Formhärten: Prüfverfahren spürt Fehler am Bauteil auf

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Formhärten: Prüfverfahren spürt Fehler am Bauteil auf
Auf einen Blick
Zerstörungsfreie
Prüfverfahren zur
Bauteilkontrolle
Anwendung beim
Warmumformverfahren
Presshärten
Automatische Erkennung
von Fehlern im
Produktionsprozess
Ermittlung der
Einflussparameter auf die
Rissbildung
Erhöhung der
Prozesssicherheit
08. 2016
IFUM/IZFP | Beim Formhärten von Karosseriebauteilen kommt es
gelegentlich zu Rissen. Bisher fehlt es an Prüftechniken, um fehlerhafte
Bauteile frühzeitig zu erkennen. Ingenieure des IFUM und des IZFP
arbeiten derzeit an geeigneten Verfahren und an Strategien zur
Rissvermeidung.
Leichter, komplexer, steifer, sicherer und kostengünstiger – das ist die Leitlinie
für viele Karosseriekomponenten in der Automobilindustrie. Die Hersteller
setzen zunehmend auf Stahlwerkstoffe mit hohen Festigkeiten bei gleichzeitig
immer geringerer Blechdicke.
Hochfeste Strukturbauteile wie beispielsweise A- und B-Säulen werden mittels
Formhärten hergestellt, auch Presshärten genannt. Bei diesem
Warmumformverfahren werden industriell derzeit fast ausschließlich ManganBor-Stähle eingesetzt, die vor der Umformung im Ofen erwärmt werden.
Während des Umformprozesses wird der Werkstoff schnell abgekühlt –
dadurch kommt es zu Phasenumwandlungsvorgängen auf Werkstoffebene
und die Festigkeit des Werkstoffs steigt erheblich.
Fertigung am Limit
Heute erfolgt die Herstellung von Blechbauteilen an den Prozessgrenzen, um
die Werkstoffeigenschaften so gut wie möglich auszureizen. Schon kleine
Schwankungen der Temperatur oder der Materialzusammensetzung können
deshalb dazu führen, dass im Formhärteprozess sporadisch Reißer und
Einschnürungen entstehen (siehe Bild 2) – dieses Problem ist auch den
Automobilherstellern bestens bekannt. Da es zurzeit kein automatisches
Prüfverfahren gibt, können fehlerhafte Bauteile in die Endmontage gelangen.
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Für das Unternehmen können diese Fehler enorme Kosten verursachen,
insbesondere wenn das defekte Bauteil erst spät erkannt wird.
Im Vergleich zu anderen Umformverfahren ist das Formhärten recht
kostenintensiv, weil komplexere Umformwerkzeuge mit Wasserkühlung
erforderlich sind und die Bauteile vorher erwärmt werden müssen. An der
Steigerung der Produktivität und Wirtschaftlichkeit bei gleichzeitiger Fertigung
hochqualitativer, fehlerloser Bauteile hat die Industrie daher großes Interesse.
Um diesem Ziel näher zu kommen, wollen Wissenschaftler des Instituts für
Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) in Zusammenarbeit mit dem
Fraunhofer-Institut für zerstörungsfreie Prüfverfahren (IZFP) ein neuartiges,
zerstörungsfreies Prüfkonzept für formgehärtete Bauteile entwickeln.
Zerstörungsfreie Prüfverfahren als Schlüssel zum Erfolg
Hierbei untersuchen die Forscher verschiedene Verfahren, nämlich aktive und
passive Thermografie, elektromagnetisch erzeugten Ultraschall (EMUS) sowie
die Mikromagnetische Multiparametrische Mikrostruktur- und EigenspannungsAnalyse (3MA).
Aber welches Verfahren ist zielführend? Um das zu klären, testen die Forscher
die Verfahren hinsichtlich Eignung, Genauigkeit und Nachweisgrenzen –
zunächst an simplen, pressgehärteten Platinen mit künstlich eingebrachten
Fehlern. Darauf aufbauend
prüfen sie die Verfahren an realen,
fehlerbehafteten Praxisbauteilen, etwa dem Fußbereich einer B-Säule (siehe
Bild 3). Dort wird ein EMUS-Sensor sowohl auf einem Bauteil ohne Fehler als
auch auf einem Bauteil mit Fehler zur Qualitätskontrolle platziert. Bei dem
fehlerfreien Bauteil (rechts im Bild) läuft die elektromagnetisch erzeugte
Ultraschallwelle ungestört bis zur Bauteilkante und wird dort reflektiert. Ist ein
Fehler im Bauteil vorhanden (links im Bild), wird das Signal bereits am Defekt
reflektiert und es tritt ein sogenanntes Fehlerecho auf.
In einem nächsten Schritt wählen die Wissenschaftler das geeignetste
Verfahren aus, entwerfen ein Konzept zur Integration in einen realen
Umformprozess und bauen einen Versuchsstand zur Verifikation auf. Die
Prüfung der Bauteile erfolgt – je nach Verfahren – bereits während des
Formhärtens oder unmittelbar danach.
Ursachen finden, Fehler vermeiden
Und woher kommen die Bauteilfehler? Auch dieser Frage wollen die
Wissenschaftler auf den Grund gehen. Der Formhärteprozess wird von
deutlich mehr Faktoren beeinflusst als beispielsweise der klassische
Tiefziehprozess. Zu den Einflussgrößen zählen unter anderem die Transferzeit
des heißen Bauteils vom Ofen in die Presse, die Haltezeit des Bauteils im
Ofen sowie die Haltezeit im Werkzeug in der Presse. Durch eine geschickte
Variation dieser Parameter und eine ausgeklügelte Versuchsmatrix ermitteln
die Forscher nicht nur die Ursachen der Rissentstehung – sie leiten hieraus
auch Strategien zur Rissvermeidung ab und leisten damit einen Beitrag zur
Qualitätssteigerung für die industrielle Produktion formgehärteter Bauteile.
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Das neue Prüfverfahren wird also in Zukunft einerseits die Prozesssicherheit
erhöhen und andererseits die Anzahl an fehlerbehafteten Bauteilen
minimieren. Somit können die Hersteller Kosten reduzieren, die
Produktqualität steigern und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Von dem
Prüfkonzept profitieren künftig sowohl kleinere und mittlere Unternehmen als
auch die Großindustrie, sind sich die Forscher sicher – denn der Anteil von
pressgehärteten Bauteilen in der Karosserie nimmt seit Jahren stetig zu.
Förderhinweis
Das industrielle Gemeinschaftsforschung-Vorhaben 18544/N der
Forschungsvereinigung
Europäische
Forschungsgesellschaft
für
Blechverarbeitung (EFB) e.V. wird über die Arbeitsgemeinschaft industrieller
Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programmes zur Förderung
der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen
Bundestages gefördert.
von Kai Wölki
E-Mail: [email protected]
Tel.: (0511) 762-3836
Webseite: www.ifum.uni-hannover.de
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