Handlungsorientiertes Lernen als effiziente Lernform Urs Ryf, Präsident Landw. Berufsbildner Kt. Bern Hans Hofer, Leiter landw. Grundbildung, Inforama 54. IALB-Tagung, Solothurn, 15. Juni 2015 Fachforum 4 Landwirtschaftliche Grundbildung bis 2008 1 Jahr Landwirtschaftsschule 2 Lehrjahre mit 28 Tagen Berufsfachschule ab 2009 3 Lehrjahre, total 180 Tage Unterricht, davon 100 im 3. Lehrjahr 2 Handlungs- / prozessorientierter Lehrplan Der Lehrplan gibt nur noch vor, was die Lernenden können müssen (kompetenzorientiert): …anhand eines Boden- oder Krumenprofils und der Bodenproberesultate die Eignung eines Bodens für den Anbau verschiedener Kulturen und Sorten bestimmen. …eine Ration für die verschiedenen Tierarten und -kategorien zusammenstellen. Weshalb? Grundlagenwissen gibt es immer mehr, es kann nicht alles unterrichtet werden! Lernende fragen: Weshalb muss ich das wissen? 3 Neues Konzept der Lehrmittel Grundlagenwissen bisher Grundlagenwissen neu Handlung Anwendung Physik Anatomie Biologie Chemie Handlung Handlung Handlungsorientierung Stofforientierung: Welcher Stoff ist wichtig? Handlungsorientierung: Welche Handlungen sind wichtig? Und: Welcher Stoff (Fachwissen) gehört dazu, damit die Handlung kompetent ausgeübt werden kann Handlungsorientierung bisher: neu: Fach Handlung Handlung Fachwissen Herausforderungen: - Wie werden diese Handlungen auf die Lehre verteilt? - Welches Fachwissen wird den Handlungen zugeordnet? Wie werden die Handlungen auf die Lehrjahre verteilt? Managementprozesse Betriebskonzept ausarbeiten, kontrollieren, anpassen Konzept Pflanzenproduktion ausarbeiten, kontrollieren .. Prozess Pflanzenproduktion Geschäftsprozesse Komplexität von Handlungen konzeptionelle Handlungen planende Handlungen ausführende Handlungen Boden anhand einer Spatenprobe beurteilen und angepasste Bodenbearbeitungsmassnahmen vorschlagen den Boden für die Aussaat oder die Pflanzung kulturspezifisch vorbereiten Bodenbearbeitungsgeräte fachgerecht einstellen und einsetzen Wissenstiefe Komplexität von Handlungen 3. Lehrjahr 2. Lehrjahr 1. Lehrjahr Umfang des Wissens Komplexität von Handlungen Aufbau der neuen Lehrmittel Kapitelstruktur nach Arbeitsablauf in der Praxis Welches Fachwissen ist nötig? Fachwissen Fachwissen Handlung Handlung Fachwissen Handlung Lehrmittel • Lehrpersonen aus der ganzen Schweiz haben sich daran beteiligt. • Die Auseinandersetzung mit der Frage, welches Fachwissen nötig ist war und ist anspruchsvoll • Da in sehr kurzer Zeit dieser Umbau geschehen musste, sind wir bei einer 80%-Lösung angelangt. • Überarbeitung mit den Unterrichtserfahrungen der letzten Jahre ist ab 2015 geplant 13 Umdenken bei den Lehrpersonen • Die Qualität des Wissens und die Transferfähigkeit in die Praxis ist das Wichtigste, nicht die Menge des Stoffs • Überblick über das Grundlagenwissen ist schwieriger geworden, Überblick über den ganzen Lehrplan / alle Lehrmittel ist nötig. • Die Methodik muss teilweise angepasst werden: - die Handlung steht im Zentrum - gezielt Handlungswissen abholen - Lernende arbeiten selber an Lösungen (Transfer) - tendenzielle Entwicklung vom lehrerzentrierten zum lernendenzentrierten Lernen 14 Methodik Handlung/Situation (Vorwissen abholen) Stofferarbeitung Transfer Zusammenfassung 15 Besonderheit der landw. Grundbildung Die Lernenden absolvieren in der Regel jedes der 3 Lehrjahre auf einem anderen Betrieb. Vorteile: - Vielfältigkeit des Berufes wird erfahren. - Die verschiedenen Arbeitsweisen können verglichen werden. “Sowohl als auch“ - Sozialkompetenz wird gefördert. Nachteile: - Einarbeiten auf dem Betrieb geschieht dreimal. - Schulwechsel Ziele Leistungsziele gemäss Bildungsplan Dort ist festgelegt, was auf dem Lehrbetrieb und was in der Berufsfachschule vermittelt wird. Leistungsziele erreichen durch zusammenbringen von Praxis und Schulwissen Praxis Sie besteht im Wesentlichen aus 4 Teilen • • • • Instruktion Praktische Arbeit Kontrolle Lerndokumentation Instruktion Es ist für den Lehrmeister ein grosser Unterschied, ob der Lernende im ersten, zweiten oder dritten Lehrjahr ist. Welches Wissen bringt er mit? Wie viel Erfahrung bringt er mit? Wie viel Selbständigkeit bringt er mit? Die Instruktion richtet sich auf diese Fragen aus und holt den Lernenden dort ab wo er steht. Bsp: Wie wird ein Pflug richtig eingestellt. Das Schulwissen (falls bereits vorhanden) muss unbedingt mit einbezogen werden, dabei geschehen häufig “Aha-Effekte“ Praktische Arbeit Die praktischen Arbeiten werden vom Lehrmeister am Anfang begleitet. Dabei wird in erster Linie kontrolliert, ob die Instruktionen in die Praxis umgesetzt werden können. Bsp: Erkennt der Lernende die falsche Pflugeinstellung und kann er sie korrigieren. In einem zweiten Schritt führt der Lernende die Arbeit über längere Zeit selbständig aus. So gewinnt er Erfahrung und Sicherheit. Kontrolle Die gemeinsame Kontrolle der Arbeit sowie die Reflexion des Lernenden ist ein sehr wichtiges Element, um effizient Praxis zu vermitteln. Bsp: Wenn das Feld fertig gepflügt ist, Reflektiert der Lernende die Arbeit. Dabei überprüft der Lehrmeister, ob allfällige Fehler erkannt und allenfalls korrigiert wurden. Richtig erkannt und gut korrigiert wird mancher FEHLER zum HELFER Lerndokumentation Hier macht der Lernende eine schriftliche Zusammenfassung der ausgeführten Arbeiten. In diesen Berichten geht es darum die 6 W-Fragen zu beantworten. Wann? – Wer? – Was? – Wo? – Wie? – Warum? Mit der Formulierung der Antworten auf die Wie- und besonders auf die Warum- Fragen, erarbeiten, durchdenken und dokumentieren die Lernenden die entscheidenden Wissens- und Könnensinhalte. Für den Lehrmeister ist der Bericht ein wichtiges Instrument um herauszufinden… Hat er es wirklich verstanden! Bericht 2.LJ Mais silieren Am 4. Oktober wurde ca. eine Hektare der insgesamten drei Hektaren Silomais einsiliert in eine 30 Meter lange Silowurst (80 m3 für die Winterfütterung). Die Restlichen 2 Hektaren wurden am 22. Oktober in Form von Rundballen einsiliert. (Sommerfütterung) Erntezeitpunkt bestimmen Der Optimale Erntezeitpunkt beim Silomais ist wenn der Trockensubstanzgehalt in der ganzen Maispflanze ungefähr 30- 35% beträgt. Die Maiskörner sind dann im Stadium der Teigreife und die Kolben wiesen einen TSGehalt von 50- 60 % auf. Wenn man auf dem Feld schauen will in welchem Stadium der Mais ist kann man dies machen indem man ein Korn nimmt und es probiert mit dem Fingernagel zu zerdrücken. Wenn schliesslich nur noch ein Abdruck des Fingernagels erscheint ist der Mais in der Teigreife, also Erntereif. Wir haben die Probe an mehreren Stellen und auf der ganzen Parzelle verteilt gemacht. Silomais gehört zu den einfach silierbaren Futterpflanzen. Gute Maissilage ist aber dennoch sehr anfällig für Nachgärungen, vor allem wenn zu spät geerntet und ungenügend verdichtet wird. Bericht Die Verursacher dieser Erwärmungen sind vor allem Hefen. Sie haben genügend Sauerstoff wenn zu wenig verdichtet wird was die Gefahr bei zu reifem Mais ist. Der Reifungsprozess von der Maispflanze richtet sich nach dem Saattermin, Sortenwahl, und der Witterung (Temperaturen und Niederschlag).Dadurch ist der Optimale Erntetermin von Jahr zu Jahr unterschiedlich. • Nachgärung Nach dem Öffnen der Silowurst kam es zu einer Nachgärung. Die Verursacher dieser Erwärmung waren vor allem Hefen. Beim Einsilieren vermehren sich die Hefen besonders rasch, indem sie den Sauerstoff und den Pflanzenzucker nutzen. Im Unterschied zu den anderen Mikroorganismen überleben die Hefen auch unter luftdichter abgeschlossener Silage und sauren Bedingungen. Hat sich beim einsilieren eine grosse Hefen Population gebildet kann diese beim Öffnen der Silage Explosionsartig aktiv werden. Der Restzucker und die Milchsäure dienen dann den Hefen als Nahrungsquelle. Durch die Aktivität der Hefen steigt einerseits der pH-Wert, weil die Milchsäure abgebaut wird, und anderseits geht Energie verloren. Wir haben mit einem grösseren Vortrieb (50cm/Tag) und Luprosil die Nachgärung gestoppt. Bericht Nachteile von zu früher und zu später Ernten bei Silomais Optimales Erntestadium (Teigreife, 30-35 % TS) ■ Gute Bedingungen für Milchsäuregärung ■ Keine Bildung von Gärsäften. ■ Gute Verdichtbarkeit. ■ Hoher Energieertrag und hohe Verdaulichkeit. ■ Hoher TS-Verzehr. Probleme zu früher Ernte (unter 30%TS) ■ Kolben sind nicht voll ausgebildet ■ Geringerer Energiegehalt. ■ Ertragseinbussen. ■ Hohe Konservierungsverluste durch Anfall von Gärsäften (Nährstoffausschwemmung) Probleme zu später Ernte (über 35% TS) ■ TS-Gehalt der Restpflanze nimmt stark zu. Dies führt zu schlechter Verdaulichkeit und geringeren Verzehr der Tiere. ■ Weniger gute Verdichtung möglich wegen der harten und sperrigen Stängel. ■ Hoher Keimbesatz von unerwünschten Mikroorganismen (z.B. Schimmelpilze) ■ Erhöhtes Risiko von Fehl –und Nachgärungen. Schnitthöhe Die verschiedenen Teile der Maispflanze weisen einen unterschiedlichen Energiegehalt auf. Die unterste Stängelteile beispielweise hat aufgrund ihres Rohfasergehalts einen tieferen Energiegehalt als die oberen Teile der Maispflanze. Der Energiehalt der Maissilage kann deshalb mit der Variation der Schnitthöhe beeinflusst werden. Ideale Häcksellänge Die Länge der Häcksel richtet sich nach dem Trockensubstanzgehalt der Pflanzen bei der Ernte. ■ Bei optimalem Trockensubstanz-Gehalt 6-8 mm. ■ Bei unreifem Mais oder Entnahme mit einer Silofräse 8-10 mm. ■ Bei überreifem Mais 5-6mm → Längere Häcksel erhöhen hier die Gefahr von Nachgärungen). ■ Häcksellängen unter 5mm sind ungünstig, da die Struktur der Silage negativ beeinflusst wird. Der Häcksler muss gut eingestellt und die Messer einwandfrei geschliffen sein, damit auch Blätter und Lieschen exakt und sauber geschnitten werden. Damit die Tiere die Maissilage gerne Fressen und vor allem gut verdauen können, ist es wichtig, dass die Körner zerschlagen sind. Denn somit ist die Oberfläche grosser und die Verdauungsäffte können ihre Arbeit besser erledigen. Ganze Körner werden nicht verdaut und kommen auch wieder ganz aus der Kuh, die Kuh kann somit die Energie nicht aufnehmen. Bericht • Gärung • • • • Zucker der in der Pflanze vorhanden ist. Milchsäurebakterien nehmen Zucker auf und geben Milchsäure ab. Dadurch wird der pH-Wert unter 4,5 sinken. Die Silage ist Lagerstabil. Unter diesen sauren Bedingungen sterben die Buttersäuren Bakterien ab Zusammenarbeit Fast alle Lehrbetriebe sind typische Familienbetriebe. Das bedeutet, dass Arbeitszeit und Ausbildungszeit parallel laufen. Auf diese Weise wird der Lernende von Anfang an in reale Arbeitsabläufe integriert und lernt, effizient und verantwortungsvoll seine Aufgaben zu erledigen. Damit das Handlungswissen der Schule mit der Arbeit in der Praxis übereinstimmt, braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrbetrieb und Schule. An dieser Zusammenarbeit müssen beide Seiten arbeiten. Auf diese Weise wird die handlungsorientierte Ausbildung erfolgreich sein und kompetente Berufsleute hervorbringen.
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