Sprechstunde - Wilder Kaiser

Sonntag Aktuell, 28. Juni 2015
26 REISEN
Hans Sigl spielt seit 2007 den
„Bergdoktor“. Die Serie ist so
erfolgreich, dass es Fanartikel gibt.
Sprechstunde
FOTOS: HAMANN (4), TVB WILDER KAISER,
ZDF, UNIVERSUM FILM
Tirol
In der Region Wilder Kaiser ist
der „Der Bergdoktor“ zu Hause.
Fans der TV­Serie wandern, bis
der Fernseharzt kommt, um die
Drehorte zu besuchen.
VON SUSANNE HAMANN AUS ELLMAU/TIROL
Die ärztliche Schweigepflicht gilt heute aus­
nahmsweise nicht, der Bergdoktor gibt be­
reitwillig Auskunft. „Warum schnallst du dich
nie an, wenn du ins Auto steigst?“, will ein
kleiner Junge namens Sascha wissen. „Weil
der Gurt in dem Oldtimer kaputt ist“, sagt
Schauspieler Hans Sigl. Die Menge johlt.
Über 800 Besucher sind zum „Bergdok­
tor“­Fantag auf den Kirchplatz in Going in
Tirol gekommen. Dort, wo der Fernseharzt
gerne seinen tiefgrünen Mercedes, Modell
123, Baujahr 1976 mit Kufsteiner Kennzei­
chen parkt, um Susanne Dreiseitl im Gasthof
Wilder Kaiser zu besuchen, ist nicht ein
Quadratzentimeter Boden mehr zu sehen.
Selbst der Dorfbrunnen mit der Kupferstatue
des Heiligen Florian verschwindet im Men­
schenmeer. Denn der Heilige Martin hält
Hof, Dr. Martin Gruber, Halbgott in Weiß.
Der „Bergdoktor“ heilt auch Fernweh
Kleidungstechnisch hat sich der Darsteller
der Titelfigur alle Mühe gegeben, um nicht
mit seinem TV­Alter­Ego verwechselt zu
werden. In Turnschuhen, tief ausgeschnitte­
nem T­Shirt, Jackett, Schlabberhose und mit
rotem Hut sieht er überhaupt nicht nach dem
jeans­ und westenaffinen Tiroler Arzt aus.
Nur die Sonnenbrille auf Hans Sigls Nase, die
trägt er auch im Fernsehen. „Findet Martin
Gruber irgendwann noch seine Traumfrau?“,
will Justus aus Unterfranken wissen. „Er gibt
die Hoffnung nicht auf“, sagt Hans Sigl. „Bis
dahin aber tut er alles für seine Patienten.“
„Der Bergdoktor“ wird seit 2007 in den
Tiroler Orten Ellmau, Going, Scheffau und
Söll zu Füßen des Gebirgszugs Wilder Kaiser
gedreht. Die Serie ist im ZDF, im ORF sowie
in rund zehn weiteren Ländern zu sehen
und erreicht regelmäßig
Traumquoten. „Mit einem
Marktanteil von über 20
Prozent ist das die derzeit
erfolgreichste deutsch­
sprachige Serie“, sagt An­
ja Konen­Praxl, Spreche­
rin der Neuen Deut­
schen Filmgesellschaft
(ndF), die unter ande­
ren auch „Um Himmels
Willen“ oder „Die
Bergretter“ produziert.
Trendsetter wissen:
Serien sind das neue
Kino. Die Feuilletons
lassen dabei jedoch nur Werke aus den USA
gelten. Wer „in“ sein möchte, schaut „Break­
ing Bad“, „Mad Men“ oder „Game of Thro­
nes“. „Bergdoktor“­Fans werden mitleidig
belächelt. Ein Vorurteil. Wer trotz des nach
Herz­Schmerz riechenden Titels reinzappt,
kommt nicht mehr los. So wie die Stahlhackes
aus Drolshagen im Sauerland. „Die letzten
Winterferien waren so verregnet, da haben
wir angefangen zu schauen“, erzählt Nadine
Stahlhacke (35). In kaum einem halben Jahr
hat sich die vierköpfige Familie sieben Staf­
feln auf DVD reingezogen, nun stehen sie
beim Fantag um Autogramme an. Der „Berg­
doktor“ lebt von der klassischen Faszination
aus Weißkittel und Traumlandschaft. Diag­
nose: Alpenkitsch? Weit gefehlt. Der altruisti­
sche Arzt erörtert existenzielle Fragen und
befindet sich im ständigen spannenden
Kampf gegen seltene Krankheiten. Er opfert
sich selbstlos für andere auf, während sein
eigenes privates Glück auf der Strecke bleibt.
Hauptperson und Namensgeber ist „Berg­
doktor“ Martin Gruber. Während dessen Bru­
der Hans (Heiko Ruprecht) den elterlichen
Hof übernahm, studierte der Bergbauern­
sohn Medizin und ging gar für ein paar Jahre
nach New York. Doch dann erreichte ihn die
Nachricht, dass Hans’ Tochter Lilli in
Wahrheit sein Kind ist. Also blieb er in Tirol
und übernahm die Praxis des Allgemein­
mediziners Dr. Roman Melchinger (Siegfried
Rauch). In der Praxis trifft man Dr. Gruber
allerdings selten an. Meist ist er im grünen
Daimler unterwegs auf Hausbesuch, operiert
mit den Kollegen im Bezirkskrankenhaus
Hall oder rettet gemeinsam mit Bruder Hans
Verunglückte aus irgendeiner Felswand.
Manchmal diagnostiziert er auch Krankhei­
ten, die es gar nicht gibt. „Man muss es nur
glaubhaft erzählen. Wir drehen schließlich
keine Dokumentation“, sagt Produzent
Christian Ronning. Rund sieben Millio­
Fantag im Fels (links). In diesem Haus prakti­
ziert Dr. Martin Gruber (Mitte), hier mit Familie
(rechts, von links: Heiko Ruprecht, Monika
Baumgartner, Ronja Forcher, Hans Sigl).
Scheffau
nen Zuschauer geben
ihm recht.
Für den Tourismus
in der Region Wilder
Kaiser ist der Berg­
doktor inzwischen ein
wichtiger Faktor – er
heilt auch Fernweh. Die
Fans reisen in Strömen in
das Tal zwischen Kiefers­
felden und Kitzbühel.
Einen ähnlichen Hype hat
es zuletzt in den achtziger
Jahren gegeben, als Vereh­
rer der „Schwarzwaldklinik“ auf der Suche
nach Professor Brinkmann das Glottertal
stürmten (und das bis heute noch tun). Gäste­
befragungen haben ergeben, dass 71 Prozent
wegen der Serie nach Tirol fahren. „Die einen
lassen sich nur inspirieren, bei uns Urlaub zu
machen. Die anderen wollen jeden einzelnen
Schauplatz sehen“, sagt Lukas Krösslhuber,
Tourismusdirektor der Region Wilder Kaiser.
007 bekam von Dr. Gruber die
Überweisung nach Tirol
Kein Problem: Es gibt E­Bike­Touren, Film­
wanderungen, Kutschentour, Merchandi­
singprodukte. Bei den zweimal pro Jahr statt­
findenden Fanwochen können die Gäste mit
„Susanne Dreitseitl“­Darstellerin Nathalie
O’Hara im Gasthof Wilder Kaiser plaudern
oder sich mit Hans Gruber­Mime Heiko
Ruprecht von einer Felswand hinter der
Wochenbrunner Alm abseilen – rezeptfrei.
Der finanzielle Segen für die Region ist
enorm: Allein durch Produktionskosten wird
im Tiroler Unterland eine siebenstellige
Summe im Jahr verdient – die Summe ergibt
sich aus Faktoren wie Unterbringung, Motiv­
mieten, Verköstigung, Honorare. Dazu kom­
men die Fans, die auf der Suche nach den
grandiosen Landschaftsbildern in die Gegend
reisen. Wo eine Filmproduktion gedreht hat,
ist zudem die nächste nicht weit: „Der „,Berg­
doktor’ war ein entscheidender Impuls, dass
sich Tirol aktiv um Filmwerbung engagiert“,
sagt Johannes Koeck, Leiter der Cine Tirol
Film Commission. Seit 1998 wurden über 600
Filme in dem Bundesland gedreht – darunter
der letzte „James Bond“­Film „Spectre“ in
Obertilliach. Grubers Überweisungen gelten
sogar für britische Geheimagen­
ten.
Gasthof
Wilder Kaiser
Going
Arztpraxis
Söll
Gruberhof
Ellmau
Dorfplatz
ÖSTERREICH
2 km
Anreise
Mit dem Auto via München auf der A 8/A 93 bis
Kufstein, weiter auf den Bundesstraßen 173 und 178
bis Ellmau am Wilden Kaiser/Tirol. Mit dem Zug bis
Kufstein (www.bahn.de). Von dort gibt es einen
Shuttle­Service direkt in die Unterkunft. Kosten
ab 14 Euro pro Person, ab zwei Vollzahlern, Anmel­
dung unter www.tirol­taxi.at/de­wilder­kaiser.
Unterkunft
Gemütliches Familienhotel: Aktivhotel Hochfilzer,
Doppelzimmer ab 132 Euro inklusive Halbpension,
Tel. 00 43 53 58 25 01, www.hotel­hochfilzer.com
Wohnen im Drehort: Gasthof und Landhotel
Föhrenhof, DZ ab 104 Euro inkl. Halbpension,
Tel. 00 43 53 58 22 89, www.foehrenhof­ellmau.at
Unterhalb der „Bergdoktor“­Praxis liegt das Hotel
Christoph, DZ ab 154 Euro inkl. Halbpension,
Tel 00 43 53 58 35 35, www.hotel­christoph.com
Luxuriöses Fünf­Sterne­Haus: Kaiserhof, DZ ab
250 Euro inkl. Halbpension, Tel. 00 43 53 58 20 22,
www.kaiserhof­ellmau.at
Hauptdrehorte der Serie
Praxis: Der Arbeitsplatz des „Bergdoktors“ liegt in
Ellmau, Faistenbichl 15. Der Hinterschnabelhof
gehört der Familie Leitner, die dort aber nicht
selbst wohnt. Daher kann die Ordination besichtigt
werden. Bis 23. Oktober jeden Di und Fr 10–12 Uhr,
außer bei Dreharbeiten. Eintritt: 2 Euro.
Wohnhaus: Der Köpfinghof, so der echte Name
des Gruber’schen Anwesens, liegt auf 1000 Meter
Höhe über Söll an einer Privatstraße. Die Besitzer­
familie Mayr nutzt den Hof als Wochenendhaus.
Besucher müssen den Weg auf den Bromberg zu
Fuß gehen – etwa eine halbe Stunde dauert der
Spaziergang vom „Bergdoktor“­Parkplatz an der
Talstation der Bergbahn Hochsöll. Eintritt 5 Euro.
Mi und Di fährt ein Oldtimertraktor als Shuttle (10
Euro, Kinder bis 15 Jahre kostenlos). Anmeldung
unter www.wilderkaiser.info/traktorfahrt.
Krankenhaus: Die Aufnahmen der Eingangshalle
werden im Bezirkskrankenhaus in Schwaz gedreht,
www.kh­schwaz.at. Stationsflur, Krankenzimmer,
Dr. Kahnweilers Büro sowie die Intensivstation
wurden extra für die Serie nachgebaut.
Die Kulissen befinden sich in einer Halle in Ellmau.
Sie können nicht besichtigt werden.
Gasthof: Die Fassade des Serien­Lokals „Wilder
Kaiser“ steht am Kirchplatz in Going. Das Haus ist
ein privates Wohnhaus und kann nur von außen
besichtigt werden. Die Innenaufnahmen des Motivs
werden im Landhotel Föhrenhof in Ellmau gedreht.
Allgemeine Informationen
Die nächste „Bergdoktor“­Woche vom 5. bis
12. September 2015 ist bereits ausgebucht. Für den
„Bergdoktor­Fantag“ am 10. September 2015
(13 Uhr, Kirchplatz in Going) gibt es noch Karten.
Tickets: 25 Euro, Kinder zahlen 12,50 Euro. Anmel­
dung unter www.wilderkaiser.info/bergdoktor.
2016 sind Fanwochen im Juni und im September
geplant. Derzeit wiederholt das ZDF die sechste
„Bergdoktor“­Staffel, immer samstags, 19.25 Uhr.
Parallel wird bis Dezember die neunte Staffel
des „Bergdoktors“ gedreht. Voraussichtlicher
Sendetermin: Anfang 2016. www.zdf.de
Eine Bildergalerie mit weiteren Fotos
zu diesem Artikel finden Sie unter
www.fernweh­aktuell.com/rdw
Gewinnspiel: Wir verlosen drei Exemplare
der neu erschienenen DVD­Komplettbox
mit den Staffeln 1 bis 7 des „Bergdoktors“
(21 DVDs, Wert 80 Euro) plus je ein Autogramm
von Hans Sigl. Beantworten Sie dazu folgende Fra­
ge: Wie lautet das genaue Auto­Kennzeichen des
grünen Mercedes, den der Berg­
doktor in der Serie fährt? Schicken
Sie die Lösung per E­Mail an
[email protected] oder per
Post an Sonntag Aktuell, Stichwort
Bergdoktor, Postfach 10 44 62,
70039 Stuttgart. Einsendeschluss:
7. Juli 2015 (24 Uhr). Der Rechts­
weg ist ausgeschlossen.