Du grosser Gott Wir gehen alle zum Bankett

 – WMS 2015 Gebete aus Bolivien und Lateinamerika
Du grosser Gott
Du bist der grosse Gott,
Du liebst die, die mit dem Herzen an Dich glauben.
Du lässt den Adler steigen zur Sonne,
weil Du ihm Mut gibst zum Fliegen.
Du gibst auch mir Mut, weil mein Blut feurig ist
von den Lichtfunken Deiner grossen Weltseele!
Ich fühle Deine Schwingen über mir,
Deine warmen, weiten Fittiche beschützen mich.
Du richtest den Ameisen den Weg,
machst die Pferde und Stiere fruchtbar,
leihst allen Wesen Deinen Atem,
weil Du alle Wesen liebst und mit ihnen bist.
Du hast die Erde heilig gemacht wie auch meinen Körper,
darum will ich in Deinem Namen die Erde heilig halten,
jeden Grashalm achten und die Blumen und Bäume verehren.
Mit der Verehrung alles Lebendigen wächst meine Seele
und mein Leib wird stark im Rhythmus
Deiner Sonne und Deines Mondes!
Ich liebe Dich, grosser Geist!
Calixto Quispe Huanca, Bolivien (aus: Blickpunkt Lateinamerika 1/2015, S. 3)
Wir gehen alle zum Bankett
Wir gehen alle zum Bankett
zum Tisch der Schöpfung.
Jeder hat, mit seinem Hocker,
einen Platz und einen Auftrag.
Heute stehe ich sehr früh auf,
die Gemeinde wartet schon auf mich;
ich steige fröhlich den Hügel hinauf,
auf der Suche nach Deiner Freundschaft.
Gott lädt alle Armen ein zu diesem Tisch,
der allen gemeinsam ist im Glauben,
wo es keine Unterdrücker gibt,
und niemandem etwas fehlt, um ihn zu decken.
Gott sendet uns, aus dieser Welt
einen Tisch zu machen, wo es Gleichheit gibt,
wo wir gemeinsam arbeiten und kämpfen
und unser Eigentum teilen.
nach P. Rutilio Grande SJ, 1977 in El Salvador ermordet; übersetzt von M. Eckholt
(aus: Blickpunkt Lateinamerika 3/2014, S. 3)
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Mutter unser
Mutter unser,
die Du bist im Leben,
gesegnet werden Deine Namen.
Deine Gnade komme zu jedem Menschen,
so dass Männer und Frauen,
heute und immer,
Deinen Willen zur Liebe erfüllen.
Gib uns unser tägliches Brot,
vergib uns
unseren Mangel an Liebe und Solidarität,
wie auch wir denen vergeben,
die uns Schlechtes antun.
Führe uns nicht
in Gleichgültigkeit,
sondern erlöse uns vom Bösen.
aus einer Broschüre eines mexikanischen Workshops für Frauen (aus: Blickpunkt
Lateinamerika 1/2011, S. 3)
Gott, mach uns unruhig
Gott, mach uns unruhig,
wenn wir allzu selbstzufrieden sind.
Wenn wir uns am sicheren Hafen und bereits am Ziel glauben,
wenn wir allzu dicht am Ufer entlang segeln,
wenn wir uns damit abfinden,
dass unsere kleinen Träume sich erfüllen.
Gott, mach uns unruhig,
wenn wir über der Fülle der Dinge, die wir haben und wollen,
den Durst nach dem Wasser des Lebens verloren haben,
wenn wir, verliebt in unsere eigenen Pläne,
aufgehört haben, auf deinen Willen zu horchen,
wenn wir über allen Anstrengungen,
die wir für unsere Zukunft investieren,
deine Vision vom neuen Himmel und der neuen Erde übersehen.
Gott, rüttle uns auf,
damit wir kühner werden und uns hinauswagen auf das weite Meer,
wo uns die Stürme entgegenwehen und
wir ganz auf deinen Schutz vertrauen können,
wo wir mit schwindender Sicht auf das Ufer
die Sterne aufleuchten sehen.
Gott, lass die Liebe in uns zu einem Feuer werden, das uns ergreift,
das alle Feigheit verbrennt und dich aufleuchten lässt,
der du das Licht bist und die Liebe.
Amen
Gebet einer Basisgemeinde (aus: Blickpunkt Lateinamerika 2/2013, S. 3)
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Gott (nicht) allein
Gott allein kann den Glauben schenken,
aber du kannst davon Zeugnis geben.
Gott allein kann Hoffnung schenken,
aber du kannst die Menschen in ihrem Vertrauen stärken.
Gott allein kann Liebe schenken,
aber du kannst andere lieben.
Gott allein kann Frieden geben,
aber du kannst für die Einheit aller Menschen eintreten.
Gott allein ist der Weg,
aber du kannst ihn anderen zeigen.
Gott allein ist das Licht,
aber du kannst es in den Augen aller leuchten lassen.
Gott allein ist das Leben,
aber du kannst andere in dem Wunsch zu leben bestärken.
Gott allein kann das Unmögliche schaffen,
aber du kannst das Mögliche tun.
Gott allein genügt sich selbst,
aber er zieht es vor, auf dich zu bauen.
Amen
Gebet aus Lateinamerika (aus: Blickpunkt Lateinamerika 1/2013, S. 3)
Gebet für Frieden und Gerechtigkeit in Bolivien
O Gott,
aus Bolivien flehen dich die bolivianischen Menschen an.
Höre ihre Stimme,
spüre ihre Traurigkeit und sieh die Tränen deines Volkes,
die auch deine Tränen sind.
So viele leblose Körper sind in den Strassen,
auf den Wegen und in den Feldern gefallen
und lassen in der bolivianischen Familie Schmerz und Leid zurück.
In diesen Augenblicken, in denen ihre Herzen solches Leid beklagen,
tröste sie.
Lass nicht zu, dass sie ihre Selbstbestimmung verlieren,
sondern gib ihnen Einsicht,
dass sie mit eigenen Augen den Weg, den sie gehen müssen, erkennen,
dass sie das Leben auf dem Pfad der Gerechtigkeit erreichen können.
Höre, o Gott, die Stimmen der Vielen,
die auf den Strassen und Wegen marschieren
und nach Gerechtigkeit rufen,
sie sind des Elends müde,
erschöpft vom Mangel an Arbeit, von Korruption und Gewalt;
sie sind des absoluten Autoritätsanspruches der Mächtigen müde,
die Entscheidungen treffen, ohne die Menschen zu fragen,
die sich von ihren eigenen geizigen Interessen leiten lassen;
sie haben genug davon, dass die Rohstoffe,
die du uns zum Wohl aller Menschen gegeben hast,
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wieder einmal nur zum Wohl der wirtschaftlichen Interessen der grossen internationalen
Konzerne genutzt werden.
Höre die Stimme der bolivianischen Menschen
und schenke ihnen Urteilsfähigkeit und Kraft,
so dass sie
auf Hass mit Liebe,
auf Ungerechtigkeit mit Gerechtigkeit,
auf Apathie mit Einsatzbereitschaft für ihr Volk,
auf Egoismus mit Solidarität,
auf Gewalt mit Frieden antworten können.
Höre ihre Stimme und entflamme in ihren Herzen – und in unseren – das Wissen um
Frieden,
die Kraft der Gerechtigkeit,
die Freude, nahe beieinander zu sein.
Leite sie mit zahlreichen anderen Menschen
auf dem Weg des Friedens und der Gerechtigkeit.
O Gott, höre ihre Stimme
und gewähre ihnen (und uns) den ewigen Frieden.
Gustavo Loza, Mirela Armand Ugon, Bolivien (aus: In Gottes Hand, 2008, 277f)
Ein Bekenntnis des Glaubens
Wenn das Leben kommt,
wird sich die Traurigkeit im Trost der Liebe verlieren.
Wenn das Leben kommt,
wird der Hunger im Teilen der Liebe gestillt werden.
Wenn das Leben kommt,
wird sich der Schmerz in der Wärme der Liebe erschöpfen.
Wenn das Leben kommt,
wird die Einsamkeit in der Zärtlichkeit der Liebe verschwinden.
Wenn das Leben kommt,
wird die Ungerechtigkeit ganz in der Gerechtigkeit der Liebe versinken.
Wenn das Leben kommt,
hat die Liebe ihr Ziel erreicht
und du und ich werden in der Liebe vereint sein.
Ana María Vargas, Bolivien (aus: In Gottes Hand, 2008, 278f)
Bekenntnis einer Frau
Weil Gott mich mit grossem Feingefühl geschaffen hat,
spüre ich die Welt anders in mir.
Weil Gott mich geheimnisvoll geschaffen hat,
schaue ich die Sterne an und fühle, was sie mir sagen.
Weil Gott mich mit dem Gesicht gegen den Wind geschaffen hat,
fühle ich den Schmerz meines Volkes, wenn es leidet.
Weil Gott mich mit einer Stimme der Wahrheit geschaffen hat,
schreie ich das heraus, was mich bewegt, obwohl sie mich deshalb verfolgen.
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Weil Gott mich voller Leben und Liebe geschaffen hat,
suche ich nach tausend Gründen, weiterzumachen.
Weil Gott mich aus Licht und Wahrheit geschaffen hat,
möchte ich rechtzeitig Visionen pflanzen.
Weil Gott mich aus Freiheit geschaffen hat,
will ich, dass mein Volk in seinem Denken frei ist.
Weil Gott mich aus Wärme und zerbrechlich geschaffen hat,
kann ich die Liebe sehen, die tiefer in euch versteckt ist.
Weil Gott mich nicht zur Einsamkeit und Vergessenheit bestimmt hat,
suche ich euch und spüre das Fehlen eurer Liebe.
Weil Gott mich zur Frau gemacht hat, bin ich fruchtbar
und denke, dass ich die Geschichte des Leids und der Freude in mir trage,
in der die Geheimnisse der Welt liegen.
Ana María Vargas, Bolivien
(aus: In Gottes Hand, 2008, 279)
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Alle Gebete ab hier: Luis Espinal, Und wir haben nur einen Sinn, wenn wir brennen. Gebete
hautnah.
«Als letztes von fünf Kindern wurde Luis [Espinal] am 4. Februar 1932 in Sant Fruitós de
Bages, einem kleinen Dorf in der Nähe von Manresa bei Barcelona, geboren. Mit 17 Jahren
beendete Espinal die Schule von Roquetas (Tarragona) mit der Reifeprüfung. Gleich danach
trat er ins Noviziat der Gesellschaft Jesu in Veruela (Zaragoza) ein.»
Weil seine Fernsehsendung zu sozialpolitisch brisanten Themen immer stärker zensuriert
wurde, wanderte er als 36jähriger nach Bolivien aus. Doch auch dort musste er nach kurzer
Zeit die gleiche Erfahrung der Zensur machen. Der Dikatatur Bánzers stellte er sich in
prophetischer Weise entgegen, indem er konsequent die Position der Armen einnahm.
«Espinal hat sich immer als Mitglied einer Kirche verstanden, die in Christi Namen gesandt
ist, den Armen das Reich Gottes zu verkünden.»
«Espinal hatte sich zur Überwindung der strukturellen Gewalt in Bolivien, gegen die
Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen, für die Amnestie der politisch Verfolgten und
für eine Kirche, die sich unmussverständlich von den Strategien der Diktatoren distanziert,
eingesetzt. … Espinal ging es nie darum, in seinem Leben und seinem Einsatz für
Gerechtigkeit und Achtung der Armen einen bloss politischen Kampf zu führen. Viel eher
wurde er von innen her, von seinem tiefen Glauben an die Menschenfreundlichkeit Gottes
geleitet.»
Mit den Familien von Bergarbeiter trat er in einen Hungerstreik, der ihn fast das Leben
kostete. Es war für ihn aber die tiefste, existentiellste Erfahrung, die ihn «zu einem besseren
Verständnis des hungernden Volkes geführt (hat). Der Hunger ist eine Erfahrung der Gewalt,
der uns die Tapferkeit und den Zorn eines Volkes erst verstehen lässt. Wer selbst Hunger
erfährt, versteht besser die Dringlichkeit mit der es gilt, für die Gerechtigkeit in der Welt zu
arbeiten.»
«Schliesslich hat er das Schicksal nicht nur mit den Ärmsten geteilt, sondern auch mit all
denen, die entführt, gefoltert und grausam ermordet werden. Die Gemeinsamkeit des
Schicksals liegt gerade darin, dass er das Martyrium nicht suchte.»1
«Die Kirche kann nicht aufhören eine Störende zu sein, solange sie sich erinnert, dass sie
von einem hingerichteten Gott gegründet wurde.» (Luis Espinal, Religión)
Papst Franziskus hat bei seiner Lateinamerikareise am 8. Juli 2015 den Ort der Ermordung
von P. Luis Espinal in La Paz besucht:
Guten Abend, liebe Schwestern, liebe Brüder,
ich habe hier einen Halt eingelegt, um euch zu grüßen und vor allem um zu erinnern. Um an
einen Bruder, unseren Bruder, zu erinnern, der ein Opfer von Interessen wurde, die nicht
wollten, dass man für die Freiheit Boliviens kämpfe. Pater Espinal hat das Evangelium
verkündet und dieses Evangelium wurde lästig, und deshalb haben sie ihn beseitigt. Halten
wir eine Minute des Schweigens im Gebet und dann beten wir alle gemeinsam.
[Schweigen]
Der Herr verherrliche Pater Luis Espinal, der das Evangelium gepredigt hat, jenes
Evangelium, das uns frei macht wie alle Kinder Gottes. Jesus hat uns diese Freiheit
gebracht, er hat dieses Evangelium gepredigt. Jesus behalte ihn an seiner Seite. Der Herr
schenke ihm die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihm. Er ruhe in Frieden.
Der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist, segne euch alle, liebe
Brüder und Schwestern. Und ich bitte euch inständig, vergesst nicht, für mich zu beten.
Danke.
1
Zitate aus: Albrecht Christoph, Luis Espinal SJ – Für eine Kirche, die sich einmischt, in: Orientierung 69 (2005) 185-­‐188. Seite 6 von 10
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Für die Leidenden
Die Nacht ist immer dunkler
für diejenigen, die leiden.
Alle Menschen sind unsere Geschwister,
wir können sie nie so vergessen,
dass wir nicht auch mit ihnen leiden.
Die Erfahrung des Schmerzes und die Erinnerung an ihn macht unsere Haltung den anderen
gegenüber weniger hart.
Die Welt ist voller Schmerz,
auch wenn er sich gewöhnlich schamvoll verbirgt.
Wir bitten dich, Gott,
für die Frustrierten,
für die „Fehlgeburten“ der Gesellschaft.
die in Gefängnissen und Anstalten wohnen.
Gib uns Verständnis für sie.
Ihre Lage bedeutet nicht,
dass sie schlechter sind als wir.
Auch sie besitzen
dieses unerhörte Wunder,
Menschen zu sein und lieben zu können.
Ach, dass sie nicht nur sinnlos leiden,
dass auch sie einen Platz im Leben finden,
und in deiner Ewigkeit.
Bewahre ihnen,
die innere Freiheit der Freude,
den unbezwingbaren Kern der Person.
Wir bitten dich auch für die Armen,
die du glücklich gepriesen hast.
Gib die wahre Freude ihnen, die wie du
kein Haus und kein Brot haben
und auswandern müssen.
Ach, dass es uns widerstehe, zufriedene Tischgenossen zu sein,
wenn so viele nicht mehr als Brosamen haben.
Dass wir daran arbeiten,
diese ungerechte Welt zu verändern,
die nicht deine Güte widerspiegelt.
Wir bitten dich
für jene, die den Weg verfehlt haben
und das Glück im Vergnügen
und im Absurden suchen.
Rufe sie mit der Stimme der Enttäuschung,
aber bewahre sie vor der Verzweiflung.
Wir bitten dich auch
für die im Leben Gestrandeten.
Für die Mädchen, die aus dem Verkauf ihres Körpers
einen Beruf gemacht haben.
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Gewinne, Gott, deine kranken Ebenbilder wieder
und erlöse sie mit wahrer Liebe.
Und uns, Gott,
mach uns dankbar
für alles, was du uns umsonst gegeben hast,
damit wir es in Liebe verwandeln.
Etwas, das wir Liebe nennen
Kaum öffnen wir die Augen, betreten die Strasse
und schon belagern uns tausend menschliche Anliegen:
ein Bettler, der um ein Almosen bittet,
ein Freund, der Arbeit sucht,
die Ankündigungen einer politischen Versammlung …
Aber danach töten wir diese Anliegen,
ersticken sie langsam in unserm Innern.
Manchmal wird uns fast schwindlig
vor userem Herz eines Kain
voll von Leichen unserer Nächsten.
Das Leben ist hart,
mit Axthieben bahnen wir uns den Weg,
auf die andern verzichtend überrennen wir sie.
Wir suchen das Glück,
aber wir strahlen keine Freude aus.
Gott, es gibt etwas, das wir Liebe nennen,
aber du weisst, es ist kleinlich und geizig,
er ist ein raffinierter Egoismus.
Wir setzen uns nicht ein, wir fordern nur
wie ein Steuereinzieher.
Deshalb suchen wir dich, Gott, vergeblich,
du lebst nicht in dieser Enge,
weil du die Liebe bist.
Aber du bist so gut,
dass du trotz allem zu uns sprichst.
Deine Liebe ist stärker als unser
Panzer aus Dunkelheit,
und wir sehen dein Licht strahlen.
Jesus Christus, lehre uns lieben,
jedes Mal mehr, jeden Tag freier von Eigeninteresse,
nicht um die nötige Zuwendung zu spüren,
sondern weil die andern Liebe brauchen.
Du bist die Liebe,
aber du brauchst Liebe in deinem Körper.
Es fehlt mehr Blut,
um diesen universalen Kreislauf der Liebe zu bilden.
Wir wollen uns an dieser Transfusion beteiligen und nicht
nur Blutsauger sein.
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Wir bitten dich um nichts Übermässiges,
wir wollen nur deine Jüngerinnen und Jünger sein
und dein einzige Gebot erfüllen,
die andern zu lieben.
Und haben nur einen Sinn, wenn wir brennen
Jesus Christus sagte:
„Wer sein Leben bewahren will, wird es verlieren,
und wer es für mich hingibt,
wird es im ewigen Leben gewinnen.“
Aber uns macht es Angst,
das Leben hinzugeben, es einzusetzen ohne Vorbehalt.
Ein schrecklicher Selbsterhaltungstrieb
macht uns zu Egosisten
und bedroht uns mit glühenden Zangen,
wenn wir unser Leben einsetzen wollen.
Für alles haben wir Versicherungen,
um jedes Risiko zu vermeiden.
Und über allem steht die Feigheit …
Jesus Christus,
wir haben Angst, das Leben hinzugeben.
Aber du hast uns das Leben geschenkt, um es hinzugeben.
Man kann es nicht in sterilem Egoismus aufbewahren.
Da Leben hingeben heisst für die andern arbeiten,
auch wenn sie nicht bezahlen,
einem einen Gefallen tun, den er nicht zurückgibt.
Das Leben hingeben heisst auch sich in einen Misserfolg stürzen,
wenn nötig ohne falsche Vorsicht
die eigenen Schiffe verbrennen zum Wohl des Nächsten.
Wir sind Fackeln
und haben nur einen Sinn,
wenn wir brennen,
nur dann werden wir Licht sein.
Befreie uns von der feigen Vorsicht,
die uns das Opfer meiden
und die Sicherheit suchen lässt.
Das Leben gibt man
nicht mit grossspurigen Gesten
und falscher Theatralik hin.
Das Leben gibt sich schlicht,
ohne Werbung, wie das Wasser den Abhang hinunterfliesst,
wie die Mutter ihrem Säugling die Brust gibt,
wie der gewöhnliche Schweiss des Sämanns.
Lehre, Gott,
uns ins Unmögliche zu werfen,
denn hinter dem Unmöglichen
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ist deine Gnade und Gegenwart.
Wir können nicht ins Leere fallen.
Die Zukunft ist ein Rätsel,
unser Weg verliert sich im Nebel,
aber wir wollen ihn gehen und uns hingeben,
weil du wartest in de Nacht
mit tausend Menschenaugen, die von Tränen überlaufen.
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