Mehr Informationen und Neuigkeiten unter www.koelner-fluechtlingsrat.de Flüchtlingspolitische Nachrichten Dezember 2015 Wir trauern um Kurt Holl „Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, verstarb der Motor, Mentor und Menschenrechtler Kurt Holl im Alter von 77 Jahren. Geboren 1938 wurde er 1956 durch den Aufstand in Ungarn politisiert und machte bis zu seinem Lebensende die Auseinandersetzung mit Ungerechtigkeiten und gesellschaftlichen Missständen zu seinem Lebensinhalt, mit dem Ziel, die Verhältnisse grundlegend zu verändern. Er kämpfte z.B. gegen den Krieg in Vietnam, für verbesserte Rechte der mit Pflichtarbeit belegten Sozialhilfeempfänger, für den Erhalt von Wohnungen türkischer ‚Gastarbeiter‘, den Erhalt des ELDEHauses als Gedenkstätte und seinen Ausbau zum Dokumentationszentrum; für die Entschädigung der Zwangsarbeiter sowie den Erhalt der Bäume auf dem Kaiser-Wilhelm-Ring - dies nur eine Auswahl seiner Aktivitäten. 1986 gründete er mit anderen Engagierten die RomaInitiative, 1987 den Verein Rom e.V., in dessen Vorstand er bis zu seinem Tode, zuletzt als Ehrenvorsitzender, aktiv war. Durch seinen unermüdlichen, ja unerbittlichen Einsatz „in Sachen Roma“ veränderte er nicht nur in Köln die Sicht auf und den Umgang mit Roma; er erreichte u.a. Wiedergutmachung für Sinti, Bleiberecht für viele Roma und kämpfte mit ihnen für gesellschaftliche Teilhabe, Chancengleichheit und Integration. Die Aufarbeitung und Erinnerung an den NS-Völkermord an Sinti und Roma hat er früh mit angestoßen. Mit der gemeinsam mit Gunter Demnig gelegten Spur („Mai 1940 – 1000 Roma und Sinti“) im Jahr 1990, aus der sich nach dem ersten Stein vor dem Rathaus im Jahr 1992 die „Stolpersteine“ entwickelten, hat er ein dauerhaftes Erinnerungszeichen mit geschaffen. Das Archiv im Rom e.V. und das Schulprojekt Amaro Kher sind wesentlich durch seinen Einsatz entstanden. Darüberhinaus veröffentlichte er Bücher zum Thema sowie die Vereinszeitschrift, organisierte Ausstellungen und Kongresse. Vom Lehrer mit Berufsverbot, „schwarzen Schaf“ und fundamental Oppositionellen der Kölner politischen Landschaft wurde Kurt zum anerkannten, aber nicht unbedingt geliebten Experten für Fragen zur Integration von Roma-Migranten in Deutschland und schließlich auch dafür geehrt: 2007 wurde ihm der Rheinlandtaler verliehen. Zusammen mit Hedwig Neven DuMont, die mit ‚wir helfen‘ u.a. auch die Arbeit des Rom e.V. stark unterstützt, erhielt er 2011 die alternative Ehrenbürgerschaft Kölns. Die Kölner Stadtgesellschaft hat einen wichtigen zivilgesellschaftlichen Akteur verloren. Wir vom Rom e.V. werden ihn schmerzlich vermissen. Sein Elan, seine Kreativität und sein Engagement werden weiterhin für unsere Arbeit vorbildhaft sein“ (Vorstand des Rom e.V., stellvertretend auch für alle MitarbeiterInnen und alle Vereinsmitglieder). 1. Flüchtlingspolitik Köln und Region Vorab: Jeder Euro wird verdoppelt! Wenn Sie im Zeitraum vom 01.08.2015 bis 31.07.2016 auf das Konto des Kirchenkreisverbandes Nr. 4404 bei der KSK Köln (BLZ 37050299) spenden (Stichwort: Kölner Flüchtlingsrat), wird jeder Euro von der Kirche verdoppelt! Mit den (verdoppelten) Spenden wird die Arbeit des Kölner Flüchtlingsrates unterstützt. Den Flyer zur Spendenaktion gibt es im Internet hier: http://koelnerfluechtlingsrat.de/neu/userfiles/pdfs/Diakoniespende_2015_2016. pdf 1.1 Initiative „Schulplätze für alle“ „Seit zwei Jahren kümmert sich die Initiative ‚Schulplätze für alle‘ darum, dass Flüchtlingskinder und Jugendliche möglichst schnell eine Schule besuchen können. Im Schuljahr 2014/15 wurden Kölner Schulen insgesamt 1.696 neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler in der Primarstufe, Sekundarstufe I und II (berufsbildend) zugewiesen. Dies entspricht 1,3 Prozent der Gesamtschülerschaft in Köln. Wie viele Kinder im Schulalter nicht zugewiesen wurden, ist unbekannt. Wir haben festgestellt, dass das Schulgesetz des Landes NRW gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstößt, die die Bundesrepublik die UN-Konvention am 3.5.2010 ratifiziert hat. Danach hat jedes Kind das Recht, in Deutschland eine Schule zu besuchen, unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus. In NRW dürfen Flüchtlingskinder erst dann in die Schule gehen, wenn sie einer Kommune zugewiesen sind. Die Initiative fordert, dass zwischen Ankunft und Schulbesuch nicht mehr als drei Monate liegen dürfen. Für den Zeitraum davor sollten zudem außerschulische Lernangebote geschaffen werden. Wir haben Bewohner*innen in verschiedenen Kölner Flüchtlingsunterkünften in mehreren Sprachen über die Frage der ‚Beschulung‘ informiert sowie Informationsblätter in verschiedenen Sprachen verfasst. Die stehen auf unserer website zum Herunterladen bereit: http://www.oegg.de/index.php?koelner-initiativeschulplaetze-fuer-alle 1 Mehr Informationen und Neuigkeiten unter www.koelner-fluechtlingsrat.de Dort findet man auch unseren Aufruf. Die Initiative appelliert an die Stadt Köln, die Beschulung aller schulpflichtigen Kinder in Köln vom Tag der Ankunft an sicherzustellen. Unserer Erfahrung nach verletzen die Kölner Schulbehörden die Schulpflicht von Kindern, die nach Köln einwandern. Sie müssen oft Wochen oder sogar Monate auf einen Schulplatz warten. Wir haben in Einzelfällen Kindern geholfen, einen Schulplatz zu finden, fordern aber, dass dies nicht vom individuellen Einsatz einzelner Helfer*innen abhängen darf, sondern eine Pflicht der Stadt ist, die - wie Unterkunft, Verpflegung usw. - schlicht erfüllt werden muss. Bitte melden Sie sich: · wenn Sie Fragen haben, · wenn Sie uns Rückmeldungen aus einzelnen Flüchtlingsunterkünften geben können, etwa wie viele noch auf einen Schulplatz warten, · wenn Sie eine kurze oder ausführliche Fortbildung in Sachen Schulbesuch wünschen. AWO Bezirksverband Mittelrhein e.V., Integrationsagentur, Telefon: 0221 / 29942874 Mail: [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] Die Initiative ‚Schulplätze für alle‘ wird unterstützt von: Aktion Courage Schule ohne Rassismus, Allerweltshaus e.V., AWO Bezirksverband Mittelrhein e.V., Integrationsagentur Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e.V, Caritasverband für die Stadt Köln e.V., Diakonisches Werk des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V., Kölner Netzwerk kein mensch ist illegal, Kölner Flüchtlingsrat e.V., ROM e.V., Terno Drom e.V., Verband binationaler Familien und Partnerschaften e.V., Regionalgruppe Köln, Initiative Mittendrin“. 1.2 Fortbildung zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und den Neuregelungen des SGB VIII Der Kölner Flüchtlingsrat e.V. veranstaltet am 13.01.2016 von 14:30 bis 16:30 Uhr eine Fortbildung für Hauptamtliche und versierte Ehrenamtliche zu den o.g. Themen mit Frau Rechtsanwältin Florentine Heiber. Die Veranstaltung findet in den Räumen des Flüchtlingszentrums „FliehKraft“, Turmstr. 3-5 (2. Etage), 50733 Köln (Nippes), statt. 2 Die Teilnahmegebühr beträgt pro Teilnehmer/in 10,- Euro. Eine Anmeldung an Frau Anna Kress per Mail ([email protected]) ist obligatorisch. 1.3 Workshop von agisra e.V.: „Unterstützung von Geflüchteten Frauen bei frauenspezifischer Gewalt“ „Das Multiplikator_innen-Seminar richtet sich an all diejenigen, die mit geflüchteten Frauen hauptberuflich oder ehrenamtlich arbeiten. Viele Multiplikator_innen, wie Sozialarbeiter_innen in Flüchtlingsunterkünften, Mitarbeiter_innen verschiedener Behörden, Schulsozialarbeiter_innen und Freiwillige aus Willkommensinitiativen wenden sich an unserer Beratungsstelle um Informationen und Handlungsmöglichkeiten zu erfahren in Bezug auf Unterstützung und Umgang mit traumatisierten Frauen, die aus frauenspezifischen Gründen geflohen sind, Gewalt während der Flucht erlebten bzw. Frauen, die in Flüchtlingsunterkünften leben und von sexuellen Belästigungen / Gewalt und/oder häuslicher Gewalt betroffen sind. Frauen sind aufgrund ihres Geschlechts – sowohl in der Regelunterbringung in Flüchtlingswohnheimen, als auch in den Erstaufnahmeheimen – zusätzlichen Belastungen und Gefahren ausgesetzt. Frauen, die in Flüchtlingsunterkünften von häuslicher Gewalt betroffen sind, benötigen nach unserer Erfahrung dringend Informationen über ihre Rechte und die Möglichkeiten, sich aus diesen Gewaltsituationen zu befreien. Aufenthaltsrechtlich, sozialrechtlich und in Bezug auf das Gewaltschutzgesetz besteht jedoch häufig auch große Unsicherheit bei den professionellen und ehrenamtlich Unterstützenden. Ziel des Multiplikator_innen-Seminars ist die Sensibilisierung für die geschlechtsspezifische Situation von Frauen in Flüchtlingsunterkünften und die Weitergabe von Informationen über die Rechte von Gewalt betroffener Flüchtlingsfrauen in Bezug auf das Gewaltschutzgesetz, Wohnsitzauflage, Zugang zu Frauenhäusern, Angebote des Hilfetelefons, Möglichkeiten und Hindernisse der Unterstützung bei „besonders schutzbedürftigen Personen“ nach der EU-Aufnahmerichtlinie und Empowermentansätze zur Stärkung der Frauen. Anhand von Fallbeispielen möchten wir Praxiserfahrungen weitergeben und zusammen mit den Teilnehmenden weitere Handlungsmöglichkeiten entwickeln. Termin: Freitag, 19.02.2016, 14 – 18 Uhr Ort: agisra e.V., Martinstr. 20a, 50667 Köln Teilnahmebeitrag: 15 Euro (Die verbindliche Anmeldung erfolgt mit der Überweisung der Kosten an unser Konto mit dem Betreff „Seminar: Frauenspezifische Gewalt“. Es sind nur begrenzt Plätze vorhanden. Bankverbindung: Sparkasse KölnBonn IBAN: DE55 3705 0198 0036 8020 98 SWIFT-BIC: COLSDE33.“ Mehr Informationen und Neuigkeiten unter www.koelner-fluechtlingsrat.de 2. Berichte 2.1 Einigung über Finanzierung von Flüchtlingskosten und Kindertagesstätten in NRW In einer gemeinsamen Pressemitteilung der SPDFraktion, GRÜNE Fraktion im Landtag NRW und der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen vom 17.12.2015 heißt es u.a.: „Die Verhandlungen zwischen den drei kommunalen Spitzenverbänden, den Koalitionsfraktionen von SPD und GRÜNEN im Landtag NRW und der Landesregierung sind mit einem guten Kompromiss für alle Beteiligten beendet worden. Verhandelt wurde über die künftige Erstattung der Flüchtlingskosten, über den Ausbau und die weitere Finanzierung der Kindertagesbetreuung sowie über die grundlegende Überarbeitung des Kinderbildungsgesetzes. Bei der Erstattung der Kosten über das Flüchtlingsaufnahmegesetz stockt das Land die Pauschalen für die Kommunen auf rund 1,948 Milliarden Euro auf und wird eine Jahrespauschale an die Kommunen zahlen. Darin enthalten sind die vom Bund zugesagten Zuweisungen von insgesamt 626 Millionen Euro. Ab 2017 wird auf eine Pro-Kopf-Finanzierung der Flüchtlingskosten für die Städte und Gemeinden umgestellt. Die Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände, Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann aus Hamm (Städtetag NRW), Landrat Thomas Hendele, Kreis Mettmann (Landkreistag NRW), und Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer aus Soest (Städte- und Gemeindebund NRW) erklärten: ‚Nachdem der Bund den Ländern im September 670 Euro pro Flüchtling und Monat zugesagt hat, erhöht das Land nun seine bisherigen Zahlungen für die Kommunen. Die von den kommunalen Spitzenverbänden immer wieder reklamierte deutlich zu geringe Kostenerstattung der Flüchtlingsausgaben in NRW wird auf diese Weise in Zukunft erheblich verbessert. Mit der gemeinsamen Verständigung wird anerkannt, dass die Kommunen hohe Kosten zu tragen haben, und vor diesem Hintergrund wurde eine Einigung möglich.‘ Die geplante Umstellung von einer pauschalen Gesamtzahlung im Übergangsjahr 2016 hin zu einer Monatspauschale pro Flüchtling im Jahr 2017 ist aus Sicht der Kommunen sinnvoll. ‚Und ab dem Jahr 2018 rechnen wir mit einer Anpassung der monatlichen Pauschale nach der gemeinsamen Kostenerhebung von Land und Kommunen. Für diese Erhebung haben sich die kommunalen Spitzenverbände sehr intensiv eingesetzt. Wir streben an, dass auf dieser Basis eine ausreichende Erstattung der Flüchtlingsausgaben der Kommunen durch das Land möglich wird‘, sagten Hunsteger-Petermann, Hendele und Ruthemeyer weiter. Die Datenerhebung erfolgt vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017, die Vorarbeiten dafür werden frühzeitig begonnen. Zu dem jetzt verabschiedeten Kompromiss erklärt Norbert Römer, Fraktionsvorsitzender der SPD im Land- 3 tag NRW: ‚Wir gehen als Land bis an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit, um die Städte und Gemeinden in NRW zu unterstützen und weiter zu stärken – auch bei den besonderen Anforderungen durch die Flüchtlingsunterbringung. Diese historische Bewährungsprobe erfordert einen ebenso historischen Kraftakt vom Land. 2016 wird das Land eine Jahrespauschale von rund 1,9 Milliarden Euro über das Flüchtlingsaufnahmegesetz bezahlen. Insgesamt stellt das Land für 2016 fast vier Milliarden Euro für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in NRW bereit.‘ Mehrdad Mostofizadeh, Fraktionsvorsitzender GRÜNE Fraktion: ‚Wir sind auch bei der Versorgung der Geflüchteten Partner der Kommunen. Auf einen Bundes-Euro kommen in NRW zwei Landes-Euro. Das ist bundesweit Spitze. Auch in der Frage, wie das Geld auf die Kommunen verteilt wird, sind wir uns einig. Ich freue mich zudem, dass die Kommunen ebenso wie das Land die Zuschüsse für die Kitas bei der Kindpauschale auf drei Prozent dynamisieren und so die vielfältigen Angebote sichern. Noch nie zuvor wurde in NRW so viel Geld für die frühkindliche Bildung in die Hand genommen. NRW hält Wort: Wir sorgen für die Chancengleichheit aller Kinder‘“. 2.2 Abschiebungen nach Afghanistan Die Innenministerkonferenz (IMK) beschloss im Dezember 2015 u.a.: Die IMK nimmt den "Sechsten ergänzenden Bericht der Arbeitsgruppe 'Internationale Polizeimissionen' zur Evaluierung des bisherigen Einsatzes in Afghanistan, erweitert um die Informationen über die Planungen und gegebenenfalls schon eingeleiteten Maßnahmen zur Realisierung eines sicheren Einsatzes deutscher Polizeivollzugsbeamter in Afghanistan ab 2016" (Stand: 22.10.15) zur Kenntnis. Sie betont die Wichtigkeit der Fortsetzung der deutschen Unterstützung für die afghanische Polizei. Sie erachtet die Fortführung des bilateralen Polizeiprojekts (GPPT) auch mit Blick auf die derzeitige Migrationslage für erforderlich. Deshalb sollen auch weiterhin bis zu 50 Polizeibeamtinnen und -beamten des Bundes und der Länder im GPPT sowie in der EUPOL Mission Afghanistan entsandt werden. Die IMK stellt fest, dass die Sicherheitslage in Afghanistan in einigen Regionen eine Rückkehr ausreisepflichtiger afghanischer Staatsangehöriger grundsätzlich erlaubt Sie bittet die Bundesregierung, die Rahmenbedingungen für Rückführungen und freiwillige Ausreisen durch verbindliche Absprachen mit der afghanischen Regierung, UNHCR und IOM zu verbessern. Die IMK kommt zu dem Ergebnis, dass Rückführungen in diese sicheren Regionen Afghanistans dann möglich sind, wenn nicht im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte dagegen sprechen.“ 2.3 Aushebelung des Asylrechts I: Stellungnahme von Pro Asyl Mehr Informationen und Neuigkeiten unter www.koelner-fluechtlingsrat.de In einer Presseerklärung von Pro Asyl „Neues Asylrecht darf keine rechtsfreien Räume schaffen“ vom 26.11.2015 heißt es u.a.: „In Umsetzung des Beschlusses der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5. November 2015 befindet sich derzeit ein Gesetzentwurf zur Einführung beschleunigter Asylverfahren im Abstimmungsprozess innerhalb der Großen Koalition. Die geplanten Schnellverfahren in besonderen Aufnahmeeinrichtungen stoßen beim Deutschen Anwaltverein (DAV) und PRO ASYL auf grundsätzliche Bedenken. Beide Organisationen warnen ausdrücklich davor, die Rechtswegegarantie des Grundgesetzes aushebeln zu wollen. Anstatt der ursprünglich geforderten Transitzonen sollen nun Asylverfahren in ‚besonderen Aufnahmeeinrichtungen‘ eingeführt werden, bei denen extrem kurze Fristen gelten und Schutz vor Abschiebung während des Klageverfahrens nur noch bei erfolgreichen Eilverfahren gewährt wird. Die Neuerungen betreffen letztlich alle Flüchtlinge, auch diejenigen, die aus guten Gründen geflohen sind und deshalb eine hohe Anerkennungsquote genießen. Beide Organisationen kritisieren auch die vorgesehenen Regelungen zur ‚Gesundheitsfiktion‘ und hinsichtlich des Verwehrens der Familienzusammenführung. Die Wiedereinführung von Einzelfallprüfungen würde zusätzlich zu längeren Verfahren führen. ‚Ein faires Asylverfahren, die Korrektur von Fehlentscheidungen durch die Arbeit von Rechtsanwälten und Gerichten wird de facto kaum noch möglich sein‘, kritisiert Rechtsanwalt Tim Kliebe vom Deutschen Anwaltverein. Im Unterschied zum Flughafenverfahren sei in den besonderen Aufnahmezentren keine kostenlose Rechtsberatung vorgesehen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass wegen des jüngst eingeführten Sachleistungsprinzips die Asylsuchenden gar nicht über die finanziellen Mittel verfügen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. ‚Mit der verfassungsrechtlichen Garantie des effektiven Rechtsschutzes ist dies nicht zu vereinbaren‘, kritisiert Kliebe. PRO ASYL - Geschäftsführer Günter Burkhardt verglich die Schnellverfahren in besonderen Einrichtungen mit ‚Schleusen, die nach politischen Vorgaben den Zugang zu einem regulären Asylverfahren steuern‘. Nach dem Gesetzentwurf soll bereits ausreichen, ‚Identitäts- oder Reisedokumente […] mutwillig vernichtet oder beseitigt [zu haben], oder [dass] Umstände vorliegen, die diese Annahme rechtfertigen.‘ ‚Diese Voraussetzung ist weit gefasst, da eine Vielzahl der Flüchtlinge gezwungen ist, ohne Reisedokumente zu fliehen‘, warnt Burkhardt. PRO ASYL sieht die Gefahr, dass ‚beschleunigte Asylverfahren‘ zum Standardverfahren werden. Damit könne der Staat nach Belieben das Recht auf ein faires Asylverfahren, in dem die Fluchtgründe geprüft werden, aushebeln. Verfassungsrechtlich auf wackeligen Füßen steht aus Sicht des DAV und PRO ASYL die geplante Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten für zwei Jahre. Denn die Betroffenen können die verfassungsrechtlich geschützte Familieneinheit nicht im Verfolgerstaat herstellen. Eine Wartezeit von zwei Jahren hat indes keinen sachlichen Grund. Sie gefährdet vielmehr die im Herkunftsland verbliebenen Angehörigen, ebenfalls Opfer von Folter oder willkürlicher Gewalt zu werden. ‚Bei den Erwägungen zur geplanten Aussetzung des Familiennachzugs wird der besonderen Bedeutung des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG in keiner Weise Rechnung getragen‘, stellt Kliebe fest. Burkhardt betont, dass ein Hinauszögern des Familiennachzugs die Integration verhindert. Dies sei weder im Interesse der Betroffenen noch der hiesigen Gesellschaft. Als dritten Hauptkritikpunkt an dem Gesetzentwurf sehen die Organisationen den schlechteren Schutz vor Abschiebung bei Erkrankungen an. Dass eine Posttraumatische Belastungsstörung als nicht schwerwiegend angesehen wird, entbehrt jeder Grundlage. Dies steht auch im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Neurologie und Psychiatrie. Mit Blick auf die in der kommenden Woche stattfindende Innenministerkonferenz (IMK) von Bund und Ländern appellieren der Deutsche Anwaltverein und PRO ASYL an die Innenminister, keine Beschlüsse zu fällen, die die Asylverfahren nochmals in die Länge ziehen. Die IMK verhandelt u.a. darüber, ob das BAMF die Schriftverfahren für syrische Flüchtlinge aufgibt und stattdessen wieder langwierige Einzelfallprüfungen einführt. Davon könnten Schätzungen von PRO ASYL zufolge bis zu 200.000 Menschen betroffen sein, die bis Ende Oktober eingereist sind. Auch die Wiedereinführung der Dublin-Verfahren für aus Syrien geflohene Menschen wird zu einem erheblichen Arbeitsaufkommen führen. Statt Asylgründe zu prüfen und die Verfahren schnell abzuschließen, prüft das BAMF eine mögliche Überstellung von Schutzsuchenden nach Ungarn oder Kroatien. Dabei ist es weder realistisch noch humanitär vertretbar, Zehntausende syrischer Flüchtlinge nach Kroatien oder Ungarn abzuschieben.“ 2.4 Aushebelung des Asylrechts II: Stellungnahme der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren und Folteropfer e.V. In der Pressemitteilung der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft „Erschreckende Tendenz: Eilverfahren hebeln faire Asylverfahren aus – Abschiebung von schwer erkrankten und traumatisierten Geflüchteten wird erleichtert“ vom 26.11.2015 heißt es u.a.: „Die BAfF e.V. übt schwere Kritik an den geplanten Verschärfungen des Asylverfahrens, die im Entwurf zum zweiten Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz des Bundesinnenministeriums festgeschrieben sind: Eilverfahren sollen zur Regel werden und die Abschiebung auch von schwer erkrankten und traumatisierten Geflüchteten vereinfachen. Selbst qualifizierte psychotherapeutische Gutachten sollen nicht mehr anerkannt werden, um die Folgen von traumatischen Erfahrun- 4 Mehr Informationen und Neuigkeiten unter www.koelner-fluechtlingsrat.de gen zu beurteilen. ‚Wir fordern eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzesentwurfes‘, sagt Elise Bittenbinder, Vorsitzende der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.) ‚Auch wenn wir im Interesse unserer KlientInnen ein schnelleres Asylverfahren generell sehr begrüßen, kann dies nicht zu Lasten eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens geschehen.‘ Der Referentenentwurf sieht vor, dass über die Asylanträge für bestimmte Gruppen von Geflüchteten innerhalb von einer Woche entschieden wird. Darunter fallen alle Menschen, die aus sicheren Herkunftsländern komen, im Folgeverfahren sind oder ihre Papiere vernichtet haben sollen. ‚Gerade für Traumatisierte ist dies problematisch: sie können erlittene Menschenrechtsverletzungen oftmals nicht sofort so zusammenhängend und ohne Zeitsprünge vorbringen, wie das der Gesetzgeber von ihnen erwartet. Das braucht Schutz und Zeit, die in dem beschleunigten Verfahren nicht gegeben ist.‘ Gesundheitliche und psychische Erkrankungen, wie etwa auch die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), sollen einer Abschiebung künftig nicht mehr entgegenstehen. Ist eine medikamentöse Behandlung im Heimatland möglich, darf auch bei schweren Erkrankungen abgeschoben werden – dabei wird nicht überprüft, ob die Behandlung tatsächlich realistisch erreichbar und im Einzelfall zumutbar ist. Für psychische Krankheiten ist dies schon allein deshalb unhaltbar, weil etwa die PTBS nach geltenden medizinischen Standards überhaupt nicht ausschließlich medikamentös behandelt werden darf. Diese Standards werden auch mit dem Plan ignoriert, Erkrankungen nur noch mit ärztlichem Attest und nicht mehr durch qualifizierte psychologische Gutachten anzuerkennen. ‚Anstatt psychische Erkrankungen mit hoher Sorgfalt und von Fachleuten begutachten zu lassen, wälzt das Bundesinnenministerium die eigene Überforderung auf die Schultern traumatisierter Geflüchteter ab, verkürzt die Zeit für die Einholung von Gutachten und erwehrt sich künftig schon präventiv jeglichem psychologischen und psychotherapeutischen Sachverstand‘, kritisiert Bittenbinder. Dies widerspricht der geltenden Rechtsprechung: Psychologische PsychotherapeutInnen sind auch im Sozialgesetzbuch den FachärztInnen gleichgestellt und befähigt, psychische Erkrankungen zu diagnostizieren und entsprechende Gutachten zu verfassen. ‚Mit dem Gesetzesentwurf wird die Gefährdung von Leib und Leben der betroffenen Personen billigend in Kauf genommen. Schnelle und faire Asylverfahren können nicht auf dem Rücken der Betroffenen geführt werden‘, sagt Bittenbinder. ‚Als besonders vulnerable Gruppe werden erkrankte und traumatisierte Geflüchtete durch das Eilverfahren und die Bestimmungen zur Aushöhlung qualifizierter Beurteilungen von Abschiebehindernissen zusätzlich systematisch benachteiligt.‘ 5 Die BAfF ruft alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, diesen Angriff auf Menschenrecht, Menschenwürde und auf die Rechtsstaatlichkeit im Asylverfahren vollumfänglich und nachhaltig abzulehnen.“ 2.5 Bundesfachverband Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V.: Über 45.000 UMF in Deutschland In einer Pressemitteilung des Bundesfachverbands vom 20.11.2015 heißt es u.a.: „Der Bundesfachverband umF schätzt, dass in diesem Jahr bereits über 30.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind und damit schon mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2014. Damit dürften sich mehr als 45.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland befinden, von denen die meisten einen Anspruch auf Leistungen der Jugendhilfe haben. Hinzu kommen weitere 6.500 junge Volljährige, die gegenwärtig Leistungen der Jugendhilfe erhalten. Durch die seit dem 1.11.2015 geltende QuotenVerteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind bundesweit alle Kommunen aufgefordert, angemessene Einrichtungen aufzubauen, Personal einzustellen und zu qualifizieren sowie die Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sicherzustellen. ‚Auch wenn es großes Verständnis dafür gibt, dass nicht überall ad hoc Personal, Träger und geeignete Räumlichkeiten gefunden werden können, dürfen sich Notunterbringungen und Standardabsenkungen nicht verstetigen‘, so Niels Espenhorst vom Bundesfachverband umF. In den kommenden Monaten werden vor allem die Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, Sachsen und Sachsen-Anhaltverstärkt unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgrund der bundesweiten Umverteilung aufnehmen. Allerdings sind auch dort in den letzten Monaten die Aufnahmezahlen stark gestiegen, so dass auch in diesem Bundesländern es nicht leicht fällt, ausreichende Kapazitäten für die Aufnahme aufzubauen. Gegenwärtig werden viele Minderjährige nicht adäquat in der Jugendhilfe untergebracht. Zudem werden in vielen Städten unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht wie gesetzlich vorgeschrieben in Obhut genommen, erhalten keine angemessene Betreuung, keine ausreichenden Gesundheitsleistungen, keinen unmittelbaren Zugang zum Bildungssystem und keine rechtliche Vertretung in Form eines Vormunds. Die bloße Verteilung wird dieses Problem nicht lösen. Sondern es braucht einen massiven Ausbau von Infrastruktur.“ 2.6 NRW-Erlass zur „BüMA“ Im Erlass des Innenministeriums 01.12.2015 heißt es u.a.: NRW vom Mehr Informationen und Neuigkeiten unter www.koelner-fluechtlingsrat.de „Vor dem Hintergrund, dass derzeit vielen Asylsuchenden erst nach erheblichen Wartezeiten eine Antragstellung beim BAMF ermöglicht wird und sie bis dahin lediglich im Besitz einer Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende (BüMA) sind, haben Sie eine Reihe von Praxisproblemen an mich herangetragen. Zunächst ist festzuhalten, dass die Aufenthaltsgestattung, die Asylsuchenden zur Durchführung des Asylverfahrens den Aufenthalt im Bundesgebiet erlaubt, anknüpfend an das Asylgesuch kraft Gesetzes eintritt und nicht erst mit Ausstellung der Bescheinigung nach § 63 AsylG. Die Bundesregierung hatte hierzu bereits in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke vom 10.04.2015 (BT-Drs. 18/4581, Antwort auf Frage 3) Folgendes ausgeführt: ‚Die Aufenthaltsgestattung entsteht grundsätzlich nicht erst mit der Stellung des Asylantrags, sondern bereits mit der Äußerung des Asylgesuchs (§ 55 Absatz 1 AsylVfG). Das Asylgesuch kann mit der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) nachgewiesen werden.‘ Außerdem wurde schon zu diesem Zeitpunkt eine Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen in Aussicht gestellt (vgl. Antwort auf Frage 8 der KA): ‚… Im Bundesministerium des Innern wird ferner geprüft, ob und ggf. wie die Funktion der BüMA als Nachweis für ein Asylgesuch und damit als ein Nachweis für den Beginn bestimmter Fristen in der Praxis verbessert werden kann. Auch wird überlegt, ob die Frist für das Erlöschen der Aufenthaltsgestattung nach § 67 Absatz 1 Nummer 2 AsylVfG verlängert werden soll, wenn es dem Ausländer aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist, den Asylantrag fristgerecht nach der Äußerung des Asylgesuchs zu stellen. …‘ Mit dem am 24.10.2015 in Kraft getretenen Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (Bundesgesetzblatt 2015 Teil I Nr. 40, S. 1722) wird die BüMA nunmehr erstmals in § 63a AsylG gesetzlich geregelt. Gleichzeitig wurden die Regelungen zum Erlöschen der Aufenthaltsgestattung angepasst (§ 67 AsylG). Insbesondere wird gesetzlich klargestellt, dass Verzögerungen bei der Terminvergabe durch das BAMF, auf die die Betroffenen naturgemäß keinen Einfluss haben, nicht zu einem Erlöschen der Aufenthaltsgestattung führen. In dem zwischenzeitlich bekannt gewordenen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Datenaustauschverbesserungsgesetz) ist u.a. eine Änderung des § 63a AsylG vorgesehen. Hiernach soll die im Entwurf als „Ankunftsnachweis“ definierte Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender künftig als bundeseinheitliches, über das AZR zu generierendes Dokument ausgestaltet werden. Es ist außerdem vorgesehen, die in § 63a Absatz 2 Satz 1 AsylG vorgesehene Frist auf drei Monate zu verlängern. Dies vorausgeschickt, nehme ich zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen wie folgt Stellung: 1. Welchen Aufenthaltsstatus besitzt ein Ausländer nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (wenn noch kein Asylantrag gestellt wurde)? Nach dem bisherigen Wortlaut der Vorschrift trat das Erlöschen der Gestattung unabhängig vom Verschulden der Asylsuchenden ein. Wenn aber den Betroffenen die Einhaltung der vorgegebenen Frist durch die allein zuständige Behörde (hier das BAMF) unmöglich gemacht wird, hätte dies zu einem unbilligen Ergebnis geführt, das auch der Gesetzgeber erkannt und mit der Neuregelung in § 67 Abs. 1 Satz 2 AsylG klarstellend beseitigt hat: „Liegt in den Fällen des § 23 Absatz 1 der dem Ausländer genannte Termin bei der Außenstelle des Bundesamtes nach der sich aus Satz 1 Nummer 2 ergebenden Frist, dann erlischt die Aufenthaltsgestattung nach dieser Bestimmung erst, wenn der Ausländer bis zu diesem Termin keinen Asylantrag gestellt hat.“ Die Ausnahme vom Erlöschen gilt erst recht für den Zeitraum, in dem das Bundesamt ohne Verschulden des Ausländers noch gar keinen Termin benannt hat. In einschlägigen Fällen ist es auch für zurückliegende Fälle gerechtfertigt, von einem Fortbestand der Gestattung - über die 14-Tages-Frist hinaus - auszugehen. Nach § 67 Abs. 2 AsylG tritt die Aufenthaltsgestattung im Übrigen wieder in Kraft, sobald der Asylantrag gestellt wird. 2. Darf auf Grundlage der BüMA nach drei Monaten eine Beschäftigung erlaubt werden? Vorbehaltlich sonstiger Einschränkungen (z.B. während der Wohnverpflichtung in einer Aufnahmeeinrichtung): Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen. Der Beginn der Frist für die Bemessung der Gestattungsdauer wird durch das Erstausstellungsdatum der BüMA bestimmt. Auch das BMI hat im Rahmen einer Mitteilung vom 04.11.2015 ausgeführt, dass zwischen BMI, AA und BMAS Einigkeit darüber besteht, dass mit der Meldung als Asylsuchender die Gestattung des Aufenthalts ausgelöst wird, was u.a. auch bewirke, dass damit die Frist für die Wartezeit nach § 61 AsylG in Lauf gesetzt wird. Dies bedeute gleichzeitig, dass der in § 26 Absatz 2 Satz 4 BeschV beschriebene Personenkreis dem Grunde nach die Voraussetzung, einen Asylantrag im Sinne dieser Vorschrift gestellt zu haben, mit einer vor dem 24.10.2015 ausgestellten BüMA erfüllt. 6 Mehr Informationen und Neuigkeiten unter www.koelner-fluechtlingsrat.de 3. Dürfen Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten mit BüMA, die bereits einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, diese mit Blick auf § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG weiter ausüben, obwohl der Asylantrag bis zum 31.08.2015 noch nicht gestellt wurde? Es besteht keine Veranlassung, den betroffenen Personen die Erwerbstätigkeit im Nachhinein wieder zu versagen. Siehe hierzu im Übrigen auch Antwort auf Frage 2. 4. Entfällt die räumliche Beschränkung des Aufenthalts, wenn der Ausländer seit drei Monaten im Besitz einer BüMA ist? Vorbehaltlich sonstiger Einschränkungen (z.B. durch § 59a Abs. 1 Satz 2 AsylG während der Wohnverpflichtung in der Aufnahmeeinrichtung): Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen. Der gestattete Aufenthalt beginnt mit dem Datum der Erstausstellung der BüMA. 5. Kann auf Grundlage einer BüMA eine Umverteilung erfolgen? Halten sich bereits Familienmitglieder im Bundesgebiet auf, so empfiehlt es sich, schon bei der Erstregistrierung auf diesen Umstand hinzuweisen, damit die familiären Bindungen bei der Zuweisung berücksichtigt werden können.“ 2.7 Zugang zum Arbeitsmarkt und Leistungen des SGB II und III für Migranten/innen Die Arbeitsagentur Osnabrück hat in Zusammenarbeit mit der Caritas eine umfangreiche tabellarische Übersicht zum Arbeitsmarktzugang für Migranten zusammengestellt. Die Voraussetzungen des Arbeitsmarktzugangs und weiterer Fördermöglichkeiten werden dabei über 70 verschiedenen Varianten des Aufenthalts zugeordnet. Das Dokument befindet sich hier! http://koelnerfluechtlingsrat.de/neu/userfiles/pdfs/2015-1105Zugang_Arbeitsmarkt.pdf 2.8 Kosten für Flüchtlinge bezahlbar „Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sieht keine nennenswerten finanziellen Schwierigkeiten für den Staat durch die Flüchtlingsmigration. "Angesichts der guten Lage der öffentlichen Haushalte sind diese Kosten tragbar", heißt es in dem von der Bundesregierung als Unterrichtung (18/6740) vorgelegten Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Flüchtlingsmigration werde zu direkten jährlichen Bruttoausgaben für die öffentliche Haushalte von 5,9 bis 8,3 Milliarden Eu- ro führen. Längere Asylverfahren und eine schlechtere Arbeitsmarktintegration könnten die Kosten aber merklich erhöhen. Im günstigsten Fall werde durch die Flüchtlingsmigration ein positiver Effekt auf den Arbeitsmarkt von bis zu 500.000 Personen bis zum Jahr 2020 entstehen, prognostiziert der Sachverständigenrat. Es gebe einen erheblichen Qualifizierungsbedarf. Die Hürden für die Beschäftigung dürften nicht zu hoch ausfallen, und angesichts des steigenden Arbeitsangebots im Niedriglohnbereich sollte der Mindestlohn keineswegs erhöht werden, verlangt der Sachverständigenrat, der die Zahl der arbeitslosen anerkannten Flüchtlinge bis 2020 auf 300.000 bis 350.000 schätzt. Für den Wohnungsmarkt werden private Investitionsanreize gefordert, da die Nachfrage nach privatem Wohnraum durch die Zuwanderung steigen werde. Für Deutschland erwartet der Sachverständigenrat einen Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr von 1,7 Prozent und für 2016 von 1,6 Prozent. Sorgen bereitet den Sachverständigen das niedrige Produktivitätswachstum. Die Bewältigung der erhöhten Zuwanderung werde nur möglich sein, wenn die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht werde“ (aus: Heute im Bundestag vom 30.11.2015 Nr. 626). 3. Literatur · Dorothee Frings, Elke Tießler-Marenda: Ausländerrecht für Studium und Beratung. Einschließlich Staatsangehörigkeitsrecht. Mit Beispielen und Lösungsschemata. 3. Auflage 2015, ca. 400 Seiten; ISBN 978-3-943787-52-8 Preis/Expl. ca. 22,- €. · Dorothee Frings, Martina Domke: Asylarbeit. Ein Rechtsratgeber für die soziale Praxis. 1. Auflage 2015, ca. 300 Seiten; ISBN 978-3-943787-58-0 Preis/Expl. ca. 20,- €. 7
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