Pension: Gefährliche „Schwedenbomben“

Pension: Gefährliche
„Schwedenbomben“
Akademisierung führt
nur in die Sackgasse
Es ist eine provokante These,
die der deutsche Philosoph
Julian Nida-Rümelin vertritt:
Der
„Akademsisierungswahn“ – auch Titel seines
Bestsellers – produziert „zu
viele Bildungsverlierer“. Im
Saal der AK Vorarlberg wird
er am 8. März 2016 ab 19 Uhr
seine Thesen untermauern
und sich der Diskussion stellen. Der Eintritt ist frei.
Nida-Rümelins eindringliche
Warnung: Laut Studien ist
bis 2030 in Deutschland mit
einer Lücke von über vier
Millionen
nichtakademischen Fachkräften zu
rechnen. Wo sollen die herkommen, wenn bald jeder
studiert und sich „keiner
mehr die Finger schmutzig
machen will“? Der Trend zu
immer mehr Hochschulbildung geringschätze „das
Handwerkliche, das Technische, aber auch das Soziale,
das Ethische, das Ästhetische“, sagt Nida-Rümelin.
Nida-Rümelin war u. a. SPDFoto: Rümelin
Minister.
Der frühere deutsche Minister lehrt an der Universität
München Philosophie und
politische Theorie.
Vortrag
Anmeldung bis spätestens
Mittwoch, 2. März 2016 unter gabriela.pietsch-veit@
ak-vorarlberg.at oder Telefon 050/258-4026 – der Eintritt ist frei.
Wird die Zukunft unserer Gesellschaft nur an den Unis geFoto: Fotolia
schrieben? Nida-Rümelin sagt: „Nein“. Stark für Sie.
AK Vorarlberg
Am Montag wollen ÖVP und
SPÖ ihre Pläne zur Pensionsreform präsentieren. Viele würden am liebsten aufs schwedische System umrüsten. Aber
das geht gar nicht. Und das ist
auch gut so.
Die berühmte Schwedenbombe ist seit 1930 in aller Munde.
Sie offenbart bei beherztem
Biss in das robuste Äußere …
nur Schaum. Und etwas Schokolade. Das schwedische Pensionsmodell erweist sich bei
näherer Betrachtung als ungleich schwerere Kost. Im Vorfeld des Pensionsgipfels der
Bundesregierung lohnt sich
der Blick nach Norden allemal.
Auch Betriebe müssen zahlen
In Schweden umfasst die öffentliche Alterssicherung seit
der großen Reform in den
1990er-Jahren Einkommenspension, Prämienpension,
verpflichtende betriebliche
Pensionskassen und die Garantiepension, die unserer
Ausgleichszulage entspricht.
Die Einkommenspension wird
im Umlageverfahren finanziert. Die Prämienpension basiert auf Kapitaldeckung.
So viel später in Pension?
Das gesetzliche Regelpensionsalter liegt bei 65 Jahren.
Laut Statistikbehörde Eurostat gehen Schweden tatsächlich mit durchschnittlich 64,3
Jahren in Pension. Allerdings
fehlen in der Statistik die Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspensionen. Bei gleichem
Maßstab liegt das durchschnittliche österreichische
Pensionsantrittsalter (Männer 63,2 und Frauen 59,7 Jahre)
gar nicht so weit daneben.
In Schweden werden tatsächlich deutlich mehr ältere Arbeitnehmer beschäftigt. Und
das lässt sich gut durch den
strengen Kündigungsschutz
und die Bereitschaft der
schwedischen Arbeitgeber erklären, passende Arbeitsplätze anzubieten.
Vor allem die schwedische
Einkommenspension mit ihren „Beitragskonten“ und der
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Und wo ist sie jetzt, die große Reform? Der Pensionsgipfel am Montag lässt keinen großen Wurf erFoto: Fotolia
warten. Der Ruf nach dem schwedischen Modell verhallt zurecht unerhört.
Rainer
Keckeis
Direktor der
AK Vorarlberg
Der Ruf nach dem
schwedischen System
zeugt nur von geringer
Sachkenntnis. Österreichs Pensionssystem
muss anders reformiert
werden.
tierten Finanzbarkeit ohne
„Bundesbeitrag“ wecken hierzulande Begehrlichkeiten.
Aber stimmt das auch?
Riesige Pensionsfonds
Anders als bei den österreichischen „Leistungskonten“ werden auf schwedischen „Beitragskonten“ während der Erwerbsphase
nur
die
einbezahlten Beiträge, nicht
aber erworbene Leistungsansprüche ausgewiesen. Zum
Zeitpunkt des Pensionsantritts
werden die Beiträge inklusive
der fiktiv verrechneten Zinsen
in eine Pension umgerechnet.
Und wenn nun z. B. Konjunktureinbrüche Einnahmenrückgänge verursachen? Dann
greift das System auf riesige
öffentliche Pensionsfonds zurück. 2011 waren in diesen
Fonds 134 Milliarden US-Dollar
veranlagt. Österreich hat solche Ausgleichsfonds schlichtweg nicht.
Private Fonds unsicher
Für die schwedische Prämienpension können die Versicherten zwar zwischen 850
privaten Fonds wählen. Aber
spätestens nach der Finanzkrise 2008/2009 hat das Interesse an dieser Alterssicherung
nachgelassen. 2015 nützten
nur noch 1,5 Prozent aller Neueintritte die Möglichkeit zur
Fondswahl.
Unternehmerbeiträge höher
Und schließlich die Betriebspensionen. Die gibt es in Österreich nur auf freiwilliger Basis.
Das „schwedische Modell“ bezieht fast flächendeckend alle
Arbeitnehmer verpflichtend in
kollektivvertraglich geregelte
Betriebspensionssysteme ein.
Die Unternehmerbeiträge sind
in Summe weit höher als in Österreich.
Fazit: Laut OECD hat die
schwedische Regierung seit
der großen Wirtschaftskrise
schon fünf mal durch Steuerreduktionen auf Pensionszahlungen eingreifen müssen.
Insgesamt hat Schweden sein
Pensionssystem zwischen
2003 und 2013 zwölf mal anpassen müssen.
Video-Interview
Die Reformideen der AK
Vorarlberg erläutert Dir.
Rainer Keckeis im Videointerview: www.ak-vorarlberg.at
Beitragssätze in Schweden (2013)
Einkommenspension
Prämienpension
16,0 %
2,5 %
Invaliditätspension
ca. 2,5 %
(geschätzter Finanzierungsanteil in der Krankenversicherung)
Hinterbliebenenpension
1,17 %
Betriebspension
4,50 %
(für Einkommensbestandteile innerhalb der Höchstbeitragsgrundlage zur Einkommens- und Prämienpension)
In Summe liegen die von den Arbeitslöhnen zu zahlenden Pensionsbeiträge in Schweden bei fast 27 %. In Österreich liegt der
Beitragssatz zu den ASVG-Pensionen – seit 1988 unverändert –
bei 22,8 %. Die Arbeitgeberbeiträge sind in Schweden nicht mit
der Höchstbemessungsgrundlage begrenzt.