Votum Eintreten - GrünAlternative GPB-DA

Nichteintretensantrag Planungsvorlage Viererfeld
Begründung von Luzius Theiler anlässlich der Stadtratssitzung vom 26. November 2015
Vor 11 Jahren wurde der Nichteintretensantrag von Daniele Jenni gegen 8 Stimmen
abgelehnt. Vielleicht geht es diesem ähnlich. Aber bedenkt das Ergebnis der
Volksabstimmung …
Das Vierefeld, ist wichtige Kultur- und Naturlandschaft. 1914 Landesausstellung, 1980
Initiative zum Schutz der Inneren Enge angenommen, beide Objekte, Viererfeld und Innere
Enge, bilden einen Teil eines Ganzen. Die Zerstörung eines Objektes beeinträchtigt das
andere. 1987 wurde dem Quartier Freihaltung des Vierefeldes versprochen als
Gegenleistung zu „Uni-Tobler“.
Das Viererfeld benannt nach der mittelalterlichen Vierfelderwirtschaft, hat eine vielfältige,
Jahrhunderte lange landwirtschaftliche Nutzung hinter sich. Es ist Teil der Kulturgeschichte
der Stadt Bern. Es finden sich dort einmalige und unersetzliche Schönheitswerte: wertvolle
Baumbestände, Geländegliederungen, räumliche Weite, Sichtbeziehungen. Wie bei
schützenswerten Baugruppen von einem architektonischen Ensemble gesprochen wird, liegt
hier ein landschaftliches Ensemble von besonderer Schönheit vor. In einer dicht bebauten
städtischen Umgebung ist das Viererfeld ein Ort der Ruhe und Weite. Art. 9 Abs.3 der
Gemeindeordnung verpflichtet die Behörden, wertvolle Landschaften, Ortsbilder,
Naturdenkmäler, Bauten und Kulturgüter zu erhalten und zu schützen. Wo denn sonst wäre
dieser Artikel anwendbar, wenn nicht im Viererfeld!
Die Länggasse weist den kleinsten Grünflächenanteil aller Stadtquartiere auf. Seit 2004 hat
sich Situation weiter verschlechtert. Der schon durch den Autobahnbau stark beschädigte
Bremgartenwald wurde durch den Bau der Wärmezentrale und des Feuerwehrstützpunktes
weiter dezimiert. Mit der geplanten Kapazitätserhöhung des Wankdorfkreisels sind als Folge
weitere Autobahnausbauten im Bremgartenwald zu erwarten. Das Viererfeld ist jedoch nicht
nur für die Länggasse von Bedeutung, es gehört zusammen mit der Elfenau (Manuelmatte
und Stadtgärtnerei) und dem ebenfalls durch eine Volksabstimmung geretteten
Landwirtschaftsgebiet von Oberbottigen zu den wichtigsten meistbesuchten städtischen
Nahrholungsgebieten. Kurze Zeit nach dem Nein zur Viererfeldüberbauung wurde das
Projekt zur Überbauung der Manuelmatte in der Elfenau wegen Chancenlosigkeit ad acta
gelegt. Eine Überbauung des Viererfeldes könnte alte grössenwahnsinnige Bauprojekte
wieder zum Leben erwecken.
Städtische Qualität bedeutet nicht „Auffüllen“ aller unternutzten Gebiete, namentlich aller
Grüngebiete. Dies führt zu einem konturlosen Siedlungsbrei. Im Gegenteil, eine gute Planung
müsste Lücken zwischen den Siedlungsgebieten freihalten und bauliche Grenzen zu Gunsten
einer lebenswerten Stadt setzen.
Aussage Tschäppät 2012, als Bern 135 000 EinwohnerInnen erreichte:
Bei 140 000 Einwohnern sieht er (der Stadtpräsident) denn auch ein Ende angesichts der
heutigen Platzbedürfnisse:
«140 000 Einwohner ist ein Ziel, das wir nicht überschreiten sollten. Sonst geht das
Wachstum unter anderem auf Kosten von Naherholungsgebieten», sagt er. Besser und
zutreffender hätten wir es nicht sagen können.
Wir ziehen die Grenze nicht stur bei 140‘000. Wir haben die beschlossenen Projekte
Burgerziel und Warmbächli, das Gaswerkareal ist grundsätzlich unbestritten, in
Weyermannshaus West und Ost hat es mittelfristig nach einer Studie des Werkbundes für
mehr als 10'000 EinwohnerInnen Platz. Gerade in diesem Zusammenhang müsste man auch
über einen ganzen oder teilweisen Verzicht auf den neuerlich geplanten Campus für die
Fachhochschule auf dem Weyermannshausareal diskutieren. Bern hat darum gekämpft, “wie
die Grossen“ Zentrum einer „Metropolitanregion“, hier „Hauptstadtregion“, zu werden, die
vom Wallis bis zur französischen Grenze reicht. Das grösste Problem unserer Stadtplanung ist
der Überhang der Arbeitsplätze gegenüber den Wohnplätzen – ca. 140 :100. Wir können
nicht immer neue Aufgaben und Einrichtungen in unser Stadtgebiet ziehen, wir müssen auch
bereit sein, einmal Bestehendes an die Region abzugeben, für was soll denn sonst soll die
Hauptstadtregion gut sein? Dezentralisierung heisst nicht Zersiedelung. Auch in
Mittelstädten wie Burgdorf, Langenthal oder Spiez kann platzsparend gebaut werden, nur
dass unsere Verkehrsanlagen viel besser genutzt sind, wenn sich nicht alle Pendlerströme
gleichzeitig in gleiche Richtung bewegen.
Allein auf der Immobilien-Plattform immoscout24 werden ständig um die 500
Mietwohnungen und 50 Eigentumswohnungen in der Stadt Bern angeboten, allerdings meist
im «gehobenen» Segment. In Bern fehlt es nicht an Wohnungen, sondern an preiswerten,
bezahlbaren Wohnungen. Bei einem geschätzten Investitionsvolumen inkl. Landkauf und
Infrastruktur von gegen einer Milliarde Franken für die 900 Wohnungen ist preisgünstiger
Wohnraum auf dem Viererfeld unmöglich, selbst wenn er "gemeinnützig" gebaut wird.
Die Viererfeldvorlage ist Ausdruck eines unreflektierten Wachstumsdenkens: immer mehr
von allem, koste es, was es wolle. Hat man je die Bevölkerung gefragt, ob und welches
Wachstum sie anstrebt? Ich wiederhole den Stadtpräsidenten: „Das Wachstum geht unter
anderem auf Kosten der Naherholungsgebiete“. Mit „unter anderem“ hat er wohl auch die
geplanten Bahnhofumbauten gemeint, wenn sie tatsächlich realisiert werden sollten (ich bin
mir da noch nicht so sicher), wäre wiederum hauptsächlich die Länggassbevölkerung
während einer ganzen Generation schweren Beeinträchtigungen ausgesetzt.
Man wirft uns Bauverhinderer und Fortschrittfeindlichkeit vor. Wie sähe unsere Stadt aus,
wenn alle geplanten Grossprojekte realisiert worden wären? Der Abbruch der Altstadt, 1956
gestoppt mit einer Demo auf dem Münsterplatz, die H-Lösung über den Waisenhausplatz, die
Stadttangente, die «Tesartürme» bei der Nydeggbrücke 1984, die geplante Überbauung von
Oberbottigen mit Einfamilienhäusern… Richtungsentscheid: Ja zur Überbauung wäre Signal
für weitere Zerstörungen von Grünflächen. Bern könnte sich heute in den Prospekten von
Bern-Tourismus und der Wirtschaftsförderung nicht mehr als «Grüne Stadt mit
Lebensqualität» rühmen. Dass heute Bern noch eine zum Teil grüne und lebenswerte Stadt
ist, musste immer wieder mit zivilgesellschaftlichem Engagement gegen Obrigkeiten und
Wirtschaftsinteressen erkämpft werden. Die volle Tribüne zeigt, dass dieses Engagement
auch diesmal vorhanden ist.