Ihr Gesprächspartner: Dr. Johann Kalliauer Präsident der AK Oberösterreich Mag. Andreas Neubauer Abt. Kompetenzzentrum Betriebliche Interessenvertretung Gesundheits- und Krankenpflegegesetz neu: AK fordert Nachbesserungen zum Schutz der Beschäftigten Pressekonferenz am Freitag, 9. Oktober 2015, 11.00 Uhr, in der Arbeiterkammer Linz Demnächst wird das Parlament über eine Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz abstimmen. Das neue Gesetz bringt eine Akademisierung der Pflegeausbildung und sieht eine entsprechende Anpassung der Aufgaben in den einzelnen Berufen vor. Experten/-innen der Arbeiterkammer haben das Gesetz begutachtet und mit Betriebsrätinnen und Betriebsräten aus den betroffenen Branchen diskutiert. Ihr Resümee: Die Gesetzesänderung ist jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, weil sie die Pflegeberufe aufwertet – einige Punkte gehören jedoch dringend abgeändert. Die Bedeutung der Pflegebranche wird in Zukunft massiv zunehmen und der Bedarf an ausgebildeten Fachkräften permanent steigen. Durch den medizinischen Fortschritt und die veränderten Lebensbedingungen erreichen immer mehr Menschen ein höheres Lebensalter, dadurch erhöht sich auch die Anzahl der betreuungs- und pflegebedürftigen Personen. In den Spitälern werden zunehmend Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten an Pflegekräfte delegiert, die Ansprüche der Patienten/-innen steigen – das Pflegepersonal ist immer stärker gefordert. Längst überfälliger Schritt Mit der Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz liegt nun ein Entwurf vor, der die Akademisierung der Ausbildung vorsieht. Diplomiertes Pflegepersonal soll in Zukunft, statt wie bisher an Krankenpflegeschulen, an Fachhochschulen ausgebildet werden und die Ausbildung mit Bachelor abschließen. AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer: „Damit werden die Pflegeberufe aufgewertet. Dieser Schritt ist längst überfällig – schließlich ist der Gesundheits- und Pflegebereich für das soziale Gefüge in unserem Land enorm wichtig.“ Das neue Gesetz wird nicht nur die Ausbildung in der Pflege reformieren, sondern auch Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen vieler Beschäftigter in der Branche haben. „Daher haben wir uns den Entwurf ganz genau angeschaut“, so Kalliauer. Einzelne Punkte sind aus Sicht der Arbeiterkammer, der zuständigen Betriebsräte/-innen und der betroffenen Beschäftigten kritisch zu betrachten. Nicht zuletzt deshalb, weil es für jene Pflegekräfte, die jetzt schon im System arbeiten, durch das neue Gesetz nicht zu Verschlechterungen kommen darf. 2 Nationalratsabgeordnete informieren Per Brief wendet sich die Arbeiterkammer Oberösterreich daher in den nächsten Tagen an alle 183 Abgeordneten zum Nationalrat, um sie über die AKStandpunkte zum neuen Gesetz zu informieren, bevor sie im Parlament darüber abstimmen werden. Im Wesentlichen sind es acht Punkte, die aus Sicht der AK unbedingt neu diskutiert werden müssen: • Kein Mindestpersonalschlüssel vorgesehen: Im neuen Gesetz gibt es keine klare Regelung, wie die Aufteilung der Diplom- und Bachelorpflegekräfte sowie der Pflege(fach)assistenten/-innen in der Praxis zu erfolgen hat. Es lässt sich dadurch kaum abschätzen, wie in Zukunft die personelle Ausstattung der Kranken- und Pflegeeinrichtungen aussehen wird. Aus Sicht der AK ist zu befürchten, dass es ohne einen verbindlichen bundesweit einheitlichen Mindestpersonalschlüssel zu massiven Einsparungen beim Personal kommen wird. Das würde sowohl zu Lasten der Beschäftigten als auch der Patientinnen und Patienten gehen. • Ausbildung zur Pflegeassistentin/zum Pflegeassistenten: Es wird eine zweijährige Ausbildung zur Pflegefachassistentin/zum Pflegefachassistenten eingeführt. Der Gesetzesentwurf sieht aber vor, dass die derzeitige einjährige Ausbildung zur Pflegeassistentin/zum Pflegeassistenten beibehalten wird. Die AK spricht sich dagegen aus, da die Absolventen/innen dieser kürzeren Ausbildung benachteiligt sind, weil sie weniger verdienen, keinerlei Berufsschutz haben und beim Zugang zur Pension schlechter aussteigen. • Bezahlung von Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten: Bisher bekamen Pflegeschülerinnen und -schüler während der Ausbildung ein Taschengeld. Für die künftigen Studentinnen und Studenten an den Fachhochschulen ist dafür im Gesetzesentwurf keine Regelung vorgesehen. Die AK fordert, dass im neuen Gesetz klar festgehalten ist, dass auch sie während ihrer Praktika ein vergleichbares Entgelt bekommen müssen. 3 • Anrechnung von Berufspraxis: Im Gesetzesentwurf findet sich kein Hinweis darauf, ob die Praxiserfahrung beim Zugang zum neuen Ausbildungssystem angerechnet wird. Das ist aus Sicht der AK unbedingt notwendig, weil davon auszugehen ist, dass bereits im Beruf stehende Pflegekräfte die neuen Ausbildungsmöglichkeiten zur Höherqualifizierung nutzen werden. Für bereits diplomiertes Personal muss es möglich sein, einfacher zum Bachelor-Abschluss zu kommen. • Wertigkeit des derzeitigen Diploms nicht gesichert: Noch bis ins Jahr 2024 werden diplomierte Fachkräfte an den Krankenpflegeschulen nach dem herkömmlichen System ausgebildet. Im Gesetzesentwurf weist derzeit nichts darauf hin, dass sichergestellt ist, dass diese Absolventen/-innen gegenüber den neuen Fachhochschulabsolventen/-innen künftig nicht benachteiligt werden – besonders in Bezug auf Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen. Generell sollte die lange Übergangsfrist überdacht und auf eine raschere Umsetzung gedrängt werden. • Klare Regelungen bei der Übertragung von Aufgaben fehlen: Die Neuausrichtung der Ausbildung wird mit einer Adaptierung der einzelnen Berufsbilder im Pflege- und Gesundheitsbereich einhergehen. Es ist zu erwarten, dass es dadurch vermehrt zur Übertragung einzelner Tätigkeiten und Aufgaben der Ärzteschaft auf das Pflegepersonal kommt. Dafür ist es notwendig, dass dazu im neuen Gesetz formell und strukurell klare Regelungen verankert sind. • Die neuen Ausbildungs-Regelungen gelten nicht für alle Berufsgruppen: Für viele Beschäftigte in der Langzeitpflege (z.B. in Alten- und Pflegeheimen) und in den Sozialbetreuungsberufen (z.B. in Behindertenbetreuungseinrichtungen) gilt der neue Gesetzesentwurf nicht. Für sie gelten weiterhin landesgesetzliche Richtlinien. Aus Sicht der AK müssen alle Pflegeangelegenheiten in einem bundesweiten Gesetz geregelt werden. 4 Gesetz so nicht beschlussreif In all diesen Bereichen orten Arbeiterkammer und Gewerkschaften noch dringenden Handlungs- und Verbesserungsbedarf. AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer: „Wir werden nicht locker lassen, diese Änderungen zum Schutz der Beschäftigten einzufordern und immer wieder in die Debatte einzubringen, bevor das neue Gesundheits- und Krankenpflegegesetz im Parlament beschlossen wird.“ 5
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