Zuvor oder Hinweise zum Gebrauch Im Frühjahr 2015 brachte ein weithin wahrzunehmendes Lebensgefühl angesichts der weltpolitischen Umwälzungen die Redaktionsgruppe der Buß- und Bettags Kampagne zur Formulierung des Themas „Machtlos?“. Das Wort sollte nur mit einem Fragenzeichen versehen werden und nicht, wie manche vorschlugen, nach Silben getrennt: „macht los“, so dass man es auch als Aufruf verstehen könnte: macht (endlich) los! Engagiert euch! Das Motiv der betenden Hände kann jedoch beide Intensionen gut verbinden: Die Erfahrung von Ohnmacht und Schuld mit dem Impuls der Umkehr und Neuausrichtung. Beten und Handeln sind für den biblischen Glauben niemals Alternativen. So findet auch das „Stuttgarter Schuldbekenntnis“, das im Oktober 1945, also vor genau 70 Jahren nach dem großen Versagen der Ev. Kirche im Dritten Reich formuliert wurde, in den vorgelegten Texten Resonanz. Es kann Mahnung und Bekräftigung sein, in der aktuellen Herausforderung, vor der wir als Christen angesichts der vielen Flüchtlinge stehen, diesmal mutiger zu bekennen, treuer zu beten, fröhlicher zu glauben und brennender zu lieben. Wir legen zwei Gottesdienstentwürfe vor für den Gebrauch in der Ev. Luth. Kirche in Bayern und der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck. Der erste Entwurf mit internen Textalternativen folgt im Ablauf der Ordnung IV, „Buß- und Bittgottesdienst“ der EKKW. Er richtet sich eher an die traditionelle Gemeinde. Der alternative Entwurf will Jugendliche ansprechen, besonders im Schulgottesdienst. Beide Entwürfe sehen mehrere Sprecher oder Mitwirkende vor. Besonders der alternative Entwurf sollte mit ausreichend Zeit gut vorbereitet und angeeignet sein: Man muss Material und Musik zur Einspielung vorbereiten sowie das alternative Bildmotiv besorgen „auf der Brust entblößtes Strahlenkreuz“. Die Predigt zu Jona 2, dem Gebet im Bauch des Fisches, und die Meditation zu Bild und Motto der betenden Hände können nach Wahl verwendet werden. Sollen Texte externer Autoren vollständig zitiert werden, sollen sie insbesondere in schriftlichen Vorlagen oder über Tonträger in Verbindung mit der Musik im Gottesdienst Verwendung finden, so ist sehr genau auf die Rechte zu achten (im Zweifel die Kreisbeauftragten für Kirchenmusik zu Rate ziehen). Eine Abendmahlsfeier wird am besten mit der ersten Form verknüpft: Sie beginnt nach dem Zuspruch der Vergebung und einer kurzen Überleitung oder einem Lied mit den Einsetzungsworten. Eine persönliche Segnung mit Auflegen der Hände oder alternativ ein Friedensgruß mit Austausch eines Friedenszeichens fügen sich ebenfalls besser zur ersten Form. Die zweite Form sollte angesichts der bereits vorgesehenen Handlungselemente nicht „überfrachtet“ werden. Zur Handauflegung wird eingeladen, an den Altar zu treten und sich im Stehen oder im Knien segnen zu lassen. Jeder und jedem einzelnen werden die Hände aufgelegt und ein biblisches Segens-/Vergebungswort zugesprochen, z.B. - Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit ( 2. Kor. 3,17) - Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur, das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden. (2. Kor. 5,17) - Ich will dich segnen… und du sollst ein Segen sein. ( 1. Mose 12,2) 2 Der Segenszuspruch kann mit einer kurzen Sendeformel, „Gehet hin in Frieden“, und mit einem Kreuzzeichen enden. Zum Abschluss der Handlung sollte allen, besonders denen, die nicht nach vorn gekommen sind, ein Segenswort zugesprochen werden, z.B. „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei und bleibe mit Euch allen“. Bei größeren Gemeinden kann die Segnung auch an mehreren Orten im Kirchenraum angeboten werden, dabei können Kirchenälteste, Kirchenvorsteherinnen, Lektoren und Prädikantinnen mitwirken. Helmut Wöllenstein Marburg, September 2015 3 Inhaltsverzeichnis Zuvor oder Hinweise zum Gebrauch ............................................................................................. 2 1. Gottesdienstentwurf ..................................................................................................................... 5 Eröffnung und Anrufung............................................................................................................... 5 Begrüßung und Hinführung ......................................................................................................... 5 Verkündigung ................................................................................................................................ 7 Sündenbekenntnis und Zuspruch der Vergebung ................................................................... 7 Gebet und Segen........................................................................................................................ 10 2. Alternativer Gottesdienstentwurf .............................................................................................. 13 Glockengeläut ............................................................................................................................. 13 Musik............................................................................................................................................. 13 Eröffnung und Anrufung............................................................................................................. 13 Begrüßung und Hinführung ....................................................................................................... 13 Verkündigung .............................................................................................................................. 15 Sündenbekenntnis und Zuspruch der Vergebung ................................................................. 15 Gebet und Segen........................................................................................................................ 17 3. Meditation zu Bild und Motto: Buß- und Bettag 2015 ........................................................... 19 Predigt zu Jona 2 ............................................................................................................................ 22 4 1. Gottesdienstentwurf Eröffnung und Anrufung Herr, Jesu Christ, dich zu uns wend – EG 155,1 Komm, Geist des Lebens – DEKT Stuttgart 2015, Nr. 38 Nun bitten wir den heiligen Geist – EG 124 Begrüßung und Hinführung Hinführung (1-3 Sprechende [S] stehen vorne; kann u.U. auch von 1 Person gelesen werden) S 1 hat Hände demonstrativ zum Gebet gefaltet. S1 Jetzt hilft nur noch beten! – S 1 löst Hände. S1 Wir sind hier versammelt, weil es diese Erfahrung gibt: Dass wir uns machtlos fühlen gegenüber dem, was in der Welt passiert. Gegenüber dem eigenen Leben. Gegenüber uns selbst. S2 Jetzt hilft nur noch beten! Das wollen wir in diesem Gottesdienst tun: S 2 faltet Hände. S2 Beten. Zur Ruhe kommen. Uns besinnen und fragen: Was hätte in meinem Leben und Tun in meiner Macht gestanden? Wo hätten wir mutiger bekennen, brennender lieben, fröhlicher glauben und auch: treuer beten sollen? S 1 oder S 3 Und was steht allein in Gottes Macht? Was übergebe ich ganz bewusst Gottes Macht – an eigener Last, auch: an eigener Schuld? Lied Ich rede, wenn ich schweigen sollte – EG 585 Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr – EG 382 5 Psalmgebet Wenn ich rufe zu dir, HERR, mein Fels, so schweige doch nicht. Höre die Stimme, meines Flehens, wenn ich zu dir schreie, wenn ich meine Hände aufhebe zu deinem heiligen Tempel. Gelobt sei der HERR, denn er hat erhört. Der HERR ist meine Stärke und mein Schild. Auf ihn hofft mein Herz und mir ist geholfen. Der HERR ist seines Volkes Stärke, Hilfe und Stärke für seinen Gesalbten. Hilf deinem Volk und segne dein Erbe und weide und trage sie ewiglich. (aus Psalm 28) Gem.: Christe, du Lamm Gottes (EG 190.2) Tagesgebet Zu dir kommen wir, Gott, dir vertrauen wir uns an, auf deine Macht wollen wir trauen. Amen. Oder Machtlos, hoffnungslos, hilflos; verstrickt in persönlichen Problemen, wie gelähmt vor den Herausforderungen in dieser einen Welt – so erleben wir uns oft. Gott, mach uns los aus Verstrickungen und Lähmungen. Wecke Hoffnung in uns. Amen. 6 Verkündigung Lesung Matthäus 5 (bei der Predigt über Jona) oder Lukas 18, 1-8 (bei der Bildmeditation) oder Markus 9,14-29 Spruch nach der Schriftlesung: Du aber, o Herr, erbarme dich unser. Lied Aus tiefer Not – EG 144,1-3.6 Meine engen Grenzen – EG 584 Predigt Lied Lass uns in deinem Namen, Herr – EG 614 Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen – EG 640 Sündenbekenntnis und Zuspruch der Vergebung Verlesung der 10 Gebote Es folgt entweder: A: Sündenbekenntnis mit Zuspruch der Vergebung oder B: Klage und Zuspruch A: Sündenbekenntnis und Zuspruch der Vergebung SÜNDENBEKENNTNIS Gott, du hast uns erforscht und erkannt, und alles, was wir sind, ist dir offenbar. Wir bekennen Dir unsere Schuld und unser Versagen: Wir haben unsere Macht benutzt, um zu beherrschen, und unsere Ohn-Macht, um zu erpressen. Wir sind der Verantwortung ausgewichen und haben uns dem Bösen nicht entgegengestellt. Wir haben unsere Würde und die unserer Schwestern und Brüder verleugnet. Wir haben unserem Gebet so wenig zugetraut – wir haben Dir nicht vertraut. Dir wenden wir uns zu, Gott, und bitten Dich: Vergib uns unseren Kleinglauben und unsere Mutlosigkeit, unser Verzagen und unser Versagen. (Quelle: nach EKKW Agende 1, # 1066) 7 Oder: Vor Gott und voreinander bekennen wir uns schuldig des Unglaubens, der Ungerechtigkeit und des Unfriedens, im Kleinen und Großen. Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben. Wir bitten Gott um Gnade, um Vergebung unserer Schuld. Wir hoffen, dass Gott uns trotz unseres Versagens noch dazu brauchen kann, seine befreiende Botschaft weiterzugeben und an sein Gebot zu erinnern. Wir hoffen auf die Macht des Friedens und der Liebe – in unserem Leben, in dieser Welt. Gemeinsam mit der ganzen Christenheit bitten wir Gott um Erbarmen. (Quelle: EKKW Agende I, # 1095 nach dem Stuttgarter Schuldbekenntnis) Oder: Gott, Du weißt, was wir brauchen: Worte des Lebens, die nicht belanglos sind, Trost, der uns annimmt, ermutigt und weiterbringt, eine Hand, die von Ohnmacht löst und Angst wegstreicht, ein Ohr, das auch das Flüstern der Scham und die Sorge aushält und hört, Feuer, das Schuldscheine verbrennt, einen Platz, an dem wir - innen und außen - wirklich zu Hause sind. Gott, Du weißt noch besser als wir, was wir brauchen, denn Du bist uns näher als wir uns das selbst je sein können. Wir bitten um Dein Erbarmen und um Vergebung unserer Schuld: (Quelle: nach Klaus Eulenberger, in: Neues Evangelisches Pastorale. Texte, Gebete und kleine liturgische Formen für die Seelsorge, hrsg. v. d. Liturgischen Konferenz, Gütersloh 2005, S. 114) [STILLE] ZUSPRUCH: Gott hat sich erbarmt – Gott macht euch los von eurer Schuld. Was gewesen ist, muss euch nicht mehr belasten und was sein wird, soll euch nicht schrecken. Gott verspricht: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Oder: „So spricht Jesus Christus: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ 8 Oder: Gott hört, wenn wir bitten. Gott erbarmt sich und vergibt unsere Schuld. Wir dürfen hören: „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“. Im Namen…. B. Klage und Ermutigung KLAGE Sprecher 1 Mir sind die Hände gebunden! Das sieht man doch, dass da nichts mehr geht. Sprecher 2 Machtlos. Machtlos gegenüber dem, was in der Welt geschieht. Machtlos gegenüber der Politik. Der Wirtschaft. Der Natur. Sprecher 3 Gott, wir klagen Dir unsere Hilflosigkeit gegenüber dem, was geschieht. Sprecher 4 tun. Mir sind die Hände gebunden! Nein, tut mir wirklich leid. Ich kann gar nichts Sprecher 2 Macht – los. Die Macht abgegeben an andere. Abgegeben an die, die es besser wissen. Abgegeben an die, die verantwortlich sind. Sprecher 3 Gott, wir klagen dir unsere Feigheit und unser mangelndes Selbstvertrauen. Wir könnten anpacken, aber tun es nicht. Wir könnten handeln, aber überlassen es anderen. (Wir könnten mutiger bekennen, treuer beten, fröhlicher glauben und brennender lieben. Wir könnten….) -- Stille -ERMUTIGUNG Sprecher 4 Machtlos bete ich zu Gott, dem Allmächtigen. Sprecher 2 Gott hat seine Macht bewiesen unter den Völkern (Ps 77,15) Gott hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils (Lk 1,69). Gott hat dem Tod die Macht genommen. (2. Tim 1,10). Sprecher 1 Jesus Christus spricht: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden….“ (Mt 28) Sprecher 4 Sprecher 3 „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“. (2.Kor 12) Gott, wir danken dir. (Glaubensbekenntnis) 9 Lied Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt – EG 638 Herr, du hast mich angerührt – EG 382 Gebet und Segen Fürbittengebet „Gib uns Mut“ Evtl. von mehreren gesprochen (Fürbitten in Auswahl) Zwischen den Fürbitten: EG 592 „Du, Gott, stützt mich“ Wir suchen dich, Gott – wir vertrauen auf Deine Macht: Für uns und andere bitten wir: Immer wieder Krieg, Gewalt und Terror! Und die vielen Menschen, die darunter leiden, in den Krisengebieten und auf der Flucht. Gib uns Mut, auf Frieden unter den Völkern zu hoffen und uns dafür einzusetzen. Wir bitten: * Die Güter der Erde sind ungleich verteilt. Wir fürchten die Folgen. Gib uns Mut zum Verzicht und Geduld im Bemühen um einen gerechten Ausgleich. Wir bitten: * Es gibt so viele, die nichts oder nicht genug von dir wissen. Gib uns Mut, ihnen durch Wort und Tat die Wahrheit nahezubringen. Wir bitten: * Wir sind oft unsicher im Urteil über richtig und falsch, über gut und böse, über das, was wir tun können. Gib uns Mut, nach deinem Willen zu fragen, und unserem Gewissen zu folgen. Wir bitten: * Sorgen und Ängste lähmen unsere Kraft. Gib uns Mut, dass wir uns auf dein Wort verlassen und tun, was jetzt nötig, was jetzt möglich ist. Wir bitten: * Du wirst uns helfen, Herr, unser Gott, wir vertrauen dir durch Jesus, deinen Sohn, unseren Bruder. (nach EKKW Agende 1, #1348) 10 Oder: „Mach einen neuen Anfang mit uns“ Liebe in Person, überall und nirgends, überall da und am Werk, aber nirgends zu erkennen als allein durch Jesus. Du hast einen Namen; gib, dass wir ihn aussprechen und nicht verschweigen. Mach durch uns sichtbar, wer du bist und wie du es mit der Welt meinst. Überzeuge uns davon, dass wir viel tun können für deine Sache. Lass uns das Machbare verantwortlich tun und da, wo uns die Hände gebunden sind, vertrauen. Ermögliche allen Menschen menschenwürdige Verhältnisse, leiblich und geistig. Lass uns selbst dafür arbeiten, so wie er es getan hat. Mach täglich einen neuen Anfang mit uns, ganz gleich was es war. Wir wollen dasselbe mit unseren Mitmenschen versuchen. Und hilf uns bei schweren Entscheidungen, das Rechte zu tun, damit wir die Probe bestehen. Nur mach uns frei von Selbstsicherheit und Resignation und der irreführenden Macht, die in beiden wirkt. Denn dir gehört alles, bei dir ist kein Ding unmöglich, du bist die Liebe für alle Zeit. (Quelle: nach Detlev Block, in: Gottesdienstgestaltung. Ein ökumenisches Werkbuch. Zusammengestellt und eingeleitet v. Karl-Heinrich Bieritz / Michael Ulrich. Graz/Wien/Köln (Verlag Styria; (c) St. Benno Verlag, Leipzig) 1985, Nr.282, S.244f.) 11 Stilles Gebet Vaterunser Lied Verleih uns Frieden, gnädiglich --EG 421 Verleih uns Frieden -- DEKT Stuttgart 2015, Nr. 113 Bekanntmachungen Segen Orgelnachspiel 12 2. Alternativer Gottesdienstentwurf Glockengeläut Aktion vor Beginn: Die Gottesdienstteilnehmer erhalten beim Ankommen eine Trockenbohne, die sie für die Abgabe eines Stimmungsbildes benutzen. Im Eingangsbereich stehen Gläser/Behältnisse, in sie ihre Bohne einwerfen. Die Behältnisse sind jeweils mit einer Beschriftung versehen: WELCHER SATZ GIBT AM EHESTEN DEIN LEBENSGEFÜHL WIEDER? - Mir stehen alle Möglichkeiten offen! Es ist eh egal, was man tut, das ändert gar nichts! Ich würde ja gerne etwas tun, weiß aber nicht was! Was ich mir vornehme, das schaffe ich auch! Im Blick auf die großen Entwicklungen ist man machtlos! Ich traue mir nicht zu, etwas Wichtiges anzupacken! Musik Eröffnung und Anrufung Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft – Himmel, Erde, Luft und Meer. Beiheft zum Ev. Gesangbuch der Nordkirche, Kiel 2014, S. 29 Begrüßung und Hinführung Hinführung Ein Mitarbeiter steht mit einem zunächst nicht sichtbaren Superman T-Shirt unter dem Hemd neben der Mitarbeiterin, die begrüßt. Das Plakat ist im Hintergrund sichtbar Superman schafft es schon! Und wir? Schaffen wir es auch oder schafft es uns? Sind wir als Christinnen und Christen kleine Superhelden? Ist die Macht mit uns? Die Allmacht Gottes? Macht sie uns durch den Glauben unbesiegbar? Die Assoziation könnte man ja haben, wenn man das Plakat für die Jugendgottesdienste anschaut: So wir Superman seine Alltagskleidung abstreift… (der Mitarbeiter mit dem Superman T-Shirt zieht sein Hemd aus, das Zeichen von Superman wird sichtbar) … und darunter sein Anzug sichtbar wird, der deutlich macht, dass er „the man of steel“ von einem anderen Stern ist. Und er ist mächtiger als Normalsterbliche. Auf dem Plakat kommt statt des S für Superman ein Kreuz zum Vorschein. Es strahlt und verwandelt das „machtlos“ in ein „mach (+) los“. Ist das so einfach? 13 Sicher nicht! Es bleibt auch auf dem Plakat das sperrige Kreuzeszeichen zwischen dem „mach“ und dem „los“. Das Kreuz Jesu als ein Zeichen für die Ohnmacht Gottes. So Superman-like scheint das mit dem Glauben nicht zu funktionieren. Wie geht es dir zurzeit? Heute an diesem Buß- und Bettag? Fühlst du dich eher „machtlos“? Und warum? Sind es die Bilder von Krieg und Terror, die Bilder von tausenden flüchtenden Menschen? Sind es Erfahrungen aus deinem persönlichen Umfeld? Oder bist du gerade dran „los-zu-machen“, bist voller Power und Energie, voller Ideen und Visionen, voller Tatendrang? Was gibt dir eigentlich diese Kraft? Daran kann man die Auswertung der Eingangsaktion anknüpfen (alternativ ist sie als Aufhänger für die Predigt nutzbar). Lied Wir strecken uns nach dir – EG 625 Psalmgebet Schweige doch nicht, o Gott! Alles in mir hat sich gegen Dich und mich verbündet: mein flackernder Mut mit meinem Schneckenhaus mit meinen Lebensmustern mit meiner Trägheit mit meinen Zweifeln mit meiner Panik. Alles in mir schreit gegen Dich und mich. Ich bitte Dich: Bleibe nicht stumm! Stelle Deinen Namen in mir wieder laut! (Quelle: nach Ps 83,2 von Petra Fietzek: Ins eigene Leben geschrieben. Psalmen für heute, Kevelaer 2012, S.46) Gem.: Oculi nostri -- EG 789.5 14 Tagesgebet Gott, die Frommen nennen dich „allmächtig“. Bist Du das wirklich? Täglich sehe ich Bilder der Ohnmacht: Menschen auf der Flucht Menschen zwischen Kriegsfronten. Was soll, was kann ich tun? Gib uns in diesem Gottesdienst deinen guten Geist, schenke uns gute Ideen und die Kraft das Richtige zu tun. Amen Musik „NUR NOCH KURZ DIE WELT RETTEN“ (Lied von Tim Bentzko. Je nachdem wie das Lied im Gottesdienst eingesetzt wird, muss auf die Einholung der Rechte geachtet werden.) Verkündigung Ansprache zum Plakat oder zum Thema (s. z. B. Meditation bzw. Predigt) Lied Meine engen Grenzen – EG 584 Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen – EG 640 Sündenbekenntnis und Zuspruch der Vergebung Verlesung der 10 Gebote – EG 796 Nach der Verlesung der 10 Gebote folgen entweder A. Klage und Ermutigung oder B. Sündenbekenntnis und Zuspruch der Vergebung A. Klage und Ermutigung KLAGE Ich schwanke hin und her. In einem Moment kraft- und saftlos, gefesselt und blockiert. Trau mir nichts zu. Dann will ich kurz die Welt retten. Voller Power und Energie Renne ich los Doch oft bleibt es beim „Mails-Checken“. 15 Bleibe stecken, komm nicht voran. Ist die Welt noch zu retten? Wo fang ich an? Darf ich zu dir kommen, Gott, mit meiner Stärke und mit meiner Schwäche? -- Stille -ERMUTIGUNG Du kannst zu Gott kommen, Gott will wissen, wie es dir geht. Jesus sagt dir: Habt keine Angst ich bin bei Dir alle Tage deines Lebens. oder: Jesus sagt dir: Glückselig sind die, die an der Not der Welt leiden. Denn sie sollen getröstet werden. Glückselig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Denn sie werden satt werden. Glückselig sind die, die Frieden stiften. Denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Basisbibel) B. Sündenbekenntnis und Zuspruch der Vergebung SÜNDENBEKENNTNIS So machtlos sind wir nicht, wie es uns scheint. Doch wofür setzen wir unsere Kraft ein? Gott, was machen wir nur? Wir schweigen, wo wir laut schreien müssen. Und können den Mund nicht halten, obwohl jedes Wort verletzt. Wir schauen weg, wo wir genau hinsehen sollten, und gaffen, wo unsere Blicke bloß stellen. Wir verschließen unsere Ohren vor den Schreien der Ohnmächtigen, und hören auf die einflüsternden Töne der Mächtigen. Wir drücken unsere Hände tief in die Taschen, wo wir anpacken müssten, und legen Hand an, wenn wir unsere Finger davon lassen sollten. 16 Du, Gott, stellst dich uns in Jesus ohnmächtig in den Weg, und doch hast du die Macht, uns zu verändern. In der Stille stellen wir uns unseren Taten – in deiner Gegenwart, Gott. - Stille ZUSPRUCH DER VERGEBUNG Was unser Mund auch gesagt hat, was unsere Ohren gehört, unsere Augen gesehen und unsere Hände getan haben - Gott sieht uns in Jesus so an, wie wir sein werden: nicht unsere Vergangenheit, sondern die Zukunft, nicht unsere Fehler, sondern unsere Möglichkeiten. Darum sagt Jesus zu Dir: Deine Sünden sind dir vergeben. Vertraue darauf. Das wird neues Leben in dir freisetzen. Amen. [Aktion: „Das will ich in die Hand nehmen“ Auf den Plätzen der Gottesdienstteilnehmer liegen DIN A 6 Karteikarten und Stifte. Die Jugendlichen erhalten eine Zeit, in der sie gefasste Entschlüsse für die Zukunft unter der Überschrift „Das will ich in die Hand nehmen“ notieren können.] Lied Wenn das Brot, das wir teilen – EG 632 Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten – EG 643 Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt – EG 638 Gebet und Segen Fürbittengebet Machtlos kommst du, Gott, in Jesus zu uns Menschen Du zeigst uns die Macht deiner Liebe. Gib uns von deiner Kraft. Verwandle uns. Mach uns los, damit wir nicht länger machtlos sind. Wir bitten dich: Gesungener Gebetsruf nach den einzelnen Bitten „Herr erbarme dich!“ - EG 178.11 Gott, mach los, was an guten Energien in uns verschlossen ist. * Mach los unsere Fesseln und Blockaden, für andere da zu sein. * 17 Mach los, was an konstruktivem Miteinander unter uns möglich ist * Mach los die Kräfte der Mitmenschlichkeit und der Solidarität * Mach los … (Die Fürbitten können aus dem Vorbereitungskreis heraus ergänzt werden. Eine Variante wäre es, die einzelnen Fürbitten auf Gottesdienstteilnehmer zu verteilen, damit sie die Bitten aus der Gemeinde heraus beten. Je nach Kontext könnte man auch die Möglichkeit eröffnen die Fürbitten spontan aus der Gottesdienstgemeinde heraus zu ergänzen) -- Stilles Gebet-- Vaterunser Lied We shall overcome – EG 636 Herr wir bitten: Komm und segne uns – EG 590 Segen Gott, du, fern und nah, nah und fern, segne unser Leben. Jesus, du bei mir, ich bei dir, segne unser Lieben. Geist, du in mir, ich in dir, segne unser Hoffen. Musik zum Ausgang 18 3. Meditation zu Bild und Motto: Buß- und Bettag 2015 Machtlos? Kräftig wirken sie, diese Hände. Sie sehen aus als gehörten sie einem Mann „in den besten Jahren“. Man traut ihnen zu, dass sie anpacken, auch wenn der Mann sicher kein Handwerker ist. Was tun diese Hände sonst? Ein Auto lenken, eine Anlage programmieren, Kranke untersuchen? Abends vielleicht eine Frau umarmen oder einem Kind die Tränen abwischen? Ob sie auch vor Begeisterung applaudieren können? Oder auf den Tisch hauen, wenn es nötig ist? Vielleicht zeigen sie manchmal bei einer Abstimmung „dafür“ oder „dagegen“, mischen sich ein, übernehmen Verantwortung in der Öffentlichkeit. - Wie sehen meine Hände aus, wenn ich sie falte? Sieht man ihnen an, was ich sonst tue, wer ich bin, wie es mir geht? Nur zwei gefaltete Hände sind zu sehen, sonst nichts. Ein starkes Zeichen. Jemand betet. Das Gebet könnte eine Antwort sein auf die Frage, die in der Titelzeile gestellt wird: „Machtlos?“ Sind wir machtlos, wenn wir beten? Im Mittelalter waren die gefalteten Hände eine Geste der Unterordnung. Wenn der Gefolgsmann den Vertrag von seinem Lehnsherrn entgegen nahm, musste er mit gefalteten Händen vor ihm knien. Sie sind das Zeichen, dass er sich binden lässt, dass er darauf verzichtet, selbständig zu handeln. Ein Zeichen von Schwäche? Diese Ansicht wird von vielen geteilt. „Hilft jetzt nur noch beten? “ fragte der Leiter des Fernsehteams. Woche für Woche hatte die Gemeinde eingeladen zu öffentlichen „Montagsgebeten“, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Klinikums in einer Krise beizustehen. Hunderte waren zu diesen Treffen gekommen. Ein Zeichen ihrer Ohnmacht und Hilflosigkeit? Ist Beten der Punkt, an dem nichts mehr geht? Ein Brutalo-Western mit dem Titel „Du kannst anfangen zu beten“ spielt mit der zynischen Botschaft: Jetzt ist es aus - wir machen dich fertig. Wer wirklich fertig ist, versteht diesen Spott nicht. Er schreit einfach „Hilfe“. Sucht einen Halt, eine Zuflucht. Vielleicht wird er auch ganz still, findet den Raum in sich selbst, wo er nichts mehr sagen, nicht mehr denken, schreien, seufzen oder weinen muss. Ist nur noch blanke Existenz. Da suchen die Hände den Kontakt, der ihnen fehlt, und finden vielleicht wie von selbst zueinander. Die Finger sortieren sich, so oder so. Das tut gut. Wieder ruhiger zu atmen. Da sortiert sich auch etwas anderes in einem. Es kommt nicht nur Hand zu Hand. Da ist mehr im Spiel. Eine größere Kraft. „Das Gebet ist das Zentrum jeder Religion“, schreibt der Religionswissenschaftler Friedrich Heiler. Vielleicht ist es eine schwere Krankheit, die Aussicht, dass es keine Aussicht mehr gibt. Oder jemand wird von meiner Seite gerissen, den ich liebe. Oder ich habe etwas furchtbar Dummes gemacht und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Hilflosigkeit und das Gefühl, nichts machen zu können, betrifft uns schließlich alle in dieser Zeit der großen Krisen. Wohin führt das neue militärische Aufrüsten? Wann wird endlich der Durchbruch erreicht gegen den Klimawandel? Schaffen wir das mit den vielen Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen? Betende Hände. Sonst nichts. Ein starkes Zeichen. Jemand will jetzt nichts anders, kann jetzt nichts anderes. Kann aber beten. Betende Hände handeln nicht, nicht in diesem Moment. Aber sie tun auch nicht nichts. Wer betet, lässt seine Hände nicht hilflos sinken, legt 19 sie nicht einfach in den Schoß, schlägt sie nicht hysterisch über dem Kopf zusammen. Verschränkt auch nicht die Arme vor der Brust um abzuwehren was kommt. Die Hände falten, heißt Kraft sammeln. Vielleicht so wie ein Akku aufgeladen wird. Ich bin nicht mehr nur unterwegs, sondern auch schon angekommen. Ich bin weg in diesem Augenblick und doch da. Entspannt und wach. Alle Finger liegen ruhig an ihrem Platz. Sie müssen nicht ständig neu sortiert werden, sie suchen nicht hier und dort, dieses und jenes. Sie finden. Wer betet, ändert nicht die Lage. Er ändert nicht Gott, aber sich selbst. Und damit wird alles anders. Auch Gott! In der Bibel kann man davon lesen. Menschen die beten, handeln mit Gott. Und Gott lässt mit sich handeln. So wird es erzählt: Gott wollte die böse Stadt Sodom vernichten durch Feuer, weil sie einfach nicht zu retten war. Doch Abraham betete für die Menschen, er handelte mit Gott, ja, er schacherte mit ihm wie auf einem Basar: …wenn nun doch 50 Gerechte in der Stadt wären – ja dann würde Gott sie alle verschonen. Und wenn´s nur 40 wären? Auch dann noch. Oder 30? Oder 10? Immer weiter lässt Gott sich darauf ein, von seiner Strafe abzugehen. Und Jesus erzählt es ähnlich: Er vergleicht Gott mit einem mächtigen Richter, der seinen großen Geschäften nachgeht und sich partout nicht um den Fall einer kleinen Witwe kümmern will. Die aber bittet ihn und bittet ihn und lässt nicht locker, bis er ihr endlich hilft. Beten heißt, Gott selbst in Bewegung bringen. Gott bedrängen. Beten macht etwas los. Aber eben nicht so, wie manche es verstehen: „Einfach mal richtig was los machen, den Wutbürger geben, einen „shit-storm“ entfesseln.“ Dabei wird schon das Gefühl, dass richtig etwas los ist, als Erfolg verbucht. Die Erregung ersetzt das Handeln. Beten heißt: Gott los machen. Als die Macht, die Menschen los macht, die erlöst von Hilflosigkeit, Verzagtheit und Enge, vom eingesperrt sein oder vom ausgesperrt werden. Gott als die Macht, die uns anstiftet, selbst los zu werden. Selbst frei zu werden und andere zu befreien, unsere eigene Macht zu gebrauchen. Mitzutun, mitzukämpfen, Gottes Machen mitzumachen für seine Menschen. Seit wie vielen Jahren beten wir in unseren Gottesdiensten Sonntag für Sonntag um Hilfe für die Menschen auf der Flucht, beten an gegen die Gewalt und das Elend. Beten, dass sich etwas ändert, nicht nur im Kleinen. Nun ändert sich etwas. Menschen kommen zu uns. Nicht nur im Kleinen. Und wir hätten es kaum für möglich gehalten: Unser Deutschland, unser träges, gemütliches, selbstgefälliges auf ordentliche Abläufe bedachtes, mit vielen Bedenken versehenes Deutschland krempelt sich um. Gesetze werden geändert, Zeltstädte aufgestellt, Unterkünfte gebaut. Menschen sind freundlich und hilfsbereit, öffnen nicht nur Kleiderschränke sondern auch ihre Arme und Herzen. Menschen zeigen Courage, wo Häuser angezündet und Flüchtlinge vertrieben werden sollen. Und das geschieht nicht qua Verordnung, so sehr die Einrichtungen sich bemühen, so sehr Beamtinnen und Beamten, Schulund Gesundheitsbehörden sich überall selbst übertreffen, es geschieht von unten. Wie durch ein Wunder. „Die Hände, die zum Beten ruhn, die macht er stark zur Tat. Und was der Beter Hände tun, geschieht nach seinem Rat“, dichtet Jochen Klepper 1938. Das gilt immer noch: Die Hände die zum Beten ruhn, sind sich nicht zu schade, wenn sie anpacken und helfen, wenn sie nass werden von Tränen, die sie wischen, wenn sie das Portemonnaie aufmachen oder sich öffnen, um die Hand zu reichen zum Willkommen. Ein starkes Zeichen. 20 21 Predigt zu Jona 2 Liebe Gemeinde! Ein Fragebogen im Konfirmandenunterricht. Das ist schnell gemacht, denkt sie. 10 Sätze. Sie soll nur ankreuzen, ob sie zustimmt. Gleich bei dem ersten Satz bleibt sie hängen: „Beten nutzt doch nichts. Ja oder Nein?“ Das ist schwer zu sagen. Dann zur nächsten Frage: „Im Gebet kann man alles sagen.“ Ja. Das stimmt. „Beten lernt man in der Not.“ Das hat zumindest ihre Oma gesagt. „3. Wer betet, will etwas ändern.“ Hier muss sie auch länger nachdenken. Ja, wahrscheinlich. Es gibt überhaupt nur wenige Sätze, bei denen ihr die Antwort leicht fällt. Und dann wieder zurück zum schwersten Satz: „Beten nutzt doch nichts.“ Hier macht sie ein Fragezeichen. Sie weiß es einfach nicht. Auf dem Plakat zum Bußtag in diesem Jahr hat ein Erwachsener seine beiden Hände gefaltet. Und darüber steht: „Machtlos?“ Ob das die Frage dieses Mannes ist? Ich sehe ihn vor mir. Wie er so dasitzt. Mit hängendem Kopf vielleicht. Mit schweren Gedanken. Nicht alle kann er in Worte fassen. Vieles geht durcheinander: Sein angefüllter Alltag, die Sorgen um seine Kinder. Seine Tochter liegt im Clinch mit ihrem Freund. Richtig helfen kann er ihnen nicht mehr. Und die Welt, in der sie sich zurechtfinden müssen, wird so unüberschaubar. Jeden Tag stößt er auf neue Schlagzeilen von Flüchtlingen. Die großen Lettern „springen“ ihn an. Er kann sich ihrer nicht erwehren. Manche Bilder, Nahaufnahmen von Booten im Mittelmeer, gehen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Aber es sind zu viele und manchmal kann er keine Bilder mehr sehen und keine Geschichten mehr hören. Er will etwas tun. Etwas machen können, das tut ihm immer gut. Aber was? Er weiß es einfach nicht und hat nur zwei Hände. Manchmal ist ihm alles zu viel, und er will eigentlich nur weg. In eine Zeit, als alles einfacher war. Ob es in biblischer Zeit einfacher war? Es wird erzählt vom Propheten Jona. Er soll etwas tun. Er soll etwas sagen. Seit Tagen hört er es. Immer wieder ist da die Stimme Gottes in seinem Ohr: „Mach dich auf! Geh! Geh in die große Stadt Ninive und sag den Leuten: Ihr müsst euch bessern.“ Ausgerechnet „Ninive“! Die persische Metropole der Macht im Osten! Dort sind immer die Feinde seines Landes gewesen. Dort sind Angst und Schrecken zuhause. Und die Leute dort sind böse, von Grund auf böse. Von Kind an hat er das gehört. Die Leute in Ninive werden nicht grade auf ihn warten. Wer hört schon gern, dass er sich ändern soll! Alleine wird er mit seiner kleinen Stimme nichts ausrichten können. Auf dem Marktplatz in Ninive werden sie im besten Fall über ihn lachen. Wahrscheinlich wird noch Schlimmeres passieren. Nach Ninive wird er auf keinen Fall gehen. Darüber will er nicht mal mit Gott reden. Das kommt nicht in Frage. Jona will das Weite suchen und heuert auf einem Schiff nach Tarsis an – das liegt im Westen, am andern Ende der Welt. 22 Dort will er endlich zur Ruhe kommen, keine Stimmen mehr hören. Nur noch schlafen. Er verschläft sogar den Sturm, in den das Schiff gerät. Die Schiffsleute beten zu ihren Göttern. Aber die Wellen hören nicht auf und schlagen immer weiter. Die ganze Ladung ist schon durcheinander gewirbelt. Bald wird das Schiff sinken. Jona merkt nichts davon. Seltsam! Er schläft weiter, bis die Seeleute ihn wecken. Hinter diesem Sturm muss eine Macht stecken. Vielleicht der Gott dieses Fremden unter Deck? Jona betet nicht zu ihm. Auch jetzt nicht. Als der Sturm nicht nachlässt, lässt er sich ins Meer werfen. Das ist das, was er tun kann. Und dann geschieht, was die meisten von uns aus der Bibel wissen: Ein großer Fisch kommt und verschlingt Jona bei lebendigem Leib, ohne ihm ein Haar zu krümmen. Was für ein Wunder! Im Bauch des Fisches ist es dunkel und stickig. Es ist so eng, dass Jona seine Arme nicht bewegen und seine Hände und Finger kaum regen kann. Aber er kann fühlen und sagen, was er fühlt. Wir hören Jona 2: (Beteiligungsmöglichkeit einer Lektorin/eines Lektors – andere Stimme) 1 Aber der HERR ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. 2 Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leibe des Fisches 3 und sprach: Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes und du hörtest meine Stimme. 4 Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, 5 dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. 6 Wasser umgaben mich und gingen mir ans Leben, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. 7 Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich. Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott! 8 Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. 9 Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. 10 Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen dem HERRN, der mir geholfen hat. 11 Und der HERR sprach zu dem Fisch und der spie Jona aus ans Land. Nichts geht mehr für drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches. Aber eins geht noch. Jona spricht jetzt mit seinem Gott. Krasser noch, er schreit zu Gott. Und er findet Worte, die er nicht erfinden muss. Schon seine Vorfahren im Glauben kannten sie: „Wogen und Wellen gingen über mich, der Erde Riegel schlossen sich über mir.“ Er fürchtet, von diesem Ort gibt es kein Zurück mehr. Eigene Worte hat er nicht. Aber er betet. Und er vertraut auf Gottes Macht, auf Gottes Kraft, sein Leben aus dem Verderben zu retten. Nach drei Tagen speit der Fisch Jona aus. Im Rückblick weiß er: Es muss Gott selbst gewesen sein, der ihm den Fisch geschickt hat. Es muss auch Gott selbst mit seiner Macht gewesen sein, der ihn nach drei Tagen wieder auf die Füße gestellt hat. Was für eine wundersame Geschichte! Wie überraschend-vertraut ist diese Lage Jonas! Momente, in denen es eng ist, die gehören wohl zu jedem Leben: Situationen ohne Spielraum. Nichts tun können. Sorgen um die Allernächsten, überfallartig wie eine Welle: sie lassen sich nicht abstellen. Sie kommen immer wieder. Aufgaben, so groß, dass es nur zum Davonlaufen ist -möglichst weit weg. Sie holen einen am Ende doch mit Macht wieder ein. Zukunftsängste: so viele Menschen kommen auf ihrer Flucht in Deutschland an. Nicht zu steuern sind diese Ströme, weil die Not an vielen Orten der Welt groß ist. Jona im Bauch des Fisches sucht Worte für seine Lage. Er stellt sich ihr, obwohl er nicht stehen kann. In diesem Raum allein mit sich und mit Gott, so eng er ist, findet er eine Art Schutzraum. Die Angst darf sein. Gott redet sie nicht aus. 23 Wer sich bei Gott aussprechen kann, wenn er auch nur stottert und stammelt, kann das spüren: Wie das Überwältigende, das Übermächtige dabei etwas von seiner Macht verlieren kann. Schon wenn es Worte dafür gibt. Schon wenn da einer hinhört, mit hinschaut. Jona ist verändert nach diesen drei Tagen und drei Nächten. Wieder an Land, will er sein Gelübde erfüllen. Das hatte er versprochen. Wieder auf den Füßen nimmt der den Auftrag an, vor dem er davongelaufen war. Er braucht nicht mehr als drei Tage, um die Stadt Ninive aufzurütteln. Er beginnt und schon glauben ihm die Menschen von Ninive. Selbst der König legt sich in Asche, die Stadtväter geben auf seinen Ruf hin Befehle zur Buße aus, rufen mit Macht Gott an und hören zu freveln auf. Und Gott lässt sich erweichen. Gott lässt sie leben. Jona kann das erst gar nicht glauben. Das ist doch unmöglich. Was machst du da, Gott? Das biblische Buch endet mit einer Gegenfrage Gottes an Jona: „Sollten mich diese 120 000 Menschen nicht jammern, wenn sie mich rufen, diese Menschen, die nicht wissen, was rechts und links ist?“ Ein Mensch hat beim Beten eine übermenschliche Kraft gesammelt. Er steht auf und redet in Gottes Namen. Und Gott wirkt durch ihn. Beten hat die Menschen in diesem Ort Ninive verändert. Und Gott lässt sich für seine Geschöpfe zu einem guten Ausgang erweichen, den kein Mensch für möglich gehalten hatte. Beten: Bringt das etwas? Heute, hier in diesem Gottesdienst? Und für morgen? Und für das Zusammenleben an unserem Ort? Was wäre, wenn auf unsere Frage Gott uns wie in der Jonageschichte zurückfragen fragen würde? „Sollten mich nicht die Menschen jammern in … (Hier den Ortsnamen einsetzen, an dem der Gottesdienst gehalten wird.)? All die Menschen, die manchmal nicht wissen, was rechts und links ist? Mit ihren Gedanken, die sie sich um ihr Leben machen; mit den Sorgen um ihre Liebsten; mit ihren Bedenken für das Zusammenleben mit Vielen, die jetzt von weither kommen. Sollten mir nicht leid tun all die, die ich ins Leben gerufen habe?“ --Stille-- 24 Verfasst von Mitgliedern der Liturgischen Kammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck: Ulrike Laakmann Dr. Alwine Slenczka Frank Weber Helmut Wöllenstein Margit Zahn 25
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