60 Jahre italienische Gastarbeit in Deutschland

ITALIENISCHE GASTARBEIT
60 Jahre
IN DEUTSCHLAND
1955 - 2015
Kaufb euren i st i n den letz ten 6 0
Jah ren i tali eni sch er geworden.
Und das i st gut so.
Festschrift zum 60-jährigen Jubiläum der „Italienischen Gastarbeit in Deutschland“
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60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
Die Entscheidung nach Deutschland zu gehen war ric htig.

Inhaltsverzeichnis
Grußwort Stefan Bosse
Oberbürgermeister Stadt Kaufbeuren
Grußwort Carmine Macaluso
Vorsitzender ACLI Baviera
Grußwort Generalkonsul Filippo Scammacca
Italienischer Generalkonsul, Stadt München
Städtepartnerschaft László Kasztner
Geschäftsführer der Städtepartnerschaft Kaufbeuren
Kaufbeuren und Italien - historisch betrachtet
Dr. Stefan Fischer, Stadtarchiv Kaufbeuren
Geschichte der Verträge
Carmine Macaluso, Vorsitzender ACLI Baviera
Texte und Bilder von Zeitzeugen
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60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
Liebe Mitbürgerinnen und
Mitbürger,
liebe Gäste,
Liebe Leserinnen
und Leser,
ITALIEN!
Schon als sich die staufischen
ständlich
Ritter hier in Kaufbeuren ver-
Pizza, Spaghetti, Rot-
sammelten, um in den Süden
wein,
aufzubrechen,
und Rudi Schuricke;
hatte
dieses
mehr
als
Caprifischer
Oberbürgermeister Stefan Bosse
es
besonderen Klang, hatten wir
wie es Dante, da Vinci, Miche-
im Norden immer gewisse Vor-
langelo und Verdi suggerieren
stellungen
Sehnsüchte,
mögen. Italien hat viele großar-
die sich mit dem Namen Italien
tige Traditionen und eine davon
verknüpften. Wenn die Stadt
ist, dass Italien ein durch und
Kaufbeuren nun heute „60 Jah-
durch urbanes Land ist, in dem
re italienische Gastarbeit“ in
seit der Antike die Kultur der
Deutschland feiert, so möge
Städte blüht. Wenn heute un-
das unser Beitrag für ein im-
sere Speisekarte ohne weiteres
mer mehr zusammenwachsen-
das Nebeneinander von Pasta
des Europa sein.
und Spätzle verträgt, dann ist
und
auch
60 Jahre italienische Arbeits-
mit
migration in die Bundesrepu-
den
Kaufbeurer
Bürgerinnen und Bür-
blik
gern
ragender
gemeinsam
60-jährige
Wort für unsere Ohren einen
ist
ich freue mich sehr,
des
Carmine Macaluso, ACLI Baviera
anders
das auch ein Verdienst unserer
das
-
das
ist
ein
Anlass,
hervor-
Dank
zu
Jubiläum
sagen. Dank an alle Zuwande-
Anwerbevertrages
rer selbst, deren Leistungen
zwischen der Bundes-
zum
republik
beigetragen
Deutschland
und Italien feiern zu
Aufstieg
mahnen,
Deutschlands
haben
die
und
uns
Integration
dürfen und möchte der Stadt
weiter
Benvenuti a Kaufbeuren!
Kaufbeuren und dem Integra-
aber auch an all jene Menschen
Ich wünsche dem Programm
tionsbeirat
Dankbar-
und Organisationen, die die
„60 Jahre italienische Gastar-
keit für die tatkräftige Unter-
Migranten mit offenen Armen
beit“ in Kaufbeuren mit seiner
stützung bei der Realisierung
empfangen haben.
Ausstellung und seinem Fest-
unserer Initiative zum Aus-
abend viel Erfolg und danke al-
druck bringen.
meine
Wir
Mit herzlichen Grüßen
Freilich – ein Großteil von uns
italienischen
kennt sich in Europa und der
und Mitbürger, deren Vorfah-
Welt schon aus wie in Kaufbeu-
ren als Gastarbeiterinnen und
ren: Das Nordkap ist ihm eben-
Gastarbeiter zu uns gekom-
so wenig fremd wie die afrika-
men sind, ihre Kultur bewahr-
nische Sonne Siziliens. Aber
ten und anpassten und so zu
Stefan Bosse
kennen wir unsere Nachbarn
einem Stück unserer Heimat
Oberbürgermeister Stadt Kaufbeuren
wirklich? Italien ist selbstver-
machten.
Mitbürgerinnen
wollen
ein
friedliches
Unser Dank geht auch an Herrn
schätzung, Toleranz und Soli-
Antonio Tortorici, Vorsitzen-
darität geprägt ist.
der
des
Ausländerbeirates
Memmingen
und
die
vielen
Zeitzeugen aus Kaufbeuren und
Umgebung, für das zahlreich
zur Verfügung gestellte BildIhr
Dank
Miteinander, das von Wert-
len Beteiligten für ihr Engagement und ihren Beitrag!
voranzutreiben.
material zur Bereicherung der
Photoausstellung
Vita“.
„Deutsche
Car mi n e M ac al u s o
Vorsitzender ACLI Baviera
5
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
Liebe italienische
Mitbürgerinnen
und Mitbürger,
Liebe Leserinnen
und Leser,
ich bedanke mich ganz herzlich
bei
Ihnen,
Herr
Ober-
bürgermeister Bosse, für die
und
Fördermaßnah-
im Reigen der Gratulanten zum Jubiläum „60
Und
zugunsten
Jahre italienische Gastarbeit in Deutschland“
italienisches Flair in unsere Gesellschaft: ihr
darf der Verein zur Pflege der Städtepartner-
Lebensgefühl, ihre Esskultur. Eine Vorliebe
schaften nicht fehlen.
für italienischen Stil und Mode entwickelte
men
der
Italiener, die seit Ge-
Einladung zur Ausstellungser-
nerationen in einem
öffnung „60 Jahre italienische
solch
gastfreund-
Gastarbeit“ in der Sparkas-
lichen
sen-Passage Kaufbeuren.
Land ansässig sind,
und
wurden
Bei dieser Gelegenheit möchte
ich nochmals betonen, wie die
Generalkonsul Filippo Scammacca
offenen
nämlich
tes Zeichen der freundschaft-
in
bedeutendem Maße von ACLI
lichen Beziehungen zwischen
gefördert und unterstützt.
diesen zwei Städten. Der Ita-
italienischen Staatsbürger von
lienische Präsident der Repu-
Gastarbeitern zu europäischen
Gerade die Offenheit der Stadt
blik hat den Verdienstorden
Bürgern geworden sind. Die-
Kaufbeuren hat sich in der tie-
Stella d‘Italia der Italienischen
sen langwierigen Prozess der
fen Freundschaft und engen
Republik
gelungenen
Verbindung
meister Stefan Bosse verlie-
Integration
be-
zur
Partnerstadt
Herrn
Oberbürger-
hen.
wundere ich sehr. Als Beweis
Ferrara gezeigt.
dafür dient, dass die Italiener
Das Erdbeben, das Ferrara ge-
S t äd t e par t n er sc h aft K auf beuren
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so
brachten
sie
im
Laufe
der
Jahre
sich; für Viele ein Anflug einer im Historischen
Denn seit 1991 nennen wir Ferrara in der
wurzelnden Sehnsucht nach dem Süden, seiner
Emilia
Geschichte, seiner europäischen Leitkultur.
Romagna
unsere
Partnerstadt;
sie
ist unsere „erste Liebe“ in der Reihe der
folgenden Partnerstädte. Im Crescentiakloster
So haben Sie alle, seit nunmehr 60 Jahren,
ist eine Urkunde erhalten, die im Jahre 1469
unsere Kaufbeurer Welt bereichert; Sie sind
beide
längst ein integrativer Teil von ihr, nicht nur
Städte
erwähnt.
Lionsclub
Seit
zum
den
ersten
80er
Kaufbeuren
Mal
gemeinsam
Jahren
hat
der
wegen der EWG seit 1957, sondern dank der
freundschaftliche
Menschen, die sich angenommen haben, die
Kontakte aufgebaut und im September 1991
hier zusammen „Heimat“ sind. Miteinander
wurde in Ferrara der Stätepartnerschaftsvertrag
sind wir Kaufbeuren!
unterzeichnet. Über 20 Jahre ist das nun her.
Zu Ihrer aller Fest am 16. Mai wünsche ich
in Bayern sehr populär und be-
nau vor 3 Jahren erschütterte,
Diese Auszeichnung ist eine
liebt sind.
verursachte schwere Schäden
Danksagung an die ganze Stadt
de aus verschiedenen Landesteilen Italiens
ergehen; den Jüngeren unter Ihnen mutige,
an Menschen und Gebäuden.
Kaufbeuren für die geleistete
hierher nach Kaufbeuren gekommen sind. Die
selbstbewusste Schritte in eine gute Zukunft,
Bei diesem Ereignis hat die
Hilfestellung und umso mehr
Suche nach Arbeitsplätzen hat sie zunächst
die immer wieder Chancen bereithält, eine
Stadt
freue
heuti-
hierher geführt, nach einer erweiterten Lebens-
Zukunft, die wir in Frieden und mit dem
darität in großzügiger Weise
gen Tage diesen Verdienstor-
perspektive, nach Chancen für die Zukunft.
Wunsch
Beispiel für die erfolgreiche
zum Ausdruck gebracht. Die
den persönlich überreichen zu
Dann
wollen. Gott segne Sie!
Integration der Italiener. Einen
Spenden seitens der Bürgerin-
können.
Viele von ihnen fanden ihren Partner für`s
wesentlichen
haben
nen und Bürger sowie der vie-
Verbände wie ACLI-Kaufbeuren
len Firmen bewundere ich sehr
Filippo Scammacca
geleistet: Die Weiterbildung
und achte dies als beispielhaf-
Italienischer Generalkonsul, München
Die Stadt Kaufbeuren, die diesen
Festtag
beherbergt
und
organisiert, ist ein sehr gutes
Beitrag
Kaufbeuren
ihre
Soli-
ich
mich,
am
Rund 60 Jahre freilich sind es, dass Tausen-
Ihnen und Ihren Familien persönliches Wohl-
kamen
Familienangehörige
nach.
sozialer
Gerechtigkeit
gestalten
Leben hier: aus den eigenen Reihen oder aus
L ász l ó Kasz t n e r
anderen Familien. Ja, wo die Liebe hinfällt …
Geschäftsführer der Städtepartnerschaft Kaufbeuren
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60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
Kaufbeuren und Italien – historisch betrachtet
Dr. Stefan Fischer, Stadtarchiv Kaufbeuren
Die ältesten Beziehungen zwi-
Die Beziehungen Kaufbeurens
ckere Ritter in der Kaufbeurer
dern helfen, andererseits hat-
so wenig Kriegswaffen wie
schen Italien und Kaufbeuren,
nach Italien rissen trotz der
Espermühle einen festen eige-
te die kleine Stadt Kaufbeuren
„Pistolen, Gewöhre, Pulver,
soweit sie archivalisch nach-
staufischen Katastrophe nicht
nen Stützpunkt, was zu jenen
gegen diese Militärmacht kei-
Luntten oder Kriegs-Mu-
zuweisen sind, rühren aus der
ab. 1311 vergibt König Hein-
Zeiten von entscheidender Be-
ne Chance und eine feindliche
nition“.
Stauferzeit und sie haben für
rich VII. an seinen Gefolgs-
deutung war.
Besetzung und Brandschatzung
Kaufbeuren Leinwand und
Kaufbeuren gleich eine ent-
mann Hartmann von Münster
Als dann 1547 Kaiser Karl V. im
würde nur viel Leid in der Stadt
„P a u r e n w o l l “
scheidende
Auswirkung:
Dagegen
durfte
ausführen,
Der
die Kaufbeurer Espermühle als
Schmalkaldischen Krieg gegen
verursachen. Also zahlte der
musste dafür aber für einen
Kaufbeurer Fern- und Groß-
Reichslehen, um den Ritter für
die Protestanten vorging, da
Rat an den Habsburger eine Er-
Ballen 4 Gulden Zoll an den
händler Albert Schleher stif-
seine in Italien geleisteten und
wurde er von seinem Bruder
satzleistung von 7000 Gulden
Kaiser entrichten.
tete sein im Italien-Handel
noch zu leistenden Dienste zu
Ferdinand mit Soldaten unter-
und die Stadt war von der Ein-
erworbenes
belohnen.
stützt, die nicht nur aus Spani-
quartierung
en, sondern vor allem aus Nea-
nisch und italianisch Truppen“
pel kamen.
verschont.
beträchtliches
Vermögen, um damit 1249 das
„Hospital zum Heiligen Geist“
zu gründen, das ja als Institu-
Freilich spielten dabei auch so-
tion heute noch besteht.
zusagen reisetechnische Gründe
Der
eine Rolle:
Stadt geriet dabei in eine rechte
A
protestantische
Rat
der
N
von
„neapolita-
B
Kaufbeuren und Italien gewaneispiele dieser Art lie-
delt und geändert, das ist das
ßen sich noch fortfüh-
Kennzeichen eines lebendigen
ren, aber sie zeigen uns, dass
Austausches.
Italien in Kaufbeuren keinesatürlich war das Ver-
wegs eine terra incognita war,
hältnis
zwischen
vielmehr hatte jeder und jede
Kaufbeuren und Italien nicht
in dieser Stadt von klein auf
Besieht man die historischen
immer so martialisch. Gera-
immer eine feste Vorstellung
Entwicklungslinien
in Kemnat und in Kaufbeuren
de im 30jährigen Krieg erfah-
von
dann kann ohne weiteres festge-
die
ren
ben sich die Beziehungen von
Verlegenheit, denn eigentlich
Auf dem langen und beschwer-
sollte er ja mit einem Kampf
ls sich dann knapp
lichen Weg von Nord nach Süd
gegen
zwanzig Jahre später
über die Alpen hatte dieser wa-
Soldaten seinen Glaubensbrü-
Gefolgschaft
Staufererben
des
Konradin
jungen
den
Durchzug
dieser
wir,
welche
besonderen
sam-
Waren Kaufbeuren nach Ita-
melte, um nach Süden zu zie-
lien exportierte und vor allem
hen und mit dem jungen Stau-
welche Zölle es nach Geheiß
fer Herrschaft und Krone in
des Schwäbischen Kreises von
Italien zu erlangen, da war der
1633 darauf erheben musste:
Name dieses Landes sicherlich
Brotgetreide,
wieder in aller Munde Kauf-
Butter und Hafer durften we-
beurens.
gen der Kriegszeiten gar nicht
ausgeführt
Käse,
Schmalz,
werden,
eben-
Italien.
Natürlich
ha-
genauer,
stellt werden:
Kau f be u re n ist in de n l e tz te n 6 0
J ahre n it al ie nische r g e w o r d e n.
Und das ist gu t so.
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60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
Viele dieser „Gäste“ fühlten sich je-
Geschichte der Verträge
doch so wohl, dass sie den Entschluss
fassten, in Deutschland zu bleiben und
Carmine Macaluso, Vorsitzender ACLI Bavaria
ihre Familien in die neue Heimat holten, um sich hier eine Existenz aufzu-
Vor 60 Jahren legten die deut-
Die ersten Auswanderer ka-
Ab den 1960er Jahren folgten
sche und die italienische Re-
men damals hauptsächlich aus
daraufhin
gierung
für
den südlichen Regionen Itali-
verträge mit fast allen Mittel-
die Migration aus dem Mittel-
ens, um den nach dem zweiten
meerstaaten.
meerraum nach Deutschland.
Weltkrieg äußerst widrigen Le-
den
Grundstein
weitere
bauen.
Anwerbe-
E s e n t s t an d e n B e z i e h u n g e n a u f w i r t s c h aft l i c h e r ,
ab e r v o r al l e m p r i v at e r E b e n e , d i e h e u t e n i c h t
bensverhältnissen zu entkomAm 20.12.1955 unterzeichneten
men.
der italienische Außenminister
Dass im ersten Moment eine
m e h r w e g z u d e n ke n u n d T e i l d i e s e s e r w e i t e r t e n
Integration der Angeworbenen
Horizonts sind.
Gaetano Martino, der deutsche
Auf deutscher Seite hingegen
noch nicht Teil des Plans war,
Arbeitsminister Anton Storch
wurden
Arbeits-
ist dem Begriff des „Gastarbei-
und der deutsche Botschaf-
kräfte benötigt, um den wirt-
ters“ sehr plakativ zu entneh-
ter Clemens von Brentano den
schaftlichen Aufschwung auf-
men. Die Arbeiter sollten nur
deutsch-italienischen Anwer-
recht zu erhalten.
„von außen“ die Wirtschaft
bevertrag.
zusätzliche
unterstützen. Im Gegenzug bezogen sie einen Lohn, der es
Dieser legte zunächst Regelun-
ihnen
ermöglichen
sollte,
gen für die Einwanderung und
ihre Familien in der Hei-
Unterbringung von 100.000
mat zu unterstützen und
italienischen
Arbeiterinnen
und Arbeitern fest.
irgendwann eine finanzielle Unabhängigkeit
zu erreichen, um nach
Dabei ging es damals so-
Italien zurückkehren
wohl der deutschen als auch
zu können.
der italienischen Regierung
vordergründig
um
schaftliche Aspekte.
wirt-
Dass die anfänglichen Schwierigkeiten
überwunden wurden und eine Annäherung gelang, ist nicht zuletzt der unermüdlichen Arbeit von kirchlichen Vereinen, Bürgerinitiativen und sozialen
Einrichtungen zu verdanken.
Durch ihre Pflege und Förderung des
Dialogs stehen am Ende dieses jahrzehntelangen Prozesses die Früchte,
die die Integration trägt: Deutschland
ist geprägt und bereichert durch seine
kulturelle Vielfalt und wurde zum Vorbild für ein harmonisches Zusammenleben zwischen den verschiedensten
Kulturen.
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60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
Von
ei nem
Zei tzeugen
Metrangolo Mavio (geb. 1945), Schweißer aus Trepuzzi/Lecce
Viele Hochzeitsgäste feiern mit Luisina und
Ich bin nach Deutschland gekommen um das deutsche Volk kennenzuler-
Franz im Juli 1963.
nen und um eine geregelte Arbeit und Freizeit zu haben. Bei meiner Ankunft habe ich mir Gedanken gemacht, was auf mich zukommt und meine
Neugier war groß.
Anfangs war ich zeitweise traurig: ohne Eltern, Freunde und Sonne. Ich
reiste alleine an, allerdings lebten meine zwei Brüder schon in Rieden bei
Kaufbeuren, das war eine große Hilfe. Ich habe versucht so schnell wie
möglich die deutsche Sprache zu lernen. Von Anfang an hatte ich die Gelegenheit in Rieden Fußball zu spielen und später dann in Kaufbeuren mit
einer italienischen Mannschaft, der „Rizzoli“ Elf.
Die Entscheidung nach Deutschland zu gehen war richtig. Ich habe eine
deutsche Frau geheiratet und nun zwei erwachsene Kinder. Bei meinen Eltern waren meine Frau und Kinder immer herzlich willkommen. Eine Sehnsucht nach Italien ist immer noch da, aber nicht mehr so stark wie früher.
Meine Familie und ich machen auch jedes Jahr Urlaub in meiner Heimat,
Salvatore aus Sizilien macht Karriere als
im schönen „Salento“.
Pizzabäcker.
In Deutschland seit 1963
Rosario aus Kalabrien packt zu.
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60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
Von
einem
Zeitz eugen
Soravia Giulio (geb. 1943)
Maurer -
Gastronom – Eishersteller (seit 1970
eigene Produktion in Kaufbeuren)
aus Comelico Superiore Belluno
Ich kam nach Deutschland um Geld zu verdienen,
um mir eine bessere Zukunft zu schaffen. Meine
Gefühle waren damals sehr schwankend und emotional. So kreisten meine Gedanken oft über eine
„Auch Italienerinnen trugen damals Kopftuch“, sagt Luisina (vorne rechts) aus Latium.
mögliche Rückkehr.
Heimisch fühlte ich mich dann, nachdem ich die
deutsche Sprache beherrscht habe. Besonders beim
Einleben half mir das Kennenlernen meiner Verlobten und jetzigen Frau.
Luisina läuft
Sehr positiv empfinde ich in Deutschland die gute
mit Franz in
Struktur im Bereich Erziehung und das soziale Um-
den Hafen der
feld. Auch die bessere Versorgung im Bereich Ge-
Ehe ein.
sundheit hat mich positiv überrascht. Die Entscheidung nach Deutschland zu kommen ist aus heutiger
Rosario aus Kalabrien träumt von seinem
Sicht in Ordnung, da ich mir hier eine Existenz auf-
ersten Moped.
bauen konnte. Die Sehnsucht nach unserer Heimat
wurde allerdings im Laufe der Jahre immer noch
stärker.
In Deutschland seit 1961
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60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
Rosario Pietropaolo (geb. 1940) aus Bagnara Calabra
Ich kam, wie viele Gastarbeiter, mit dem Zug, wurde am Bahnhof
abgeholt und zu den Unterkünften gebracht. Es war alles sehr
ungewohnt, wegen der fremden Sprache und Umgebung,
der anderen Sitten, dem anderen Essen und vor allem dem
anderen Klima. Doch auch wir waren Fremde für die Deutschen.
Von
einem
Z e i t z e u gen
Neue Freunde
und neue
Umgebung für
„Andere Länder, andere Sitten“ wie man so schön sagt.
Positiv waren die geregelten Arbeitsbeschäftigungen sowie die
Absicherung mit dem gut funktionierenden Sozialversicherungs-
Salvatore aus Sizilien ist jetzt als
Orgelbauer tätig.
system. Anfänglich war die Toleranz gegenüber den Ausländern
gering. Allerdings hat sich das über die Jahre in den meisten Fällen
auf Akzeptanz eingependelt. Des Weiteren fehlten das heimische Essen und die italienischen Lebensmittel.
Die Entscheidung nach Deutschland zu kommen habe ich nie bereut,
wer weiß, ob wir uns in Italien das gleiche Leben hätten aufbauen
und unseren Kindern eine gute Zukunft hätten bieten können. Unter
dem Jahr ist kaum Sehnsucht in die Heimat da, jedoch im Sommer
dann umso eher.
In Deutschland seit 1961
Mario aus Sizilien serviert heißen Espresso.
Mario aus
Sizilien.
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60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
Mario Daidone (geb. 1938), Dreher aus Riposto Sizilien
In Deutschland seit 1965
Ich kam nach Deutschland, weil damals auf Sizilien schlechte
Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten herrschten. Anfangs fühlte
Vo n
einem
Zei tzeugen
Hoch und immer noch höher
- mit vereinten Kräften!
Giulio aus Venetien ist mit dabei.
ich mich fremd und komisch, da ich keine deutschen Sprachkenntnisse besaß.
Nach ungefähr zwei Jahren begann ich mich heimisch zu fühlen. Das Erlernen der deutschen Sprache hat mir dabei geholfen. Besonders überrascht hat mich in Deutschland der gute Verdienst, die Ordnung und die
bessere Organisation.
Die Entscheidung nach Deutschland zu gehen war richtig. Ich habe
heute nur noch wenig Sehnsucht
nach Italien, da ich eine deutsche
Frau habe und meine Familie und
meine Kinder in Deutschland leben.
Giulio und Kollegen auf der Baustelle.
Eine verdiente Pause auf der Baustelle.
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60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
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Viele starke
Arme bauen
solide Häuser.
Nach getaner Arbeit endlich Freizeit!
Luisina genießt ihre Pause bei den „Bellinda“-Werken.
Salvatore
wechselt zur
Kaufbeurer Weberei „Momm“.
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60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
Von
einem
Ze i t ze u gen
60 Jahre Gastarbeit in Deutschland
In Deutschland seit 1961
Ich kam nach Deutschland, weil ich nach meinem Wehrdienst
keine Arbeit hatte. Mir war es in meinem Leben immer wichtig Fortschritte zu machen. So entschloss ich mich, um leichter
eine Arbeit zu finden, aus Italien wegzugehen. Da meine Familie
sich schon in Deutschland befand, wollte ich ebenfalls hierher
kommen. Meine Ehe, die Lehre, das Studium und das aktive Mitwirken in einigen Vereinen und Ausschüssen haben mir geholfen, mich in Kempten, in Bayern, einzuleben.
Nach Deutschland zu kommen war für mich sicher die richtige
Entscheidung. Die ersten Jahre als Gastarbeiter waren für mich
eine starke Motivation mich weiterzubilden, zu studieren und
neben meiner, auch die deutsche Staatsangehörigkeit (mit meiner Ehefrau, ebenfalls aus Sizilien) zu besitzen. Sowohl ich, als
auch meine Frau haben keine sehr große Sehnsucht nach unserem Sizilien.
Allerdings verbringen wir während der Sommerferien mehrere
Wochen in unserer Wohnung in Catania. Übrigens: wenn ich mit
meiner Frau rede, im Kopf zähle, denke oder auch bete, mache
ich es noch in randazzesischem Dialekt.
Dr. Fernando A. Grasso (geb. 1943), Hochschullehrer aus Randazzo
Giulio aus Venetien (2. von rechts)
entdeckt eine bayerische Großstadt!
Mario aus Apulien und seine Freunde - alle
haben Platz in der kleinen „Isetta“!
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Die mythische italienische Kaufbeurer
Fußballmannschaft Ende der 60er Jahre.
 Impressum
Mit freundlicher Unterstützung
vom Koordinierungszentrum
Kaufbeuren-aktiv
Herausgeber:
Stadt Kaufbeuren
Koordinierungszentrum Kaufbeuren-aktiv
www.kaufbeuren-aktiv.de
Gestaltung und Satz:
Marketingagentur Tenambergen
Bilder:
ACLI Baviera, Ausländerbeirat Memmingen
Druck:
ilumy Design Druck
Auflage:
Mai 2015; 500 Stück