6. Mai 2015 Tourismus und Stadtentwicklung in

6. Mai 2015
Tourismus und Stadtentwicklung in Berlin
Thesen und Forderungen zur Diskussion
Berlin hat in den letzten Jahren stark vom Tourismus profitiert. Die Tourismusbranche war Hauptmotor für wirtschaftliches Wachstum und sie hat am Boom
Berlins wesentlichen Anteil. Die Einnahmen aus der „City Tax“ sprudeln stärker
als geplant. Und es ist kein Ende des Wachstums in Sicht. Berlin erreichte im
Jahr 2013 Platz 3 im Ranking der beliebtesten Reiseziele in Europa. In diesem
Jahr gelte es - so der Regierende Bürgermeister Michael Müller – bei der Zahl
der Übernachtungen die 30-Millionen-Marke zu knacken.
Das Wachstum des Tourismus hat auch negative Folgen. Der Tourismus verändert ganze Straßenzüge und Kieze. Und mit ihm verändert sich die Stadt. Hotels
und Hostels schießen wie Pilze aus dem Boden. Trotz des Verbots der Zweckentfremdung von Wohnraum gibt es unzählige Ferienwohnungen und steigenden Druck auf den Wohnungssektor. Einige wollen im „Touri“ einen Hauptverantwortlichen städtischer Aufwertungsprozesse erkannt haben. Die Stadtgesellschaft steht dem zunehmenden Touristenaufkommen teils befürwortend, teils
skeptisch bis ablehnend gegenüber. Es wird über den Schutz der Privatsphäre
diskutiert, wenn Reiseführer in die Hinterhöfe einladen. Verkehrsprobleme bereiten nicht nur immer mehr Reise- und Stadtrundfahrtbusse, sondern auch viele
„Spaßmobile“.
Vom Tourismus leben in Berlin aber auch immer mehr Menschen, viele davon
mehr schlecht als recht. Prekäre Beschäftigung ist bei der Zimmerreinigung oder
bei Kleinunternehmen, z.B. in der Stadtführerbranche, weit verbreitet.
Eines ist klar: Das Wachstum im Tourismussektor kann sich nicht unbegrenzt
fortsetzen, wenn der Metropole an einem stadt- und umweltverträglichen Tourismus gelegen ist, der von den Bewohnerinnen und Bewohnern akzeptiert und
mitgetragen wird.
DIE LINKE. Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin
Niederkirchnerstraße 5, 10111 Berlin
fon: 030.23252508, fax: 030.23252515
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Die Fraktion DIE LINKE regt daher an, mit anderen Städten und Regionen, die
bereits Konzepte für einen sanften und nachhaltigen Tourismus erarbeitet haben, in einen Austausch zu treten. Ziel ist es, die Verträglichkeit des Tourismus
für Berlin und für die Zukunft zu sichern.
Der Senat sollte hierzu für die nächsten zehn Jahre eine Zielvorstellung definieren, u.a. für die anzustrebende Zahl der Übernachtungen, die Aufenthaltsdauer,
die stadtentwicklungsverträglich, ökologisch vertretbar und zugleich wirtschaftlich wünschenswert ist. Angestrebt werden soll eine gute Mischung der Touristengruppen (Wochenendtouristen, Kulturtouristen, Shoppingtouristen, Touristen
mit längerer Aufenthaltsdauer, die Berlin auch jenseits abgetretener Pfade erkunden möchten). Die Entzerrung touristischer „hot spots“ und bessere Verteilung von Touristen auf die ganze Stadt ist erstrebenswert. Auch Brandenburg
sollte als Teil der Metropolregion in das neue Tourismuskonzept einbezogen
werden. Eine Kooperation Berlin-Brandenburg mit touristischen Angeboten in
Städten und in der Natur ermöglicht neue Felder im sanften und nachhaltigen
Tourismus.
Die Fraktion DIE LINKE hält es für sinnvoll, neben den vorhandenen Stadtentwicklungsplänen und Konzepten ein Stadtentwicklungskonzept Tourismus zu
erarbeiten. Darin
- soll darlegt werden, an welchen Standorten in Berlin weitere Hotelbauten
notwendig und aus Stadtentwicklungssicht sinnvoll und wünschenswert
und in welchen Stadtteilen der Bedarf an Hotels bereits ausreichend ist
oder aus Stadtentwicklungssicht eine weitere Konzentration an Hotels
unerwünscht ist;
-
sollen Quartiersprofile und Quartiersentwicklungsziele für vom Tourismus
stark frequentierte Orte festgelegt werden. Mit den Profilen und Zielen
soll die Qualität des städtischen Raums garantiert, angemessenes historisches Gedenken ermöglicht und die Verträglichkeit des Tourismus für
Bewohnerinnen und Bewohner sowie das Gewerbe garantiert werden. Zu
diesen Räumen zählen u.a.: Berliner Mauer (darunter Checkpoint Charlie,
Niederkirchnerstraße, Mühlenstraße), Wilhelmstraße, Pariser Platz, Alexanderplatz, Oranienburger Straße, Simon-Dach-Kiez, Kurfürstendamm
und Breitscheidplatz;
-
soll ein Monitoring Tourismus enthalten sein, mit dem das touristische
Aufkommen systematisch erfasst und beobachtet wird.
Die Fraktion DIE LINKE hält Regularien für erforderlich, mit denen insbesondere
von Touristen genutzte Spaßmobile, die den Verkehr und insbesondere den
ÖPNV behindern, untersagt oder auf vertretbare Routen beschränkt werden.
Dafür sollte auch eine Besteuerung geprüft werden.
Der erforderliche Zuwachs von Reisebusparkplätzen muss außerhalb der
Stadtmitte erfolgen. In der Stadtmitte sollten die Reisebusse vorrangig nur zum
Ein- und Ausstieg halten. Die Ausnahmeregelungen in den Umweltvorschriften
für Reisebusse, Sightseeingbusse und Ausflugsschiffe sollten entfallen.
Berlin muss die Leistungsfähigkeit von öffentlichen Dienstleistungen erhöhen,
um den wachsenden Anforderungen durch steigende Touristenzahlen gerecht
zu werden. Hierzu zählen insbesondere eine Angebotsausweitung im ÖPNV
und höhere Reinigungsklassen bei der Straßenreinigung durch die BSR in touristisch frequentierten Stadtteilen, ohne Anwohnerinnen und Anwohner zusätzlich finanziell zu belasten.
Die Fraktion DIE LINKE erwartet, dass sich visit.berlin - Berlin Tourismus &
Kongress GmbH - stärker auf Qualität im Tourismus ausrichtet.
Ressourcen aus dem Unternehmen visit.berlin und Einnahmen aus der City tax
sollten auch den Bezirken stärker zugute kommen, um Quartiersprofile oder
kleinräumige Tourismuskonzepte u.a. zur Verbesserung der touristischen Infrastruktur zu erstellen.
Die Fraktion DIE LINKE regt an, für Einwohnerinnen und Einwohner die Einführung verbilligter, so genannter Residenztarife für touristische Angebote zu prüfen.
Der Senat muss für die Bezirke die notwendigen personellen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um nach Ablauf der Übergangsfrist für Ferienwohnungen im Gesetz zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum
den dringend zum dauerhaften Wohnen benötigten Wohnraum wieder zur Verfügung zu stellen.