8.3 Differenzieren und Fördern im Mathematikunterricht

Wintersemester 2015/16
Mo, 14-16 Uhr, HS 2
8.3 Differenzieren und Fördern im Mathematikunterricht –
Rechenschwäche/Rechenstörung/Dyskalkulie
V 1 (26.10.) Klärung von Begriffen; Diskussion von Ursachen
V 2 (02.11.)
V 3 (09.11.)
Erklärungsansätze für die Entwicklung von Rechenschwäche
Symptome
V 4 (16.11.)
V 5 (23.11.)
V 6 (30.11.)
Diagnostik – Interview; Fehleranalyse
Diagnostik – Testverfahren
Diagnostik für mathematisch begabte Kinder
01.12.2015 16:15 Uhr Sitzungsraum (blauer Aufgang): Vortrag von Sebastian Wartha zur
Rechenschwäche
V 7 (07.12.)
V 8 (14.12.)
V 9 (21.12.)
V10 (11.01.)
Fördern in Vorschule und Anfangsunterricht
Fördern beim weiteren Rechnen
Förderkonzepte
Fallbeispiele
V11 (18.01.)
V12 (25.01.)
Differenzierte Klassenarbeiten
Spielerische Förderung
V13 (01.02.)
08.02.
Zusammenfassung
Klausur (14-16 Uhr, HS 2, CIV 260)
1
V9 Förderkonzepte
•
•
•
•
1 Förderansatz „BIRTE“
2 Förderansatz DUDEN-Institute
3 Förderansatz Kalkulie
4 Weitere Konzepte
– 4.0 Förderansatz „Matinko“, s. V 8
– 4.1 Förderansatz nach Gaidoschik
– 4.2 Förderansatz nach Kutzer
2
• Förderkonzepte verfolgen als Hauptziele:
– Lösen vom (verfestigten) zählenden Rechnen
– Stellenwertsicherheit
– Grundvorstellungen (von Zahlen, von
Operationen, von Strategien)
3
1 Förderansatz „BIRTE“
Schipper, Wartha, von Schroeders, 2011
s. auch „Rechenproblemen vorbeugen“
von Wartha und Schulz, 2013
4
• Schrittfolgen (Phasen) begleiten die
Entwicklung vom Hantieren mit Material zur
mentalen Repräsentation im Kopf
– (1) Handeln, Material und Sprache
– (2) Material und Sprache
– (3) Material verdeckt und Sprache (Augen zu)
– (4) gänzlich ohne Material (inneres Sprechen;
Automatisieren)
entwickelt in Anlehnung an
Aebli 2006, s. folgende Folie
5
Das Vier-Phasen-Modell
Phase 1
• Konkrete Handlung am Material. Das Kind handelt und versprachlicht diese Handlungen.
Es überträgt Handlung und Handlungsergebnis auf die mathematische Symbolebene.
Phase 2
• Handlungen am sichtbaren Material diktieren. Das Kind beschreibt der Lehrkraft die
Handlungen und beobachtet, wie diese nach seinen Anweisungen durchgeführt werden.
Phase 3
• Handlungen am nicht mehr am sichtbaren Material diktieren. Das Kind beschreibt die
Handlung, die Lehrkraft führt sie aus (hinter einem Sichtschirm).
Phase 4
• Üben und Automatisieren. Das Kind löst Aufgaben des gleichen Typs auf der symbolischen
Ebene. Bei Bedarf soll es an die notwendigen Handlungen denken.
BIRTE 2, S. 113
6
• Rechenstrategien
– Strategie schrittweises Rechnen (einzige
universelle und fortsetzbare Strategie)
• Faktenwissen
– Zerlegungen aller Zahlen bis 10
– Eins-Plus-Eins (im Zehnerraum, Verdoppeln)
vgl. BIRTE 2, 2011
7
Übungen zum Zählen
1) Konkrete Zählhandlungen an Objekten
2) Zählen vorgestellter Gegenstände
3) Zahlenkarten repräsentieren die sichtbaren Plättchen und die
Gesamtzahl: Stelle dir vor, zähle in der Vorstellung, wie viele
Plättchen abgedeckt sind.
4) Solche Zahlzerlegungen können auch als Rechenaufgaben
verstanden werden: 4+5=9, 9-5=4, 9-4=5 (Die Bildung von
Zahlentripeln wird angeregt.)
Quelle: Schipper 2009, S. 359 f.
8
„Zehner-Freunde-Heft“
Auf jeder Vorderseite steht die zu ergänzende
Zahl und auf der Rückseite die Lösung.
Zunächst werden alle Zerlegungen mit 10
trainiert, danach Zerlegungen mit den anderen
Zahlen des Zehnerraumes.
(gut geeignet für die häusliche Übung)
Quelle: Schipper 2009, S. 360
9
Quasi-simultane Zahlauffassung
schnelles Sehen im
Zwanzigerraum
schnelles Sehen im
Hunderterraum
Quelle: Schipper 2009, S. 358
10
Zehnerübergang (!)
1) Darstellen des ersten Summanden
Zahl mit möglichst wenigen
Fingerstreichen einstellen.
6+8
„Zunächst 6 oben,
dann die vier von acht auf der
oberen Stange,
und noch die fehlenden vier auf
der unteren,
6+8=14“
Kurzsprechweise: „6-10-14“
2) Auffüllen des Zehners
3) Den Rest auf der folgenden Stange
darstellen.
Quelle: Schipper 2009, S. 113
11
Zehnerübergang – Ablösen vom Material
Kind mit verbundenen Augen
zu 6+7:
„Erst 6, dann noch 4 bis zur
10. Dann die restlichen 3,
also 13.“
1) Rechenhandlungen am Rechenrahmen- allein und mit einem Partner
2) Beim Lösen den Rechenrahmen nur noch anschauen, nicht mehr
anfassen.
3) Das Kind sieht den Rechenrahmen nicht mehr und diktiert den Weg
dem Partner oder dem Förderer. Das Denken soll weiterhin mit der
vorgestellten Materialhandlung verbunden bleiben.
Quelle: Schipper 2009, S. 114
12
Rechnen im Hunderterraum
• Aufgabentypen: ZE ± E; ZE ± Z; ZE ± ZE
– ZE ± E: am Rechenrahmen wie beim
Zehnerübergang
– ZE ± Z: mit Mehrsystemblöcken (Einsichten)
– ZE ± ZE: in der Vorstellung (nur Phasen 3 und 4;
Begründung)
vgl. BIRTE 2, 2011
13
Quelle: Schipper 2009, S. 361
Übertragen auf den Hunderterraum:
Schrittweise über den Zehner rechnen
1) Handlungen am Rechenrahmen mit kurzer sprachlicher Begleitung
2) Das Kind sieht den Rechenrahmen nicht mehr. Das Förderkind diktiert
der Förderin, welche Handlungen zum Lösen der Aufgabe notwendig
sind.
Hier (ZE + E) bricht das Arbeiten mit dem Rechenrahmen
ab. Für weitere Aufgabentypen im Hunderterraum ist
der Rechenrahmen nicht mehr geeignet.
14
Mit vollen Zehnern rechnen 30 + 26
26 + 30
1) Bei Aufgaben mit vollen Zehnern (ZE+Z) Wege auf der Hundertertafel
mit transparenten Plättchen gehen.
2) Das Kind sieht die Hundertertafel nicht mehr und erklärt der Förderin,
wie sie legen muss.
Quelle: Schipper 2009, S. 362
15
Quelle: Schipper 2009, S. 363
Fortsetzen des Rechnens mit Mehrsystemblöcken
• hier mit der Subtraktion beginnen, da diese mit dem Material mental
leichter nachzuvollziehen ist.
• An diesen Stellen schon hauptsächlich mit der Vorstellung arbeiten – die
Ausgangsmenge legen und dann notieren (Menge evtl. abdecken):
– z. B. gelegt (abgedeckt) und notiert 46: Was geschieht, wenn
• drei Zehner weggenommen werden?
• noch zwei Zehner dazugelegt werden? Wie heißt dann die Zahl?
Wie heißt die dazu passende Rechenaufgabe?
• Ein Zehner und zwei Einer dazukommen?
• Vier Einer dazugelegt werden?
• 8 Einer dazukommen?
• 8 Einer weggelegt werden sollen?
16
Sprache
• Durch die sprachliche Begleitung kann die Handlung
präsent bleiben.
• 37 + 8
– Ausführlich: „Ich stelle zuerst die 37 ein, das sind 3 ganze
Stangen und 7 Einer. Dann schiebe ich 3 Perlen hinzu und
habe 40. Von der 40 ausgehend schiebe ich den
Achterfreund der 3, also die 5 hinzu und erhalte 45.“
– Kurzform: 37, 40, 45
• 65-28
– Ausführlich: Ich stelle mir die 65 vor, nehme erst 20 weg,
dann habe ich noch 45. Jetzt von 45 erst 5 wegnehmen, ist
40 und noch 3 (Achterfreund zu 5) ist 37.
– Kurzformen: 65, 45, 40, 37 (65, 45, 37)
17
In der Bielefelder Betreuungs- und Beratungsstelle: Ablösen
vom Arbeiten mit Material
18
Quelle: FAZ, 7. 04. 2003
• Diskussion des Ansatzes
– Lösen vom (verfestigten) zählenden Rechnen
– Stellenwertsicherheit
– Grundvorstellungen
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2 Förderansatz DUDEN-Institute
Andrea Schulz et al. (Quellen von A.
Schulz, 1995 und W. Stoye, 2010)
20
Integrative Lerntherapie n. Andrea Schulz
(1) Arbeit an der Orientierung
geometrische Übungen; Aufbau des Zahlenraums
(2) Arbeit an Vorstellungen
- Handlungserfahrungen werden an konkreten Materialien gesammelt
- Handlungsschritte werden bildhaft dargestellt (dabei allmähliches Verkürzen,
Auslassen von Handlungsschritten)
- Handlungsschritte werden innerlich ausgeführt (das Material repräsentiert nur
noch den Anfangs- und/oder Endzustand), einzelne Schritte werden
beschrieben
- Die Gesamthandlung wird innerlich ausgeführt, das Material steht nicht mehr
zur Verfügung.
(3) Arbeit am Gedächtnis
- Einprägestrategien werden an Gegenständen, Bildern, Wörtern und schließlich
an mathematischen Inhalten kennen gelernt.
- „Um das Einmaleins dauerhaft zu lernen, ist die Arbeit am Verständnis für die
Multiplikation genauso wichtig wie das Nutzen effektiver Einprägestrategien.“
(4) Arbeit mit dem Umfeld
Integrative Lerntherapie, In: Handbuch
Rechenschwäche, 2009, S. 471
21
Zahlenraumaufbau bis 20
„Die Auswahl und Anordnung des Materials
offenbart eine Struktur, die sowohl für
Zahlvorstellungen als auch für Erkenntnisse im
Zahlenraum genutzt werden kann.“ Schulz, Andrea
in Handbuch Rechenschwäche 2009
22
Zehnerüberschreitung
Beispiel: 8+4
Handlung :
Be- und Entladen von
Autos
8 Würfel ins Haus legen
und 4 Würfel ins Auto.
(1)Die Schritte werden handelnd
ausgeführt. Notiert wird die
Aufgabe und das Ergebnis.
(2) Bei einem nächsten
Abstraktionsschritt wird die
Ausgangszahl zwar noch gelegt,
aber die Handlung nicht mehr
ausgeführt.
(3) Schließlich wird die Aufgabe
ganz in der Vorstellung gelöst und
nur noch dazu gesprochen.
Quelle: Stoye, 2010, Vorstellungen entwickeln beim Mathematiklernen, S. 50
23
Halbschriftliches Rechen ZE+ZE
Beispiel 47+26
Die Lernenden sprechen dazu:
„47 plus 20 sind 67, plus 3 sind 70,
plus 3 sind 73.“
Weitere Schritte zur
Verinnerlichung erfolgen wie auf
der vorigen Folie beschrieben.
Quelle: Stoye, 2010, Vorstellungen entwickeln beim Mathematiklernen, S. 54
24
Folie aus Arithmetik
Zahlenraumaufbau im Millionenraum
Quelle:
Köppen Duden
Thaja beim Darstellen einer mehrstelligen Zahl
25
Folie aus Arithmetik
Bauen des
Millionenwürfels
Quelle: Köppen,
Grundschulunterricht
2/05
26
Josephine baut mit Tausenderwürfeln den
Millionenraum auf.
„Zur weiteren Entwicklung von Vorstellungen werden
viele geometrische Inhalte in die Therapie einbezogen,
zum Beispiel Realisieren geometrischer Figuren durch
Falten, Formen, Tasten, Reißen, Bauen, Legen, Zeichnen.“
vgl. ebenda
27
Folie aus Arithmetik
Hunderterplatten
Tausenderwürfel
Zehntausenderstange
Hunderttausenderplatte
Millionenwürfel
28
Multiplizieren, Dividieren, Kleines Einmaleins
Operationsverständnis
Multiplikation
Automatisieren des Kleinen
Einmaleins
Quelle: Stoye, 2010, Vorstellungen entwickeln beim Mathematiklernen, S. 62
29
Verteilen
Stoye, 2010, Vorstellungen entwickeln beim
Mathematiklernen, S. 63
zu verteilen?
30
Aufteilen
Quelle ebenda, S. 64
31
3 · 208
5 · 13
Operationsverständnis auch bei
größeren Malaufgaben in Kl. 3
und 4 fördern
3 · 1050
32
Arbeitsblätter aus dem
Fördermaterial von DUDEN
Rechenschwäche verhindern
33
Quelle: Arbeitsblätter „Rechenschwäche verhindern, DUDEN-Verlag
34
• Diskussion des Ansatzes
– Lösen vom (verfestigten) zählenden Rechnen
– Stellenwertsicherheit
– Grundvorstellungen
35
3 Förderansatz Kalkulie
Fritz, Ricken, Gerlach (2007): Kalkulie.
Diagnose- und Trainingsprogramm für
rechenschwache Kinder
36
Die drei Förderbausteine von Kalkulie
Abbildung aus der Masterarbeit von
Caroline Bartsch, 2015
37
Förderbaustein 2: Strukturen im Zwanzigerraum
Quelle: ebenda
38
Fördereinheit 2:
Simultane und quasisimultane Mengenerfassung
Ausschnitt: Zahlen und ihre Strukturen
Quelle: ebenda
39
Quelle: ebenda, S. 62
40
4 Weitere Ansätze
4.0 Förderansatz „Matinko“ (s. V8)
(Peter Jansen)
41
4.1 Förderansatz nach Gaidoschik
(Klagenfurt)
Quelle: Michael Gaidoschik.
Rechenschwäche – Dyskalkulie.
(2003)
42
Ausgewählte Schwerpunkte
• Lösen vom Material
• Arbeiten am Stellenwertverständnis
• Bündeln und Entbündeln beim Rechnen
43
Quelle Fotos: M.
Gaidoschik,
Grundschulunterricht
1/2009
Mit geschlossenen
Augen die Struktur
5 und 2 erfassen.
Übung: eine mit Mehrsystemblöcken ungeordnet gelegte Zahl in
Ziffernschreibweise notieren
Das Kind soll selbst überlegen: Ist es die 34 oder
die 43?
Wo schreibe ich die „Zehnerstangen“ hin wo die
„Einerwürfel“?
45
Erarbeiten eines „Stellenbewusstseins“
1. Während einer Übergangszeit zweistellige Zahlen mit
einem „Stellenraster“ schreiben lassen.
2. Zusätzlich mit dem Kind eine „Hilfszahl“
erarbeiten, mit der es sich sicher fühlt (meistens
zwischen 12 und 19). Es sollte bei Problemen
darauf zurückgreifen.
(„zig“ klären)
46
Bündelungsgedanken handelnd erarbeiten
Entbündeln als zwingende Aufgabenstellung (z. B.
von 7 Zehnern 5 Einer wegnehmen)
47
4.2 Förderansatz nach Kutzer
Quelle: Reinhard Kutzer. Mathematik entdecken und
verstehen, Bd. 2. 2003
48
Bündeln und Erarbeiten zweistelliger Zahlen mit dem
Rechenzug (n. Kutzer)
49
Tom hat seine Farbstifte vergessen...
50
Wir lesen Zahlen
51
Rechnen ohne Zehnerüberschreitung
52
Rechnen mit Zehnerüberschreitung
53
• Diskussion des Ansatzes
– Lösen vom (verfestigten) zählenden Rechnen
– Zahlvorstellungen
– Stellenwertsicherheit
54
• Fazit …
55