1 Psychosomatisch-Psychotherapeutische Praxis Leonberg Cornelius Sipple, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Liststraße 1/2, 71229 Leonberg, Tel.: 07152 335224, Fax.: 07152 507613, Email: [email protected] ___________________________________________________________________________ Verhaltenstherapie in meiner Praxis – worauf es dabei ankommt… Die Bearbeitung ihrer Symptome und die Anwendung von Behandlungstechniken kann eventuell etwas zu wenig Zeit und Raum lassen dafür, ihnen ausführlich genug mitgeteilt zu haben, worauf es allgemein bei einer Verhaltenstherapie ankommt. Da sie aufgrund ihrer Mitwirkungspflicht in einer Kassentherapie eventuell später in der Lage sein sollten, einen schriftlichen Bericht zu erstellen darüber, was sie hier nicht nur verstanden, sondern auch gelernt haben, habe ich dieses Skript erstellt. Verhaltenstherapie betont Lernprozesse! Es kommt darauf an, welches neue Verhalten sie durch die Therapie lernen (eingeübt haben), bzw. welches Verhalten sie als ungünstig erkannt haben (die Folge negativer Konsequenzen). D. h. dass sie verstanden haben, warum ihr herkömmliches Verhalten (wie z. B. Vermeidungsverhalten) teilweise ungünstig war. Es geht darum, in wie weit sie gelernt haben, ungünstiges Verhalten abzubauen – entgegen der Macht der Gewohnheit. Verhaltenstherapie bezieht sich aber auch auf die mentale Ebene. Dort geht es darum, welches neue, hilfreiche Denken bzw. welche neuen Anschauungen (Perspektiven) sie erlernen, welche ungünstigen Einstellungen (und deren Konsequenzen als Folge) sie bei sich erkennen, welche positiven Einstellungen (Kognitionen) sie sich dagegen zum Ziel setzen und inwieweit sie ihre Einstellungen insofern verändern konnten. Oft geht es aber erst einmal darum, in einer Verhaltenstherapie erkennen und praktizieren gelernt zu haben, wie sie sich beruhigen, entspannen und auch innerlich vom Sog in das Problem hinein, oder aus diesem heraus, gut distanzieren können. Dann geht es durchaus auch darum, wie sie wo genau welche inneren Stärken (Ressourcen) in ihren Problembereichen zum Einsatz bringen können – zu erfahren und zu üben, wie die gezielte Aktivierung ihrer Stärken möglich ist und wie diese dann wirken. Es kommt also darauf an, erlernt zu haben, umzuschalten und dann genauer zu beobachten, was (d. h. verhalten, denken, vorstellen bzw. imaginieren und kommunizieren) wie genau wirkt. 2 Sie sollen sich dabei fragen und erkennen gelernt haben, ob bestimmte Gedanken und bestimmtes Verhalten eine nur kurzfristige Erleichterung bringen und wissen, welche Strategien dagegen eher zu einer langfristig positiven Veränderung führen werden! Und sie sollten insofern neue Strategien ausprobiert und damit Erfahrungen gesammelt und diese reflektiert haben. Am Ende stellt sich also die Frage: wie viel davon haben sie mit welcher hier neu gelernten Selbst-Hilfe wie genau umgesetzt? Das Augenmerk der Verhaltenstherapie liegt also auf „Erkennen und Erlernen von neuen Möglichkeiten der Hilfe zur Selbsthilfe“ – es kommt also sehr darauf an, dass sie lernen zu erkennen, was am Ende eigenes therapeutisches Denken und Handeln ist und einen s. g. „inneren Therapeut“ entwickeln. Was genau lernen sie also hier an hilfreichem Vorgehen? Sie sollen also hilfreiche Perspektiven einnehmen lernen und sich in Situationen, wo es besonders drauf ankommt, gelernt haben, zu entspannen - und gut beobachten, was innerlich und äußerlich als Problem und als und als Lösung genau abläuft. In der Selbstreflexion sollten sie gelernt haben, nach guter Beobachtung ihr Problemschema aus verschiedenen Blickwinkeln zu beschreiben. Manchmal geht es ums genaue Benennen – d. h. Worte gefunden zu haben, da, wo es vorher noch keine Worte gab, wo nur Gefühle waren (= Mentalisierung). Oft geht es darum, das im Problem wiederkehrendes Grundmuster zu erkennen und zu beschreiben. Und darum, erkennen zu lernen, unter welchen (inneren und äußeren) Bedingungen genau dieses Grundthema immer wieder auftritt (= Bedingungsanalyse), bzw. zum ersten mal aufgetreten ist, bzw. einstmals erlernt wurde. Sie sollen somit auch lernen, Zusammenhänge herzustellen. So z. B. zwischen äußeren Reizen und innerer, ungünstiger, z. B. hypersensibler Verarbeitung dieser Reize im Sinne des Problemschema oder Grundthema. Verhaltenstherapie beschreibt das Erlernen von Problemen auch als „Sensibilisierung“ und den Abbau dieser Sensibilität als Desensibilisierung und (Wieder)Gewöhnung an (Auslöse-)Reize (= Habituation), welche zuvor, aufgrund der Sensibilisierung, falsch oder übertrieben negativ bewertet (Problem der Bewertung) wurden (Ziel der Umbewertung). Ziel der Verhaltenstherapie kann daher durchaus auch ein Neubenennen oder Umbenennen (Erkennen und Verändern der Interpretation) von Zusammenhängen sein. In diesem Zusammenhang spielen oft gelernte negative Vorstellungen eine Rolle, häufig in der VT bezeichnet als Katastophenvorstellungen; dies können jedoch auch negativ-eingeprägte, bedrohliche Bilder der Eltern, ect., ect., sein. 3 elfDazu kann es sehr hilfreich sein, auch Zusammenhänge herstellen zu können zwischen früher, z. B. am Vorbild der Eltern (ect.) gelernten Anpassungsleistungen (biografische Prägung) und damit verbundenen emotionalen Reaktionsweisen (z. B. Ängste, Schuldgefühle). Es geht hier weniger darum denken zu lernen: „Weil ich das früher so erfahren habe, bin ich heute so…!“ – denn – wie wirkt diese alleinige Erkenntnis? Langfristig hilfreich und veränderungswirksam??? Es geht viel mehr um den Zusammenhang: „Weil ich das früher so erfahren und gelernt habe, reagiere und denke ich heute so und so und diese Reaktion ist aus folgenden Gründen (x, y, z) heute ziemlich überholt…, denn ich bin heute ein erwachsener Mensch und habe mehr Wahlmöglichkeiten, bin im Grunde nicht so abhängig, wie als Kind – usw.! Vielmehr und infolgedessen möchte ich heute als erwachsener Mensch mehr und mehr lernen so und so (a, b, c) zu denken und zu handeln…!“ Dazu kann es auch hilfreich sein gelernt zu haben, so genannte Situationsanalysen oder Verhaltensanalysen zu machen: Welche Merkmale einer Situation lösen das Problem bei mir aus (Reize, Trigger)? Aus welchen in mir gelagerten Gründen reagiere ich genau so auf diese Reize? Welches gelernte Schema wir dann ausgelöst und wie läuft dieses im Denken, im Körper, in den Gefühlen und im Handeln ab (= Bedingungsanalyse, Kausalkette, Teufelskreisläufe)? Zu welchen negativen Konsequenzen führt dann das reine Ausleben dieses Problemschemas? Was genau habe ich andererseits davon und was verstärkt damit die Gewohnheit dieses Schemas (Verstärker, Belohnungslernen). Wofür genau lohnt es sich, entgegen der Gewohnheit Veränderungen anzustreben (Verstärker, Belohnungslernen)? Daher ist eine Zielanalyse wichtig: wie möchte ich in Zukunft in dieser Situation dagegen lieber denken, fühlen, handeln? Also kommt es in der VT darauf an, die richtigen Zielvorstellungen für sich selbst in Bezug auf den Umgang mit schwierigen Situationen entwickelt zu haben und mit der Umsetzung dahingehend Erfahrungen gesammelt zu haben und diese Erfahrungen gemeinsam mit dem Therapeuten reflektiert zu haben. Somit eine Verbesserung der Umsetzung erreicht zu haben. Was genau sind also meine therapeutischen Lernziele? 4 Ein therapeutisches Lernziel ist nicht „Ich will erreichen, dass es mir besser geht...!“ „Ich möchte die Angst loswerden…!“ ist z. B. auch kein therapeutisches Lernziel! „Ich möchte lernen, wie ich mich meinen Ängsten besser stellen und mit ihnen so umgehen kann, dass sie nachlassen…!“ – ist dagegen ein verhaltenstherapeutisches Lernziel. Der Verhaltenstherapie kommt es also nicht auf den z. B. typischen Wunsch „Ich möchte dieses x, y, z loswerden…!“ an – diese Einstellung ist meist eher hinderlich und setzt unter Erwartungsdruck, verschlimmert das Problem und die Hilflosigkeit damit. Nein, es gehr primär um das Ziel, mit y, x, oder z besser umgehen zu lernen! Dabei kann erwartet werden, dass das Problem in seiner Aufladung geringer, in seiner Bedeutung anders und im Sinne der Belastung, die es darstellt, geringer wird und manchmal auch ganz verschwindet. In der Verhaltenstherapie kommt es darauf an, dass sie hier etwas mitnehmen, was sie in diesem Sinne alleine und selbst an sich bewirken können, wenn das Problem wieder auftaucht. Achten sie bitte auch ganz genau darauf, wie sie die hier zum Einsatz kommenden Verarbeitungstechniken für sich selbst auf einfache Weise nutzen können, d. h., wie diese in der Selbstanwendung funktionieren. Aufarbeitungstechniken oder Verarbeitungstechniken verwende ich sehr gerne. Diese sind weniger zum akuten Einsatz im Umgang mit der Problemsituation geeignet, jedoch in der Vor- und Nachbereitung. Noch etwas: Therapeuten beobachten in Problemzusammenhängen häufig die so genannte „erlernte Hilflosigkeit“ – das ist die Überzeugung, dass nur andere helfen können, ja, einem sogar retten müssen – und ich selbst gar nichts tun kann, außer aushalten, klagen – Hilfsapelle an die Mitmenschen aussenden. Diese Einstellung schafft Abhängigkeiten, verstärkt sie oder erhält sie aufrecht und verfestigt ihre Probleme. Sie sollte klar erkannt und niemals auf den Therapeuten oder die Behandlung projiziert bleiben. Welche Möglichkeiten habe ich also kennen gelernt, meine Problemschemata günstig zu beeinflussen oder gar zu durchbrechen (z. B. hilfreiche Imaginationen, Sätze, bewusste Aufmerksamkeitslenkung, neutrales Beobachten, Einbringen meiner Stärken) so, dass ich anders durch die Problemsituation komme, stolz sein kann, dass ich Schwieriges anders gemeistert habe, mit dem Ziel, dass es mir hier um den langfristigen Aufbau eines reiferen, realistischeren Verhaltens und Denkens geht. Was habe ich dann vom neuen Denken und Verhalten und was verstärkt die neue, erwünschte Gewohnheit (Verstärker, Belohnungslernen – wie belohne ich mich, wenn ich etwas therapeutisch Schwieriges geschafft habe). 5 Und - lerne ich hier auch, worauf es bezüglich einer optimaleren Gestaltung meiner Beziehungen therapeutisch ankommt (Kommunikationsstrategien - oder – „Wie sage ich es...?“ Lerne ich, wie ich was besser sagen und ausdrücken auch erreichen oder nur akzeptieren kann. Wie ich in besseren in Kontakt mit jemanden komme? Selbstverständlich auch in der Beziehung zu mir selbst!
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