Auch der Berg spürt den Sturm

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Auch der Berg spürt den Sturm
MÜNCHWILEN Die dreifache Mutter Yvonne Bommer hat gelernt, mit Stress umzugehen – jetzt will sie ihr Wissen anderen weitergeben
Dass Stress einen in die Knie
zwingen kann, erfuhr Yvonne
Bommer besonders im Familienalltag. Heute kann sie auf
ein Werkzeug zurückgreifen,
welches ihr hilft, aus stressigen Situationen herauszukommen. Als die Ruhe selbst
bezeichnet sie sich bis heute
nicht – was, wie sie sagt, auch
völlig in Ordnung ist.
Yvonne Bommer ist ursprünglich
Lehrerin und Mitglied der Schulbehörde in Münchwilen. Sie hat
drei Kinder. Das Jüngste hat eine
unbekannte Behinderung. «Bevor
das Kind in die heilpädagogische
Schule eintrat, erforderte dessen
Betreuung viel Kraft. «Das Kind
brauchte eine stete 1:1-Betreuung, da es Gefahren nicht einschätzen konnte und Grenzen aufgrund seiner Wahrnehmungsstörung nicht verstehen, geschweige
denn einhalten konnte», erzählt
Yvonne Bommer. «Es war normal,
dass in unserem Haus nichts herum liegen durfte. Bekam es zufällig einen Gegenstand wie eine CD
oder ein Vase in die Hand, ging dieser kaputt. Lag ein Stift herum, waren in Kürze Tisch oder Wand bemalt.» Diese Situation verursachte
einen erhöhten, kaum bemerkbaren Dauerstresszustand.
Konzentration auf die Atmung
Yvonne Bommer musste einen Weg
finden, um Ruhe zu bewahren.
«Wenn der Stress nie abreisst und
zur Routine wird, kann das böse
Folgen haben», weiss sie heute. Sie
nahm sich vor, jeden Tag am Mor-
Stressbewältigung
durch Achtsamkeit
Bild: Katja Fässler
Yvonne Bommer weiss, dass Gelassenheit auch davon zeugt zu akzeptieren, dass
man nicht immer gelassen sein kann.
gen 30 Minuten nur für sich selbst
einzuräumen. Diese Zeit widmet sie
entweder leichten Körperübungen
oder geht «in die Stille» – eine Art
Meditation. Sie erklärt ihr Vorgehen an einem Beispiel: «Ich konzentriere mich nur auf meine Atmung, jeder Atemzug wird gezählt. Wenn ein Gefühl, ein Gedanke oder ein Geräusch mich ablenkt, beschimpfe ich mich nicht,
sondern gebe mir liebevoll die An-
weisung, den Fokus wieder auf die
Atmung zu legen.» Dies ist nur einer der kleinen Tricks zur Stressbewältigung, die Yvonne Bommer
im
MBSR-Trainingsprogramm
(Mindfulness-Based Stress Reduction) erlernt hat. «Nicht jeder
hat Zeit, zweimal die Woche 90 Minuten Yoga zu machen», so Yvonne
Bommer. «Eine gute Alternative ist,
sich fünf Minuten, dafür aber jeden Tag, Zeit zu nehmen.» Damit
Wohnen im «Tannzapfenland»
MÜNCHWILEN Im Alterszentrum startete der Bau für die geschützte Wohngruppe
Das Regionale Alterszentrum
Tannzapfenland steckt mitten
in der Ausführung der ersten
von drei Bauetappen. Bis 2020
soll das ganze Projekt fertiggestellt werden.
Mitten auf der Baustelle spielt Musik. Die Gruppe mit dem passenden Namen Trio Tannzapfenland
unterstützt die Grundsteinlegung.
Eine Kassette wird sinnbildlich im
Boden der neuen Wohngruppe einzementiert. Das gesamte Bauvorhaben soll in fünf Jahren beendet
werden, der erste Meilenstein wurde hingegen bereits 2012 gelegt.
Projekt in drei Etappen
Es ist das grösste Bauprojekt seit
der Eröffnung 1975. Das fünfjährige Bauprojekt soll 2020 abgeschlossen werden. In einer ersten
Etappe werden eine Tiefgarage und
eine zusätzliche Wohngruppe gebaut. Dadurch soll es neu drei geschützte Wohngruppen in der Demenzabteilung
geben.
Durch
Grundwasser wurde der Start dieser Etappe verzögert, weshalb sie
auch erst im Spätherbst 2016 fertiggestellt sein wird. Allerdings seien die Etappen zwei und drei nicht
von der Verzögerung betroffen, so
Peter Büchi, Präsident der Bau-
kommission. Der Ostflügel des Alterszentrums soll dann in der zweiten Etappe umgebaut werden. Dadurch kann der Verwaltung und
dem Personal mehr Platz eingeräumt werden. In der dritten und
letzten Etappe geht es dann um das
Erstellen von zusätzlichen 17 Alterswohnungen.
Alles selbst bezahlt
Die Kosten von 18,7 Millionen
Franken übernimmt die Genossenschaft Tannzapfenland komplett. Peter Büchi, damals noch
Verwaltungsratspräsident, konnte
dies an der Generalversammlung
2014 bewilligen lassen. Büchi hofft,
dass der Neubau zu einer «Hilfe und
Erleichterung für Bewohner und
Bewohnerinnen in speziellen Lebenssituationen» wird. Ausserdem
danke er dem Verwaltungsrat, der
die Vision unterstützt hat und allen Mitarbeitenden für die Zusammenarbeit. Dies sagte er in seiner Rede bei der Grundsteinlegung. Der Grundstein selbst wurde jedoch noch nicht eingemauert, man solle den Rohrschacher
Sandstein schliesslich am Schluss
sehen können, so Büchi.
pas
Bild: Pascal Scheiwiler
V.l.n.r.: Othmar Häne, Präsident Verwaltungsrat, Peter Büchi, Präsident
Baukommission und Renate Merk, Zentrumsleitung zementieren die Kassette ein.
Der achtwöchige MBSR-Kurs
(Mindful-Based Stress Reduction) wurde von Prof. Dr. KabatZinn an der Universität in Massachusettes entwickelt. Ziel des
Trainingsprogramms ist die
Achtsamkeit zum eigenen Körper zu schulen und somit Stress
zu reduzieren. In den USA
kommt das Programm seit 1979
in über 250 Kliniken und Gesundheitszentren angewendet.
In Europa stiess das Stressreduktionstraining vor zehn Jahren auf Anklang. Yvonne Bommer führt den Kurs im August/September im Mediationszentrum des Klosters Fischingens durch. Weitere Kursdaten
finden zwischen Oktober und
Dezember in der Villa Sutter in
Münchwilen statt. Detaillierte
Informationen erhalten Interessierte direkt bei der Kursleiterin unter der E-Mail-Adresse
[email protected]. kat/pd
seien aber nicht Fernsehen oder
andere Formen des Konsums gemeint. «Wer unter Dauerstress
steht, muss lernen, sich selbst und
seine Handlungsweisen zu verstehen.»
Jeder Mensch habe einen Autopiloten, der im alltäglichen Leben
hilfreich sein kann wie etwa beim
Autofahren. Doch müsse das Kommando von Zeit zu Zeit manuell
übernommen werden. Yvonne
Bommer ist von der Art der Stressbewältigung so überzeugt, dass sie
selbst eine Weiterbildung zur
MBSR-Lehrerin absolvierte. Nun
wird sie das Erlernte in Form von
Kursen an Stressgeplagte weitergeben (siehe Kasten). Sie betont
aber: «Ich kann lediglich Präventionsarbeit leisten. Ist jemand
ernsthaft erkrankt, beispielsweise
an Burnout, muss er ärztlich behandelt werden.» Mit ein wenig
Disziplin kann die Kunst der Achtsamkeit, wie sie es auch nennt, jedoch erlernt werden. Dies zur Vorbeugung, dass es überhaupt nicht
erst so weit kommt. «Es mag für
die einen esoterisch klingen, doch
sind die Erfolge durch das Training absolut handfest und wissenschaftlich erwiesen», sagt sie.
Akzeptanz und Standhaftigkeit
Als Beispiel wie das Training bei ihr
wirkt, benutzt Yvonne Bommer
metaphorisch das Bild eines Berges: «Ein Berg bleibt stabil auch
wenn sich die Wetterlage ständig
ändert. Mal stürmt es, ein anderes
Mal scheint die Sonne.» Dieses Bild
könne helfen, sich aus einer Verstrickung in Gedankenketten zu
lösen, indem bewusst eine Distanz
zur automatischen Reaktion geschaffen wird. Dies gebe mehr Freiraum in einer Problemlösung.
Yvonne Bommer kann auch heute
nicht behaupten, die Ruhe selbst
zu sein. Und das sei auch nicht nötig. «Gefühle, die positiven und negativen, sind ein Zeichen von Lebendigkeit. Wir dürfen sie nicht
komplett unterbinden.»
Katja Fässler
Schild holt Weltrekord
REGION Steve Schild macht die meisten Bocksprünge
Steve Schild darf sich zwar
noch nicht als Gewinner der
Mars-One-Challenge bezeichnen – den Weltrekord im
Bockspringen hat er aber mit
1653 Sprüngen in einer Stunde
geknackt.
Es war eine spontane Anfrage vom
RID (Rekord-Institut für Deutschland) an Steve Schild und seinen
Kollegen Sebastian Astelbauer aus
Österreich: Sie sollten im Rahmen
der ARD Sendung «Immer wieder
sonntags» den Weltrekord im
Bockspringen brechen. «Zuvor
hatten wir das noch nie gemacht»,
sagt Steve Schild. Durch sein Training für Mars-One ist der 30-Jährige jedoch körperlich fitter denn
je. Zusammen mit Astelbauer hat
Schild bereits im Herbst 2011 den
Ausdauerrekord im Erding geholt,
bei dem ihr Team insgesamt 350 Kilometer auf einer Wasserrutsche
zurücklegt hat. Die Herausforderung im Bockspringen hat von den
beiden Rekordbrechern alles abverlangt. Bei schweisstreibenden
30 Grad nahmen sie am 28. Juni
die Challenge vor dem ARD-Publikum in Rust auf. Eine Stunde
mussten die beiden Bockspringen,
und zwar so, dass ungefähr alle drei
Sekunden ein Sprung ausgeführt
wurde. Nur so konnte die bisheri-
Bild: z.V.g.
Weltrekordbrecher Sebastian Astelbauer (links) und Steve Schild (mitte).
ge Rekordmarke von 1344 Sprüngen geknackt werden. Die beiden
Weltrekordjäger gaben sich keine
Blösse und sprangen 1653 Bocksprünge. «Das war hart, aber das
anfeuernde Publikum half uns
durchzuhalten», freut sich Schild.
«Die Schenkel tun dafür jetzt ganz
schön weh», fügt er lachend an. Viel
Zeit zum Ausruhen bleibt aber
nicht: am 25. Juli findet im Kanton Schwyz eine 24-StundenChallenge statt, für die das RID
Steve Schild und seinen Kollegen
ebenfalls angefragt hat. Worum es
dabei geht, wissen die beiden noch
nicht. Was Mars-One angeht, gibt
es laut Schild noch keine Neuigkeiten.
kat