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Altai: Die ungeöffnete Schatzkammer
Sibiriens
11. August 2014 NIKOLAJ GAWRILOW, FÜR RBTH
Die exotische Kultur der Schamanen, unberührte Natur, eine Vielzahl an UnescoWelterbestätten und die grenzenlose Wildnis des Altai-Gebirges sind der richtige Ort für
alle, die eine unvergleichliche Reise erleben wollen.
Der Altai ist einer der wenigen Orte auf der Welt, wo bis heute eine einzigartige
Volkskunst lebendig ist: das Geschichtenerzählen. Foto: Shutterstock
Der Altai ist eine der ökologisch intaktesten Regionen Russlands und heißt
zu Recht „grüne Apotheke“ oder „Lunge“. Die abgelegenen Gegenden des
Altai bewahrten eine ursprüngliche Natur. Die Naturreservate nehmen
eine Fläche von 20 Prozent des Territoriums der Republik Altai ein. Das
Gebiet hat außerdem 126 Naturdenkmäler zu bieten.
Ein großer Teil der Bergkette des Altai verläuft durch die Republik Altai und
die Region Altai – Verwaltungseinheiten Russlands, die oft miteinander
verwechselt werden. Den Einheimischen gefällt das nicht, deshalb sollte
man sich ein bisschen Mühe geben und sich daran erinnern, dass GornoAltaisk die Hauptstadt und zudem einzige Stadt der etwas südlich
gelegeneren Republik Altai ist. Die Stadt ist ein wichtiger
Verkehrsknotenpunkt. Die Hauptstadt der Region Altai und
der nächste Flughafen, wo Sie wahrscheinlich ankommen
werden, wenn Sie mit dem Flugzeug in den Altai reisen
wollen, ist hingegen Barnaul. Bahnverkehr gibt es hier
nicht, man kann nur über die Luft oder mit dem Auto in
das bergige Land gelangen. Von Barnaul aus muss man
mit dem Bus in die Berge fahren.
Löcher von
Jamal: Die
Pockennarben
des Festlands
Der Altai ist einer der wenigen Orte auf der Welt, wo bis
heute eine einzigartige Volkskunst lebendig ist: das Geschichtenerzählen.
Die Geschichtenerzähler, auf Altaisch die „Kajtischi“, tragen ihre Werke im
sogenannten Kehlgesang vor, begleitet durch das Spiel auf der Topshur,
einem zweisaitigen Musikinstrument. Die Kajtschi singen sowohl
Volkslieder als auch Heldenepen, genannt Kaj. Lassen Sie die Gelegenheit
nicht aus, den Kaj-Sängern zuzuhören, das ist ein sehr beeindruckendes
Schauspiel. Die Aufführung der längsten Kaj-Epen kann sich mehrere Tage
hinziehen.
hinziehen.
Nicholas Roerich – Entdecker des Altai
Als ersten Altai-Touristen kann man den russischen Künstler und
Philosophen Nicholas Roerich bezeichnen, der im Jahr 1926 hierherkam. Im
Dorf Werch-Ujmon (aus dem Altaischen: „zehn Weisheiten“), im Haus des
Einheimischen Wachrom-Atamanow, wo Nicholas Roerich einst sein
Hauptquartier einrichtete, befindet sich heute sein Museum. Warchom
Atamanow wurde in der Sowjetzeit verfolgt und sein Anwesen konnte erst
in den 1990er-Jahren wiedererrichtet werden.
Foto: Shutterstock
Im Dorf Werch-Ujmon leben bis heute die strenggläubigen Kerschaki, die
bereits im 18. Jahrhundert vor Verfolgungen aus der Oblast Nischni
Nowgorod in den Altai geflohen waren. Ihr Name kommt vom Fluss
Kerschenez, der dort entspringt. Die Kerschaki gehörten zu den ersten
russischsprachigen Siedlern in Sibirien, sie führten ein sehr
zurückgezogenes Leben mit strengen religiösen Vorschriften und einer
traditionellen Kultur. Außer ihnen ließen sich in dieser Gegend auch
andere
Siedler nieder, die vor den behördlichen Abgaben geflohen
waren, und bildeten die ethnische Bergbewohner-Gruppe
der Altaischen Kamenschtschiki.
Nach Meinung Roerichs, der die Kultur der Kerschaki
erforschte, befindet sich genau hier, im Tal der Flüsse
Die acht
Buchtarma und Katun, das legendäre Land Belowodje, das
schönsten
slawische Shambhala, „Land der Freiheit“, aus der
Naturreservate
russischen Volksüberlieferung. Nach dem Tod des
Russlands
Philosophen erhielt einer der Altai-Gipfel ihm zu Ehren
seinen Namen. Heute kostet eine Gipfelbesteigung zu Pferd ungefähr 1
000 Rubel (etwa 20 Euro). Viele Touristenstationen im Altai bieten ein- oder
mehrtägige Pferde- und Fußwanderungen an. Langeweile kommt so
garantiert nicht auf.
Der Tschuiski-Trakt
Foto: Shutterstock
Wenn man durch die Bergregion des Altai reist, wird man kaum die
Ferntrasse M52 umgehen können, die auch Tschuiski-Trakt genannt wird.
Die M52 mit einer Länge von 541 Kilometern verläuft durch die gesamte
Bergregion bis zur Grenze der Mongolei. Mit dem Bau der Trasse wurde in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen, fertiggestellt wurde sie
erst Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie ist eine der malerischsten Magistralen
Russlands, wenn nicht der ganzen Welt. Der Tschuiski-Trakt führt nach
Kalbak-Tasch (aus dem Altaischen: „flacher Stein“) – einer ehemaligen
Siedlung am rechten Flussufer des Tschui, voller Runeninschriften. Hier
sind Tausende Felszeichnungen von Skythen, Hunnen und früher
Turkvölker erhalten. Die Felszeichnungen von Kalbak-Tasch hinterlassen
einen starken Eindruck. Bislang sind sie noch allgemein zugänglich, und
die Besichtigung ist kostenlos. Fotografieren ist erlaubt.
Die Pasyryk-Kurgane
Nicholas Roerich schrieb in seinen Tagebüchern, dass der Altai zur Zeit der
Völkerwanderung eine Schlüsselrolle spielte. Er stellte eine Drehscheibe
für eine Vielzahl der über den Kontinent ziehenden Nomadenvölker dar. In
prähistorischer und historischer Hinsicht aber ähnelt der Altai, so Roerich,
einer „bislang ungeöffneten Schatzkammer“. Teil dieses Schatzes sind die
Kurgane aus der Pasyryk-Kultur – Grabhügel skythischer
Stammeshäuptlinge aus dem fünften bis zweiten Jahrhundert vor Christus.
In den Permafrostböden in 2 000 Metern Höhe haben sich die Mumien in
den Gräbern bestens erhalten. Die Körper sind so gut konserviert, dass auf
der Haut selbst komplizierte Zeichnungen zu erkennen sind, weltweit die
ältesten Beispiele für Tätowierungen. Außerdem sind in einzelnen
Kurganen bis zu drei Meter lange Begräbniswagen erhalten und
Textilfunde, darunter der älteste Teppich der Welt. Die meisten der
Fundstücke sind in der Eremitage in Sankt Petersburg ausgestellt.
Der Telezker See
Foto: Shutterstock
Von den Pasyryk-Kurganen ist es ein Katzensprung bis zum Gebirgspass
Katu-Jaryk (aus dem Altaischen: „gefährlicher Ort“) – diese Passstraße
wurde in Rekordzeit gebaut, mit nur drei Bulldozern im Laufe von drei
Sommern. Die Steigung der Berge auf dem Katu-Jaryk erreicht 70 Prozent.
Über den Pass gelangt man auf die Südseite des Telezker Sees, der zum
Bestand der Unesco-Welterbestätte „Goldene Berge des Altai“ gehört.
Der Telezker See ist der Baikal in Miniaturausführung. Auch er hat mehrere
Zuflüsse, aber nur einen Abfluss – den Fluss Bija. Selbst im Sommer
Ratgeber:
Geschäftsreise
nach Moskau
erwärmt sich das Wasser auf nicht mehr als plus zehn Grad
Celcius. Der Telezker See fasst 40 Kubikkilometer
kristallklares Wasser. Mit einer Tiefe von bis zu 325 Metern
ist er einer der 15 tiefsten Seen der Welt. Noch ist der See
vom Massentourismus unberührt, vor allem Freizeitangler
sitzen am Ufer. Die Luft ist rein, Jagen und Angeln ist
erlaubt – abgesehen von den geschützten Bereichen. An
einem einzigen Tag kann der See umrundet werden. Das Altai-Naturreservat, eines der größten in Russland, nimmt fast den
ganzen östlichen Teil der Republik Altai ein. Auf seinem Gebiet gibt es 1
290 Pflanzenarten, 73 Säugetierarten, 300 Vogelarten und 1 190
Gletscherseen.
Anreise in den Altai
Die Republik Altai hat eine verkehrstechnische Besonderheit: Es gibt keinen
Bahnverkehr. Um zum gewünschten Ort zu gelangen, muss man daher zuerst
entweder nach Barnaul, Nowosibirsk oder auch Bijsk reisen. Von dort aus geht
die Reise mit Bus oder Auto weiter. Das Transportunternehmen Altai Transport
zum Beispiel, das über einen eigenen, sehr geländetauglichen PersonenAutotransport verfügt, organisiert die Beförderung von Touristengruppen,
Individualtouristen und Tagesausflüglern aus Gorno-Altaisk, Bijsk, Barnaul,
Nowosibirsk, Tomsk, Omsk, Kemerowo und Nowokusnezk. Alle Rechte vorbehalten