Begleitmaterial zu Hamlet - Die Badische Landesbühne

Theaterpädagogisches Begleitmaterial
1
Liebe Lehrerinnen und Lehrer,
Rasch, lass mich wissen, dass ich wie auf Flügeln, schnell wie Gedanken zu meiner Rache stürme.
Wie verändert ein System den Einzelnen, wie zerstört Macht privates Leben und welche Auswirkungen hat es auf die Persönlichkeitsentwicklung, wenn man ständig unter Beobachtung steht? Diesen
Fragen geht Carsten Ramm in seiner Inszenierung von Hamlet nach
und bringt damit eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur
zeitkritisch auf die Bühne der Badischen Landesbühne. Die Inszenierung, deren Textfassung auf der Übersetzung von August Wilhelm Schlegel beruht, verzichtet auf die Figuren des Geistes und
des Fortinbras, um die Konzentration auf die oben genannten Leitfragen zu verstärken. In kontrastreichen und klar strukturierten Bildern zeigt uns Carsten Ramm einen scheinbar rebellischen Hamlet,
der mit den Veränderungen seines Umfeldes nicht schritthalten
kann.
Gerade im Zeitalter von NSA-Skandal, digitalen Assistenten,
Windows 10, WhatsApp und Facebook erscheint der Inszenierungsansatz Carsten Ramms alles andere als weit hergeholt und lädt dazu ein, mit einer anderen Perspektive und etwas Distanz auf die
auch uns beherrschenden Umstände zu blicken.
Lassen Sie sich darauf ein, mit Ihren Schülerinnen und Schülern einen aktuellen Hamlet auf der Bühne zu sehen und freuen Sie sich
auf spannende Diskussionen. Unsere Inszenierung gibt Ihrer Klasse
die Möglichkeit, die Aktualität des klassischen Textes zu entdecken
und macht Lust darauf, noch mehr von Shakespeare zu erleben.
Um mit Ihrer Klasse diese Inszenierung besser bearbeiten zu können, soll dieses Begleitmaterial eine Hilfestellung sein. Gerne können Sie uns auch kontaktieren, Fragen stellen oder eine kostenlose
Vor– oder Nachbereitung durch die Theaterpädagogik für Ihre Klasse buchen.
Ramona Parino
Leitende Theaterpädagogin
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
Catharina Guth
Theaterpädagogin
2
Inhalt
Der Autor
Hamlet, Prinz von Dänemark - Das Stück
Das Team
Der Regisseur Carsten Ramm
Interview mit Carsten Ramm
04
04
05
07
07
Themenverwandte Artikel
Walter Muschg: Deutschland ist Hamlet
Die Psychologie der Macht
Ideologie einer Jugendkultur am Beispiel
der Gothic- und Darkwave-Szene
09
13
16
Spielpraktische Übungen
Einführung
Fragen für die Vor-/Nachbereitung
Warm-Up
Gruppenübung
Trioübung
Textauszug
19
20
21
22
23
24
Quellen und Impressum
26
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
3
Der Autor
Shakespeare wurde 1564 in England geboren. Seine Ehefrau Anne
Hathaway war acht Jahre älter als er (Anne Shakespeare).
Er gilt als bester Dramatiker seiner Zeit. Er schrieb Tragödien, Dramen, Komödien, Schauspiele und Gedichte. Viele seiner bekannten
Stücke werden noch heute auf unseren Theaterbühnen aufgeführt
und beeinflussen fortlaufend die neu entstehende Literatur.
Auch in der Shakespeare Kurzbiografie darf die Nennung einiger
seiner bekanntesten Stücke nicht fehlen:
Richard III
Der Widerspenstigen Zähmung
Ein Sommernachtstraum
Hamlet
Macbeth
Viel Lärm um nichts
Wie es Euch gefällt
König Lear
Romeo und Julia
Othello
Er starb im Jahr 1616 in Stratford. Sein Werk für die Theaterwelt und
Literatur kann als richtungsweisend und inspirierend angesehen
werden.
Das Stück
Hamlet, Prinz von Dänemark, kehrt von der Hochschule zu Wittenberg zur Beerdigung seines Vaters zurück auf Schloss Helsingör
und ist entsetzt: Seine Mutter heiratet direkt nach dem Tod ihres
Mannes dessen Bruder Claudius und im Hofstaat regt sich schein-
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
4
bar kein Protest dagegen. Als Hamlet erfährt, dass sein Vater einem
Mordanschlag Claudius‘ zum Opfer fiel, gibt er vor, dem Wahnsinn
verfallen zu sein. Er täuscht die Mitglieder des Hofes, um ungestört
die Wahrheit herausfinden zu können, obwohl er damit seine Liebe
zu Ophelia aufs Spiel setzt. Doch auf eine Intrige folgt sogleich die
nächste …
Das Team
Frederik Kienle
Hamlet
Katharina Heißenhuber
Ophelia
René Laier
Claudius
Cornelia Heilmann
Gertrud
Stefan Holm
Polonius
Kathrin Berg
Laertes
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
5
Cornelius Danneberg
Marcellus/ Rosenkranz/1.Totengräber
Maximilian Wex
Horatio
Jessica Schultheis
Bernardo/Güldenstern/2. Totengräber/Osrick
Regie
Ausstattung
Puppenspiel
Musikalische Leitung
Kampftraining
Dramaturgie
Regieassistenz
Carsten Ramm
Ella Späte
Detlef Heinichen
Hennes Holz
Jürgen Lingmann
Larissa Benszuweit
Britta Bischof
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
6
Der Regisseur
Carsten Ramm, 1958 in Hannover geboren, studierte Theaterwissenschaften und Publizistik in Berlin. Anschließend war er an verschiedenen Theatern als Dramaturg und/oder Regisseur tätig, z.B. am
Rheinischen Landestheater Neuss und den Landesbühnen Sachsen
in Radebeul. An beiden Häusern arbeitete er auch mehrere Jahre als
Oberspielleiter. Seit 1998 ist Carsten Ramm Intendant der Badischen
Landesbühne und inszenierte hier bereits zahlreiche Literarische
Meisterwerke, zuletzt Cyrano von Bergerac als Freilichtproduktion.
Interview mit dem Regisseur
Carsten, Du inszenierst mit Hamlet, Prinz von Dänemark einen Klassiker der Weltliteratur. Was interessiert Dich an diesem Stück?
Hamlet ist faszinierendes Theater, weil dieses Stück ganz unterschiedliche Facetten in sich birgt. Es ist sowohl ein raues Stück über
Macht und Politik als auch ein sehr empfindsames über Liebe und Beziehungen, es ist ebenso Tragödie wie Komödie. Allen diesen Aspekten gerecht zu werden, nicht nur das eine oder das andere herauszugreifen, ist eine reizvolle Herausforderung für Schauspieler und Regisseur. Und obwohl schon 400 Jahre alt, ist Hamlet eigentlich ein
Gegenwartsstück.
Was hat denn die Geschichte um den Dänenprinzen Hamlet mit uns
heute zu tun?
Hamlet, der Zweifler, der Zögerer, der Passive, der Nicht-Tuende,
lässt uns darüber nachdenken, wie es denn mit uns selber ist. In einer Welt, die sich verändert, in einer Umwelt, die zerstört wird, in einer Gesellschaft, in der uns das Menschliche geraubt und durch das
Ökonomische ersetzt wird: Was machen wir? Handeln wir? Engagieren
wir uns? Oder sitzen wir nur da und beobachten was geschieht, zweifeln an allem und halten uns zögernd zurück? Hamlet zeigt uns, dass
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
7
wir die Dinge selber in die Hand nehmen müssen, wenn wir sie verändern wollen. Zumindest, wenn wir Veränderung in unserem Sinne
wollen. Nur darauf zu warten, dass es andere tun oder dass sich
Probleme von selbst lösen, ist zu wenig!
Wenn Du Dich an den Moment zurückerinnerst, als Du dieses Shakespear‘sche Drama zum ersten Mal zu Ende gelesen hast – was war
Dein Gedanke im Anschluss?
Meine erste Begegnung mit Hamlet war in der Schulzeit. Wir haben
das Stück damals gelesen, darüber geredet und schnell wieder zur
Seite gelegt. Auf der Bühne gesehen haben wir es nicht. Leider! Denn
Hamlet blieb mir fremd, war abstrakt und hat mir überhaupt nichts
gesagt. Erst später, als ich schon Regieassistent war, bin ich Hamlet
wiederbegegnet – und da hat es gefunkt! Der Bruchsaler Hamlet ist
meine zweite Inszenierung dieses Stücks. Die erste habe ich Ende
der neunziger Jahre in Radebeul gemacht, übrigens auch mit Ella
Späte als Ausstatterin. Nach fast zwanzig Jahren dem Dänenprinzen
wieder zu begegnen, war spannend. Manches habe ich an ihm wiedererkannt, manches neu entdeckt. Ich glaube, jetzt ist uns eine Inszenierung gelungen, die die Geschichte weit mehr auf den Punkt
bringt.
Du verzichtest in Deiner Textfassung, die auf der Übersetzung von
August Wilhelm Schlegel basiert, auf den Geist und auf Fortinbras.
Was sind die Gründe für diese Entscheidung?
Ja, der Geist! Der Geist ist ein Ideenträger. Er spornt Hamlet an, zu
handeln. Auch heute brauchen wir Ansporn, um tätig zu werden.
Aber dieser Ansporn muss konkret sein. Und deshalb habe ich den
Text des Geistes konkreten Figuren gegeben. Der Mord an Hamlets
Vater war konkret. Warum also die Konsequenzen in unkonkrete
Hände geben? Indem Horatio, Marcellus und Bernardo vom Mord an
Hamlets Vater berichten, formulieren sie konkrete Erwartungen an
den Thronfolger: Wir wollen ein gerechtes Land! Wir wollen keinen
intriganten Machtapparat mehr! Sie wollen Hamlet für Veränderungen gewinnen, aber Hamlet zögert und versagt letztlich. Und Fortinbras, der Norweger, der Druck von außen ausübt, entschärft die innerdänischen Konflikte. Doch um diese geht es mir: Um die Konflikte
innerhalb einer Gesellschaft, die von eben dieser Gesellschaft selbst
gelöst werden müssen. Aber auch bei uns übernimmt einer die
Macht in Dänemark, wenn der Dänenprinz tot ist. Es ist aber nicht
Fortinbras, sondern – nun, das verrate ich hier nicht.
Carsten, ich danke Dir für dieses Interview und wünsche weiterhin
gutes Gelingen bei den Proben. Für die Premiere: Toi-Toi-Toi!
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
8
Walter Muschg: Deutschland ist Hamlet
Die Faszination, die dieses Stück sogleich auf das deutsche Publikum
auszuüben begann, setzte mit Friedrich Ludwig Schröders Hamburger Aufführung vom 20. September 1776 ein.
Schröder, der Gönner der Geniedichter, spielte das Stück in einer eigenen Bearbeitung, die Hamlet nicht untergehen, sondern triumphieren und König werden ließ. Diese Änderung rührte bereits an das
Problem – den Konflikt zwischen Geist und Tat –, das den Hamlet in
Deutschland populär machte.
Seit der Hamburger Premiere begann ein Hamlet-Fieber zu grassieren, das durch Shakespeare im Grund nur ausgelöst, nicht verursacht wurde. Goethe erzählt in Dichtung und Wahrheit davon:
„Hamlet und seine Monologe blieben Gespenster, die durch alle jungen Gemüter ihren Spuk trieben. Die Hauptstellen wußte ein jeder
auswendig und rezitierte sie gern, und jedermann glaubte, er dürfe
ebenso melancholisch sein als der Prinz von Dänemark, ob er gleich
keinen Geist gesehen und keinen königlichen Vater zu rächen hatte.“
Das Hamlet-Fieber konnte nur deshalb solche Formen annehmen,
weil es bereits ein Werther-Fieber gab. Die beiden Krankheiten steigerten sich gegenseitig und waren im Grund dieselbe. Man sah im
zerrütteten Hamlet einen Bruder des Selbstmörders Werther, und
Goethe selbst erlag diesem Missverständnis.
Hamlet-Töne kommen schon im Götz und im Urfaust vor, Gretchens
Lied im Kerker erinnert an Ophelias Lied, und Mephistos Ständchen
nimmt dieses wörtlich auf. Im Jahr nach der Hamburger Aufführung
begann Goethe die Niederschrift von Wilhelm Meisters theatralischer
Sendung, in der er seine Berufung zum deutschen Shakespeare darzustellen und die Auseinandersetzung mit dem Hamlet zum Wendepunkt von Wilhelms Laufbahn zu machen gedachte. Die endlosen
Vorträge, die dieser den Schauspielern über den Sinn des rätselhaften Werkes hält, waren die erste tiefere Deutung eines shakespearischen Dramas. Dass Wilhelm selbst die Hauptrolle spielt und dass
die Inszenierung des Hamlet über sein Leben entscheidet, weil tatsächlich eine höhere Welt in die Geisterszenen eingreift, weist auf
die schicksalhafte Bedeutung hin, die Goethe diesem Drama für seine eigene Entwicklung zuschrieb.
Der Roman lässt den Weg erkennen, auf dem er sich der Gestalt
Hamlets bemächtigte.
Hamlet sei unschuldig, er sei der Gefangene seiner Natur, die nicht
zum Handeln tauge. Die von ihm geforderte Tat sei nur für ihn unmöglich, ein anderer vollbringe sie ja ohne Besinnen, aber ohne die
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
9
erschütternden Einsichten in den Gang des Geschehens, die den Zauderer lähmten. Hamlet fällt als wehrloses Opfer in einem für ihn unlösbaren Konflikt, als Held einer Schicksalstragödie.
Das Schicksal, diese anonyme höhere Macht, erzwingt die Katastrophe und hat das letzte Wort. „Hier wird nicht etwa nach einer starr
und eigensinnig durchgeführten Idee von Rache ein Bösewicht bestraft, nein, es geschieht eine ungeheure Tat, sie wälzt sich in ihren
Folgen fort, reißt Unschuldige mit... Weder Irdischen noch Unterirdischen kann gelingen, was dem Schicksal allein vorbehalten ist. Die
Gerichtsstunde kommt: Der Böse fällt mit dem Guten. Ein Geschlecht
wird weggemäht und das andere sproßt auf.“
Diese Umdeutung Hamlets in einen zur Tat unfähigen Träumer, für
dessen Passivität nicht er selbst, sondern das Schicksal verantwortlich ist, erklärt, weshalb das Hamletfieber mit dem Wertherfieber zusammengehen konnte. Goethe schrieb diese Kapitel in dem entscheidenden Moment seines Lebens, wo er – als Zögling Charlottes von
Stein – dem Titanismus seiner Jugend abschwor und sich zur frommen Unterwerfung unter das unerforschlich waltende Schicksal bekehrte.
Das Rätsel der Hamlet-Tragödie beunruhigte Goethe zeitlebens, weil
er fühlte, dass er es nicht gelöst hatte. Noch 1812 plante er eine Bearbeitung des Dramas, die ähnlich wie die Schröders seine Tragik so
hätte beseitigen sollen, dass Hamlet statt des Polonius den lauschenden König Claudius erstach und die zwei letzten Akte dadurch überflüssig wurden.
In den Augen der ganzen Jugend löste sich die Gestalt Hamlets vom
Drama ab und wurde zur legendären Figur, zum Gegenstand philosophischer Spekulationen. Den Schritt dazu tat sogleich Friedrich Schlegels Schrift Über das Studium der griechischen Poesie, die Shakespeare als das Genie der modernen, philosophischen Tragödie und
den Hamlet als ihr Hauptbeispiel hinstellte. Mit einer Verbeugung vor
Goethe, der nur zeige, wie Hamlet wurde, nicht wie er war, steigerte
Schlegel Goethes Einseitigkeit ins Maßlose und erweiterte die Bedeutung Hamlets ins Welthistorische. Er sah in ihm das Porträt des geistigen Menschen schlechthin. Das Zentrum des Stückes war auch für
ihn der Charakter Hamlets, der nur noch Verstand, als tätiges Wesen
ganz zernichtet sei.
Noch weiter ging Schopenhauers philosophische Erklärung. Er behandelt an verschiedenen Stellen der Welt als Wille und Vorstellung
den Hamlet zusammen mit dem Faust als ein höchstes Meisterwerk,
an dem er das Wesen des Tragischen demonstriert. Auch er identifiziert sich vorbehaltlos mit diesem Drama. Er findet darin seine Ver-
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
10
achtung der Welt, seine Verneinung des Willens zum Leben, seine
Verherrlichung des Leidens, sogar seine Einstellung zum Selbstmord
ausgesprochen. Für ihn stirbt Hamlet als Heiliger des Pessimismus
und geht als ein vom Willen Erlöster in das Nirwana ein.
So wurde der Hamlet ein Hauptwerk der deutschen Romantik und
sein geheimnisvoll gebrochener Held ein Symbol des romantischen
Weltgefühls. Das Deutsche an ihm, seine Schwächen und Fehler, sein
Wahnsinn als Zeichen seiner Genialität, sein Aufenthalt in Wittenberg,
sein Schwanken zwischen Gedanke und Tat, Ophelias Ähnlichkeit mit
Gretchen wurden unermüdlich diskutiert. „Es ist der Charakter der
Deutschen, daß sie über allem schwer werden, daß alles über ihnen
schwer wird“ – dieses Wort der Schauspielerin Aurelie im Wilhelm
Meister, die die Ophelia spielt, bewahrheitete sich auch jetzt, als die
mit der Welt entzweite romantische Innerlichkeit die Gestalt Hamlets
für sich in Anspruch nahm. Hölderlin nannte die Deutschen
„tatenarm und gedankenvoll“, Madame de Staël zitierte den Hamlet,
als sie vom Hang der Deutschen zu Gesprächen mit der Luft und zu
Wanderungen ins Unendliche sprach.
Seit dem Wiener Kongress breitete sich das Bewusstsein von einem
Verhängnis der deutschen Geschichte, von einer deutschen Tragik
aus. Man begann von „hamletischem“ Menschentum zu reden, wie
man von „faustischem“ Wesen sprach. Hamlet verengte sich zum nationalen Sinnbild, und diejenigen, die in der romantischen Schwärmerei eine deutsche Gefahr erkannten, entdeckten an ihm nun zweideutige Züge. Adam Müller veröffentlichte schon 1808 einen Aufsatz, in
dem er den Deutschen die Hamlet-Tragödie als warnendes Beispiel
für den Niedergang staatlicher Macht durch das Überhandnehmen
philosophischer Spekulation und moralischer Überlegungen vorhielt.
Der zur Rache unfähige, ewig zweifelnde Grübler Hamlet, schrieb er,
habe nicht mehr die Kraft, seinen Tiefsinn in die Tat umzusetzen,
und insofern sei er „auch für unser altkluges Geschlecht höchst lehrreich“. Dieser militante Patriot erklärte Hamlets Untergang als Strafe
für sein klägliches Versagen, das siegreiche Erscheinen des Fortinbras am Schluss als Parteinahme Shakespeares gegen den Unterlegenen.
Die politische Wendung im Urteil über den Hamlet erreichte einen
ersten Höhepunkt in dem Aufsatz, in dem Ludwig Börne am Vorabend der Pariser Juli-Revolution das vielbewunderte Werk ablehnte.
Es beweist ihm nicht die Größe, sondern die Begrenztheit von Shakespears Genie.
Hamlets Welt sei der Kirchhof, dort mache er die beste Figur. Der
Wahnsinn, mit dem er zu spielen glaube, spiele in Wahrheit mit ihm.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
11
Erstaunlich sei nur, dass der Engländer Shakespeare diese Figur so
sicher hinzustellen vermochte. „Hätte ein Deutscher den Hamlet gemacht, würde ich mich gar nicht darüber wundern, ein Deutscher
brauchte nur eine schöne, leserliche Hand dazu. Er schreibt sich ab,
und Hamlet ist fertig.“
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
12
Die Psychologie der Macht
Macht zu haben, fühlt sich gut an. Hohe Positionen, sei es in der
Wirtschaft, in der Politik, in der Wissenschaft, im Freundeskreis oder
im Verein, sind mit Weisungsbefugnis, hohem Einkommen, Ansehen
und nützlichen Kontakten verbunden. Ein hohes Machtpotenzial ruft
eher positive Gefühle wie Freude, Stolz und Begehren hervor, während ein geringes Machtpotenzial eher mit negativer Stimmung, Ehrfurcht, Scham- und Schuldgefühlen einhergeht. Bei einem hohen
Machtpotenzial sieht die Welt einfacher aus, andere Personen werden eher flüchtig und stereotyp wahrgenommen, die Eigengruppe
wird favorisiert und andere Gruppen werden tendenziell diskriminiert. Bei geringer Macht wird die soziale Umgebung sorgfältiger beachtet, die einzelnen Personen werden jede für sich genauer analysiert auf mögliche Anzeichen einer Machtausübung hin. Bei einem
geringen Machtpotenzial ist das Verhalten eher gehemmt, sehr situationsabhängig, und Normen werden stärker beachtet.
Menschen streben nach Macht, um begehrte Ressourcen zu erhalten, und sie versuchen umgekehrt, sich der Kontrolle anderer zu
entziehen. Die bekannte Kehrseite: Hohe Machtpositionen verführen
oft zum Missbrauch, wobei betroffene Personen unnötig eingeschränkt, gedemütigt, geschädigt, missbraucht oder gar getötet
werden. Der Missbrauch von Macht hat aber auch negative Folgen
auf die Machtausübenden selbst, die nicht nur an Mitmenschlichkeit
einbüßen, sondern auch an Einsichtsfähigkeit. „Macht ist die Chance,
nicht lernen zu müssen“, wie ein Bonmot sagt.
Alles hängt davon ab, wie ein hohes Machtpotenzial genutzt wird.
Mit Macht kann man andere schützen und fördern, das wird Einflussnahme genannt, oder aber angreifen, benachteiligen und verletzen, das wird als Machtausübung bezeichnet. Tatsächlich wird ein
Machtpotenzial oft gegen die legitimen Interessen anderer eingesetzt. Im Experiment setzten Machthaber harte Mittel ein, um Untergebene zu höheren Leistungen zu veranlassen, obwohl die Leistungen ohne diese Machtausübung – experimentell bedingt – genauso
hoch waren. Diese Machtausübung führt zu veränderten Zuschreibungsprozessen: Die Leistungen werden nun nicht mehr den Untergebenen angerechnet, sondern als durch die eigene Machtausübung
verursacht gesehen. Gleichzeitig findet eine Rechtfertigung in der
Abwertung der Betroffenen statt, denn „die scheinen nicht fähig, haben kein Recht, verdienen es nicht besser …“. Sich selbst werten die
Machtausübenden dagegen auf. Damit tritt ein Distanzierungspro-
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
13
zess gegenüber den Betroffenen ein. In Zukunft werden die Machtausübenden noch eher geneigt sein, ihre Machtüberlegenheit auszuspielen.
Personen in höheren Machtpositionen unterliegen weniger strengen
Kontrollen als solche in mittleren Positionen. Sie haben mehr Spielraum, und sie werden weniger klare Erwartungen gerichtet. Diese
mehrdeutigen Verhaltensstandards und fehlenden Sanktionssysteme
führen nach empirischen Untersuchungen zu mehr persönlicher Bereicherung und zu Verstößen gegen geltende Gesetze und Normen.
Macht als Einwirkungspotenzial verführt offensichtlich zu rücksichtsloser Durchsetzung eigener Interessen.
Darunter leidet auch die Effektivität. Denn durch Machtausübung
wird im Unterschied zu Einflussnahme weniger neues, besseres Wissen produziert. Im Rahmen von Diskussions- und Entscheidungsprozessen beenden nämlich mächtige Personen den Prozess oft vorzeitig dann, wenn sie ihre Interessen gefährdet sehen; Personen mit abweichender Meinung kommen unter Konformitätsdruck; Personen
mit relevantem Wissen, aber geringem Status werden oft nicht gehört, ihre Meinung wird weniger beachtet oder sie werden sogar von
Entscheidungen ganz ausgeschlossen. Die mangelnde Lern- und Einsichtsfähigkeit von hochrangigen Machtausübenden eskaliert dann
oft in der Verstärkung des Falschen, das heißt, immer mehr und auch
skrupellosere Mittel werden eingesetzt, um den als richtig geglaubten Weg bis zum Erfolg weiterzugehen.
Warnzeichen, dass es wohl der falsche Weg ist, werden missachtet
und auch von den Untergebenen nicht nach oben gegeben, aus lauter Angst, für schlechte Nachrichten bestraft zu werden, so dass am
Ende das Desaster noch größer ausfällt. Wie aus der Geschichte sattsam bekannt, umgeben sich Machthaber zunehmend mit solchen
Menschen, die ihnen nach dem Munde reden, und drangsalieren solche, die ihnen widersprechen oder abweichende Meinungen vertreten. So schneiden sie sich selber immer stärker von einem breiten
Wissensstrom ab, halten sich aber aufgrund ihrer hohen Machtposition für besonders intelligent, schlau und gut informiert, zumal sie
meist noch verschiedene Möglichkeiten nutzen, andere ausspionieren zu lassen.
Idealtypisch lässt sich so ein fataler Zyklus rekonstruieren: Zunächst
sind es Wissen, Können, Geschicklichkeit sowie ein Wille zur Macht,
die Menschen in höhere Machtpositionen bringen. Dort tendieren sie
dann zunehmend zu Machtausübung anstelle von Einflussnahme, ler-
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
14
nen zu wenig, machen Fehler, versuchen die Fehler zu korrigieren
durch noch größere Fehler und treiben so sich und die von ihnen
dominierte Einheit in den Ruin.
Aus Sicht der Mächtigen scheint es oft am einfachsten, den subjektiv als richtig erkannten Weg gegen (unverstandene) Widerstände
durchzusetzen. Dahinter verbirgt sich jedoch eine doppelte Illusion,
zum einen eine Illusion über die Güte des eigenen Wissens und zum
anderen eine Kontroll- beziehungsweise Führungsillusion. Denn
Menschen in hohen Positionen tendieren dazu, ihr Wissen zu überschätzen; ihre Karriereentwicklung und die erreichte Position zeigen
doch ihre Überlegenheit.
Der Autor Wolfgang Scholl ist Professor für Organisations- und Sozialpsychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
15
Ideologie einer Jugendkultur am Beispiel
der Gothic- und Darkwave-Szene
3.2.2 Mode und Styling
Allgemein anerkannt als Erkennungsmerkmal ist, man mag schon
fast „natürlich" schreiben, die Farbe Schwarz. Schwarz dominiert die
Kleidung und die Accessoires manchmal bis hin zur Zimmerausstattung. Im Gegensatz zur Kleiderordnung der Punkkultur will man damit eigentlich nicht die allgemeine Gesellschaft konfrontieren, sondern eher von ihr in Ruhe gelassen werden, doch das gelingt nicht
immer.
„Ursprünglich zeigt Schwarz seit der Renaissance verstärkt Standesunterschiede an. Es wird für Adel und später auch für das Bürgertum
zu einer modischen Farbe, die man trägt, um sich vom gemeinen
Volk abzusetzen. Die zeitgenössische Distanzierung der Grufties ist
deshalb so erfolgreich, weil Schwarz in unserer Gesellschaft primär
mit Alter, Tod, Verlust und Trauer verknüpft ist. Als offizielle Farbe
des Todes und der Trauer wird Schwarz im 12. Jahrhundert eingeführt. Unklar ist dabei, ob die Trauerfarbe zur Abwehr der Toten dienen sollte oder als Hinweis auf die eigene Vergänglichkeit, also als
symbolische Teilnahme am Schicksal der Verstorbenen zu sehen
war."15
„Die Grufties bündeln mehrere Bedeutungsstränge des Schwarz, wobei sie mit der kulturellen Besetzung der Farbe vertraut sind. Sie setzen die nekrophile Komponente bewusst ein. Schwarz ist für sie der
Ausdruck eines Gefühls der Leere, eines ausgebrannten Inneren und
ein Symbol für Verzweiflung und Resignation und das Gefühl, keine
Zukunft zu haben. Hier gibt es noch Parallelen zum Punk. Die Gothics drücken aber weitergehend die Empfindung der Sinnlosigkeit
des Lebens und die Klage über den möglichen Untergang der
Menschheit aus, gegen den sie machtlos sind und deshalb nur ihre
Trauer ausdrücken können.
Sie setzen die Farbe außerdem als ein Zeichen ihrer selbstgewählten
Weltabgeschiedenheit, wie sie auch bei verschiedenen Mönchsorden
eingesetzt wird, und zur Betonung ihres Gefühls der Fremdheit der
Welt gegenüber ein. Auch beinhaltet das Schwarz der Grufties den
Aspekt der Askese eines Mönches, der sich in einsamen Kontemplationen mit sich, der Religion und der Welt auseinandersetzt."16
Allgemein symbolisiert Schwarz für die Gothics die Negation des Üblichen, die Nachtseite des Lebens. Es repräsentiert den Teufel, Dä-
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
16
monen und andere Geschöpfe der Nacht. Ein Bild, das sich auch sehr
gut mit der Nachtseite romantischer Literatur trifft. Auch beim
Schminken wird sich auf die Figuren der „gothic novels" bezogen.
Bleiche Gesichtsfarbe, schwarze Schminke und Kleidung treffen sich
mit dem (v.a. weiblichen) Schönheitsideal dieser literarischen Strömung des 19. Jahrhunderts, gerne werden dazu im Kontrast die Lippen dunkelrot geschminkt. Die Kleidung selber wird oft mit silbernem Schmuck kontrastiert. Typisch sind etwa Totenkopf- oder Fledermausschnallen an Schuhen und Hemden. Die früher szenetypischen schwarzen, spitzen Schuhe, die „Pikes", die an mittelalterliche
Schnabelschuhe erinnern, wurden inzwischen mehr und mehr durch
Schuhe der Marken „Doc Martens" oder „Ranger" verdrängt; eigentlich Arbeitschuhe mit oder ohne Stahlkappe, die auch aus der Skinhead- und Punkkultur bekannt sind. Nach wie vor ist für GothicFrauen ein Kleidungsstil typisch, bei dem die Kleidung eher aus sehr
langen Röcken und Kleidern besteht, die wallend und locker getragen werden. Die früher bei Männern üblichen weiten „türkischen" Hosen sind inzwischen kaum noch zu sehen. Sie wurden inzwischen
durch eher enge Leder- oder Lackhosen ersetzt. Durch Vermischungen der Gothic- und SM- Szenen Anfang bis Mitte der 90er Jahre kam
es sowieso zu einer weiten Verbreitung von Kleidungsstücken aus
der „Fetisch- Szene". Lack- und Leder wird in der Gothic- Szene oft
getragen.
Inzwischen würde ich doch eine recht starke, auch stark geschlechtsspezifische, Körperbetontheit in weiten Teilen der Szene konstatieren. So sind hautenge Lack- und Latexröcke und Kleider durchaus
nicht selten zu sehen. Und auch der männliche Gothic wirkt immer
weniger androgyn. Man sieht weniger geschminkte Männer als vor
ein paar Jahren, dafür immer mehr mit Muscle-Shirts und kurzen
Haaren, die sich sehr männlich darstellen.18 Die Haare spielen, ähnlich wie bei den Punks, eine entscheidende Rolle der Selbstdarstellung:
„Es gibt vier Grundformen, die in unterschiedlichen Varianten bzw.
Haarlängen auftreten. Die markanteste Frisur ist der >Teller<, (auch
Tellermine oder Tellerschädel genannt) - die Grufties sprechen davon
>sich den Teller zu machen< - wobei die oberen, meist schwarzen
Deckhaare mit Unterstützung von Unmengen von Haarspray zu einem tellerartigen, flachen Gebilde geformt werden. Eine andere Frisur ist vom Irokesenschnitt der Punks abgeleitet, die Haare sind aber
meist länger und werden hochtoupiert. Man findet auch die Waverfrisur, mit hochstehendem oberen Deckhaar, mit seitlich und hinten
sehr kurzen oder wegrasierten Haaren. Die beschriebenen Varianten
werden eher von den männlichen Grufties getragen. Schwarze, lange
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
17
strubbelige Haare, die extrem toupiert sind und an die wirren Haare
von Hexen erinnern sollen, werden von den Frauen bevorzugt."19
Zu ergänzen wäre noch, dass es, der Punktradition folgend, lange
sehr üblich war, die Haare zu blondieren und dann mit „Directions",
semipermanenten bunten Färbemitteln, möglichst grell bunt zu färben - was im Verhältnis zur schwarzen Kleidung einen scharfen Kontrast ergibt. Mittlerweile scheint das zwar bei Frauen durchaus noch
üblich zu sein, von Männern wird aber, wenn überhaupt, das Haar
fast nur noch schwarz gefärbt. Ebenfalls nur noch selten zu sehen
sind (vor allem weibliche) Gothics, die sich auf das weißgeschminkte
Gesicht zusätzlich noch Symbole oder Ornamente zeichnen.
15:
19:
16:
18:
Richard, Birgit: Todesbilder. Kunst, Subkultur, Medien, München
95, S. 117f.
Richard, a.a.O., S. 118
Ein Grund dafür mag sicherlich auch die immer stärkere Vermischung mit der Black- Metal Szene sein.
19: Richard, a.a.O., S. 120
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
18
Spielpraktische Übungen
Im folgenden Teil finden Sie einige Übungsvorschläge, die Sie zur
praktischen Vor- und Nachbereitung des Vorstellungsbesuchs verwenden können. So können Sie Ihren Schülern einen weiteren Blickwinkel auf das Stück und seine Figuren ermöglichen. Es empfiehlt
sich, zunächst eine Warm-Up-Übung zu machen, um die Schüler
aus dem alltäglichen Schulleben herauszulösen und Verletzungen
vorzubeugen. Außerdem schaffen diese Übungen eine offene Atmosphäre, die den Einstieg ins Spiel sehr erleichtert. Am Ende einer spielerischen Einheit sollten Sie mit Ihren Schülern die gesammelten Eindrücke besprechen. Hierbei ist zu beachten, dass Empfindungen jeder Art subjektiv sind, und es daher keine richtigen
oder falschen, sondern lediglich unterschiedliche Erfahrungen gibt.
In einer Übung werden Sie den Begriff Publikumssituation finden:
um diese herzustellen, platzieren Sie die Klasse auf einer Seite des
Raumes und etablieren auf der anderen Seite eine Spielfläche, die
im weiteren Verlauf als Bühne dient.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
19
Fragen für die Vor-/Nachbereitung
Was assoziierst du mit der Gothic-Szene und welche Verbindungen
kannst du dir zwischen dieser Szene und den Figuren des Stückes
herleiten?
Welchen Bezug findest du in dem Spiel der Darsteller und dem Umgang mit dem Bühnenbild zur aktuellen gesellschaftlichen Situation?
Wie könnte ein junger Mann in Hamlets Situation heute handeln?
Von wem und wodurch wirst du in deinem Alltag überwacht? Hat
das Einfluss auf dein Leben?
Warum sind Rosenkranz und Güldenstern treue Anhänger des Königs, wenn sie doch mit Hamlet aufgewachsen sind?
Was bringt Ophelia dazu, in einen solchen Wahnsinn zu verfallen?
Was hältst du davon, dass unter Anderem die Rollen von Laertes
und Bernardo weiblich besetzt sind?
Wie findet ihr Hamlets Idee mit dem Puppenspiel? Ist Theater für
euch ein gutes Mittel, um schwierige Dinge darzustellen?
Welche Auswirkungen hat Hamlets Spiel mit dem Wahnsinn tatsächlich auf ihn selbst?
Welchen Rat würdest du Hamlet in einem Gespräch unter vier Augen
geben?
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
20
Warm-Up
Hey Du!
Themengebiet:
Ziel:
Dauer:
Zusammenführung von Stimme und Körper
Heranführen an darstellerische Arbeit
5 – 15 Minuten
Die Spieler stehen im Kreis. Der Spielleiter legt den untenstehenden
Dialog fest, dieser Text verändert sich während der Übung nicht.
Spieler (A) beginnt und sucht sich einen Partner, mit dem er spricht.
Am Ende des Dialoges sucht sich Spieler (B) einen neuen Partner (C)
und führt dasselbe Gespräch:
(A): Hey Du!
(B): Wer ich?
(A): Ja du!
(B): Nein du!
(C): Wer ich?
(B): Ja du!
(C): Nein du!
Etc.
Stufe 1:
Stufe 2:
Stufe 3:
Stufe 4:
Dialog wird ohne Emotionen gesprochen (nur wenige
Male wiederholen, um den Ablauf zu festigen)
Dialog wird mit einer Emotion gesprochen, jeder Spieler kann sich seine Emotion frei auswählen.
Die Emotion wird nicht nur in der Sprache zum Ausdruck gebracht, sondern auch mit dem Körper. Die aktiven Spieler können sich hierbei vom Platz bewegen.
Es wird nun auf die Sprache verzichtet, der Dialog wird
mit der gewählten Emotion nur noch über den Körper
geführt.
Wichtig:

Ermutigen Sie die Spieler, die Emotionen übertrieben darzustellen.

Überlegen Sie vorab mit den Spielern, welche Emotionen und
Untergruppen von Emotionen bekannt sind.

Halten Sie die Spieler dazu an, eine spielerisch entstandene Situation bis zum Ende durchzuhalten.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
21
Gruppenübung
Mein Raum
Themengebiet:
Ziel:
Dauer:
Wahrnehmung, Vertrauen
Nachempfinden der Nähe der Figuren zueinander
10 – 15 Minuten
Die Spieler stehen im Kreis. Ein Spieler (A) wird ausgewählt, er stellt
sich in die Kreismitte und schließt die Augen.
Nun deutet der Spielleiter nach und nach auf einzelne Spieler aus
dem Kreis. Ihre Aufgabe ist es, langsam und leise auf (A) zuzugehen. Werden sie von (A) bemerkt, so sagt dieser „Stopp“, der Spieler,
der sich genähert hatte, bleibt sofort stehen. Werden sie von (A)
nicht bemerkt, gehen sie eng an ihm vorbei, jedoch ohne ihn zu berühren.
Wichtig:

(A) hält, auch wenn er „Stopp“ gesagt hat, die Augen geschlossen, bis Sie die Übung beenden.

Es sollten mindestens fünf Spieler, immer einzeln, auf (A) zugehen, bevor Sie die Übung beenden.

Achten Sie darauf, dass die Schüler während der laufenden
Übung nicht sprechen.

Um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen, können Sie (A) auch
die zusätzliche Aufgabe geben, nach dem „Stopp“ in die Richtung zu deuten, in der er jemanden vermutet.

Besprechen Sie die Übung mit Ihren Schülern im Anschluss.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
22
Trioübung
Wenn je Ihr Euren teuren Vater liebtet...
Themengebiet:
Ziel:
Dauer:
Szenisches Spiel
Improvisation einer Schlüsselszene
20 – 30 Minuten
Die Spieler gehen zu dritt zusammen. Bevor die Kleingruppenarbeit
nun richtig beginnt, liest der Spielleiter mit den Spielern gemeinsam
den Textauszug auf den Seiten 24 und 25 und teilt den Gruppen
einzelne Epochen zu, in deren Stil sie den Textauszug in Szene setzen sollen. Beispielsweise Mittelalter, Neuzeit, Gegenwart, Zukunft.
In der Kleingruppenarbeit sollen die Spieler nun ihre Szenen erarbeiten, wobei sie dabei den Text auch sprachlich an ihre zugeteilte
Epoche anpassen dürfen.
Nach etwa 15 Minuten wird die Gruppe wieder zusammengerufen
und bildet eine Publikumssituation. Es folgt eine gegenseitige Präsentation der entstandenen Szenen, an deren Ende ein Gespräch
über die gesamte Übung stattfinden sollte.
Wichtig:

Sollte sich die Gruppe nicht in Dreiergruppen aufteilen lassen,
bilden Sie Vierergruppen und lassen Sie eine Rolle doppelt und
bei der Präsentation synchron laufen.

Achten Sie darauf, dass die Spieler in der Kleingruppenarbeit
nicht nur die Szene besprechen, sondern auch praktisch proben.

Geben Sie den Spielern räumliche Freiheit für ihre Proben. Zu
viele probende Kleingruppen in einem Raum wirken sich negativ auf die Arbeit aus.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
23
Textauszug aus der Bühnenfassung der
Badischen Landesbühne
1. Akt 3. Szene
BERNARDO
Wenn je Ihr Euren teuren Vater liebtet –
HAMLET
O Himmel!
BERNANRDO
Rächt seinen üblen, schnöden Mord!
HAMLET
Mord?
MARCELLUS
Mord, übel wie er anders nicht sein kann, doch
dieser übler, ruchlos, unnatürlich.
HAMLET
Rasch, lasst mich wissen, dass ich wie auf Flügeln, schnell wie Gedanken zu meiner Rache stürme.
BERNARDO
Es heißt, dass, weil er schlief in seinem Garten,
Den König eine Schlange biss –
MARCELLUS
So wird das Ohr des Reichs durch den erlognen
Hergang seines Todes schmählich getäuscht –
BERNARDO
Doch wisset, Prinz, die Schlange, die ihn aus dem
Leben biss, trägt heute seine Krone.
HAMLET
O mein prophetisches Gefühl! Mein Onkel?
BERNARDO
Ein blutschänderisch’, ein ehebrechend’ Untier,
zur Hexenkunst begabt und zum Verrat – O teuflische Begabung, die die Macht so zu verführen,
hat – gewann zur Lust sich den Willen Eures Vaters tugendhafter Gattin.
MARCELLUS
Der König schlief in seinem Garten wie’s ihm Gewohnheit war an Nachmittagen, da schlich der
Bruder sich in seinen Frieden mit dem Extrakt
verfluchten Bilsenkrauts; und träufelt ihm ins Ohr
das gärende Gebräu, das solchermaßen in Feindschaft mit dem Blut des Menschen steht, dass es,
Quecksilber gleich an Schnelligkeit, durch die Kanäle unsres Körpers läuft mit plötzlicher Gewalt
das Blut gerinnen lässt.
BERNARDO
So ward der König schlafend und durch Bruder
hand um Leben, Krone, Königin gebracht; in sei-
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
24
ner Sünden Blüte hingerafft; ganz ohne Buße,
ohne letzten Segen, noch alle seine Sünden auf
dem Haupt.
HAMLET
O schaudervoll! O schaudervoll, höchst schaudervoll!
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
25
QUELLEN: http://othes.univie.ac.at/27141/1/2013-0315_0803718.pdf; http://www.zeit.de/1964/17/deutschland-istheimat; http://www.shakespeare-info.de/
shakespeare_biografie.html; http://cdn.images.express.co.uk/img/
dynamic/38/590x/william_shakespeare-472108.jpg; http://
www.angelfire.com/on3/darkalliance/texte/diplom.htm#3.2.2;
http://www.tagesspiegel.de/wissen/gesellschaft-die-psychologieder-macht/1576778.html Stand: 28. Juli 2015
IMPRESSUM: Theaterpädagogisches Begleitmaterial zu Hamlet von
William Shakespeare/Herausgeber: DIE BADISCHE LANDESBÜHNE/
Spielzeit 2015.2016/Intendant Carsten Ramm/Verwaltungsleiter:
Norbert Kritzer/Redaktion: Ramona Parino, Catharina Guth/
Illustration: Christine Ramm/Fotos: Peter Empl
Theaterpädagogisches Begleitmaterial
26