Beratung - Friedrich-Schiller

Pädagogische Fallanalyse
Vertiefungsvorlesung zum
Handlungsfeld Beraten, Beurteilen,
Diagnostizieren
Vorlesung im Sommersemester 2015 an der
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Nils Berkemeyer
Kontakt: [email protected]
1. Vorlesung
Ablauf, Klausur, erste Einführung
Roman Mogdanz
Agenda heute
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Verlaufsplan
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Klausur
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KMK-Standards zum Handlungsfeld Beurteilen
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Diagnostik
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Beurteilen
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Beraten
Verlauf

Teil A: Grundlagen

Einführung in die Themenbereiche „Beraten“, „Beurteilen“,
„Diagnostizieren“



Rahmenbedingungen des Handlungsfeldes

Bildungsungleichheiten und Kontexteffekte
Teil B: Anwendungen

Diagnostik (System, Vergleichsarbeiten, individuell)

Pädagogische Beobachtung

Leistungsbeurteilung (Grundlagen, alternative Formen)

Beratung
Teil C: Leistungsüberprüfung (Wiederholung und Klausur)
Qualitätsbereiche Schulischer Entwicklung
Kompetenzbereich: Beurteilen
Lehrerinnen und Lehrer beraten sach- und
adressatenorientiert und üben ihre
Beurteilungsaufgabe gerecht und
verantwortungsbewusst aus.
Kompetenzbereiche Beurteilen
Lehrerinnen und Lehrer
diagnostizieren
Lernvoraussetzungen und
Lernprozesse von SuS; sie
fördern SuS gezielt und
beraten Lernende und
deren Eltern.
Lehrerinnen und Lehrer
erfassen die
Leistungsentwicklung von
SuS und beurteilen Lernen
und Leistungen auf der
Grundlage transparenter
Beurteilungsmaßstäbe.
Kompetenz 7
Lehrerinnen und Lehrer diagnostizieren Lernvoraussetzungen und
Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern; sie fördern Schülerinnen und
Schüler gezielt und beraten Lernende und deren Eltern.
Standards für die theoretischen Ausbildungsabschnitte
Die Absolventinnen und Absolventen…
 kennen Begriff und Merkmale von Heterogenität bzw. Diversität.
 wissen um die Vielfalt von Einflussfaktoren auf die Lernprozesse und den Auswirkungen
auf die Leistungen.
 wissen, wie unterschiedliche Lernvoraussetzungen Lehren und Lernen beeinflussen und
wie sie im Unterricht in heterogenen Lerngruppen positiv nutzbar gemacht werden
können.
 kennen Formen von Hoch- und Sonderbegabung.
 kennen die Grundlagen der Lernprozessdiagnostik.
 kennen Prinzipien und Ansätze der Beratung von Schülerinnen und Schülern und Eltern.
 kennen die unterschiedlichen Kooperationspartner und wissen um die differenten
Perspektiven bei der Kooperation mit anderen Professionen und Einrichtungen.
Kompetenz 7
Lehrerinnen und Lehrer diagnostizieren Lernvoraussetzungen und
Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern; sie fördern Schülerinnen und
Schüler gezielt und beraten Lernende und deren Eltern.
Standards für die praktischen Ausbildungsabschnitte
Die Absolventinnen und Absolventen...
 erkennen Entwicklungsstände, Lernpotentiale, Lernhindernisse und Lernfortschritte.
 erkennen Lernausgangslagen und setzen spezielle Fördermöglichkeiten ein.
 erkennen Begabungen und kennen Möglichkeiten der Begabungsförderung.
 stimmen Lernmöglichkeiten und Lernanforderungen aufeinander ab.
 setzen unterschiedliche Beratungsformen situationsgerecht ein und unterscheiden
Beratungsfunktion und Beurteilungsfunktion.
 kooperieren bei der Diagnostik, Förderung und Beratung inner- und außerschulisch
mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit anderen Professionen und Einrichtungen.
Kompetenz 8
Lehrerinnen und Lehrer erfassen Leistungsentwicklungen von Schülerinnen
und Schülern und beurteilen Lernen und Leistungen auf der Grundlage
transparenter Beurteilungsmaßstäbe.
Standards für die theoretischen Ausbildungsabschnitte
Die Absolventinnen und Absolventen…
 kennen unterschiedliche Formen und Wirkungen der Leistungsbeurteilung, ihre Funktionen und
ihre Vor- und Nachteile
 kennen verschiedene Bezugssysteme der Leistungsbeurteilung und wägen sie gegeneinander ab.
 kennen das Spannungsverhältnis von lernförderlicher Rückmeldung und gesellschaftlicher
Funktion von Leistungsbeurteilungen.
Standards für die praktischen Ausbildungsabschnitte
Die Absolventinnen und Absolventen...
 konzipieren Aufgabenstellungen und kriteriengerecht und formulieren sie adressatengerecht.
 wenden Bewertungsmodelle und Bewertungsmaßstäbe fach- und situationsgerecht an.
 verständigen sich auf Beurteilungsgrundsätze mit Kolleginnen und Kollegen.
 begründen Bewertungen und Beurteilungen adressatengerecht und zeigen Perspektiven für das
weitere Lernen auf.
 nutzen Leistungsüberprüfungen als konstruktive Rückmeldung über die eigene
Unterrichtstätigkeit.
Diagnostik
Diagnostik
 Psychologische Diagnostik
 Pädagogisch-Psychologische Diagnostik
 Pädagogische Diagnostik
Diagnostik
„Pädagogische Diagnostik umfasst alle diagnostischen Tätigkeiten, durch die bei
einzelnen Lernenden und den in einer Gruppe Lernenden Voraussetzungen und
Bedingungen planmäßiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt, Lernprozesse analysiert
und Lernergebnisse festgestellt werden, um individuelles Lernen zu optimieren. Zur
Pädagogischen Diagnostik gehören ferner die diagnostischen Tätigkeiten, die die
Zuweisung zu Lerngruppen oder zu individuellen Förderungsprogrammen ermöglichen
sowie die mehr gesellschaftlich verankerten Aufgaben der Steuerung des
Bildungsnachwuchses oder der Erteilung von Qualifikation zum Ziel haben.“
(Ingenkamp/Lissmann, 2008, 13).
Diagnostik
„Unter diagnostischer Tätigkeit wird dabei ein Vorgehen verstanden, in dem (mit oder
ohne diagnostische Instrumente) unter Beachtung wissenschaftlicher Gütekriterien
beobachtet und befragt wird, die Beobachtungs- und Befragungsergebnisse
interpretiert und mitgeteilt werden, um ein Verhalten zu beschreiben und/oder die
Gründe für dieses Verhalten zu erklären und/oder künftiges Verhalten vorherzusagen.“
(Ingenkamp/Lissmann, 2008, 13).
Modelldiskussion in der päd. Diagnostik
 Eigenschafts- vs. Verhaltensdiagnostik
 Ergebnis- vs. Prozessdiagnostik
 Selektions- vs. Förderdiagnostik
Zum Problem der Diagnosequalität von LK-Beurteilungen
Problembereich 1: Durchführungsobjektivität
Problembereich 2: Auswertungsobjektivität


Die Urteile verschiedener Lehrer über dieselbe Arbeit variieren beträchtlich. (24 LK
weniger als 60P (durchgefallen); 20 mehr als 80P (befriedigend und besser bestanden)
(Starch & Elliot, 1912, 1913)
Die Zahl der Untersuchungen, die den frühen Befund bestätigen, ist beträchtlich und
das Problem der Beurteilungsobjektivität nicht wegzudiskutieren.
Beeinflussungsfaktoren für die Beurteilung






Länge der Textproduktion
Grammatikalische und orthographische Fehler
Handschrift
Reihenfolge der Beurteilung der Arbeiten
Geschlechtsrelation
Beliebtheit
Qualitativ-Rekonstruktive Diagnostik
(Eberwein/Knauer, Hrsg.,1998)
 Von den Stärken des Kindes ausgehen
 Individuelle Beschreibung und Beurteilung der Stärken und Probleme
 Systemische Sichtweise
 Breites Spektrum von Beobachtungen in offenen Situationen
 Zusammenarbeit mit Eltern
 Einbeziehung abgebender Bildungsinstitutionen
 Qual. Diagnostik versucht immer das ganze Kind und dessen Umfeld (vgl.
z.B. Bronfenbrenner 1984) zu betrachten und zu verstehen.
Beurteilen
Leistungsbeurteilung
Hinweise aus den Leitgedanken zu den Thüringer Lehrplänen
 Leistungseinschätzung sollen dem ganzheitlichen Kompetenzansatz
Rechnung tragen und zielt auf:

Die individuelle Eigenverantwortung, die Leistungsbereitschaft und Motivation

Produkte und Prozesse

Lernprozesse in Gruppen

Eigene und fremde Lernprozesse zu reflektieren und zu beurteilen

Bedingungen erfolgreichen Lernens zu berücksichtigen
 Bezugsnormen der Beurteilung sind:

Die kriteriale Bezugsnorm

Die individuelle Bezugsnorm

(populations)soziale Bezugsnorm keine zulässige Orientierung
Leistungsbewertung durch Noten
Hinweise aus den Leitgedanken zu den Thüringer Lehrplänen
 Produktbezogene Kriterien

Aufgabenadäquatheit

Korrektheit

Vollständigkeit

Formale Gestaltung

Originalität
 Prozessbezogene Kriterien

Qualität der Planung

Effizienz des methodischen Vorgehens

Reflexion und Dokumentation des methodischen Vorgehens

Leistung des Einzelnen in der Gruppe

Vortragsweise

Angemessenheit der Darstellung
Leistungsbewertung durch Noten
Hinweise aus den Leitgedanken zu den Thüringer Lehrplänen
 Komplexitätsbezogene Kriterien (Standards und EPAs)

Anforderungsbereich I: Reproduktion

Anforderungsbereich II: analoge Rekonstruktion

Anforderungsbereich III: Konstruktion
Beraten
Beratung – einige Grundlagen
(entnommen bei Schnebel, 2007)
 Gründe und Anlässe für Beratung:




Zunahme von Beratungsanlässen aufgrund von Pluralisierung
Gleichzeitig Ausweitung der Lehreraufgaben und weniger Fachpersonal
Lehrerrolle im Wandel zum Lernberater
Reformwelle erfordert Beratung in Schule (also auch eine Kompetenz des
„Beratenwerdens“)
 Im Zuge von Schulentwicklungsprozessen wird Beratung zunehmend
wichtig (externe und interne).
 Evaluation als Standardaufgabe der Schule erfordert Beratungskompetenz
 Kooperation professionalisiert sich in spezifischen Beratungssettings
(kollegiale Fallberatung, Supervision)
Beratung – eine Definition
Beratung ist „eine freiwillige kurzfristige, soziale Interaktion zwischen
mindestens zwei Personen. Das Ziel der Beratung besteht darin, in einem
gemeinsam verantworteten Beratungsprozess die Entscheidungs- und damit
Handlungssicherheit zur Bewältigung eines aktuellen Problems zu erhöhen.
Dies geschieht in der Regel durch die Vermittlung von neuen Informationen
und/oder durch die Analyse, Neustrukturierung und Neubewertung
vorhandener Informationen“ (Schwarzer/Posse, 2005, 139)
Beratung – wesentliche Prinzipien
 Freiwilligkeit
 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
 Vertrauensverhältnis und Vertraulichkeit
 Professionalität
 Beachten der Verantwortungsstruktur (sind alle entscheidungsrelevanten
Akteure in die Beratung einbezogen)
Beratung – Kommunikation als Basis
Paul Watzlawick et. al (1969): Menschliche Kommunikation
 Fünf Axiome menschlicher Kommunikation

Man kann nicht nicht kommunizieren.

Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.

Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der
Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.

Kommunikation ist immer verbal und nonverbal zugleich.

Kommunikationsprozesse sind symmetrisch (Gleichheit) oder komplementär
(Unterschiedlichkeit).
Beratung – Spannungsfelder der drei Prozesselemente
 Information

Belehrung
 Begleitung, Unterstützung

Abhängig machen
 Steuerung

Manipulation
Beratung – Formalisierungsgrade
 Informelle, alltägliche Beratung

Im Klassenzimmer, im Lehrerzimmer, auf dem Flur…
 Halbformalisierte Beratung (als ein Bestandteil des Berufes).

Beratungslehrer, Sprechstunden, Elternsprechtag
 Ausgewiesene und stark formalisierte Beratung

Kollegiale Fallberatung, Schulentwicklungsberatung, Schulpsychologischer
Dienst, etc.
Doppelverortung von Beratung
 Beratungs- und Interaktionswissen (Prozessberatung)

Kommunikationsmodelle, Handlungsmodelle, Veränderungsmodelle,
Kontextmodelle, Prozessmodelle, Beratungsmethodologie,
Beratungsmethoden, etc.
 Handlungsfeldspezifisches Wissen (Expertenberatung)

Faktenwissen zur jeweiligen Problemlage, Kausalmodelle,
Interventionsformen, gesetzliche Grundlagen, etc.
Kennzeichen professioneller Beratung
 Methodisches Vorgehen
 Aktiver Lernprozess wird in Gang gesetzt
 Symmetrie der Berater-Klient-Beziehung
 Freiwilligkeit und Eigenverantwortlichkeit als Grundlage
 Hilfe zur Selbsthilfe
 Bewusste Wahrnehmung des Problems
 Zielrichtung der Veränderung richtet sich auch nach Kompetenzen des
Ratsuchenden
 Hauptberuflichkeit des Beraters
 Klares Aufgabenprofil
Merkmale schulischer Beratung
 LK sind max. semiprofessionelle Berater
 Berater in der Schule sind häufig Teile des Systems (z.B. Schulaufsicht)
 Die Themen der Beratung stammen ebenfalls aus dem System
 Freiwilligkeit ist unwahrscheinlich, zumindest aber nicht ohne weiteres zu
realisieren
 Hierarchien spielen in Schulberatungssituationen häufig eine Rolle
 Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sind oft unklar
 Der zeitliche Rahmen ist oft begrenzt
 Rollenkonflikte der Lehrkräfte bestehen
 Divergierende Zielsetzungen
Übung
 Was erwarten sie von der Beurteilung ihrer Abschlussklausur L4?
 Worin sehen sie die wichtigste Funktion/Zielsetzung der Beurteilung von SuS
in der Schule?
 Gibt es Unterschiede in der Beantwortung, wenn ja welche?
Literatur
Becker, R. & Schulze, A. (Hrsg.) (2013): Bildungskontexte. Strukturelle Voraussetzungen und Ursachen ungleicher
Bildungschancen. Wiesbaden: Springer VS.
Bohl, T. (2009): Prüfen und Bewerten im Offenen Unterricht. Weinheim: Beltz.
De Boer, H., Reh, S. (Hrsg.) (2012): Beobachtung in der Schule – Beobachten lernen. Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften.
Eberwein, H., Knauer, S. (Hrsg.) (1998): Handbuch Lernprozesse verstehen. Wege einer neuen (sonder-)
pädagogischen Diagnostik. Weinheim: Beltz.
Hesse, I., Latzko, B. (2011): Diagnostik für Lehrkräfte. Opladen: Budrich.
Ingenkamp, K., Lissmann, U. (2008): Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik. Weinheim: Beltz.
Schnebel, S. (2007): Professionell beraten. Beratungskompetenz in der Schule. Weinheim: Beltz.
Schwarzer, C., Posse, N. (2005): Beratung im Handlungsfeld Schule. In: Pädagogische Rundschau, 59, S. 139-151.
Von Saldern, M. (2011): Schulleistung 2.0. Von der Note zum Kompetenzraster. Norderstedt: Books on Demand
Watzlawick, P. et. al (1969): Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. Bern: Huber.
Winter, F. (2014): Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den
Schülerleistungen. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!