Stand: 12. Januar 2016 b Entwurf der Rede des Ministers für Arbeit

IV 2 (LMB)
Stand: 12. Januar 2016 b
Entwurf der
Rede
des Ministers für Arbeit, Integration und Soziales
des Landes Nordrhein-Westfalen
Rainer Schmeltzer MdL
Vorhaben und politische Schwerpunkte
im Bereich „Integration“ bis zum Ende der 16. Wahlperiode
für die 53. Sitzung des Integrationsausschusses
am 13. Januar 2016 (TOP 1)
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich spreche gewiss im Namen aller Anwesenden, wenn ich
meinen Abscheu vor den Straftaten in der Silvesternacht in
Köln und an anderen Orten zum Ausdruck bringe.
Das war ein Schock - der sitzt tief und ist nur schwer zu
verarbeiten. Dass allem Anschein nach bandenmäßig und
organisiert sexuelle Gewalt von Männern mit
Migrationshintergrund ausgeübt wurde, ist unerträglich.
Was wir erlebt haben, war ein Angriff auf die
Ankommenskultur in Nordrhein-Westfalen, den ich
persönlich - auch in dieser Größenordnung - nicht für
möglich gehalten habe.
Unsere Solidarität und unser Mitgefühl gehören den
betroffenen Frauen.
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Die Straftäter müssen die Strafen erhalten, die unser
Gesetz dafür vorsieht.
Innenminister de Maiziere und Justizminister Maas haben
gestern Schritte für eine erleichterte Ausweisung
ausländischer Straftäter vorgestellt, etwa bei Straftaten
gegen die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle
Selbstbestimmung.
Ich halte diese Vorschläge für richtig.
In den Tagen nach der Silvesternacht sind Menschen mit
erkennbarem Migrationshintergrund angegriffen und
angepöbelt worden.
Aus einem aufgeputschten rechtsradikalen Mob heraus,
wurden in Köln Polizisten mit Gegenständen beworfen und
angegriffen.
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Auch das ist unerträglich!
Gewalt, gegen wen auch immer, ist nicht zu rechtfertigen.
Punkt! Das hat jeder und jede unabhängig von Herkunft,
Kultur oder Religion anzuerkennen.
Ich möchte an dieser Stelle zitieren, was Frau
Ministerpräsidentin am 30. September im Landtag sagte:
„Alle, die zu uns kommen, müssen wissen, dass bei uns
das friedliche Zusammenleben von Menschen
unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Religion
höchsten Wert besitzt, dass Gesetze und Werte gelten und
wir sie verteidigen und durchsetzen werden.“
Wir sind stolz auf das Miteinander von Menschen mit und
ohne Zuwanderungsgeschichte in Nordrhein-Westfalen.
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Das ist ein hohes Gut und dieses Gut müssen wir
Integrationspolitiker und Integrationspolitikerinnen mit
Leidenschaft und Entschlossenheit verteidigen.
Und das werden wir auch tun!
Es gibt auch gute Beispiele in unserem Land auf denen wir
aufbauen können.
Im AWO Beratungszentrum Lore-Agnes-Haus in Essen wird
schon seit 1983 Beratung von Menschen mit
Zuwanderungsgeschichte durchgeführt.
Werte und Normen in der Herkunftsgesellschaft, der
eigenen Familie und der Mehrheitsgesellschaft werden
diskutiert, hinterfragt und mit der deutschen Rechtslage
verglichen.
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Ziel des Essener Projektes ist es, das sich jeder Teilnehmer
mit den eigenen Normen und Werten auseinandersetzt und
diese reflektiert. So lernen die Teilnehmenden etwas über
unser Land und wir lernen, sie besser zu verstehen.
Ein gutes Projekt, wie mir die Kollegen vor Ort bestätigt
haben.
Anrede,
ich bin nun einhundert Tage als Minister für Arbeit,
Integration und Soziales im Amt und möchte Ihnen wie
angekündigt meine Schwerpunkte für die nächsten Monate
vorstellen.
Klar ist: Vor dem Hintergrund der Aufnahme von rund
300.000 Geflüchteten im Jahr 2015 in NRW ist Integration
das Thema.
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Wenn Sie mich fragen, ob die Aufgaben zu bewältigen sind,
dann sage ich: Ja, wenn wir strukturiert und möglichst
unaufgeregt handeln. Und genauso werden wir vorgehen.
Bund, Länder und Kommunen (um gar nicht erst von der
EU zu reden) sind nicht nur vorübergehend, sondern auf
absehbare Zeit äußerst stark gefordert, weil
Geschwindigkeit und Größenordnung der Zuwanderung in
dieser Form nicht abzusehen waren.
Während beim Thema Unterbringung auch Jonglage
notwendig war, ist der zweite Schritt planbarer: die
Integration der zu uns geflüchteten Menschen mit
Bleibeperspektive.
Dieser Schritt ist deshalb nicht weniger anspruchsvoll.
Denn Bund, Länder und Kommunen müssen zu einem
abgestimmten Handeln kommen, bei dem die
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Zuständigkeiten klar festgelegt und die finanziellen Lasten
gerecht verteilt sind.
Die erfolgreiche Bewältigung der gesamtstaatlichen
Herausforderung bedarf einer verbesserten Arbeitsteilung.
Noch greifen die Zahnräder nicht richtig ineinander.
Deutschland braucht einen Masterplan Einwanderung und
Integration.
Ein Einwanderungsgesetz hat deshalb für mich zwingend
auch die Aufgabe, mehr und bessere Integrationsnormen
und –instrumente zu regeln, als das bislang der Fall ist.
Im aktuellen Zuwanderungsgesetz (Aufenthaltsgesetz) von
2005 sind es gerade einmal fünf von insgesamt 155
Paragrafen, die ausdrücklich Integration regeln. Das muss
besser werden!
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Ich werde daher bei der Integrationsministerkonferenz in
Erfurt im März vorschlagen, dass der Bund eine
Kommission einberuft, die uns Vorschläge zur Reform von
Einwanderung und Integration vorlegt.
Klar ist: Das geht nur im Konsens der Parteien – aber
diesen Konsens kann man ja erarbeiten. Dafür ist eine breit
aufgestellte Kommission unter Beteiligung der Länder,
Kommunen, Arbeitgeber, Gewerkschaften etc. der richtige
Weg.
Anrede,
eine große Hilfe bei der Aufnahme und spontanen
Betreuung der Geflüchteten war und ist das ehrenamtliche
Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger, für das ich
mich sehr bedanke und das ich sehr unterstütze.
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Viele von ihnen engagieren sich, weil sie selbst eine
Einwanderungsgeschichte haben und wissen, wie man
sich fühlt, wenn man in einem neuen Land Fuß fassen
muss.
In einem ersten Schritt haben wir kurzfristig Gelder für
ehrenamtliche Arbeit bereitgestellt:
-
Februar 2015: „Ehrenamtsprogramm“ – 1 Million Euro
-
Sept. 2015: „Ankommen und Verstehen“ – 2 Millionen
Euro für Sachmittel und Räume.
Dieses Engagement werde ich 2016 weiter fördern, und
zwar verstärkt:
Unser Programm KommAn-NRW ist mit über 13 Millionen
Euro ausgestattet, davon fließen allein für die direkte
Unterstützung des Ehrenamtes rund 7,7 Millionen Euro in
die Kommunen.
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Wir werden im Rahmen von KOMM-AN die Kommunalen
Integrationszentren personell deutlich stärken. Dazu
werden 73 zusätzliche Stellen bei den bald 50 KIs
geschaffen (siehe Anlage mit Kurzinfos).
Verständnis und Verstehen in einer Gesellschaft beruhen
wesentlich auf der regelmäßigen und selbstverständlichen
Begegnung von Menschen, wie sie in vielen Initiativen vor
Ort täglich stattfindet.
Das kann der Staat nicht verordnen. Aber er kann die
Gesellschaft darin bestärken, in entsprechender Weise
aktiv zu werden und zu bleiben – und er kann dies, wie wir
es mit KOMM-AN tun, gezielt fördern.
Indem sie den Schutzsuchenden helfen, sich in der neuen
Umgebung zu Recht zu finden, schaffen die
Ehrenamtlichen gute Voraussetzungen für gelingende
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Integration. Und sie stabilisieren damit auch den
gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wir haben erst vor ein paar Tagen eine Broschüre drucken
lassen: Ankommen in Nordrhein-Westfalen – Erste Schritte
zur Orientierung in unserem Land.
Eine gelungene Broschüre, wie ich finde. Mit klaren
Botschaften und einfachen Hilfen, damit sich Geflüchtete
vor Ort besser zu recht finden können. In Kürze werden
auch Übersetzungen in sieben Sprachen - Englisch,
Französisch, Arabisch, Dari und Farsi erhältlich sein, kurze
Zeit später auch in Urdu und Tigrinisch (Eritrea, Äthiopien)
Wir werden in wenigen Wochen eine weitere Broschüre in
Druck geben, in der es weniger um Wege in einer
Gemeinde als um Werte in unserer Gesellschaft gehen
wird. Was bedeutet unsere demokratische Grundordnung?
Welche Regeln bzw. Gesetze gelten hier?
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Und wenn es um das Thema Sprache geht, kann ich Ihnen
versichern: Die Motivation und die Disziplin, Deutsch zu
lernen, scheint mir bei vielen Geflüchteten außerordentlich
hoch zu sein. Jedenfalls ist das mein Eindruck aus
persönlichen Begegnungen.
Uns ist das Ehrenamt sehr wichtig. Genauso wichtig ist es,
für die hauptamtlichen Rahmenbedingungen zu sorgen.
Deshalb bauen wir 2016 die professionellen Strukturen
deutlich aus.
Im Spätsommer 2015 haben wir „Early Intervention NRW+“
als Instrument der frühzeitigen Arbeitsmarktintegration
gestartet. Als erstes und bisher einziges Bundesland!
Menschen mit guter individueller Bleibe- und einer
Jobperspektive werden eng begleitet vom Jobcenter. Von
uns bekommen sie die Möglichkeit zu einem 300-stündigen
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Basissprachkurs. Das Ziel: Integration durch Ausbildung
und Arbeit – durch Teilhabe, durch das Erleben von Werten
und Normen.
Zu Beginn meiner Amtszeit haben die ersten
Basissprachkurse für Menschen mit guter individueller
Bleibe- und Jobperspektive begonnen. Mein Versprechen:
Dieses Angebot wird weiter flächendeckend ausgedehnt,
wo es nötig ist. Damit eröffnen wir Chancen.
Inzwischen zieht auf Drängen von NRW und anderen
Ländern in der Integrationsministerkonferenz und im
Bundesrat auch der Bund besser mit, hat seit Ende
Oktober für einige Asylbewerberinnen und Asylbewerber
die Teilnahmemöglichkeit an Integrationskursen des BAMF
erweitert.
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Aber auch hier müssen wir Berlin, wie bei der Frage der
Antragsbearbeitung, weiter auf den Füßen stehen, damit
auch ausreichend Plätze angeboten werden.
Anrede,
wir in NRW haben im vergangenen Jahr bundesweit die
meisten Flüchtlinge aufgenommen! NRW ist nicht nur
besonders erfahren im Umgang mit Zuwanderung.
Wir haben auch die Weichen für Integration besser gestellt.
Kein anderes Bundesland hat flächendeckend
Integrationspoints, also Anlaufstellen, in denen
arbeitssuchende Flüchtlinge alle wichtigen Institutionen
unter einem Dach finden und so nicht unnötig Zeit auf
einem Irrlauf durch Behörden verloren geht.
Dies ist in den letzten Wochen und sehr schnell passiert.
Die entsprechende Vereinbarung habe ich gemeinsam mit
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den kommunalen Spitzenverbänden und der
Regionaldirektion unterschrieben.
Wir haben hier nicht laut aufgeschrien, sondern gehandelt
– während andere Bundesländer immer noch fordern!
Gemeinsam mit meinem Kollegen Duin habe ich am 14.
Dezember den Dialog mit relevanten Partnern im Land
eröffnet, um eine Vernetzung beim Thema Integration in
Arbeit herzustellen.
Auch hier heißt das Ziel: keine Zeit verlieren, alle
Potenziale nutzen. Vonseiten der Wirtschaft gibt es ein
hohes Interesse an Kooperation mit uns als
Landesregierung.
Unser Vorstoß beim Thema Ausbildung (3+2-Regelung)
wird von 14 weiteren Ländern in der ASMK begrüßt. Bayern
distanziert sich davon!
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Mein Ziel ist kurzfristig zu einer verlässlichen Regelung für
Flüchtlinge und Unternehmen zu kommen.
Wir unterschreiben nicht mit drei Wirtschaftsverbänden
pauschale medienwirksame Willenserklärungen. Wir treffen
konkrete Zielvereinbarungen und arbeiten kontinuierlich
mit allen Akteuren an der realistischen, praktikablen
Umsetzung! (1. Treffen auf Arbeitsebene –
Hauptgeschäftsführer, MSW etc. am 21.12.2015)
Nicht zuletzt haben wir mit den nahezu flächendeckend
eingerichteten Kommunalen Integrationszentren eine
bestehende Struktur, die uns nun sehr zugute kommt.
Bis auf wenige Kreise haben wir überall Experten, die
Integration vor Ort professionell organisieren können.
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Dies ist eine echte Hilfe für die Kommunen. Diese
Strukturen werde ich im Rahmen des eben bereits
erwähnten Programms KommAn-NRW zusätzlich personell
verstärken.
Die Schwerpunkte in den Kommunalen Integrationszentren,
werden sich noch einmal mehr in Richtung
Querschnittsarbeit verschieben. Dabei wird auch die
Wertevermittlung eine Rolle spielen. Hier sehe ich die KI in
einer koordinierenden Unterstützung vor Ort.
Die Zentren werden in Zukunft noch stärker als bislang
Funktionen vor Ort übernehmen. Sie sollen und können
den Überblick schaffen über das Angebot an
Integrationshilfen und die Nachfrage.
Für die Betroffenen wie zum Teil auch für die Mitarbeiter in
den Behörden ist nicht immer klar, welche Angebote für
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welche Zielgruppen von welchen Anbietern zur Verfügung
stehen.
Ein Beispiel: Das wichtigste Integrationsinstrument in
Deutschland ist der vom Bund finanzierte Integrationskurs.
Nicht die Kommunen oder das Land entscheiden darüber,
wo welche Integrationskurse von wem angeboten werden.
Dies entscheidet bundeszentral das BAMF.
Gerne würde ich als Land hier behilflich sein, damit
Bundesmittel zielgerichtet dort investiert werden können,
wo sie am dringendsten benötigt werden. Ich werde die
Integrationsministerkonferenz im März (Erfurt) dazu nutzen,
dieses und weitere Themen im Kreise meiner
Länderkollegen anzusprechen.
Ich wünsche mir, dass diese Konferenz noch aktiver wird.
Neben der Innenministerkonferenz geht sie manchmal
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etwas unter. Das würde ich gerne gemeinsam mit meinen
Kolleginnen und Kollegen ändern.
Innerhalb der Landesregierung sind viele Kolleginnen und
Kollegen der unterschiedlichen Häuser mit Flüchtlingen
befasst. Integration ist eben eine Querschnittsaufgabe.
Mein Haus wird künftig das Thema stärker koordinieren.
Um das zu schultern, habe ich vom Kabinett die
Zustimmung erhalten, das Integrationsministerium
personell erheblich aufzustocken.
Den entsprechenden Antrag habe ich unmittelbar nach
meiner Vereidigung am 01.10.15 unterschrieben und auf
den Weg gebracht. Aus einer einzügigen Abteilung wird
künftig eine Integrationsabteilung mit zwei Gruppen.
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Und auch in den nachgeordneten Behörden (BR) habe ich
für zusätzliches Personal für diese Aufgaben Sorge
getragen.
Meine Damen und Herren,
ich hoffe, ich konnte Ihnen eine Übersicht geben über das,
was wir in den letzten Wochen auf den Weg gebracht
haben und was wir weiter planen.
Und ich hoffe, dass wir angesichts der angespannten
gesellschaftlichen Debatte in Deutschland, die wegen der
anhaltenden Fluchtbewegungen und vor dem Hintergrund
der 2016 anstehenden Landtagswahlen noch länger
anhalten dürfte, miteinander Sorge dafür tragen, dass
extreme Kräfte in diesem Land keine Spaltung der
Gesellschaft betreiben können.
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Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf
die weitere Zusammenarbeit.