Landflucht in Salzburg

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Pinzgauer
Nachrichten
SALZBURGER WOCHE
SPEZIAL 19 // 01./02. JULI 2015
Abwanderung
ist ein heißes Thema
Für junge Leute im Pinzgau hängt das Dableiben unmittelbar mit dem
Bildungsniveau und passenden Jobangeboten zusammen. Seiten 4 und 5
Wer hat die beste Schneid?
Die Landjugend Salzburg kürte vergangenen Samstag in Unken die besten Mäher des Landes – im
Bild Elisabeth Schilcher aus Köstendorf, die in der Kategorie „Profis Frauen“ Zweite wurde. Mehr zu
dem Mähwettbewerb der besonderen Art lesen Sie auf der Seite 25 .
BILD: SCHWEINÖSTER
THEMA DER WOCHE
4 Pinzgauer Nachrichten
01./02. JULI 2015
01./02. JULI 2015
THEMA DER WOCHE
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5
Landflucht im Pinzgau: Mangel
an Bildung und Arbeitsplätzen
Der Großteil der Maturanten verlässt den Pinzgau, um zu studieren oder eine Ausbildung zu
machen – mit der Absicht zurückzukehren. Aber nur, wenn das Jobangebot in der Region passt.
Ein brandheißes
Thema, das vergangenen Donnerstag im Kunsthaus Nexus in
Saalfelden diskutiert wurde:
„Landflucht in Salzburg?“ hieß
die Frage – Antworten suchten
Wolfgang Schäffner, Leiter des
StudienZentrums Saalfelden, Josef Reif, Leiter des Zentrums für
Fernstudien Österreich, Helmut
Hoyer, Rektor der Fernuniversität Hagen, der grüne Bildungssprecher und Landtagsabgeordnete Simon Hofbauer, Waltraud
Winkler-Rieder von der ÖAR-Regionalberatung und Armin Mühlböck, Geschäftsführer und Leiter
der WissenschaftsAgentur an der
Universität Salzburg.
Ausgangspunkt war eine Präsentation von Mühlböck, der die
Situation nach dem Bildungsangebot im Land und in den Gauen
analysierte: „Das Ausbildungsniveau im Land nimmt ständig zu,
aber auch der Bedarf an adäquaten Jobs.“ Wobei das Niveau im
Innergebirg moderater ansteige
als im Zentralraum. Generell gelter: „Je weiter eine Gemeinde
vom Zentralraum situiert ist, desto geringer der Anstieg.“ Die Gemeinden im Innergebirg hätten
mit einer im Schnitt um rund
SAALFELDEN.
acht Prozentpunkte niedrigeren
Quote hinsichtlich der Maturanten und Akademiker zu rechnen.
Wobei das auch im Pinzgau selbst
gelte: Der Anteil der Maturanten
in den Pinzgauer Gemeinden
werde von der Lage der Gemeinden signifikant beeinflusst –
Mühlböck: „Je größer die Distanz
zum regionalen Zentrum – also
Saalfelden oder Zell am See –,
„Der Pinzgau
BILD: LINDER
JOCHEN LINDER
stagniert in
seiner
Entwicklung.“
Armin Mühlböck, Universität Sbg.
desto geringer der Anteil der Maturanten.“ Wobei eine Untersuchung an den höheren Schulen
im Pongau Folgendes ergeben habe – was auch so für den Pinzgau
als gegeben angenommen werden könne: „80 Prozent der
Maturanten möchten nach der
Matura ein Studium beginnen.
12,5 Prozent der Befragten sind
sich noch nicht sicher.“ Also würde ein Großteil der Schüler, die
im Pongau Maturaschulen besuchen, dem regionalen Arbeitsmarkt nicht unmittelbar oder gar
nicht zur Verfügung stehen.
Mühlböck: „Das Abwanderungspotenzial unter den Schülern, die
studieren werden, ist als sehr
hoch einzuschätzen.“ Allerdings
würden fast 70 Prozent der künftigen Studenten nicht ausschließen, nach dem Studium wieder in
ihre Heimat zurückzukehren:
„Das ist aber stark von den Berufschancen abhängig.“
Mühlböck meinte dann: „Der
Pinzgau stagniert in seiner Entwicklung: Es gibt Abwanderung
im Unterpinzgau, der Zentralraum rund um Zell am See und
Saalfelden entwickelt sich moderat, wobei die Boomzeiten der
1990er-Jahre vorbei sind.“
Eine Tendenz, die während der
Diskussion als gegeben herausgearbeitet wurde. Josef Reif sagte:
„Wir sind weltweit in einer dramatischen Umbruchphase, die
Urbanisierung schreitet fort, der
Standortwettbewerb wird heftig
geführt. Entscheidend wird sein,
die Bildungs- und Arbeitsmarktstruktur in den Regionen zu verbessern, um einer Abwanderung
entgegenzuwirken.“ Wolfgang
Schäffner ergänzte: „Es ist unsere
Aufgabe, einen europäischen
Raum des Wissens zu fordern,
anzubieten und zu leben – und
dabei in den Regionen eine Verbindung von Wissenschaft,
Kunst und Lehre zu schaffen.“
Rektor Hoyer sagte: „Wir sollten,
besonders regional gesehen, die
Digitalisierung als Chance nutzen.“ Bildung sei ein wichtiger
Standortfaktor, wobei es nicht
nur darum gehe, junge Menschen
in der Region zu halten, sondern
auch ältere. „Wir stehen in einem
ständigen Wettbewerb mit den
Regionen dieser Welt – um die
Gäste, die Unternehmen und die
Menschen.“ Regionalmanager
Michael Payer: „An sich entwickelt sich die Region nach ihren
Möglichkeiten sehr gut – im touristischen Bereich, in der Direktvermarktung, bei den Bergbahnen.“ Auch in den Bereichen
Wohnen und Arbeiten sei man
ziemlich gut aufgestellt, bei der
Bildung gehe es voran. „Ein Handicap ist die Mobilität, da passiert
nichts: Bei den Verkehrsanbindungen und beim öffentlichen
Verkehr ist Luft nach oben.“
Auch im Bereich der Kinderbetreuung hinke man nach. LAbg.
Simon Hofbauer hielt fest: „Abgesehen von der Bereitstellung
der Infrastruktur, den Bildungseinrichtungen und Arbeitsplätzen wird die Verkehrsanbindung
für eine Entwicklung zum Positiven und einen Stopp der Landflucht entscheidend sein.“
Die Diskussionsrunde im Kunsthaus Nexus in Saalfelden (v. l.): Wolfgang Schäffner vom StudienZentrum Saalfelden, Helmut Hoyer, Rektor
der Fernuniversität Hagen, Armin Mühlböck von der Universität Salzburg, Moderator Wolfgang Immerschitt, der grüne Bildungssprecher
und Landtagsabgeordnete Simon Hofbauer und Waltraud Winkler-Rieder von der ÖAR-Regionalberatung.
BILDER: LINDER
Wenn die Abwanderung
zur Landflucht wird ...
SCHLAGLICHT
Jochen Linder
Saalfeldens Bürgermeister Erich Rohrmoser (l.) analysierte die Situation mit Rektor Helmut Hoyer von der Fernuniversität Hagen.
An sich nichts Neues: Die Besten gehen, um noch besser zu
werden. Nur leider kehren sie
nicht zurück. Denn Jobangebote
für Menschen mit Top-Qualifikation sind im Pinzgau rar. Die
verschiedensten Berufszweige
gibt es hier gar nicht, vor allem
in den Segmenten Geisteswissenschaften, Kultur, Forschung
oder Hochtechnologie. Aber
auch im hoch qualifizierten
Handwerk sind Jobangebote rar
oder gar nicht vorhanden. Wobei: Abwanderung war schon
immer ein Thema, nur mittlerweile ist es schon oft genug eine
Landflucht. Auch wenn die Lebensqualität hier hoch ist: Ohne
den richtigen Job fühlt man sich
nicht wohl. Ideen, um das zu
ändern, gibt es wohl: Nur fehlt
es oft genug an Protagonisten,
die sich dafür einsetzen, und
dem notwendigen Geld.
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