.
Die Schädigung kann außerdem Symptome wie Bewusstseinsstörungen, WahnANZEIGE
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vorstellungen und Halluzinationen hervorrufen. Das Selbstwertgefühl der Betroffenen ist oft sehr geschwächt. Charakteristisch sind meistens auch depressive Verstimmungen und Antriebsschwächen.
Oft besteht bei den Betroffenen eine
Mehrfachabhängigkeit, also nicht nur von
Alkohol, sondern auch von anderen Drogen oder Medikamenten. Begleitend treten meist weitere schwere Erkrankungen
auf. Eine von ihnen ist die Polyneuropathie, eine Nervenkrankheit, die unterschiedliche Erscheinungsformen haben
kann. Häufig sind die Nerven in den Füßen, Beinen oder Händen geschädigt. Die
Folge können Schmerzen, Sensibilitätsstörungen, Fehl- oder Missempfindungen
sein. „Bei starker Ausprägung kann die
Polyneuropathie zu einem staksigen Gang
führen, weil der Erkrankte den Untergrund
nicht mehr spürt“, schildert Beate Rettig,
die Einrichtungsleiterin. Nicht nur in den
Extremitäten, auch im Mundbereich können neurologische Beeinträchtigungen auftreten und das Formen von Wörtern und damit das Sprechen erschweren.
„Bis in die Neunzigerjahre galten Kor-
Zwei Fußgänger bei
Unfall schwer verletzt
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Die Geschichte
des Kaffees
Manuela und Reiner Hoolt haben sich im Haus Noah kennengelernt.
sakow-Patienten als nicht mehr therapierbar“, so die Leiterin. „Es zeigte sich jedoch
zunehmend, dass die Erkrankung durch Alkoholabstinenz sowie eine individuelle Betreuung und Förderung eingedämmt werden kann und es sogar möglich ist, wesentliche lebenspraktische Fähigkeiten zurückzuerlangen.“
Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr
1998 das Haus Noah eröffnet – als erste Einrichtung dieser Art in Bremen. Die Eingliederungshilfe, die das Sozialwerk im Haus
Noah bietet, richtet sich an alkoholkranke
Menschen, die nach einem Entzug Unterstützung benötigen und durch konsequente Abstinenz und kontinuierliches Alltagstraining zu einem selbstbestimmten Leben zurückfinden möchten.
Es geht um Vertrauen
Dabei steht ihnen ein multiprofessionelles
Team zur Seite: examinierte Altenpfleger,
Sozialpädagogen, Ergotherapeuten, Betreuungshelfer, Suchtberater und Psychologen. „In der Anfangsphase geht es zunächst darum, eine Vertrauensbeziehung
zwischen Bewohnern und Mitarbeitern herzustellen. Das ist die Voraussetzung, um gemeinsam herauszufinden, welche Hilfen
gebraucht werden“, betont Beate Rettig.
Sie ist Sozialpädagogin und systemische
Therapeutin. „Unsere Bewohner sind Menschen, die sich immer wieder haben scheitern sehen. Wir helfen ihnen dabei, ihre
Ressourcen zu erkennen und zu nutzen, damit sie wieder ein Selbstwertgefühl aufbauen können.“
Manuela und Reiner Hoolt haben sich im
Haus Noah kennengelernt und ineinander
verliebt. Die Initiative ging von Manuela
Christian Siems steht
vor dem Fenster und
spielt auf seinem Flügelhorn. Im Leben
des 73-Jährigen
nimmt die Musik
einen großen Stellenwert ein.
Hoolt aus. „Im vergangenen Jahr haben
wir geheiratet“, sagt die 43-Jährige, die
seit drei Jahren in der Einrichtung wohnt.
Die Hochzeit war nicht nur für das Paar,
sondern auch für die Hausgemeinschaft
und die Betreuer ein besonderes Ereignis.
Leiterin Beate Rettig: „Eine Eheschließung
hat es unter unseren Bewohnern vorher
noch nicht gegeben.“
24 Plätze gibt es im Haus Noah. Christian
Siems hat sein Zimmer im März 2015 bezogen. Er steht vor dem Fenster, schaut auf
sein Notenblatt und spielt eine Melodie auf
dem Flügelhorn. Das Blechblasinstrument
ähnelt einer Trompete, hat aber einen weicheren und wärmeren Klang. Im Leben des
73-Jährigen nimmt die Musik einen großen
Stellenwert ein. Früher hat der pensionierte Beamte in einem Posaunenchor gespielt. Neben dem Flügelhorn beherrscht
er noch weitere Instrumente, zum Beispiel
die Altblockflöte. Und auch sonst gestaltet
Christian Siems seine Freizeit abwechslungsreich: Er nimmt an einem ZumbaKurs teil, trifft sich mit der Seniorengruppe
der Grambker Kirchengemeinde und besucht regelmäßig Konzerte und Theateraufführungen.
„Im Haus Noah finde ich Schutz und Geborgenheit, aber auch die Struktur, die ich
für die Bewältigung meines Alltags brauche. Allein würde ich es jetzt noch nicht
schaffen, die Rückfallgefahr wäre noch zu
hoch“, sagt er. Den Entzug hat er mithilfe
des christlichen Glaubens geschafft.
„Durch den Glauben habe ich Halt gefunden und Leitlinien für mein Leben erhalten.“
Die sozialtherapeutische Betreuung und
das Leben in der Gemeinschaft unterstützen die Bewohner darin, Mut zu fassen, Anerkennung zu erfahren und wieder selbst
Verantwortung für sich zu übernehmen.
Gedächtnisdefizite können ausgeglichen
werden, indem sie durch regelmäßige Routineaufgaben ersetzt werden. Das umfassende Training lebenspraktischer Tätigkeiten und das Wiedererlernen sozialer Fähigkeiten helfen den Betroffenen Schritt für
Schritt, ihr Leben neu aufzubauen – ohne
Alkohol.
„Den meisten unserer Bewohner gelingt
dies. Man muss wissen, dass Alkoholismus
nicht heilbar ist. Die Gesundung besteht
darin, ein Bewusstsein für die Erkrankung
zu gewinnen und das abstinente Leben zu
trainieren“, stellt Beate Rettig klar. „Das ist
ein Prozess, der sehr lange dauert und individuell unterschiedlich verläuft.“
FOTOS: CHRISTIAN KOSAK
Burgdamm. Am Donnerstag, 18. Februar,
findet eine Kaffeeverköstigung der besonderen Art im Hauswirtschaftsmuseum
Köksch un Qualm, Stader Landstraße 46,
statt. Die Firma Lloyd Caffee ist eine der ältesten existierenden Röstereien in Bremen.
Inhaber Christian Ritschel wird bei seinem
Besuch im „Köksch un Qualm“ auf vergnügliche Weise die Geschichte des Kaffees erläutern, das Geheimnis einer guten
Tasse Kaffee erklären und zu einer Kaffeeverkostung einladen. Beginn ist um
15.30 Uhr. Um Anmeldung unter Telefon
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04 21 / 63 69 58 66 wird gebeten.
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Alkoholsucht: Beratungsangebote und Einrichtungen in Bremen-Nord
Über das Haus Noah und die weiteren Angebote
des Sozialwerks der Freien Christengemeinde finden sich weitere Informationen im Internet auf
www.sozialwerk-bremen.de. Es gibt weitere Einrichtungen anderer Träger in Bremen-Nord, die
sich um alkoholkranke Menschen kümmern. So
betreibt zum Beispiel die Arbeiterwohlfahrt das
Willy-Dehnkamp-Haus in Blumenthal, eine Über-
gangseinrichtung für Suchtkranke. Werkstätten
im Haus sollen Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Bewohner fördern. Im Adelenstift
der Inneren Mission in St. Magnus hingegen wohnen rund 60 Personen, die wohnungslos und in
der Regel auch alkoholkrank sind. Hier geht es um
Begleitung und Unterstützung, nicht um Therapie.
Über beide Häuser finden sich weitere Angaben
im Internet. Neben den festen Einrichtungen bestehen Beratungsangebote und Selbsthilfegruppen in Bremen-Nord. Die anonymen Alkoholiker
sind unter der Rufnummer 04 21 / 1 92 95 zu erreichen. Auch der Freundeskreis Suchtkrankenhilfe
trifft sich regelmäßig, immer am Montagabend. Interessierte können sich unter 0421 / 66 99 59 inMBR
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