Flüchtlingspolitische Nachrichten

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Flüchtlingspolitische Nachrichten
Dezember 2015
Wir trauern um Kurt Holl
„Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte,
verstarb
der
Motor,
Mentor
und
Menschenrechtler Kurt Holl im Alter von 77 Jahren.
Geboren 1938 wurde er 1956 durch den Aufstand in
Ungarn politisiert und machte bis zu seinem
Lebensende die Auseinandersetzung mit Ungerechtigkeiten und gesellschaftlichen Missständen zu
seinem Lebensinhalt, mit dem Ziel, die Verhältnisse
grundlegend zu verändern.
Er kämpfte z.B. gegen den Krieg in Vietnam, für verbesserte Rechte der mit Pflichtarbeit belegten
Sozialhilfeempfänger, für den Erhalt von Wohnungen
türkischer ‚Gastarbeiter‘, den Erhalt des ELDEHauses
als Gedenkstätte und seinen Ausbau zum Dokumentationszentrum;
für
die
Entschädigung
der
Zwangsarbeiter sowie den Erhalt der Bäume auf dem
Kaiser-Wilhelm-Ring - dies nur eine Auswahl
seiner Aktivitäten.
1986 gründete er mit anderen Engagierten die RomaInitiative, 1987 den Verein Rom e.V., in dessen
Vorstand er bis zu seinem Tode, zuletzt als Ehrenvorsitzender, aktiv war.
Durch seinen unermüdlichen, ja unerbittlichen Einsatz
„in Sachen Roma“ veränderte er nicht nur in
Köln die Sicht auf und den Umgang mit Roma; er erreichte
u.a.
Wiedergutmachung
für
Sinti,
Bleiberecht für viele Roma und kämpfte mit ihnen für
gesellschaftliche
Teilhabe,
Chancengleichheit
und Integration. Die Aufarbeitung und Erinnerung an
den NS-Völkermord an Sinti und Roma hat er
früh mit angestoßen. Mit der gemeinsam mit Gunter
Demnig gelegten Spur („Mai 1940 – 1000 Roma
und Sinti“) im Jahr 1990, aus der sich nach dem ersten Stein vor dem Rathaus im Jahr 1992 die
„Stolpersteine“ entwickelten, hat er ein dauerhaftes
Erinnerungszeichen
mit
geschaffen.
Das Archiv im Rom e.V. und das Schulprojekt Amaro
Kher sind wesentlich durch seinen Einsatz
entstanden. Darüberhinaus veröffentlichte er Bücher
zum
Thema
sowie
die
Vereinszeitschrift,
organisierte Ausstellungen und Kongresse.
Vom Lehrer mit Berufsverbot, „schwarzen Schaf“ und
fundamental
Oppositionellen
der
Kölner
politischen Landschaft wurde Kurt zum anerkannten,
aber nicht unbedingt geliebten Experten für
Fragen zur Integration von Roma-Migranten in
Deutschland und schließlich auch dafür geehrt: 2007
wurde ihm der Rheinlandtaler verliehen. Zusammen
mit Hedwig Neven DuMont, die mit ‚wir helfen‘
u.a. auch die Arbeit des Rom e.V. stark unterstützt,
erhielt er 2011 die alternative Ehrenbürgerschaft
Kölns.
Die Kölner Stadtgesellschaft hat einen wichtigen zivilgesellschaftlichen
Akteur
verloren.
Wir vom Rom e.V. werden ihn schmerzlich vermissen.
Sein Elan, seine Kreativität und sein Engagement
werden weiterhin für unsere Arbeit vorbildhaft sein“
(Vorstand des Rom e.V., stellvertretend auch für alle
MitarbeiterInnen und alle Vereinsmitglieder).
1. Flüchtlingspolitik Köln und Region
Vorab: Jeder Euro wird verdoppelt!
Wenn Sie im Zeitraum vom 01.08.2015 bis
31.07.2016 auf das Konto des Kirchenkreisverbandes
Nr. 4404 bei der KSK Köln (BLZ 37050299) spenden
(Stichwort: Kölner Flüchtlingsrat), wird jeder Euro von
der Kirche verdoppelt!
Mit den (verdoppelten) Spenden wird die Arbeit des
Kölner Flüchtlingsrates unterstützt.
Den Flyer zur Spendenaktion gibt es im Internet hier:
http://koelnerfluechtlingsrat.de/neu/userfiles/pdfs/Diakoniespende_2015_2016.
pdf
1.1 Initiative „Schulplätze für alle“
„Seit zwei Jahren kümmert sich die Initiative ‚Schulplätze für alle‘ darum, dass Flüchtlingskinder und Jugendliche möglichst schnell eine Schule besuchen
können.
Im Schuljahr 2014/15 wurden Kölner Schulen insgesamt 1.696 neu zugewanderte Schülerinnen und
Schüler in der Primarstufe, Sekundarstufe I und II (berufsbildend) zugewiesen. Dies entspricht 1,3 Prozent
der Gesamtschülerschaft in Köln. Wie viele Kinder im
Schulalter nicht zugewiesen wurden, ist unbekannt.
Wir haben festgestellt, dass das Schulgesetz des
Landes NRW gegen die UN-Kinderrechtskonvention
verstößt, die die Bundesrepublik die UN-Konvention
am 3.5.2010 ratifiziert hat. Danach hat jedes Kind das
Recht, in Deutschland eine Schule zu besuchen, unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus. In NRW dürfen Flüchtlingskinder erst dann in die Schule gehen,
wenn sie einer Kommune zugewiesen sind. Die Initiative fordert, dass zwischen Ankunft und Schulbesuch
nicht mehr als drei Monate liegen dürfen. Für den Zeitraum davor sollten zudem außerschulische Lernangebote geschaffen werden.
Wir haben Bewohner*innen in verschiedenen Kölner
Flüchtlingsunterkünften in mehreren Sprachen über
die Frage der ‚Beschulung‘ informiert sowie Informationsblätter in verschiedenen Sprachen verfasst. Die
stehen auf unserer website zum Herunterladen bereit:
http://www.oegg.de/index.php?koelner-initiativeschulplaetze-fuer-alle
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Dort findet man auch unseren Aufruf. Die Initiative appelliert an die Stadt Köln, die Beschulung aller schulpflichtigen Kinder in Köln vom Tag der Ankunft an sicherzustellen. Unserer Erfahrung nach verletzen die
Kölner Schulbehörden die Schulpflicht von Kindern,
die nach Köln einwandern. Sie müssen oft Wochen
oder sogar Monate auf einen Schulplatz warten. Wir
haben in Einzelfällen Kindern geholfen, einen Schulplatz zu finden, fordern aber, dass dies nicht vom individuellen Einsatz einzelner Helfer*innen abhängen
darf, sondern eine Pflicht der Stadt ist, die - wie Unterkunft, Verpflegung usw. - schlicht erfüllt werden
muss.
Bitte melden Sie sich:
· wenn Sie Fragen haben,
· wenn Sie uns Rückmeldungen aus einzelnen
Flüchtlingsunterkünften geben können, etwa
wie viele noch auf einen Schulplatz warten,
· wenn Sie eine kurze oder ausführliche Fortbildung in Sachen Schulbesuch wünschen.
AWO Bezirksverband Mittelrhein e.V., Integrationsagentur, Telefon: 0221 / 29942874
Mail: [email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Die Initiative ‚Schulplätze für alle‘ wird unterstützt von:
Aktion Courage Schule ohne Rassismus,
Allerweltshaus e.V.,
AWO Bezirksverband Mittelrhein e.V., Integrationsagentur
Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer
Frauen e.V,
Caritasverband für die Stadt Köln e.V.,
Diakonisches Werk des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region,
Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V.,
Kölner Netzwerk kein mensch ist illegal,
Kölner Flüchtlingsrat e.V.,
ROM e.V.,
Terno Drom e.V.,
Verband binationaler Familien und Partnerschaften
e.V., Regionalgruppe Köln,
Initiative Mittendrin“.
1.2 Fortbildung zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und den
Neuregelungen des SGB VIII
Der Kölner Flüchtlingsrat e.V. veranstaltet am 13.01.2016
von 14:30 bis 16:30 Uhr eine Fortbildung für Hauptamtliche und versierte Ehrenamtliche zu den o.g. Themen mit
Frau Rechtsanwältin Florentine Heiber.
Die Veranstaltung findet in den Räumen des Flüchtlingszentrums „FliehKraft“, Turmstr. 3-5 (2. Etage), 50733
Köln (Nippes), statt.
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Die Teilnahmegebühr beträgt pro Teilnehmer/in 10,- Euro.
Eine Anmeldung an Frau Anna Kress per Mail
([email protected]) ist obligatorisch.
1.3 Workshop von agisra e.V.: „Unterstützung von Geflüchteten Frauen bei
frauenspezifischer Gewalt“
„Das Multiplikator_innen-Seminar richtet sich an all diejenigen, die mit geflüchteten Frauen hauptberuflich oder
ehrenamtlich arbeiten.
Viele Multiplikator_innen, wie Sozialarbeiter_innen in
Flüchtlingsunterkünften, Mitarbeiter_innen verschiedener
Behörden, Schulsozialarbeiter_innen und Freiwillige aus
Willkommensinitiativen wenden sich an unserer Beratungsstelle um Informationen und Handlungsmöglichkeiten zu erfahren in Bezug auf Unterstützung und Umgang
mit traumatisierten Frauen, die aus frauenspezifischen
Gründen geflohen sind, Gewalt während der Flucht erlebten bzw. Frauen, die in Flüchtlingsunterkünften leben und
von sexuellen Belästigungen / Gewalt und/oder häuslicher
Gewalt betroffen sind.
Frauen sind aufgrund ihres Geschlechts – sowohl in der
Regelunterbringung in Flüchtlingswohnheimen, als auch in
den Erstaufnahmeheimen – zusätzlichen Belastungen
und Gefahren ausgesetzt. Frauen, die in Flüchtlingsunterkünften von häuslicher Gewalt betroffen sind, benötigen
nach unserer Erfahrung dringend Informationen über ihre
Rechte und die Möglichkeiten, sich aus diesen Gewaltsituationen zu befreien. Aufenthaltsrechtlich, sozialrechtlich
und in Bezug auf das Gewaltschutzgesetz besteht jedoch
häufig auch große Unsicherheit bei den professionellen
und ehrenamtlich Unterstützenden.
Ziel des Multiplikator_innen-Seminars ist die Sensibilisierung für die geschlechtsspezifische Situation von Frauen
in Flüchtlingsunterkünften und die Weitergabe von Informationen über die Rechte von Gewalt betroffener Flüchtlingsfrauen in Bezug auf das Gewaltschutzgesetz, Wohnsitzauflage, Zugang zu Frauenhäusern, Angebote des
Hilfetelefons, Möglichkeiten und Hindernisse der Unterstützung bei „besonders schutzbedürftigen Personen“
nach der EU-Aufnahmerichtlinie und Empowermentansätze zur Stärkung der Frauen. Anhand von Fallbeispielen möchten wir Praxiserfahrungen weitergeben und zusammen mit den Teilnehmenden weitere Handlungsmöglichkeiten entwickeln.
Termin: Freitag, 19.02.2016, 14 – 18 Uhr Ort: agisra
e.V., Martinstr. 20a, 50667 Köln
Teilnahmebeitrag: 15 Euro (Die verbindliche Anmeldung erfolgt mit der Überweisung der
Kosten an unser Konto mit dem Betreff „Seminar: Frauenspezifische Gewalt“. Es sind nur begrenzt Plätze vorhanden.
Bankverbindung: Sparkasse KölnBonn IBAN: DE55
3705 0198 0036 8020 98
SWIFT-BIC: COLSDE33.“
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2. Berichte
2.1 Einigung über Finanzierung von
Flüchtlingskosten und Kindertagesstätten in NRW
In einer gemeinsamen Pressemitteilung der SPDFraktion, GRÜNE Fraktion im Landtag NRW und der
Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände
Nordrhein-Westfalen vom 17.12.2015 heißt es u.a.:
„Die Verhandlungen zwischen den drei kommunalen
Spitzenverbänden, den Koalitionsfraktionen von SPD und
GRÜNEN im Landtag NRW und der Landesregierung
sind mit einem guten Kompromiss für alle Beteiligten
beendet worden. Verhandelt wurde über die künftige
Erstattung der Flüchtlingskosten, über den Ausbau und
die weitere Finanzierung der Kindertagesbetreuung sowie
über die grundlegende Überarbeitung des Kinderbildungsgesetzes. Bei der Erstattung der Kosten über das
Flüchtlingsaufnahmegesetz stockt das Land die Pauschalen für die Kommunen auf rund 1,948 Milliarden Euro auf
und wird eine Jahrespauschale an die Kommunen zahlen.
Darin enthalten sind die vom Bund zugesagten Zuweisungen von insgesamt 626 Millionen Euro. Ab 2017 wird
auf
eine
Pro-Kopf-Finanzierung der Flüchtlingskosten für die Städte und Gemeinden umgestellt.
Die Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände,
Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann aus
Hamm (Städtetag NRW), Landrat Thomas Hendele,
Kreis Mettmann (Landkreistag NRW), und Bürgermeister
Dr. Eckhard Ruthemeyer aus Soest (Städte- und Gemeindebund NRW) erklärten: ‚Nachdem der Bund den
Ländern im September 670 Euro pro Flüchtling und Monat zugesagt hat, erhöht das Land nun seine bisherigen
Zahlungen für die Kommunen. Die von den kommunalen
Spitzenverbänden immer wieder reklamierte deutlich zu
geringe Kostenerstattung der Flüchtlingsausgaben in
NRW wird auf diese Weise in Zukunft erheblich verbessert. Mit der gemeinsamen Verständigung wird anerkannt, dass die Kommunen hohe Kosten zu tragen haben, und vor diesem Hintergrund wurde eine Einigung
möglich.‘
Die geplante Umstellung von einer pauschalen Gesamtzahlung im Übergangsjahr 2016 hin zu einer Monatspauschale pro Flüchtling im Jahr 2017 ist aus Sicht der
Kommunen sinnvoll. ‚Und ab dem Jahr 2018 rechnen wir
mit einer Anpassung der monatlichen Pauschale nach der
gemeinsamen Kostenerhebung von Land und Kommunen. Für diese Erhebung haben sich die kommunalen
Spitzenverbände sehr intensiv eingesetzt. Wir streben an,
dass auf dieser Basis eine ausreichende Erstattung der
Flüchtlingsausgaben der Kommunen durch das Land
möglich wird‘, sagten Hunsteger-Petermann, Hendele
und Ruthemeyer weiter. Die Datenerhebung erfolgt vom
1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017, die Vorarbeiten dafür
werden frühzeitig begonnen.
Zu dem jetzt verabschiedeten Kompromiss erklärt
Norbert Römer, Fraktionsvorsitzender der SPD im Land-
3
tag NRW: ‚Wir gehen als Land bis an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit, um die Städte und Gemeinden in
NRW zu unterstützen und weiter zu stärken – auch bei
den besonderen Anforderungen durch die Flüchtlingsunterbringung. Diese historische Bewährungsprobe erfordert
einen ebenso historischen Kraftakt vom Land. 2016 wird
das Land eine Jahrespauschale von rund 1,9 Milliarden
Euro über das Flüchtlingsaufnahmegesetz bezahlen.
Insgesamt stellt das Land für 2016 fast vier Milliarden
Euro für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in
NRW bereit.‘
Mehrdad Mostofizadeh, Fraktionsvorsitzender GRÜNE
Fraktion: ‚Wir sind auch bei der Versorgung der Geflüchteten Partner der Kommunen. Auf einen Bundes-Euro
kommen in NRW zwei Landes-Euro. Das ist bundesweit
Spitze. Auch in der Frage, wie das Geld auf die Kommunen verteilt wird, sind wir uns einig.
Ich freue mich zudem, dass die Kommunen ebenso wie
das Land die Zuschüsse für die Kitas bei der Kindpauschale auf drei Prozent dynamisieren und so die vielfältigen Angebote sichern. Noch nie zuvor wurde in NRW so
viel Geld für die frühkindliche Bildung in die Hand genommen. NRW hält Wort: Wir sorgen für die Chancengleichheit aller Kinder‘“.
2.2 Abschiebungen nach Afghanistan
Die Innenministerkonferenz (IMK) beschloss im Dezember 2015 u.a.:
Die IMK nimmt den "Sechsten ergänzenden Bericht
der Arbeitsgruppe 'Internationale Polizeimissionen' zur
Evaluierung des bisherigen Einsatzes in Afghanistan,
erweitert um die Informationen über die Planungen
und gegebenenfalls schon eingeleiteten Maßnahmen
zur Realisierung eines sicheren Einsatzes deutscher
Polizeivollzugsbeamter
in
Afghanistan ab 2016" (Stand: 22.10.15) zur Kenntnis.
Sie betont die Wichtigkeit der Fortsetzung der
deutschen Unterstützung für die afghanische Polizei.
Sie erachtet die Fortführung des bilateralen Polizeiprojekts (GPPT) auch mit Blick auf die derzeitige Migrationslage für erforderlich. Deshalb sollen auch weiterhin bis zu 50 Polizeibeamtinnen und -beamten des
Bundes und der Länder im GPPT sowie in der EUPOL Mission Afghanistan entsandt werden.
Die IMK stellt fest, dass die Sicherheitslage in
Afghanistan in einigen Regionen eine Rückkehr ausreisepflichtiger
afghanischer
Staatsangehöriger
grundsätzlich erlaubt
Sie bittet die Bundesregierung, die Rahmenbedingungen für Rückführungen und freiwillige Ausreisen durch
verbindliche Absprachen mit der afghanischen Regierung, UNHCR und IOM zu verbessern.
Die IMK kommt zu dem Ergebnis, dass Rückführungen
in
diese
sicheren
Regionen
Afghanistans dann möglich sind, wenn nicht im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte dagegen sprechen.“
2.3 Aushebelung des Asylrechts I: Stellungnahme von Pro Asyl
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In einer Presseerklärung von Pro Asyl „Neues Asylrecht darf keine rechtsfreien Räume schaffen“ vom
26.11.2015 heißt es u.a.:
„In Umsetzung des Beschlusses der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5. November 2015
befindet sich derzeit ein Gesetzentwurf zur Einführung
beschleunigter Asylverfahren im Abstimmungsprozess
innerhalb der Großen Koalition.
Die geplanten Schnellverfahren in besonderen Aufnahmeeinrichtungen stoßen beim Deutschen Anwaltverein (DAV) und PRO ASYL auf grundsätzliche Bedenken. Beide Organisationen warnen ausdrücklich
davor, die Rechtswegegarantie des Grundgesetzes
aushebeln zu wollen. Anstatt der ursprünglich geforderten Transitzonen sollen nun Asylverfahren in ‚besonderen Aufnahmeeinrichtungen‘ eingeführt werden,
bei denen extrem kurze Fristen gelten und Schutz vor
Abschiebung während des Klageverfahrens nur noch
bei erfolgreichen Eilverfahren gewährt wird. Die Neuerungen betreffen letztlich alle Flüchtlinge, auch diejenigen, die aus guten Gründen geflohen sind und deshalb eine hohe Anerkennungsquote genießen. Beide
Organisationen kritisieren auch die vorgesehenen Regelungen zur ‚Gesundheitsfiktion‘ und hinsichtlich des
Verwehrens der Familienzusammenführung. Die Wiedereinführung von Einzelfallprüfungen würde zusätzlich zu längeren Verfahren führen.
‚Ein faires Asylverfahren, die Korrektur von Fehlentscheidungen durch die Arbeit von Rechtsanwälten und
Gerichten wird de facto kaum noch möglich sein‘, kritisiert Rechtsanwalt Tim Kliebe vom Deutschen Anwaltverein. Im Unterschied zum Flughafenverfahren
sei in den besonderen Aufnahmezentren keine kostenlose Rechtsberatung vorgesehen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass wegen des jüngst eingeführten
Sachleistungsprinzips die Asylsuchenden gar nicht
über die finanziellen Mittel verfügen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. ‚Mit der verfassungsrechtlichen
Garantie des effektiven Rechtsschutzes ist dies nicht
zu vereinbaren‘, kritisiert Kliebe.
PRO ASYL - Geschäftsführer Günter Burkhardt verglich die Schnellverfahren in besonderen Einrichtungen mit ‚Schleusen, die nach politischen Vorgaben
den Zugang zu einem regulären Asylverfahren steuern‘. Nach dem Gesetzentwurf soll bereits ausreichen,
‚Identitäts- oder Reisedokumente […] mutwillig vernichtet oder beseitigt [zu haben], oder [dass] Umstände vorliegen, die diese Annahme rechtfertigen.‘
‚Diese Voraussetzung ist weit gefasst, da eine Vielzahl der Flüchtlinge gezwungen ist, ohne Reisedokumente zu fliehen‘, warnt Burkhardt. PRO ASYL sieht
die Gefahr, dass ‚beschleunigte Asylverfahren‘ zum
Standardverfahren werden. Damit könne der Staat
nach Belieben das Recht auf ein faires Asylverfahren,
in dem die Fluchtgründe geprüft werden, aushebeln.
Verfassungsrechtlich auf wackeligen Füßen steht aus
Sicht des DAV und PRO ASYL die geplante Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten
für zwei Jahre. Denn die Betroffenen können die verfassungsrechtlich geschützte Familieneinheit nicht im
Verfolgerstaat herstellen. Eine Wartezeit von zwei
Jahren hat indes keinen sachlichen Grund. Sie gefährdet vielmehr die im Herkunftsland verbliebenen
Angehörigen, ebenfalls Opfer von Folter oder willkürlicher Gewalt zu werden. ‚Bei den Erwägungen zur geplanten Aussetzung des Familiennachzugs wird der
besonderen Bedeutung des verfassungsrechtlichen
Schutzes von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG in
keiner Weise Rechnung getragen‘, stellt Kliebe fest.
Burkhardt betont, dass ein Hinauszögern des Familiennachzugs die Integration verhindert. Dies sei weder
im Interesse der Betroffenen noch der hiesigen Gesellschaft.
Als dritten Hauptkritikpunkt an dem Gesetzentwurf
sehen die Organisationen den schlechteren Schutz
vor Abschiebung bei Erkrankungen an. Dass eine
Posttraumatische
Belastungsstörung
als
nicht
schwerwiegend angesehen wird, entbehrt jeder
Grundlage. Dies steht auch im Widerspruch zu den
Erkenntnissen der Neurologie und Psychiatrie.
Mit Blick auf die in der kommenden Woche stattfindende Innenministerkonferenz (IMK) von Bund und
Ländern appellieren der Deutsche Anwaltverein und
PRO ASYL an die Innenminister, keine Beschlüsse zu
fällen, die die Asylverfahren nochmals in die Länge
ziehen. Die IMK verhandelt u.a. darüber, ob das
BAMF die Schriftverfahren für syrische Flüchtlinge
aufgibt und stattdessen wieder langwierige Einzelfallprüfungen einführt. Davon könnten Schätzungen von
PRO ASYL zufolge bis zu 200.000 Menschen betroffen sein, die bis Ende Oktober eingereist sind. Auch
die Wiedereinführung der Dublin-Verfahren für aus
Syrien geflohene Menschen wird zu einem erheblichen Arbeitsaufkommen führen. Statt Asylgründe zu
prüfen und die Verfahren schnell abzuschließen, prüft
das BAMF eine mögliche Überstellung von Schutzsuchenden nach Ungarn oder Kroatien. Dabei ist es weder realistisch noch humanitär vertretbar, Zehntausende syrischer Flüchtlinge nach Kroatien oder Ungarn abzuschieben.“
2.4 Aushebelung des Asylrechts II: Stellungnahme der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren
und Folteropfer e.V.
In der Pressemitteilung der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft „Erschreckende Tendenz: Eilverfahren
hebeln faire Asylverfahren aus – Abschiebung von
schwer erkrankten und traumatisierten Geflüchteten
wird
erleichtert“ vom 26.11.2015 heißt es u.a.:
„Die BAfF e.V. übt schwere Kritik an den geplanten
Verschärfungen des Asylverfahrens, die im Entwurf
zum zweiten Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz
des Bundesinnenministeriums festgeschrieben sind:
Eilverfahren sollen zur Regel werden und die Abschiebung auch von schwer erkrankten und traumatisierten
Geflüchteten vereinfachen. Selbst qualifizierte psychotherapeutische Gutachten sollen nicht mehr anerkannt
werden, um die Folgen von traumatischen Erfahrun-
4
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gen
zu beurteilen. ‚Wir fordern eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzesentwurfes‘, sagt Elise
Bittenbinder, Vorsitzende der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.) ‚Auch wenn
wir im Interesse unserer KlientInnen ein schnelleres
Asylverfahren generell sehr begrüßen, kann dies nicht
zu Lasten eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens
geschehen.‘
Der Referentenentwurf sieht vor, dass über die Asylanträge für bestimmte Gruppen von Geflüchteten innerhalb von einer Woche entschieden wird. Darunter
fallen
alle Menschen, die aus sicheren Herkunftsländern
komen, im Folgeverfahren sind oder ihre Papiere vernichtet haben sollen. ‚Gerade für Traumatisierte ist
dies
problematisch: sie können erlittene Menschenrechtsverletzungen oftmals nicht sofort so zusammenhängend und ohne Zeitsprünge vorbringen, wie das der
Gesetzgeber von ihnen erwartet. Das braucht Schutz
und Zeit, die in dem beschleunigten Verfahren nicht
gegeben ist.‘ Gesundheitliche und psychische Erkrankungen, wie etwa auch die Posttraumatische
Belastungsstörung (PTBS), sollen einer Abschiebung
künftig nicht mehr entgegenstehen. Ist eine medikamentöse Behandlung im Heimatland möglich,
darf auch bei schweren Erkrankungen abgeschoben
werden – dabei wird nicht überprüft, ob die Behandlung tatsächlich realistisch erreichbar und im
Einzelfall zumutbar ist. Für psychische Krankheiten ist
dies schon allein deshalb unhaltbar, weil etwa die
PTBS nach geltenden medizinischen Standards
überhaupt nicht ausschließlich medikamentös behandelt werden darf. Diese Standards werden auch mit
dem Plan ignoriert, Erkrankungen nur noch mit ärztlichem Attest und nicht mehr durch qualifizierte psychologische Gutachten anzuerkennen. ‚Anstatt psychische Erkrankungen mit hoher Sorgfalt und von Fachleuten begutachten zu lassen, wälzt das Bundesinnenministerium
die
eigene
Überforderung auf die Schultern traumatisierter Geflüchteter ab, verkürzt die Zeit für die Einholung von
Gutachten und erwehrt sich künftig schon präventiv
jeglichem psychologischen und psychotherapeutischen Sachverstand‘, kritisiert Bittenbinder. Dies widerspricht der geltenden Rechtsprechung: Psychologische
PsychotherapeutInnen sind auch im Sozialgesetzbuch
den FachärztInnen gleichgestellt und befähigt, psychische
Erkrankungen
zu
diagnostizieren
und
entsprechende
Gutachten
zu
verfassen.
‚Mit dem Gesetzesentwurf wird die Gefährdung von
Leib und Leben der betroffenen Personen billigend in
Kauf genommen. Schnelle und faire Asylverfahren
können
nicht auf dem Rücken der Betroffenen geführt werden‘, sagt Bittenbinder. ‚Als besonders vulnerable
Gruppe werden erkrankte und traumatisierte Geflüchtete
durch das Eilverfahren und die Bestimmungen zur
Aushöhlung qualifizierter Beurteilungen von Abschiebehindernissen zusätzlich systematisch benachteiligt.‘
5
Die BAfF ruft alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, diesen Angriff auf Menschenrecht,
Menschenwürde und auf die Rechtsstaatlichkeit im
Asylverfahren vollumfänglich und nachhaltig abzulehnen.“
2.5 Bundesfachverband Unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge e.V.: Über
45.000 UMF in Deutschland
In einer Pressemitteilung des Bundesfachverbands
vom 20.11.2015 heißt es u.a.:
„Der Bundesfachverband umF schätzt, dass in diesem
Jahr bereits über 30.000 unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind und
damit schon mehr als doppelt so viele wie im Jahr
2014.
Damit dürften sich mehr als 45.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland befinden, von
denen die meisten einen Anspruch auf Leistungen der
Jugendhilfe haben. Hinzu kommen weitere 6.500 junge Volljährige, die gegenwärtig Leistungen der Jugendhilfe erhalten.
Durch die seit dem 1.11.2015 geltende QuotenVerteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind bundesweit alle Kommunen aufgefordert,
angemessene Einrichtungen aufzubauen, Personal
einzustellen und zu qualifizieren sowie die Versorgung
von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sicherzustellen. ‚Auch wenn es großes Verständnis dafür
gibt, dass nicht überall
ad hoc Personal, Träger und geeignete Räumlichkeiten gefunden werden können, dürfen sich Notunterbringungen und Standardabsenkungen nicht verstetigen‘, so Niels Espenhorst vom Bundesfachverband
umF.
In den kommenden Monaten werden vor allem die
Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg,
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, Sachsen und Sachsen-Anhaltverstärkt unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgrund der bundesweiten Umverteilung aufnehmen. Allerdings sind auch
dort in den letzten Monaten die Aufnahmezahlen stark
gestiegen, so dass auch in diesem Bundesländern es
nicht leicht fällt, ausreichende Kapazitäten für die Aufnahme aufzubauen.
Gegenwärtig werden viele Minderjährige nicht adäquat in der Jugendhilfe untergebracht. Zudem werden
in vielen Städten unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht wie gesetzlich vorgeschrieben in Obhut genommen, erhalten keine angemessene Betreuung,
keine ausreichenden Gesundheitsleistungen, keinen
unmittelbaren Zugang zum Bildungssystem und keine
rechtliche Vertretung in Form eines Vormunds.
Die bloße Verteilung wird dieses Problem nicht lösen.
Sondern es braucht einen massiven Ausbau von Infrastruktur.“
2.6 NRW-Erlass zur „BüMA“
Im Erlass des Innenministeriums
01.12.2015 heißt es u.a.:
NRW
vom
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„Vor dem Hintergrund, dass derzeit vielen Asylsuchenden erst nach erheblichen Wartezeiten eine Antragstellung beim BAMF ermöglicht wird und sie bis
dahin lediglich im Besitz einer Bescheinigung über die
Meldung als Asylsuchende (BüMA) sind, haben Sie
eine Reihe von Praxisproblemen an mich herangetragen.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Aufenthaltsgestattung, die Asylsuchenden zur Durchführung des Asylverfahrens den Aufenthalt im Bundesgebiet erlaubt,
anknüpfend an das Asylgesuch kraft Gesetzes eintritt
und nicht erst mit Ausstellung der Bescheinigung nach
§ 63 AsylG.
Die Bundesregierung hatte hierzu bereits in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke
vom 10.04.2015 (BT-Drs. 18/4581, Antwort auf Frage
3) Folgendes ausgeführt:
‚Die Aufenthaltsgestattung entsteht grundsätzlich nicht
erst mit der Stellung des Asylantrags, sondern bereits
mit der Äußerung des Asylgesuchs (§ 55 Absatz 1
AsylVfG). Das Asylgesuch kann mit der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA)
nachgewiesen werden.‘
Außerdem wurde schon zu diesem Zeitpunkt eine
Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen in Aussicht gestellt (vgl. Antwort auf Frage 8 der KA):
‚… Im Bundesministerium des Innern wird ferner geprüft, ob und ggf. wie die Funktion der BüMA als
Nachweis für ein Asylgesuch und damit als ein Nachweis für den Beginn bestimmter Fristen in der Praxis
verbessert werden kann. Auch wird überlegt, ob die
Frist für das Erlöschen der Aufenthaltsgestattung nach
§ 67 Absatz 1 Nummer 2 AsylVfG verlängert werden
soll, wenn es dem Ausländer aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist, den Asylantrag
fristgerecht nach der Äußerung des Asylgesuchs zu
stellen. …‘
Mit dem am 24.10.2015 in Kraft getretenen Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz
(Bundesgesetzblatt
2015 Teil I Nr. 40, S. 1722) wird die BüMA nunmehr
erstmals in § 63a AsylG gesetzlich geregelt. Gleichzeitig wurden die Regelungen zum Erlöschen der
Aufenthaltsgestattung angepasst (§ 67 AsylG). Insbesondere wird gesetzlich klargestellt, dass Verzögerungen bei der Terminvergabe durch das BAMF, auf
die die Betroffenen naturgemäß keinen Einfluss haben, nicht zu einem Erlöschen der Aufenthaltsgestattung führen.
In dem zwischenzeitlich bekannt gewordenen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der
Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Datenaustauschverbesserungsgesetz) ist u.a. eine Änderung des §
63a AsylG vorgesehen. Hiernach soll die im Entwurf
als „Ankunftsnachweis“ definierte Bescheinigung über
die Meldung als Asylsuchender künftig als bundeseinheitliches, über das AZR zu generierendes Dokument
ausgestaltet werden. Es ist außerdem vorgesehen,
die in § 63a Absatz 2 Satz 1 AsylG vorgesehene Frist
auf drei Monate zu verlängern.
Dies vorausgeschickt, nehme ich zu den von Ihnen
aufgeworfenen Fragen wie folgt Stellung:
1. Welchen Aufenthaltsstatus besitzt ein Ausländer
nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 67 Abs. 1
Nr. 2 AsylG (wenn noch kein Asylantrag gestellt wurde)?
Nach dem bisherigen Wortlaut der Vorschrift trat das
Erlöschen der Gestattung unabhängig vom Verschulden der Asylsuchenden ein. Wenn aber den Betroffenen die Einhaltung der vorgegebenen Frist durch die
allein zuständige Behörde (hier das BAMF) unmöglich
gemacht wird, hätte dies zu einem unbilligen Ergebnis
geführt, das auch der Gesetzgeber erkannt und mit
der Neuregelung in § 67 Abs. 1 Satz 2 AsylG klarstellend beseitigt hat:
„Liegt in den Fällen des § 23 Absatz 1 der dem Ausländer genannte Termin bei der Außenstelle des Bundesamtes nach der sich aus Satz 1 Nummer 2 ergebenden Frist, dann erlischt die Aufenthaltsgestattung
nach dieser Bestimmung erst, wenn der Ausländer bis
zu diesem Termin keinen Asylantrag gestellt hat.“
Die Ausnahme vom Erlöschen gilt erst recht für den
Zeitraum, in dem das Bundesamt ohne Verschulden
des Ausländers noch gar keinen Termin benannt hat.
In einschlägigen Fällen ist es auch für zurückliegende
Fälle gerechtfertigt, von einem Fortbestand der Gestattung - über die 14-Tages-Frist hinaus - auszugehen.
Nach § 67 Abs. 2 AsylG tritt die Aufenthaltsgestattung
im Übrigen wieder in Kraft, sobald der Asylantrag gestellt wird.
2. Darf auf Grundlage der BüMA nach drei Monaten
eine Beschäftigung erlaubt werden?
Vorbehaltlich sonstiger Einschränkungen (z.B. während der Wohnverpflichtung in einer Aufnahmeeinrichtung):
Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen. Der Beginn
der Frist für die Bemessung der Gestattungsdauer
wird durch das Erstausstellungsdatum der BüMA bestimmt.
Auch das BMI hat im Rahmen einer Mitteilung vom
04.11.2015 ausgeführt, dass zwischen BMI, AA und
BMAS Einigkeit darüber besteht, dass mit der Meldung als Asylsuchender die Gestattung des Aufenthalts ausgelöst wird, was u.a. auch bewirke, dass damit die Frist für die Wartezeit nach § 61 AsylG in Lauf
gesetzt wird.
Dies bedeute gleichzeitig, dass der in § 26 Absatz 2
Satz 4 BeschV beschriebene Personenkreis dem
Grunde nach die Voraussetzung, einen Asylantrag im
Sinne dieser Vorschrift gestellt zu haben, mit einer vor
dem 24.10.2015 ausgestellten BüMA erfüllt.
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Mehr Informationen und Neuigkeiten unter www.koelner-fluechtlingsrat.de
3. Dürfen Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten mit BüMA, die bereits einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, diese mit Blick auf § 61 Abs. 2
Satz 4 AsylG weiter ausüben, obwohl der Asylantrag
bis zum 31.08.2015 noch nicht gestellt wurde?
Es besteht keine Veranlassung, den betroffenen Personen die Erwerbstätigkeit im Nachhinein wieder zu
versagen.
Siehe hierzu im Übrigen auch Antwort auf Frage 2.
4. Entfällt die räumliche Beschränkung des Aufenthalts, wenn der Ausländer seit drei Monaten im Besitz
einer BüMA ist?
Vorbehaltlich sonstiger Einschränkungen (z.B. durch §
59a Abs. 1 Satz 2 AsylG während der Wohnverpflichtung in der Aufnahmeeinrichtung): Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen. Der gestattete Aufenthalt beginnt mit dem Datum der Erstausstellung der BüMA.
5. Kann auf Grundlage einer BüMA eine Umverteilung
erfolgen?
Halten sich bereits Familienmitglieder im Bundesgebiet auf, so empfiehlt es sich, schon bei der Erstregistrierung auf diesen Umstand hinzuweisen, damit die
familiären Bindungen bei der Zuweisung berücksichtigt werden können.“
2.7 Zugang zum Arbeitsmarkt und Leistungen des SGB II und III für Migranten/innen
Die Arbeitsagentur Osnabrück hat in Zusammenarbeit
mit der Caritas eine umfangreiche tabellarische Übersicht zum Arbeitsmarktzugang für Migranten zusammengestellt. Die Voraussetzungen des Arbeitsmarktzugangs und weiterer Fördermöglichkeiten werden
dabei über 70 verschiedenen Varianten des Aufenthalts zugeordnet.
Das Dokument befindet sich hier!
http://koelnerfluechtlingsrat.de/neu/userfiles/pdfs/2015-1105Zugang_Arbeitsmarkt.pdf
2.8 Kosten für Flüchtlinge bezahlbar
„Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sieht keine nennenswerten finanziellen Schwierigkeiten für den Staat
durch die Flüchtlingsmigration. "Angesichts der guten
Lage der öffentlichen Haushalte sind diese Kosten
tragbar", heißt es in dem von der Bundesregierung als
Unterrichtung (18/6740) vorgelegten Jahresgutachten
des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Flüchtlingsmigration werde zu direkten jährlichen Bruttoausgaben für
die öffentliche Haushalte von 5,9 bis 8,3 Milliarden Eu-
ro führen. Längere Asylverfahren und eine schlechtere
Arbeitsmarktintegration könnten die Kosten aber
merklich erhöhen.
Im günstigsten Fall werde durch die Flüchtlingsmigration ein positiver Effekt auf den Arbeitsmarkt von bis
zu 500.000 Personen bis zum Jahr 2020 entstehen,
prognostiziert der Sachverständigenrat. Es gebe einen
erheblichen Qualifizierungsbedarf. Die Hürden für die
Beschäftigung dürften nicht zu hoch ausfallen, und
angesichts des steigenden Arbeitsangebots im Niedriglohnbereich sollte der Mindestlohn keineswegs erhöht werden, verlangt der Sachverständigenrat, der
die Zahl der arbeitslosen anerkannten Flüchtlinge bis
2020 auf 300.000 bis 350.000 schätzt. Für den Wohnungsmarkt werden private Investitionsanreize gefordert, da die Nachfrage nach privatem Wohnraum
durch die Zuwanderung steigen werde.
Für Deutschland erwartet der Sachverständigenrat
einen Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts in
diesem Jahr von 1,7 Prozent und für 2016 von 1,6
Prozent. Sorgen bereitet den Sachverständigen das
niedrige Produktivitätswachstum. Die Bewältigung der
erhöhten Zuwanderung werde nur möglich sein, wenn
die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht werde“ (aus: Heute im Bundestag vom 30.11.2015 Nr.
626).
3. Literatur
· Dorothee Frings, Elke Tießler-Marenda: Ausländerrecht für Studium und Beratung. Einschließlich
Staatsangehörigkeitsrecht. Mit Beispielen und Lösungsschemata. 3. Auflage 2015, ca. 400 Seiten;
ISBN
978-3-943787-52-8
Preis/Expl. ca. 22,- €.
· Dorothee Frings, Martina Domke: Asylarbeit. Ein
Rechtsratgeber für die soziale Praxis. 1. Auflage
2015, ca. 300 Seiten; ISBN 978-3-943787-58-0
Preis/Expl. ca. 20,- €.
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