Warum ein äthiopischer Arzt in der Schweiz Erfahrung sammelt Als bei einer Koloskopie ein kleiner Wurm (Oxyuris) im Darm der Patientin sichtbar wird, beginnt der sympathische Arzt aus Äthiopien zu lachen und erklärt, dass dies bei seinen Patienten eher die Norm ist. Dr. med. Daniel Arega, Arzt für Innere Medizin, war zum Lernen in der Gastroenterologie im St. Anna bei Dr. med. Nico Wiegand zu Gast. Auch wir haben von ihm gelernt. Dr. med. Daniel Arega Yimaa hat seine ganz besondere Geschichte, wie er dazu kam, dass er für drei Wochen bei Dr. med. Nico Wiegand für einen Wissenstransfer in der modernen Endoskopie in die Lehre ging. Sie fängt 1989 an, als er während seines Medizinstudiums eine Lähmung im rechten Bein bekam. Man konnte nicht herausfinden, was es war, da es in ganz Äthiopien kein MRI gab. Und so kam er in die Schweiz. Eine Lehrer-Schüler-Beziehung brachte den Äthiopier in die Schweiz Prof. Jakob Schneider vom Departement Pathologie der Universität Zürich lehrte dazumal an der medizinischen Fakultät in Äthiopien, in der Daniel Arega Student war. Er nahm Daniel mit nach Zürich, wo ein Tumor im Rücken festgestellt und erfolgreich operiert wurde. Daniel konnte in die Rehabilitation in die Klinik Balgrist gehen. Wieder zurück in Äthiopien war er noch zwei Jahre in Rehabilitation, dennoch beendete er danach sein Studium. 16 Jahre lang war er als Internist in einem staatlichen Spital als HIV-Koordinator tätig, dann gründete er seine eigene Privatpraxis. 2011 kam Daniel dank seinen Kontakten erneut in die Schweiz. Diesmal als Gastarzt in die Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am UniversitätsSpital Zürich zu Prof. Michael Fried, um bei ihm zu lernen, wie man Endoskopien macht. Daniels Ziel war es, in seiner Klinik in Adama eine EndoskopieEinheit aufzubauen. Denn in ganz Äthiopien, mit seinen etwa 97 Millionen Einwohnern, gab es damals nur zwei Spitäler, in denen Endoskopien durchgeführt wurden. Das Land und seine Medizin Äthiopien oder Abessinien –- wie es früher hiess –- wird auch „die Wiege der Menschheit“ genannt: „Lucy“ wurde 1974 im Afar-Dreieck gefunden, dem Skelett wurde ein Alter von 3,2 Millionen Jahre nachgewiesen. Semitische Einwanderer besiedelten bereits 400 Jahre v.Chr. das Land, worauf Königund Kaiserreich folgte. Der Kolonialisierung durch Italien hielt es Stand. Dennoch erfolgte ein Bürgerkrieg um die Provinzen Eritrea und Tigre. Als der Kaiser gestürzt wurde, übernahm eine Militärdiktatur mit sowjetischer Unterstützung die Macht. Die kommunistische Regierung wurde in einem blutigen Bürgerkrieg 1991 gestürzt. Seit sich 1993 Eritrea abspaltete, ist Äthiopien ein Binnenland, aber auch das höchstgelegene Land von Afrika, was ihm auch den Ausdruck das Dach von Afrika verleiht. Interessant sind nicht nur die unglaubliche Flora, Wildnis und Wildtiervorkommen, sondern auch die jahrtausendealten Kulturschätze. Äthiopien hat sich dank seiner frühchristlichen Wurzeln zu einer einmaligen Kultur herausgebildet. Christen und Muslime, die grössten Glaubensgemeinschaften im Land, leben friedlich mit den verschiedensten anderen Religionszugehörigen und Ethnien zusammen. Dank der kommunistischen Vergangenheit wurde das Bildungswesen sehr strukturiert aufgebaut. Europäische Lehrer kamen nach Äthiopien. Dies kam auch der Ausbildung der Mediziner zugute. Bildungssprache ist immer noch Englisch. Trotz gutem medizinischem Ausbildungssystem, das aber nur wenigen Privilegierten vorbehalten ist, sind der Zugang zu und die Qualität der Gesundheitsdienstleistungen für die äthiopische Bevölkerung rudimentär. Die erste Endoskopie-Einheit ausserhalb der Hauptstadt Adis Abeba Mit der Hilfe von PD Dr. med. Christoph Gubler, Leitender Arzt am UniversitätsSpital Zürich, und der Unterstützung von Matthias Angst von der Firma Olympus konnte Daniel 2013 die erste EndoskopieEinheit in seiner Klinik ausserhalb der Hauptstadt eröffnen. Seither hat sich seine Klinik mit dem neuen Service deutlich weiterentwickelt und auch vergrössert (Abb. 1 und 2: Team und bei der Arbeit). Viele Patienten müssen für einen endoskopischen Untersuch nicht mehr den langen und beschwerlichen Weg nach Adis Abeba auf sich nehmen, das ca. 100 km nordwestlich von Adama liegt. Sein Lehrer Dr. med. Nico Wiegand Bei Daniels Gastaufenthalt 2011 in der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am UniversitätsSpital Zürich waren seine engen Supervisoren und Instruktoren Dr. med. Nico Wiegand und PD Dr. med. Christoph Gubler. Der Kontakt zu Nico Wiegand blieb erhalten und Daniel profitiert diesen Juli 2015 erneut von der Erfahrung, dem Wissen und der Ausrüstung der Praxis bei seinem Gastbesuch in der Gastroenterologie St. Anna. Was nimmt Daniel in seine Heimat mit und was nehmen wir von ihm mit Nicht nur die Erfahrung und das Wissen, die er sich durch die Beobachtungen bei den Untersuchen, den Diagnosen und Behandlungen sowie aus den Gesprächen mit Dr. Wiegand aneignen konnte (Abb. 3: Daniel beobachtet Untersuch bei Dr. Wiegand), sind ihm wichtig, auch die technische Unterstützung. Daniel kann gebrauchte Geräte und Instrumente mit nach Hause nehmen, die bei uns zwar ausgedient haben, aber noch längst nicht nutzlos sind. Bereits hat er ein neues Projekt im Auge: Er baut eine Ambulanz auf, damit die blutigen Patienten, kranken Schwangeren und Blinddarmpatienten nicht länger mit ungeeigneten Transportmitteln (vielmals auf Eselskarren) oder sogar zu Fuss in seine Klinik kommen müssen. Daniel empfindet eine ausgesprochene Dankbarkeit und Wertschätzung für seine Lehrer und die Hilfe, die er von den Schweizern erhalten hat. Wir können uns ein Beispiel nehmen an dieser Wertschätzung, an Daniels Willen, für seine Leute Neues und Modernes einzuführen, wie auch an seinem ungebremsten Enthusiasmus immer weiter zu gehen. Und vielleicht lernen wir von ihm auch, dass es Wichtigeres gibt, als jedes Würmchen zu tilgen. WEITERE INFORMATIONEN Abb. 1: Das Team von Daniel in Äthiopien Abb. 2: Daniel bei der Arbeit in Äthiopien Abb. 3: Beobachtung eines Untersuchs von Dr. med. N. Wiegand Autor: Dr. med. Nico Wiegand Facharzt Gastro- enterologie und Innere Medizin, Leiter Gastroenterologie St. Anna Hirslanden Klinik St. Anna St. Anna-Strasse 32 6006 Luzern T +41 41 208 31 41 F +41 41 208 31 42 E-Mail [email protected] Zur Online Visitenkarte
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