Auslandssemester Escola de Administração de Empresas de São Paulo da Fundação Getulio Vargas (FGV-EAESP) SoSe 2015, TUM-BWL, Paul Garte, [email protected] WARUM BRASILIEN? Brasilien in einem Satz zu beschreiben fällt schwer. Durch seine Historie als ehemalige portugiesische Kolonie und Einwanderungsland ist Brasilien ein sehr multikulturelles Land. Trotz zahlreicher, zum Teil großer Gegensätze, wie dem zwischen arm und reich, gibt es in Brasilien eine starke, verbindende nationale Identität, die sich in der Offenheit und Toleranz der Gesellschaft ausdrückt. Ich bin selten so vielen freundlichen und hilfsbereiten Menschen begegnet. Gerade das brasilianische Lebensgefühl sowie die Herzlichkeit sind ein toller Kontrast zum Leben in Deutschland. Hinzu kommt Brasiliens Kultur, die stark von Musik, verschiedenen Tänzen, aber auch von Kunst und Architektur geprägt ist und die verschiedenen kulturellen Hintergründe aller Ethnien verbindet. Das fünftgrößte Land der Erde hat zudem eine einzigartige und sehr Jericoacoara abwechslungsreiche Naturwelt zu bieten, von Tropischen Regenwäldern bis Wüsten, von Gebirgen bis riesigen Feuchtgebieten, von Savannen bis Traumstränden und Tauchgründen. Brasilien ist auch das artenreichste Land der Erde. Nicht zuletzt übernimmt das Land auf Grund seiner politischen und wirtschaftlichen Größe die Führungsrolle auf dem südamerikanischen Kontinent. WARUM SÃO PAULO? Als ich das erste Mal ein Bild von São Paulo sah, lange bevor ich mich dazu entschied dort zu studieren, dachte ich mir, in dieser Betonwüste möchte ich nicht leben. Einmal mehr wurde mir klar, wie weit man mit seinem ersten Eindruck daneben liegen kann. São Paulo ist eigentlich keine Stadt für einen Kurztrip. Um die Stadt wirklich zu erleben und zu verstehen muss man länger dort leben und am besten Paulistas kennen, die einem ihre Stadt zeigen. Mit 20 Millionen Einwohner ist die Stadt eine der größten Metropolregionen der Welt und das vielbeschriebene wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Brasiliens. Ein Drittel der Wirtschaftsleistung Brasiliens wird hier erbracht. Nahezu jedes große Unternehmen, das den brasilianischen oder lateinamerikanischen Markt erschließen will, ist vertreten. Die Stadt ist damit perfekt geeignet für den Karrierestart oder auch nur für ein Praktikum. Doch zur eigentlich wichtigeren Frage, was macht das Leben in São Paulo so besonders? São Paulo ist ein Schmelztiegel europäischer, afrobrasilianischer, asiatischer und indigener Kulturen. Diese Vielfalt findet Ausdruck in Wirtschaft, Kunst, Musik, Architektur, Essen und praktisch jedem anderen Lebensbereich. Die verschiedenen Entwicklungsstadien einzelner Stadtteile haben zudem zur Entstehung und Entwicklung vieler Subkulturen beigetragen. Auch Praça do Pôr do Sol - SP das Nachtleben in São Paulo ist einzigartig, es gibt praktisch alles von Sambaclubs, unzähligen Bars & Restaurants, noblen Diskotheken, japanischen Karaokebars, Jazzclubs bis zum hippen Elektroschuppen. São Paulo mit Berlin zu vergleichen wird vielleicht beiden Städten nicht gerecht, verdeutlicht aber worauf ich hinaus will. Für mich ist São Paulo der Geheimtipp und wie die Jungs von Breaking Borders in ihrem Video so schön zeigen, ist die Stadt „The The Most Underrated City in the World“. https://www.youtube.com/watch?v=YVfSQY_GUiE BEWERBUNG UND REGISTRIERUNG AN DER FGV Die Bewerbung für das Auslandssemester geschieht über das International Office der Wirtschaftsfakultät. Da ich mich für das Sommersemester beworben hatte, habe ich nach meiner Nominierung im Februar bis Ende November nichts von der FGV gehört. Freundlicher Weise hat mir jedoch das International Office die Willkommensemail der Kommilitonen, die bereits im Wintersemester nach Brasilien gingen, weitergeleitet, so dass ich so schon erste Informationen hatte. Ende November habe ich dann eine erste offizielle Email von der FGV erhalten. Anschließend war eine Online-Bewerbung auf der Website der FGV nötig, welche jedoch nur eine Formalie darstellt. Nach dem das Bewerbungsfenster für 4 Tage geöffnet war, konnte man sich bald darauf online für verschiedene Kurse eintragen. Hier galt das first-come-first-serve-Prinzip, allerdings habe ich von niemanden gehört, der seine Wunschkurse nicht bekommen hat. Auch hier ist die Registrierung nur für 3 Tage möglich. Anders als an der TUM ist ein nachträglicher Wechsel von Kursen meist nicht oder nur schwer möglich. Eine Ausnahme bilden Kurse, die in Portugiesisch angeboten werden. Sollten nämlich die eigenen Sprachkenntnisse doch nicht ausreichen, ist ein Wechsel in englischsprachigen Kurse möglich. Ob diese Regeln auch für das Graduate-Program gelten, kann ich nicht sagen. Es ist also wichtig, die Registrierungstermine unbedingt wahrzunehmen und einzuhalten. VISUM, IMPFUNG & SPRACHKURS Nach Erhalt der Bestätigung durch die FGV sollte man rechtzeitig ein Visum beantragen. Das geht am besten im brasilianischen Konsulat in der Sonnenstraße, sollte nicht länger als 3 Wochen dauern und ist zudem kostenlos. Für die, die etwas mehr Flexibilität brauchen, ein Rückflugticket wird für den Antrag nicht benötigt. Daneben ist der Besuch bei einem Tropenmediziner empfehlenswert (2-3 Monate vor Abflug). Hier kann ich die Praxis von Dr. Frühwein in der Brienner Straße empfehlen. Im Vorfeld sollte man sich auf der Website des Robert-Koch-Instituts informieren, welche Impfungen durch die eigene Krankenkasse übernommen werden. Je nach Impfplan kann es durchaus ein höherer 3-stelliger Betrag sein, der wie bei mir von den meisten Kassen übernommen wird. Ein letzter wichtiger Punkt mit Hinblick auf die Vorbereitung des Aufenthaltes in Brasilien ist die Belegung eines Sprachkurses. In Brasilien spricht nur ein kleiner Teil der Leute fließend Englisch, so dass es sehr hilfreich ist, einen Grundstock an Vokabeln zu besitzen. Durch das Kursangebot der Uni und die vielen Austauschstudenten ist es zwar möglich mit eingeschränkten Sprachkenntnissen zurechtzukommen, jedoch erleichtern gute Portugiesischkenntnisse das Alltagsleben ungemein. Seitens der FGV wird ein kostenpflichtiger Sprachkurs angeboten, allerdings empfehle ich die Sprachkurse des Sprachenzentrums der TUM, z.B. bei Frau Cunha. ANKUNFT IN SÃO PAULO Die meisten internationalen Flüge gehen zum Guarulhos International Airport. Von dort aus gelangt man am einfachsten mit dem Airport Bus Service für 40R$ in die Innenstadt (z.B. Republica). Der Preis für die Taxifahrt liegt zwischen 140 und 180R$ und sollte definitiv vorher verhandelt bzw. abgesprochen werden. Die günstigste Variante (<10R$) ist der Bus zur Metrostation von Tatuape. Von dort geht es dann weiter mit der Metro in die Innenstadt. Hier sollte man jedoch nicht allzu viel Gepäck dabei haben, da der Bus meist recht voll und unbequem ist. WOHNEN IN SÃO PAULO Generell empfiehlt es sich fußläufig zur Uni zu wohnen, da dort zum einen die meisten Austauschstudenten wohnen und man dadurch dem Berufsverkehr entgehen kann. Die nächsten Stadteile sind Bela Vista und Jardim Paulista. Das Gebiet südlich der Avenida Paulista ist dabei besonders sicher. In der Karte unten habe ich das Gebiet markiert, welches ich zum Wohnen empfehle. Neben den oben genannten Vierteln kann ich zudem noch Pinheiros und die Viertel entlang der Rua Augusta empfehlen. Ich selbst habe in Downtown, im nördlichen Teil von Bela Vista gewohnt. Downtown ist nicht die sicherste Gegend (Bereich um Se), jedoch versprüht es zum Teil noch den Charme der 40-50er Jahre, als viele der Gebäude dort errichtet wurden. Durch den eher schlechten Ruf sind die Mieten meist günstiger. Mir hat es dort sehr gut gefallen, da ich auch das Glück hatte, preiswert in einem sehr gepflegten und architektonisch bedeutenden Gebäude aus dieser Zeit zu wohnen. Die Mieten betragen in dem von mir markierten Bereich je nach Lage und Ausstattung zwischen 1000R$ Downtown São Paulo und 2000R$. Für die Suche habe ich meist Airbnb oder Facebook genutzt. Easyquarto sowie die Zimmervermittlung der FGV bieten weitere Möglichkeiten fündig zu werden. Innenstadt São Paulo LEBEN IN SÃO PAULO Eingangs habe ich São Paulo bereits etwas näher beschrieben. São Paulo ist eine moderne Metropole mit allen Vor- und Nachteilen. Die Infrastruktur ist im gesamten Innenbereich gut ausgebaut, es gibt eine sehr moderne U-Bahn sowie ein ausgedehntes Busnetz. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten und Krankenhäuser und wie bereits angedeutet, verfügt die Stadt über ein reiches kulturelles Angebot, so dass einem niemals langweilig wird. Da die Menschen sehr offen sind, ist es kein Problem auch außerhalb der Universität Kontakte mit Brasilianern zu knüpfen und somit seinen Freundeskreis zu erweitern. STUDIEREN AN DER FGV Die FGV ist die Top Business School in Lateinamerika und in der Reputation gleichauf mit der ebenfalls berühmten USP. Dementsprechend ist die Universität gut ausgestattet und organisiert. Das Semester ist in zwei Module aufgeteilt. Vor allem die englischsprachigen Kurse erstrecken sich nur über ein Modul, sodass man bereits nach 2-2,5 Monaten Klausuren schreibt. Die Kurse entsprechen unseren Seminaren und sind dementsprechender interaktiver. Die Teilnehmerzahl liegt meist zwischen 15 und 30 Studenten. Unter dem Semester sind meist Vor- und Nachbereitungen, wie beispielsweise das Lesen wissenschaftlicher Paper oder das Erstellen von Präsentationen, nötig. Teilweise gab es auch Abgaben von Hausaufgaben. Eine intensive Prüfungsphase wie bei uns gibt es nicht, so dass sich der Aufwand insgesamt in Grenzen hält. Die Benotungen setzen sich meist aus verschiedenen Komponenten, wie Klausuren, Präsentationen, Hausaufgaben und Mitarbeit zusammen. Zudem besteht eine Anwesenheitspflicht. Insgesamt hat die FGV daher eher einen Schul- denn einen Universitätscharakter, was mich teilweise etwas gestört hat. Das Schwierigkeitsniveau der meisten Kurse war angemessen, stand aber im etwas im Gegensatz zur Schwierigkeit der Klausuren, die dann meist deutlich leichter waren. Im Folgenden eine kurze Beschreibungen der Kurse, die ich belegt habe: Emerging Powers in a Global Political Order Der Kurs kommt eher aus dem Bereich Internationale Beziehungen und befasst sich mit der Rolle aufkommender politischer und wirtschaftlicher Mächte. Stichworte sind hier BRICS, MINT, Mercosur oder ASEAN. Der Kurs gibt sehr interessante Einblicke in die Außenpolitik von Schwellenländern, internationale Wirtschaftsabkommen und aktuelle Entwicklungen in diesen Bereichen. The Brazilian Economy Der Kurs gibt einen guten Überblick in die historische Entwicklung der Wirtschaft Brasiliens von der Landung der Portugiesen bis in die Neuzeit. Der historische Teil des Kurses ist teilweise etwas fad dargestellt, jedoch ist der zweite Teil des Kurses durch Debatten zu aktuellen Wirtschaftsthemen sehr interessant. Insgesamt gibt der Kurs einen guten Einblick in die Wirtschaft Brasiliens. Macroeconomics for Emerging Markets Dieser Kurs war der anspruchsvollste Kurs und setzt idealer Weise vertiefte makroökonomische Vorkenntnisse voraus. Vorlesung und Prüfung sind jedoch so gestaltet, dass man ohne große Vorkenntnisse bestehen kann. Man bekommt Einblick in ökonomische Situationen und Probleme von Schwellenländern sowie in verschiedene Lösungsansätze. Stichworte hier sind Hyperinflation, Staatsverschuldung oder finanzielle Repression. Corporate Social Responsibility Dieser Kurs ist der einzige Kurs, den ich nicht weiterempfehlen würde. Insgesamt wenig innovativ und sehr theoretisch. Wer bereits einen ähnlichen Kurs an der TUM belegt hat, wird hier wenig Erkenntnisgewinn haben. Über die Anerkennung von Credits kann ich noch nichts sagen. SICHERHEIT Die Sicherheit ist immer eines der zentralen Themen, wenn es um einen Auslandsaufenthalt in Brasilien geht. Hier allgemeine Aussagen zu treffen ist nicht so einfach, da es stark von der jeweiligen Situation abhängt. Grundsätzlich sollte man sich zu bestimmten Tageszeiten und in bestimmten Gegenden an gewisse Grundregeln halten. In vielen, nicht allen Stadteilen São Paulos beispielsweise, sollte man nachts nicht alleine durch menschenleere Straßen gehen. Prinzipiell ist es zudem besser in einer Gruppe unterwegs zu sein. Ich habe mich selbst nicht immer an all diese Regeln gehalten, was im Nachhinein auch etwas leichtsinnig war. Nach einer gewissen Zeit bekommt man jedoch ein Gespür dafür, wo man sich bewegen kann und wo besser nicht. Dennoch sollte man lieber vorsichtiger sein und sich nicht die 5€ Taxifahrt nach Hause sparen. Ich habe selbst, abgesehen von einem manipulierten Geldautomaten, keine negativen Erfahrungen gemacht und mich auch nicht unsicher oder bedroht gefühlt. Nichtsdestotrotz sollte man immer eine gewisse Vorsicht walten lassen. KOSTEN Vom Preisniveau her ist Brasilien kein günstiges Land zum Leben. Die Mieten in Großstädten wie São Paulo sind teilweise auf ähnlichem Niveau wie in München. Nahrungsmittel wie Fleisch und Milchprodukte sind teurer als in Deutschland, Früchte und Gemüse dafür günstiger. Besonders teuer sind Elektronikartikel und verschiede Kosmetikprodukte. Es lohnt sich daher bestimmte Sachen, wie beispielsweise Sonnencreme, aus Deutschland mitzubringen. Nichtsdestotrotz lässt es sich auch günstig leben, wenn man etwas auf die Preise achtet. Ein weiterer „Vorteil“ ist der Verfall des Reals. Zu Beginn bekam ich 3,2R$ für 1€, am Ende 3,5R$ und mittlerweile bekommt man über 4R$. Dies ist eigentlich sehr schlecht für Brasiliens Wirtschaft, schont aber den Geldbeutel von Studenten, vorausgesetzt die Preise steigen nicht allzu schnell. Insgesamt sollte man mit einem Budget von 10001500€ pro Monat rechnen, je nachdem wie viel man neben der Uni unternimmt und wie oft man reist. São Paulo REISEN Brasilien ist durch seine abwechslungsreichen Naturräume und Städte perfekt zum Reisen. São Paulo als zentraler Hub für Flüge und Busfahrten ist dafür ein idealer Ausgangspunkt. In 6 Stunden erreicht man Rio de Janeiro mit dem Bus. In unmittelbarer Nähe befinden sich die traumhaften Strände und Tauchgründe von Buzios, Arraial do Cabo, Ilha Grande und Paraty. Darüber hinaus habe ich Salvador, Morro de São Paulo und die Chapada Diamantina bereist. Im Nordosten bin ich über Recife, Pipa, Natal, Fortaleza bis nach Jericoacoara gereist. Weitere Kurztrips haben mich nach Manaus und in den Salvador da Bahia Amazonas sowie wie an die IguaçuWasserfälle gebracht. Bis auf einige Abstecher nach Argentinien und Paraguay bin ich hauptsächlich in Brasilien geblieben. Einige Kommilitonen sind auch nach Kolumbien, Chile oder Peru gereist. Auf Grund der großen Distanzen lohnt es sich zu fliegen. Allerdings sind die Flüge im Vergleich zu Asien eher teuer, so dass man häufig auch Langstrecken mit dem Bus bewältigt. Hier lohnt es sich rechtzeitig nach Flügen zu schauen. Prinzipiell sollte jeder, der dieses Land besucht, die Möglichkeit zu reisen unbedingt nutzen, auch wenn es in São Paulo sehr viel zu sehen und erleben gibt. Und noch ein kleiner Tipp, auch wenn das Sommersester für viele deutsche Studierende ungünstig liegt, kommt man so direkt zur Zeit des Morro de São Paulo Karnevals in Brasilien an. MEIN FAZIT Ich hatte in Brasilien mit die beste Zeit meines Lebens. Dieses Land, von dem ich vorher ganz andere Vorstellungen hatte, hat mich in seinen Bann gezogen. Selbiges gilt für São Paulo. Am meisten haben mich die Menschen und ihre Herzlichkeit beeindruckt. Die Kurse an der FGV haben mir ebenfalls neue Perspektiven vermittelt. Nicht zuletzt sind in dieser Zeit auch viele Freundschaften mit Leuten aus der ganzen Welt entstanden. An dieser Stelle geht mein Dank auch an das International Office der TUM, das mir diese außergewöhnliche Erfahrung ermöglicht hat. Recife
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