Standpunkt „Stromspeicher“

ZUKUNFTSFRAGEN
TRANSFORMATION VON ENERGIESYSTEMEN
Standpunkt „Stromspeicher“
Energiespeicherung war schon immer ein unverzichtbarer Baustein der Energieversorgung. In der fossil dominierten Welt
beruhte diese auf dem Bunkern von Primärenergien, in der Energiewende verlagert sich dies zunehmend auf die Speicherung von Strom und Endenergie. Man darf das Speicherthema nicht zu eng fassen, sondern sollte es als eine von mehreren
Flexibilitätsoptionen betrachten, die untereinander im Wettbewerb stehen. Die folgenden Thesen liefern stichpunktartig eine
aktuelle Perspektive für Stromspeicher.
Technische Bewertung
■ Im Rahmen der Energiewende in
Deutschland und dem damit verbundenen
zunehmenden Anteil fluktuierender erneuerbarer Energien (EE) an der Stromversorgung ergibt sich ein steigender Bedarf an
zeitlicher Flexibilität im Energiesystem auf
Erzeugungs- und Verbraucherseite zum Ausgleich von Stromangebot und -nachfrage.
■ Es gibt keinen expliziten Speicherbedarf, vielmehr stellen Speicher eine Option
im Portfolio der Flexibilitätstechniken dar.
Andere Optionen sind: Flexible Kraftwerke,
Demand-Side-Management, Abregelung von
erneuerbaren Energien, Netzausbau/Smart
grids, Power-to-Gas/Power-to-Heat/Powerto-Chemicals, Export und Import über den
europäischen Strommarkt.
■ Das Spektrum der Anwendungsgebiete von Speichern mit jeweils charakteristischen Anforderungen an den Speicherbetrieb reicht von Ultrakurzzeitspeichern
(z. B. Spannungsstabilität), Kurzzeitspeichern (z. B. Frequenzstabilität/Regelleistung), Tages-/Stundenspeichern (z. B. Energiehandel) bis hin zu Langzeitspeichern
(Langzeitausgleich erneuerbarer Energien).
■ Stromspeicher sind schwarzstartfähig,
stellen Back-up-Kapazität zur Verfügung
und sind in der Lage, schnelle Regelleistung bereitzustellen. Damit leisten sie einen
wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit, sowohl im Störungsfall als auch im
normalen Netzbetrieb.
■ In Abhängigkeit vom Speichertyp sind
bestimmte Standortvoraussetzungen für
den Bau zu beachten (z. B. für Druckluftspeicher und Power-to-Gas: Vorhandensein
von geeigneten Salzstrukturen für die Errichtung von Speicherkavernen; für Pumpspeicher: topographische Höhenunterschiede zwischen den Speicherbecken).
■ Pumpspeicher sind bezogen auf die
installierte Speicherkapazität heute und zukünftig weltweit gesehen die bedeutendste
Speichertechnologie.
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■ Zukünftig werden sich im Rahmen der
Energiewende die Anforderungen an Speicher und alternative Techniken ändern.
Bei bestehenden Pumpspeichern ist aktuell bereits eine veränderte Betriebsweise
feststellbar, mit einer zunehmenden Bereitstellung von Systemdienstleistungen und
einem reduzierten Einsatz im Energiehandel. Durch Änderungen der regulatorischen
Rahmenbedingungen, insbesondere im Bereich der Bereitstellung von Systemdienstleistungen (z. B. durch eine Verkürzung
von Ausschreibungszeiträumen), können
sich weitere Änderungen für den Speicherbetrieb ergeben.
■ Erst bei Stromversorgungssystemen
mit sehr hohen Anteilen erneuerbarer Energien besteht die Notwendigkeit eines Einsatzes von Speichern.
■ Kurzzeit-/Tagesspeicher können zur
Entlastung von Übertragungs- und Verteilnetzen insbesondere durch Einsatz im
Redispatch und durch die Erbringung von
Systemdienstleistungen beitragen.
■ Die Frage, ob eine erzeuger- oder verbrauchernahe Speichererrichtung aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive vorteilhaft
ist, hängt vom Speichereinsatzgebiet und
vom Speichertyp ab. Bei Langzeitspeichern
kann z. B. eine erzeugernahe Errichtung
vorteilhaft sein, um gegebenenfalls den
Netzausbaubedarf zu reduzieren.
■ Dezentrale Speicher im Verteilnetz
(z. B. Photovoltaik-Speichersysteme zur Erhöhung des Eigenverbrauchs) bieten bei
netzdienlicher Betriebsweise das Potenzial
zur Entlastung von Verteilnetzen und zur
Reduzierung des Ausbaubedarfs auf Verteilnetzebene.
Ökonomische Bewertung
■ Eine Vielzahl von Speichertechniken
ist für verschiedene Anwendungsgebiete, in
Abhängigkeit vom erforderlichen Speicherzeitraum und der Speicherleistung, kommerziell verfügbar.
■ Im Bereich der Tagesspeicherung markieren Pumpspeicher auf absehbare Zeit
den kostenseitigen Benchmark.
■ Stark sinkende Batteriepreise machen
Batteriespeicher für stationäre Anwendungen zunehmend interessant, was sich
in einer steigenden Anzahl an realisierten
Projekten ausdrückt. Erste rentable Anwendungsgebiete ergeben sich unter derzeitigen
Rahmenbedingungen im Bereich der Bereitstellung von Systemdienstleistungen (insb.
Primärregelleistung) und von PhotovoltaikSpeichersystemen zur Erhöhung des Eigenverbrauchs.
■ Das derzeitige Marktumfeld mit sinkenden Strom-Börsenpreisen und sinkenden
Preisen am Regelenergiemarkt führt zu einer wirtschaftlich ungünstigen Situation für
bestehende Pumpspeicherkraftwerke und
setzt keinerlei Anreize für den Bau neuer
großtechnischer Speicher. Es gilt: Je mehr
Speicher eingesetzt werden, umso geringer
wird unter gleichen Bedingungen der Spread
als Grundlage für die Investition in zusätzliche Speicher und umso schlechter entwickelt
sich die Rentabilität bestehender Speicher.
■ Eine zentrale Voraussetzung für die
Wirtschaftlichkeit von Stromspeichern in
neuen/weiteren Anwendungsgebieten ist
die zukünftige Kostendegression.
■ Neue Speichertechniken (neue Batterietypen, Liquid Air Speicher, Thermopotenzialspeicher etc.), welche sich aktuell in der
Entwicklung befinden, besitzen das Potenzial zur Reduktion von Speicherkosten.
■ Die direkte Nutzung von Strom ist – sofern möglich – aus Gründen der Kosteneffizienz (einzelwirtschaftlich und gesamtwirtschaftlich) gegenüber einer Speicherung,
welche mit zusätzlichen Kosten und insbesondere im Bereich der Langzeitspeicherung auch mit hohen Speicherverlusten verbunden ist, vorzuziehen.
■ Eine Kombination von Kurz- und Langzeitspeichern mit alternativen Flexibilitätstechnologien sowie der Abregelung von
Überschussstrommengen aus EE-Anlagen
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 65. Jg. (2015) Heft 9
ZUKUNFTSFRAGEN
TRANSFORMATION
VON ENERGIESYSTEMEN
ZUKUNFTSFRAGEN
ist empfehlenswert und führt zu einer Reduktion der Gesamtkosten der Stromversorgung.
Umweltseitige Bewertung
■ Stromspeicher ermöglichen eine zeitversetzte und bedarfsorientierte Nutzung
von Strom aus erneuerbaren Energien und
können so mittelbar zu einem Ersatz fossiler
Must-Run-Kapazitäten beitragen (z. B. durch
die Bereitstellung von Systemdienstleistungen).
■ Die Umweltauswirkungen sind abhängig von der jeweiligen Speichertechnik.
Bei Pumpspeichern stehen der Flächenverbrauch und der Eingriff in das Landschaftsbild im Vordergrund. Bei Batterien ist der
Ressourceneinsatz für den Bau der Anlage
zu beachten. Bei Speichertechniken, die auf
der Nutzung von geologischen Formationen
basieren (Power-to-Gas, Druckluftspeicher),
ist insbesondere die Bauphase (Aussolung
von Salzkavernen) kritisch zu bewerten.
■ Die Nutzung von größeren Mengen von
Lithium-Ionen Batterien oder anderer neuer
Batterietypen erfordert eine überregionale
Betrachtung und Bewertung der Ressourcenverfügbarkeit sowie den Aufbau geeigneter Sammel- und Entsorgungsstrukturen.
■ Die Entwicklung und Nutzung von
Verfahren zum Recycling von Batterien ist
Voraussetzung für eine Rückgewinnung von
Materialien und eine Reduzierung des Pri-
märressourceneinsatzes durch eine Erhöhung des Angebots an Sekundärressourcen.
Dies kann Einfluss auf die Kritikalität und
mögliche Umwelteinwirkungen haben.
Gesellschaftliche Bewertung
■ Beim Neubau von Pumpspeichern kann
es zu lokalen Protesten von Bürgerinnen
und Bürgern kommen, u. a. wegen des Eingriffs in Naturräume, der möglichen Beeinträchtigung des Tourismus, einer Entwertung von Wohneigentum. Manchmal können
Projekte nicht realisiert werden, auch wenn
Unternehmen frühzeitig Informations- und
Kommunikationsstrategien entwickelt und
eingesetzt haben.
■ Großbatteriespeicher, die auf oder in
der Nähe von Betriebsgeländen stehen, können bislang ohne lokalen Widerstand gebaut
werden. Eine repräsentative Bevölkerungsbefragung, die von IEK-STE durchgeführt
wurde, zeigt, dass Bürgerinnen und Bürger
solchen Großspeichern nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. Vor- und
Nachteile verschiedener elektrochemischer
Speicher werden unterschiedlich bewertet,
ohne ein Speicherkonzept generell abzulehnen. Großspeicher in ihrer Wohnumgebung
lehnt die Mehrheit jedoch ab: 55 % der Befragten fordern eine Distanz von mehr als
2 km, 20 % von mehr als 1 km, 11 % von
mindestens 500 m. In unmittelbarer Nähe
(bis 100 m) möchte niemand solche Spei-
cher. Daraus kann sich ein Konfliktpotenzial
ergeben. Die Akzeptanz von Batteriespeichern stellt sich somit unterschiedlich dar,
je nachdem ob sie zu „Nachbarn“ werden
oder nicht.
■ Ob Formen der Bürgerbeteiligung, eine
lokale Nutzung solcher Speicher oder ihr
Einsatz zur Reduzierung bzw. Vermeidung
von Netzausbaumaßnahmen sich positiv auf
die Bereitschaft von Anwohnerinnen und
Anwohnern auswirken könnte, diese Speicher im Wohnumfeld zu tolerieren, ist noch
zu untersuchen.
Weiterführende Literatur
Stenzel, P. et al.: Jahresübersicht Energiespeicher, BWK
04/2014 und BWK 05/2015.
Doetsch, C. et al.: Metastudie Energiespeicher, Fraunhofer UMSICHT, Fraunhofer IWES, 2014.
Pape, C. et al.: Roadmap Energiespeicher, Fraunhofer
IWES, IAEW RWTH Aachen, Stiftung Umweltenergierecht, 2014.
Agora Energiewende: Stromspeicher in der Energiewende, 2014.
Ansprechpartner:
Dr. Peter Stenzel
Forschungszentrum Jülich GmbH
Institut für Energie- und Klimaforschung
- Systemforschung und Technologische Entwicklung (IEK-STE)
Tel.: 02461/61-6556
E-Mail: [email protected]
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