Göttingen, den 08.09.2015 Pressemitteilung des Fachverbands Deutsch- als Fremd- und Zweitsprache e.V. (FaDaF) Flüchtlingskinder und Deutschunterricht – ausgebildete Fachleute endlich einstellen! Bis zu einem Drittel der Flüchtlingskinder – so aktuelle Schätzungen – sind im schulpflichtigen Alter. Um erfolgreich am Regelunterricht teilnehmen zu können, müssen solche Seiteneinsteiger zunächst – möglichst effektiv – Deutsch lernen. Viele Bundesländer haben dafür spezielle Förder- und Vorbereitungsklassen mit Schwerpunkt Sprachunterricht vorgesehen. Angesichts der Zahlen an Flüchtlingskindern ergibt sich akut für diese Klassen ein hoher zusätzlicher Bedarf an etwa 10.000 – 20.000 Lehrerinnen und Lehrern. Die Bundesländer haben deshalb im Schulwesen einige tausend zusätzlicher Einstellungen in Aussicht gestellt. In dieser Situation fordern Lehrerverbände zunächst alle arbeitslosen Deutschlehrerinnen und -lehrer mit Staatsexamen einzustellen oder pensionierte Lehrkräfte zurückzuholen, was die Medien gerne aufgreifen. Wie selbstverständlich wird dabei davon ausgegangen, dass Lehrkräfte, die für den schulischen Deutschunterricht mit muttersprachlichen Schülerinnen und Schülern (etwa in Literatur- und Schreibdidaktik) ausgebildet wurden, in der Regel auch Expertise für den Unterricht des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache besitzen. Dies ist aber nicht zwangsläufig der Fall. Zwar gibt es neuerdings in der Lehrerausbildung erste Ansätze, auf die besonderen Bedürfnisse von Schülerinnen und Schüler mit anderen Muttersprachen vorzubereiten oder auch sprachliche und fachliche Bildung miteinander zu verknüpfen. Das betrifft aber Lehrende aller Disziplinen und ist von einem reinen Fremdbzw. Zweitsprachunterricht zu unterscheiden, der zunächst einmal auf die altersgerechte Vermittlung grundlegender kommunikativer Kompetenzen, grammatischer Strukturen und des deutschen Alltagswortschatzes ausgerichtet ist. Dieser Unterricht gehört in die Hände von qualifizierten Fachleuten. Die entsprechenden Lehrkräfte werden mittlerweile seit Jahrzehnten an deutschen Hochschulen in Studiengängen Deutsch als Fremd- und Zweitsprache ausgebildet. Diese Absolventinnen und Absolventen aber haben Schwierigkeiten, ausbildungsadäquate Stellen zu finden. In den Schuldienst können sie in der Regel nicht eintreten, da Deutsch als Fremdsprache kein Schulfach ist und sie kein Staatsexamen haben. So werden sie auch nicht in den Vorbereitungsklassen eingesetzt und finden sich als schlecht bezahlte, aber dennoch 2 hoch motivierte Honorarkräfte in prekären Verhältnissen wieder, zum Beispiel in den Integrationskursen für Erwachsene. Früher oder später wandern sie deshalb in andere Tätigkeitsbereiche ab – eine Verschwendung von Lebenszeit und Ausbildungskapazitäten. Daher fordert der Fachverband Deutsch als Fremd- und Zweitsprache e.V. (FaDaF): Einstellung von Lehrkräften mit einschlägiger didaktischer Hochschulausbildung Deutsch als Fremd- und Zweitsprache für Vorbereitungs-, Sprach- und Förderklassen mit Flüchtlingskindern an Schulen bzw. schulübergreifend. Anerkennung des gesellschaftlich relevanten Studienfachs Deutsch als Fremd- und Zweitsprache als Studiengang für die Lehrerausbildung. Verbesserung der sozialen Situation der Lehrkräfte in den Integrationskursen durch eine finanzielle Ausstattung, die eine ausbildungsgerechte Bezahlung ermöglicht. Anleitung von Freiwilligen für Maßnahmen zur Unterstützung des Deutschlernens durch einschlägig qualifizierte und erfahrene Lehrkräfte Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. 3.536 Zeichen (inkl. Leerzeichen), Belegexemplare erbeten! Kontakt Fachverband Deutsch als Fremd- und Zweitsprache e.V. (FaDaF) Geschäftsstelle an der Universität Göttingen Käte-Hamburger-Weg 6 37073 Göttingen Tel.: 0551-394792, [email protected], www.fadaf.de Dr. Matthias Jung, Vorsitzender, [email protected], Tel.: 0179-5182119 Prof. Dr. Gabriele Kniffka, Pädagogische Hochschule Freiburg, Mitglied des FaDaF-Vorstands [email protected] Fachbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache » Flucht und Sprache 1 von 1 http://dafdaz.univie.ac.at/aktuelles/flucht-und-sprache/ Stellungnahme zu Deutschkursen für Flüchtlinge Derzeit entwickeln sich österreichweit zahlreiche Privatinitiativen, deren Ziel es ist Flüchtlinge mit ehrenamtlichen Angeboten in die deutsche Sprache einzuführen. Auch wir engagieren uns u.a. mit einer seminarähnlichen Unterstützung von Studierenden der Universität Wien, die in den Flüchtlingsunterkünften Deutsch unterrichten möchten. Das Engagement für Flüchtlinge halten wir für unentbehrlich und für unsere Pflicht. Allerdings möchten wir darauf hinweisen, dass schnelle Einführungen von Ehrenamtlichen nur Notfalllösungen darstellen; sie können eine fundierte Ausbildung nicht ersetzen, die wir als Grundlage für eine Lehrtätigkeit für unabdingbar halten: Unterrichten ist eine komplexe und verantwortungsvolle Aufgabe, die ein vertieftes theoretisches und praktisches Einarbeiten in (sozial- und migrations-)pädagogische, allgemeindidaktische und fachdidaktische Professionalisierungsbereiche erfordert; weitere wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Entwicklungen sind für den Deutschunterricht mit Flüchtlingen u.E. ebenfalls unerlässlich. Die fachliche Ausbildung ist auch deshalb unersetzbar, weil es sich um den Umgang mit Menschen handelt, der teils hochspezialisiertes pädagogisches Handeln (wie beispielsweise Alphabetisierung oder Umgang mit traumatisierten Lernenden) erfordert. Wir halten es deshalb für sehr wichtig, dass ehrenamtliche Helferinnen und Helfer die Grenzen ihrer Handlungsmöglichkeiten – zum Schutz der Flüchtlinge sowie auch ihrer selbst – respektieren. Angesichts der aktuellen Situation begleiten wir im Rahmen unserer kapazitären und zeitlichen Möglichkeiten Ehrenamtliche. Dies ist aus unserer Sicht jedoch keine fachlich dauerhaft vertretbare Lösung für die Herausforderungen, die sich der österreichischen Gesellschaft stellen. Wir machen deshalb dringend auf die Notwendigkeit einer politischen Lösung dahingehend aufmerksam, dass die in Österreich ausgebildeten DaF/DaZ-Lehrkräfte (s. die Liste zur Aus- und Weiterbildung DaF/DaZ des ÖDaF) diese Herausforderungen professionell in staatlich finanzierten Kursen angehen. Es handelt sich um eine anspruchsvolle, verantwortungsvolle und für die gesellschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahren zweifellos höchst bedeutungsvolle Aufgabe. Zugleich ist aus unserer Sicht auch eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Stellung des Deutschen in einer mehrsprachigen Gesellschaft zu führen. Mit den rechtlichen und sozialen Bedingungen des Lebens in Österreich können Flüchtlinge sich nicht tiefgehend in einer Sprache auseinandersetzen, die sie erst zu lernen beginnen. Wenn Flüchtlinge dabei unterstützt werden sollen, in Österreich schnellstmöglich handlungsfähig zu werden, dann sind auch andere Sprachen als Deutsch in entsprechende Bildungsmaßnahmen einzubeziehen. Daher fordern wir die politisch Verantwortlichen dazu auf, eine mehrsprachige Gestaltung von Bildungsangeboten für Flüchtlinge zu ermöglichen. Eine Stellungnahme zur sprachlichen Unterstützung von QuereinsteigerInnen im österreichischen Bildungssystem findet sich unter dem folgenden link: derstandard.at/2000021831213/Fluechtlinge-Heinisch-Hosek-Bedarf-an-Schulen-im-Oktober-absehbar Univ.-Prof. Dr. İnci Dirim & Univ.-Prof. Dr. Karen Schramm Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Universität Wien 16.11.2015 09:13
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