„Mithilfe unserer Methode wird die HIV

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„Mithilfe unserer Methode wird
die HIV-Infektion heilbar“
Wissenschaftlern gelingt Durchbruch in der Aidsforschung – Hoffnung für Millionen Menschen
Diese Forschung ist Nobelpreis-verdächtig: In Dresden arbeiten Wissenschaftler daran, die todbringende
HIV-Infektion heilbar zu machen. Jetzt
ist es ihnen – im Verbund mit Virologen aus Hamburg – weltweit erstmals gelungen, befallene menschliche Zellen wieder zu gesunden. Der
Molekularbiologe Frank Buchholz
(50) leitet die Forschergruppe an der
TU Dresden.
n Frage: Herr Buchholz, weltweit forschen Hunderte Wissenschaftler daran,
eine HIV-Infektion heilen zu können –
was ist das Besondere an Ihren Erfolgen?
Normalerweise basieren die Forschungen
auf ein und demselben HIV-Stamm, der
in Laboren immer wieder gezüchtet wird
– wir konnten nun weltweit zum ersten
Mal zeigen, dass unsere Methode auch bei
menschlichen Zellen funktioniert, die direkt von Patienten stammen. HIV-infizierte Patienten aus Hamburg haben uns
Blutspenden zur Verfügung gestellt. Auch
hier hat die von uns entwickelte GenSchere funktioniert: Nach einer gewissen
Zeit waren die Zellen nicht mehr HIV-infiziert. Das ist ein großer Fortschritt, ein
sehr wichtiger Schritt in der Forschung.
Und das Gute und Neue ist: Unsere neue
Methode erkennt über 90 Prozent aller
klinischen, aller bekannten HIV-Stämme.
Also fast alle. Denn auch hier gibt es – wie
beispielsweise bei der Grippe – erhebliche
Unterschiede.
n Sie betreiben Grundlagenforschung.
Wie lange haben Sie für den Erfolg gearbeitet?
Wie bei vielen Dingen in der Wissenschaft
zeigt sich auch hier, dass Forschung Zeit
braucht. Ich arbeite seit 20 Jahren auf
diesem Gebiet. Nun haben wir die Grundlagen geliefert – genau das, was von der
Wissenschaft immer verlangt wird. Hamburger Virologen haben unsere Enzyme,
die Gen-Schere, an Patienten-Zellen erfolgreich getestet. Das ging in Dresden
nicht, dafür fehlen uns unter anderem die
sicherheitstechnischen Voraussetzungen.
n Können Sie Ihre Methode leicht verständlich erklären?
Man kann das HI-Virus vielleicht mit einem Computer-Virus vergleichen, das
sich auf einem Rechner ausbreitet und die
Software umprogrammiert. Die eigentlichen Programme laufen nicht mehr und
der Rechner verschickt nur noch Computer-Viren. Ähnliches passiert durch HIViren: Auch sie nisten sich ein und programmieren die Zelle im menschlichen
Körper um. Das Programm in den Zellen
ist so abgeändert, dass nur noch HI-Viren
produziert werden. Das Entscheidende an
unserem Ansatz ist: Wir schneiden das
HI-Virus heraus – damit können die Zellen, insbesondere die befallenen Immunzellen, wieder gesunden und ihrem normalen Job nachgehen. Sprich, das
Immunsystem funktioniert wieder. Bei
Mäusen, die mit infiziertem menschlichen
Hoffnung für Millionen HIV-Infizierte: Der Molekularbiologe Frank Buchholz (50), Professor für medizinische Systembiologie an der TU Dresden, hat
es mit seiner Wissenschaftlergruppe geschafft, das tödliche Virus zu eliminieren.
Foto: Andreas Debski
vor übertragen werden. Das Risiko der
Verbreitung ist also weiterhin hoch, da
auch die Krankheit selbst ihre Bedrohlichkeit eingebüßt hat. Mithilfe unserer
Methode, die das Virus aufspürt und entfernt, könnte die HIV-Infektion heilbar
werden – das ist unser langfristiges Ziel.
n Das heißt aber auch: Wird an der falschen Stelle geschnitten, können andere
Gen-Defekte auftreten?
Eine elektronenmikroskopische Aufnahme
zeigt mehrere Humane Immunschwäche-Viren
(HIV).
Foto: dpa
Blut versehen wurden, klappt das bereits
viel besser, als wir erwartet hatten.
n Sie strömen eine gewisse Euphorie aus.
Die Euphorie, die Zuversicht braucht
man als Wissenschaftler, um auch mal
Durststrecken oder eben jahrelange Testreihen zu überstehen. Das größte Problem bei HIV-Infektionen ist, dass sich
das Virus in der DNA versteckt. Inzwischen gibt es zwar sehr gute Medikamente, um die Symptome einzudämmen und
auch die Aids-Erkrankung gar nicht erst
ausbrechen zu lassen – eine Heilung erfolgt aber nicht. Die Patienten müssen ihr
Leben lang Medikamente nehmen und
werden das Stigma niemals los. Andererseits kann das gefährliche Virus nach wie
Theoretisch ja. Bei unseren Versuchen ist
es bislang nie zu Nebenwirkungen, etwa
zu Krebs, gekommen. Ganz klar ist, dass
die Methode natürlich sicher sein muss.
Mit den neuesten Technologien könnte
dies gelingen. Die Gen-Schere, das von
uns entwickelte Enzym, ist so konstruiert, dass es sich genau das HI-Virus in
der DNA-Abfolge sucht und es herausschneidet. Das heißt allerdings: Nur wenn
die Sequenzen gefunden werden, auf die
das Enzym angesetzt ist, wird geschnitten.
n Wann kann die Welt mit weiteren Fortschritten rechnen?
Als nächstes kommen die klinischen
Studien. Bei uns haben sich auch schon
viele Patienten gemeldet, sodass wir einige
Listen zur Verfügung haben. Das Entscheidende ist jetzt, die Finanzierung von
mindestens zehn Millionen Euro zusammenzubringen. Doch ich muss etwas auf
die Euphorie-Bremse treten: Bis wir Ergebnisse aus klinischen Studien haben,
werden noch einige Jahre vergehen.
n Wenn Sie vorausblicken: Wie könnte
die Methode praktisch umgesetzt werden?
Die Behandlung soll über eine Art Dialyse
laufen, wie man sie auch von Nierenkranken oder Blutkrebs-Patienten kennt. So
kann sich der Patient im Prinzip selbst
heilen – die Stammzellen, das Knochenmark, das Immunsystem. Wir arbeiten
bereits daran, ein System zu entwickeln,
das an möglichst vielen Kliniken zum
Einsatz kommen kann. Und natürlich haben wir dabei auch den Einsatz außerhalb
Europas im Hinterkopf.
n Ist die Methode auch auf andere Infektionen und Erkrankungen anwendbar?
Unser langfristiges Ziel ist es, Gen-Defekte
zu beheben – das heißt, an die Ursache einer Erkrankung heranzugehen und diese
zu beseitigen. Dieses Problem beschränkt
sich nicht nur auf HIV-Infektionen, die
sich in der DNA einnisten. In unseren Labors forschen wir schon jetzt daran, die
für Leukämie- und Bluter-Erkrankungen
verantwortlichen DNA-Schäden reparieren zu können. In bestimmten Fällen der
Hämophilie würde es beispielsweise „genügen“, einen bestimmen DNA-Abschnitt
zu drehen – auch daran arbeiten wir.
Interview: Andreas Debski
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