AB - Die Strukturen neu bemessen

M a l aysia
I ndo nesien
Trans port & Logisti k
ch ina
Rapid verspricht
lukrative Aufträge
Regierung vergrault
ausländische Investoren
Hotspots ziehen
deutsche Firmen an
Neue Freiheiten im
Cash Management
Asia Bridge
Trends | Analysen | Strategien für Ihr Asiengeschäft
7/8:2015
vereinigt mit
Au s l an d s e nts e n d u ngen
ISSN: 1864-3752
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aktuell ASIA
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
„Ein kleines Land verlässt eine
Staatengemeinschaft, um seinen
eigenen Weg zu gehen.“
Klingt vertraut? Gemeint ist aber sicherlich nicht das Trauerspiel rund um
Griechenland, sondern eine beispiellose wirtschaftliche Erfolgsgeschichte,
die mit dem 9. August 1965 begann. An diesem Datum wurde Singapur
offiziell gegründet. Vorher war es allerdings aus der Föderation mit Malaysia, Sabah und Sarawak (beides Teile von Borneo) hinausgeworfen worden.
Wenn es zwei Erfolgsfaktoren gibt, dann sind es politische Kontinuität
und eine klare wirtschaftliche Strategie. Erstere ist vor allem der Abwesenheit von politischen Alternativen geschuldet. Singapur ist weniger Demokratie als Autokratie mit leicht dynastischen Zügen. Lee Hsien Loong steht
inzwischen der Regierung als Premierminister vor. Er ist der älteste Sohn
des kürzlich verstorbenen Staatsgründers Lee Kuan Yew.
Die Regierung ist es auch, die vorgibt, in welchen Sektoren strategisch
investiert wird. War es früher das Ziel, globale oder zumindest regionale
Headquarter durch günstige Steuersätze an die Straße von Malakka zu locken, steht inzwischen die Bio- und Nanotechnologie hoch im Kurs.
Ob man eine solche Regierungsform mag oder nicht sei dahingestellt,
wirtschaftlich scheinen die Regierenden des Stadtstaates alles richtig gemacht zu haben: Das Wirtschaftswachstum soll in diesem Jahr 4,5% betragen, im Staatshaushalt werden traditionell Überschüsse erzielt, die Bewohner umsorgt mit Geld und Sozialleistungen. Singapur verfügt über das
dritthöchste Prokopfeinkommen weltweit. Und das ohne vom Schicksal,
wie die beiden erstplatzieren Katar und Luxemburg, mit Öl beziehungsweise EU-Beamten beglückt zu sein. :::
Martin Brückner
Chefredakteur
ed ito r ia l
3
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Inha lt
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
24 ::: ASEAN
Wirtschaftsunion AEC verheißt
neue Geschäftsmöglichkeiten
Japan-Special
Energie: Die Atomkraft
feiert ihr Comeback
12 ::: Cover-Story
Daheim in der Fremde
p o l iti k
6::: Face to Face
8 ::: Hong Kong
Eine Stadt schirmt sich ab
10 ::: News
C o v e r- st o ry:
A u s la n d s e n t s e n dung
13 ::: Dunkle Wolken
im Expatparadies
14 ::: Zwischen Karriere und Heimweh
16 ::: In die Führungsetage
geht es nur übers Ausland
30 ::: Indien
Karnataka auf
dem Weg nach oben
p olitik
33 ::: News
12 ::: News
M essen & Kong ress e
Bu siness
34 ::: Indien
Die Not macht erfinderisch
22 ::: Fusionen
Die Strukturen neu bemessen
28 ::: Finanzierung
Tr ansp ort & log istik
36 ::: Asien
Deutsche Firmen
zieht es zu den Hotspots
18 ::: Den Durchblick bewahren
Service
B usine ss
20 ::: Pakistan
Nur wer Geld hat,
kommt unters Messer
24 ::: ASEAN
Mehr als nur
niedrige Lohnkosten
26 ::: Malaysia
Der Preis muss stimmen
CH IN A im ü berbl i c k
40 ::: Termine, Buchtipps
41 ::: Feiertage, Impressum
Tr avel & Lifest yle
Cash Pooling nicht
nur für Banken
32 ::: Expansion
Asien wurde zum Sprungbrett
33 ::: News
Rech t & st eu ern
38 ::: Freihandelszonen
Shanghai übernimmt
die Vorbildfunktion
42 ::: Sri Lanka
Der Zahn des Buddha
44 ::: Ausgesprochen asiatisch
29 ::: Indonesien
Schwierige Zeiten für Investoren
Bilder: XiXinXing, Shutterstock; ILO in Asia and the Pacific; The world according to Marty, beide Flickr; Titelbild: Dragon Images, Shutterstock
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ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
fa c e t o fa c e
DEinternational Taiwan, Taipei
::: Seit Juni hat Jan Jovy die Position des General
Manager von DEinternational Taiwan, der Vertriebsgesellschaft des Deutschen Wirtschaftsbüro Taipei,
inne. Er lebt seit über acht Jahren in Taiwan, hält
einen MBA der National Chenchi
Universität Taipei und war zuletzt
als Geschäftsführer eines großen
deutschen Handelshauses in Taiwan
tätig. DEinternational Taiwan organisiert Geschäftsdelegationen und
Markterkundungsreisen,
vertritt
deutsche Messegesellschaften und
bietet Unterstützung beim bilateralen Markteintritt sowie Personalsuche, berufliche
Fortbildungen, Office-in-Office und andere Dienstleistungen an. :::
Rödl & Partner, Shanghai
::: Die Anwaltskanzlei Rödl & Partner stellt sich in
ihrer Niederlassung Shanghai neu auf. Das Rechtsanwaltsteam wird künftig von Sebastian Wiendieck
geführt. Er übernimmt die Aufgabe von Alexander
Fischer. Wiendieck kam im Februar 2007 zu Rödl &
Partner nach Kanton und Beijing. Nach kurzer Unterbrechung und Tätigkeit für eine andere Anwaltskanzlei in Deutschland führt er seit Dezember 2012
die Niederlassung in Kanton. Vor seiner Tätigkeit für
Rödl & Partner war er für internationale Kanzleien in Frankfurt,
Hong Kong und Shanghai tätig.
Das Team in Shanghai betreut
überwiegend deutsche und europäische Unternehmen, die in China
bereits vertreten sind oder vor Ort
aktiv werden wollen. :::
Rutronik, Südostasien
::: An der Spitze von Rutronik Asia gibt es einen
Wechsel: Gerhard Weinhardt hat als neuer General
Manager die Verantwortung für Rutronik Asia übernommen. Er löst damit Lambert
Hilkes ab, der in den Ruhestand
verabschiedet wurde. Weinhardt
kann gut 14 Jahre Vertriebserfahrung in der Elektronikbranche
verzeichnen. Seit 2000 ist er in
verschiedenen Positionen bei Rutronik tätig und hat im vergangenen
Jahr die Stelle zum Sales Director
Asia angetreten. Gleichzeitig verstärkt das Unternehmen seine Präsenz in China mit
einer neuen Niederlassung in Xiang. :::
K O P F D E S M O N AT S
6
Direkter Draht zur Opposition
::: Mitte Juni war die burmesische
Oppositionsführerin Aung San Suu
Kyi auf Staatsbesuch in China. Empfangen wurde sie von Staats- und
Parteichef Xi Jinping – trotz oder
gerade wegen des angespannten
Verhältnisses beider Länder. Denn
der Partei der 70-Jährigen werden
große Chancen auf einen Wahlsieg
eingeräumt, wodurch Suu Kyi zu einer wichtigen Gesprächspartnerin der Chinesen wird. Diese sind immer
noch die größten Investoren in Myanmar und wollen
ihren Einfluss auf keinen Fall verlieren. Dies gilt gleichermaßen für das burmesische Militär: Gewinnt die
Opposition im November die Wahlen, verfügt es kaum
noch über Möglichkeiten, um auf demokratischen Wegen an die Macht zu gelangen. Suu Kyi befürchtet deshalb, dass die unsichere politische Lage der Regierung
als Vorwand dienen könnte, um die Wahlen zu verschieben. Somit muss die Politikerin vor allem in ihrem
eigenen Land um Autorität kämpfen. :::
Parlamentarischer Freundeskreis Berlin–Taipei
::: Eine sechsköpfige Delegation des Parlamentarischen Freundeskreises Berlin–Taipei besuchte auf
Einladung des Ministry of Foreign Affairs Anfang Juni
Taiwan. Während des Besuchs wurde Delegationsleiter Klaus-Peter Willsch vom taiwanischen Außenminister David Y.L.
Lin die Friendship Medal of Diplomacy verliehen. Willsch ist Mitglied
des Deutschen Bundestags und seit
2010 Vorsitzender des Parlamentarischen Freundeskreises Berlin–Taipei.
Die Auszeichnung würdigt sein langjähriges Engagement für die Weiterentwicklung der
deutsch-taiwanischen Beziehungen. :::
Zhongde Metal Gruppe, Stuttgart
::: Zum 1. Juli hat Mike de Vries die Geschäftsführung der Zhongde Metal Gruppe übernommen. Diese
ist Betreiberin der chinesisch-deutschen Sino-German
Metal Eco City (SGMEC). Die ökologisch ausgerichtete SGMEC ist das erste industrielle Großansiedlungsprojekt Chinas, das von der Wirtschaft initiiert
und von der Regierung unterstützt wird. De Vries
hatte seit Juni 2012 die Führung von Heidelberg Marketing inne. Zuvor war er Geschäftsführer der Standortinitiative der Bundesregierung und der deutschen
Wirtschaft „Deutschland – Land der Ideen“. :::
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10. Stahl Tag 2015
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rChina, Russland/Ukraine: Einfluss wichtiger Märkte auf die deutsche Stahlindustrie
rIndien: +5>?/66/Entwicklungen und deren Auswirkungen für den deutschen Stahlmarkt
rStahlmärkte vor dem Hintergrund von Überkapazitäten
rLieferantenqualität: Herausforderungen des globalen Beschaffungsmanagements
rPreisentwicklung: wie lange bleiben die Preise noch im Keller?
rZwischen Kostendruck und Haftungsrisiko: Zulieferer in der Zwickmühle
rDer Edelstahlmarkt auf Bewährungsprobe
Hören Sie u.a. folgende Branchenexperten:
Dr. Henrik Adam, Tata Steel Europe Limited
Dr. Heinz-Jürgen Büchner, IKB Deutsche Industriebank AG
Dr. Jörg Hilker, DB Schenker Rail
Hans-Jürgen Kerkhoff, Wirtschaftsvereinigung Stahl
Ralf Maier, M+./7+UG
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P o l iti k : Hong Kong
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Eine Stadt schirmt sich ab
Eine gescheiterte Abstimmung über ein neues Wahlrecht von Beijingss Gnaden treibt
die politischen Pole in der Stadt weiter auseinander.
Von Christoph Hein ::: Das hatten sich die Hierarchen in Beijing anders vorgestellt. Mitte Juni stürzten die chinesischen
Aktien am Finanzstandort Hong Kong dramatisch ab. In nur
fünf Handelstagen verlieren die festlandchinesischen Papiere
gut 13% an der Börse der chinesischen Sonderverwaltungszone. Viel schmerzlicher aber: Die Hongkonger wenden sich
unübersehbar gegen die Einflussnahme Beijings.
Auf dem Papier sah alles so einfach, so wohlwollend aus.
Erstmals offerierte die mächtige Partei im fernen Beijing ihrem Satelliten Hong Kong, den obersten Verwaltungschef
der Stadt frei zu wählen. Seitdem Hong Kong 1997 von den
Briten an China übergeben worden war, hat ein Komitee den
Führer der Stadt ernannt. Es war, daran gibt es keinen Zweifel, von Beijing bestimmt. Nach einem Jahr heftiger Auseinandersetzungen über die politische Zukunft der Stadt sollten
nun aber die Bürger 2017 ihren obersten Vertreter erstmals
selber wählen können. Das Problem: Zur Auswahl hätten
ausschließlich Kandidaten gestanden, die 1.200 von Peking
ernannte Wahlmänner und -frauen zuvor bestimmt hätten.
Die Wahl wäre so zur Farce geworden.
Dazu wurde nun allerdings die Abstimmung über die Annahme des Verfahrens. Als in der gesetzgebenden Versammlung Hong Kongs über den Vorschlag entschieden werden
sollte, zogen jene Abgeordneten aus, die der Beijing-nahen
Fraktion zuzurechnen sind. Damit wollte diese die Abstimmung verhindern, weil einer ihrer Abgeordneten noch fehlte.
Sie verlangte nach einer Zweidrittelmehrheit. Freilich hatte sie
sich verrechnet: Der verbliebene Rest der Abgeordneten nämlich stimmte ohne die Beijing-Treuen ab. So kam es zu einem
Nein von 28 Abgeordneten, nur 8 stimmten der Vorlage zu.
Aufgrund des Einschätzungsfehlers seiner Vertrauten wurde
der Vorstoß Beijings unter den denkbar peinlichsten Umständen für die Kommunistische Partei abgelehnt. „Die Entscheidung entsprach nicht dem, was wir sehen wollten“, räumte der
Sprecher des Außenministeriums in Beijing anschließend ein.
Nachgeben aber will Beijing nicht. So berichteten die
staatlichen Medien nach der Niederlage der Partei, das bisherige Wahlsystem bliebe dann erhalten. Wenn es Änderungen gäbe, dann nur in Richtung des durchgefallenen Plans.
Die Kommunisten in Beijing und die Demokraten in Hong
Bild: Pasu Au Yeung, Flickr
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ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
Die Demonstranten in Hong Kong senden
ein klares Signal nach Beijing: Sie fordern
eine wirkliche Wahl.
Kong schoben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu: „Eine Minderheit von Abgeordneten lehnte
den Plan zu einer allgemeinen Wahl ab, um daraus
persönlichen Gewinn zu ziehen. Damit blockieren
sie die Fortschritte in Hong Kongs demokratischer
Entwicklung“, hieß es beim staatlichen Nachrichtendienst Xinhua. „Dafür müssen sie die historische
Verantwortung übernehmen.“ Die Widersacher
hingegen verwiesen rasch auf die „weltweiten Standards“ für Demokratie: „Wir nutzen unsere uns
heiligen Stimmen heute, um den Versuch eines gefälschten Wahlrechtes abzulehnen. Wir haben den
Hongkongern geholfen, eine deutliche Botschaft
nach Beijing zu senden, dass wir eine wirkliche
Wahl haben wollen“, sagte Alan Leong, einer der
demokratischen Abgeordneten. Die Abstimmung
löste ein politisches Beben aus. So ermahnte sogar
die Europäische Union im Anschluss „alle Parteien,
sich in konstruktiven Diskussionen zu engagieren,
die in eine baldige Wiederaufnahme des Reformprozesses des Wahlrechtes münden“. Das amerikanische „Wall Street Journal“ sprach von einer „beschämenden
Lektion in Demokratie für Chinas Kommunistische Partei“.
Singapur kritisiert wirtschaftliches Ungleichgewicht
Natürlich schauen auch die Nachbarländer interessiert auf
die Entwicklung in der Sonderverwaltungsregion. Die staatliche Singapurer Zeitung „The Straits Times“ kommentierte
zunächst mit spürbarer Sympathie für Beijings Vorstöße. Und
fuhr dann fort: „Seit der Übergabe 1997 von Großbritannien
an China lag der Fortschritt der Stadt in einer fein austarierten, sich entwickelten Balance zwischen der Forderung nach
ökonomischer Lebenskraft, politischer Stabilität und dem
Erspüren der öffentlichen Meinung. Ohne eine dieser Zutaten wäre Hong Kong nicht die globale chinesische Stadt,
die es heute ist. Ihre Verwaltung würde helfen, diese Balance
aufrechtzuerhalten, wenn sie die wirtschaftlichen Ungleichgewichte adressieren würde, die die öffentliche Unzufriedenheit angeheizt haben, insbesondere über die steigenden
Immobilienpreise.“
Die Ohrfeige für Beijing war der bisherige Tiefpunkt in
einem Jahr des Widerstandes in Hong Kong. Die Bilder der
Studenten, die sich über 75 lange Tage mit den gelben Regenschirmen der Opposition gegen das Pfefferspray der Polizisten wappneten, um den Verkehr in der Finanzmetropole
zum Erliegen zu bringen, gingen um die Welt.
Seit der Übergabe 1997 bemüht sich China, Hong Kong,
aber auch die Casino-Insel Macau enger an sich zu binden.
Politik : Hong Kong
Immer wieder wird darüber spekuliert, dass die Sonderverwaltungsregion mit dem Ansatz der „Zwei Systeme, ein Staat“Politik ein erster Versuch sei, eine spätere Lösung auch zur
Angliederung Taiwans zu finden. Fraglos haben Hong Kong
und Macau wirtschaftlich enorm von Festlandchina und seinen
Reisenden profitiert. So spüren sie aufgrund der wachsenden
Abhängigkeit nun seit Monaten auch, dass in den Kadern aufgeräumt wird und Angst davor besteht, dass in den Casinos
Macaus oder den Rolex-Geschäften Hong Kongs Schwarzgeld
ausgegeben wird. Im ersten Quartal hatte sich die Wachstumsrate auf 2,1% abgekühlt, von den enormen Gewinnen an der
Börse erreichte wenig die reale Wirtschaft.
Stadt erwartet bei Wohnpreisen Eingriff Beijings
Die ganzen Jahre aber hat sich in Hong Kong eine starke
Oppositionsbewegung gegen Beijings Umarmung gehalten.
Viele der aufgeklärten Hongkonger beklagten den weitgehenden Verlust von Englisch als Geschäftssprache, die Eingriffe Chinas bis hin zu den Schulbüchern. „Weiwen“, der
Erhalt der Stabilität, ist auch und gerade in Hong Kong das
oberste Ziel der Partei. Das aber wird schwieriger: Die Mehrheit der 18- bis 29-Jährigen in der Stadt betrachtet sich heute nach einer Untersuchung der University of Hong Kong
zuerst als Hongkonger, erst danach als Chinesen. Das war
noch während der Olympischen Spiele in Beijing 2008 ganz
anders. Auch die explodierenden Immobilienpreise werden
von vielen dem massiven Engagement von Festlandchinesen
in der Stadt zugeschrieben. Dass die Regierung von Beijings
Gnaden sie nicht bremst, wird ihr als Versagen vorgehalten.
Die Auseinandersetzungen mit den Studenten haben zu
einer neuen, allerdings völlig zersplitterten Demokratiebewegung in Hong Kong geführt. Sie ist breit aufgestellt und
dennoch fragil, weil von Kleingruppen bestimmt. Noch ist
völlig offen, wie weit sich ihre künftigen Auftritte gegen Beijing richten werden und wie weit die Kommunistische Partei
dies noch zulassen wird. Immer wieder tauchen Gerüchte auf,
Stimmenfänger seien mit viel Geld in der Stadt unterwegs,
um entweder die Demokratiebewegung zu fördern oder deren Gegner zu kaufen.
Die Szenen auf der Straße und direkt nach der Abstimmung im Gesetzgebenden Rat sprechen Bände. Auf der einen
Seite der doppelten Absperrgitter diejenigen, die für Beijing
sind und nationalistische chinesische Lieder anstimmen, als
die Ablehnung des Wahlgesetzes bekannt wird. Auf der anderen Seite die Demokratiebewegung mit ihren gelben Regenschirmen. Hier werden Reden geschwungen: „Das ist nur
der Anfang“, ruft einer ihrer Sprecher. Und ein anderer fügt
an: „Go Hong Kong, Go!“ Die Demonstranten stimmen in
den Ruf ein. Nur die Richtung ist noch nicht klar. „Es wird
für beide Seiten immer schwerer, unter einem politischen
Rahmen, der für Beijing akzeptabel ist, einen Kompromiss
zu finden“, warnt Peter Cheung, Politologe der University
of Hong Kong. :::
Dr. Christoph Hein ist Asien-Pazifik-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit Sitz in Singapur.
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P o l iti k : News
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
singapur
Bangladesch
Reform des Gesellschaftsrechts kommt in Gang
Entschädigung steht bereit
::: Die von Singapur verabschiedeten
Änderungen des Companies Act werden nun umgesetzt. Ein erster Teil der
Reformen trat am 1. Mai in Kraft, der
zweite folgt im ersten Quartal des kommenden Jahres. Die Änderungen zielen auf eine
Verminderung bürokratischer Pflichten vor allem kleiner und mittlerer
Unternehmen
(KMU)
ab und erlegen Public Companies striktere
Corporate-GovernancePflichten auf. Auch für
ausländische, in Singapur
in Form einer unselbstständigen Niederlassung
tätige Unternehmen gibt
es neue Regeln.
Einige der KMU werden seit Juli
von der Pflicht der Erstellung eines
Jahresabschlusses entbunden. So müssen nun erst Unternehmen mit mehr als
50 Mitarbeitern, Buchwerten von mehr
als 10 Mio. Singapur-Dollar (6,6 Mio
Euro) und einem Umsatz von mehr als
10 Mio. Singapur-Dollar ein Jahres­
audit durchführen. Die Entbindung von
diesen Pflichten gilt erstmals auch für
KMU, die Bestandteil einer Holding
sind, vorausgesetzt, die Unternehmens-
::: Mehr als zwei Jahre nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in
Bangladesch sind die geforderten 30
Mio. US-Dollar zur Entschädigung der
Opfer beisammen. Die erforderliche
Summe sei mittlerweile eingegangen,
teilte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) der Vereinten Nationen
mit. Damit könnten die noch ausstehenden Entschädigungen in den kommenden Wochen ausgezahlt werden.
Beim Einsturz des Fabrikgebäudes
Rana Plaza waren im April 2013 insgesamt 1.135 Menschen gestorben, mehr
als 1.500 weitere wurden verletzt. Im
Oktober 2013 wurde ein Entschädigungsausschuss gegründet, in dem alle
beteiligten Akteure der Branche vertreten sind. Die ILO hatte vorgegeben,
dass zu einer angemessenen Entschädigung der Opfer und ihrer Angehörigen
insgesamt 30 Mio. Dollar nötig seien.
Im April dieses Jahres waren mehr als
27 Mio. Dollar in dem Fonds, sodass
der Ausschuss bereits rund 70% der zugesagten Entschädigungen an mehr als
2.800 Anspruchsberechtigte auszahlen
konnte. ::: AFP
gruppe erfüllt auf konsolidierter Basis
mindestens zwei der drei Kriterien.
Ab dem kommenden Jahr wird die
singapurische Handelsregisterbehörde,
die Accounting and Corporate Regula-
tory Authority (ACRA), ein elektronisches Gesellschafterverzeichnis führen.
Damit sind Private Companies nicht
mehr verpflichtet, eine eigene Gesellschafterliste zu unterhalten. Nicht die
seitens der Gesellschaft geführten Mitglieder- und Anteilsverzeichnisse werden nach Inkrafttreten der Änderungen
verbindlich sein, sondern das Onlineregister der ACRA. Mustersatzungen
wird die ACRA auf ihrer Website zur
Verfügung stellen. ::: gtai
Bangladesch
EU-Kommission legt Vorschläge für ASEAN-Kooperation vor
::: Die EU-Außenbeauftragte Federica
Mogherini und die Europäische Kommission haben Ideen für eine vertiefte
Zusammenarbeit mit dem südostasiatischen Staatenbund ASEAN präsentiert.
„Vom Handel über Sicherheit, Klimawandel und Herrschaft des Rechts
haben wir eine tiefe Kooperation. Für
die Asien-Strategie der EU ist es entscheidend, die Zusammenarbeit mit der
ASEAN zu vertiefen und zu erweitern“,
erklärte Mogherini in einer Pressemitteilung. Als konkrete Schritte dazu zählt
sie unter anderem ein Freihandelsabkommen, einen politischen Dialog zu
Umwelt und Nachhaltigkeit sowie eine
Verdopplung der EU-Hilfe für die weitere ASEAN-Integration.
Die EU hat ein strategisches Interesse an der Stärkung ihrer Beziehungen
zur ASEAN. Eine starke, geeinte und
selbstbewusste ASEAN, die ihre eigene
Integration fortsetzt, trage zu Stabilität,
Wohlstand und Sicherheit in der gesamten Region bei. Dies schaffe neue
Möglichkeiten für die Zusammenarbeit
bei der Bewältigung regionaler und globaler Herausforderungen.
Der Staatenbund ASEAN verbindet
hohe Wachstumsraten mit einer ausgeprägten Bevölkerungsdynamik. Zusammengenommen bilden die ASEANMitgliedsstaaten
die
siebtgrößte
Volkswirtschaft der Welt. Bis zum Jahr
2050 wird die ASEAN voraussichtlich
auf den vierten Platz vorrücken. :::
Nordkorea
Gesprächsangebot an den Süden
::: Nordkorea hat dem Süden ein an
Bedingungen geknüpftes Gesprächsangebot unterbreitet. Es gebe „keinen
Grund, einen Dialog und Verhandlungen zu vermeiden, wenn eine Atmosphäre des Vertrauens und der Versöhnung geschaffen wird“, hieß es in
einer von nordkoreanischen Staatsmedien verbreiteten Regierungserklärung.
Damit dies gelinge, müsse Südkorea
„mutige“ Schritte gehen und etwa die
gemeinsamen Militärübungen mit den
USA beenden.
Das südkoreanische Vereinigungsministerium reagierte mit Skepsis
auf den Vorstoß. Pjöngjang müsse an
den Verhandlungstisch zurückkehren,
„ohne unangemessene Vorbedingungen zu stellen“. Zuletzt hatte es zwischen den beiden Ländern im Februar
vergangenen Jahres ranghohe Gespräche gegeben. ::: AFP
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c o v e r- st o ry : Auslandsentsendungen
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Daheim in der Fremde
Obwohl es in Hong Kong zunehmend schwierig wird, Arbeitsvisa zu erhalten, bleibt
die Metropole eines der beliebtesten Expatziele (S. 13). Inzwischen finden immer
mehr Delegationen ohne die Familie statt (S. 14–15), aber sie können nach wie vor
ein wichtiges Karriere-Sprungbrett sein (S.16–17). Vor der Abreise sollten sich Fimen
genau über den Sozialversicherungsschutz der Delegierten informieren (S. 18–19).
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
cover- st ory : Auslandsentsendungen
Dunkle Wolken im Expatparadies
Arbeitgeber profitieren in Hong Kong von einem wenig regulierten Arbeitsmarkt. Aber
auch bei Arbeitnehmern steht die Stadt hoch im Kurs. Bürokratische Hindernisse für
Ausländer könnten diese Entwicklung allerdings bremsen.
von Achim Haug, gtai ::: Mit einem Bruttoinlandsprodukt pro
Kopf von über 40.000 US-Dollar gehört Hong Kong zu den
reichsten Volkswirtschaften im Asien-Pazifik-Raum. Das
verarbeitende Gewerbe hat in der Sonderverwaltungsregion
schon lange kein Zuhause mehr: Die Produktion wurde ins
benachbarte Perlflussdelta ausgelagert. Im vergangenen Jahr
waren über 93% aller Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor angesiedelt. Seit der weltweiten Finanzkrise steigen die
Beschäftigtenzahlen, laut neuesten Hochrechnungen des
Census and Statistics Department (ECA) erneut um 2,2%.
Allein im Außenhandels-, Transport- und Logistikbereich –
dort sind zahlreiche ausländische und auch deutsche Unternehmen aktiv – waren Ende vergangenen Jahres gut 494.000
Menschen beschäftigt. Das entspricht 13% aller Erwerbstätigen. Die Unterbeschäftigungsquote liegt bei nur 1,6%.
Über die Jahre hat sich die Arbeitsmentalität in Hong
Kong stark gewandelt: Inzwischen wird mehr Wert auf qualitative Elemente gelegt. Dieses veränderte Arbeitsverhalten
ist auch auf kulturelle Faktoren zurückzuführen. Zwar liegt
das Gehalt immer noch auf Rang eins der bestimmenden
Faktoren für die Arbeitgeberwahl, allerdings folgt inzwischen
direkt dahinter die Work-Life-Balance. Die allgemeinen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten werden ebenfalls hoch
eingeschätzt.
Bild: XiXinXing, Shutterstock
Ausländische Firmen sind als Arbeitgeber begehrt
Internationale Unternehmen profitieren in Hong Kong von
einem kaum regulierten Arbeitsmarkt. Sie können bei Geschäftserweiterungen problemlos und schnell neues Personal
finden beziehungsweise im Fall einer Verschlankung dieses
wieder freisetzen. Eine Anstellung bei einer ausländischen
Firma ist bei der Bevölkerung sehr beliebt. Auch die Wege,
auf denen Arbeitgeber und Jobsuchende zusammenfinden,
sind in jüngster Vergangenheit vielfältiger geworden. So hat
die Bedeutung von Onlinestellenbörsen – allen voran jobsdb.
com – zugenommen. Für 44% der Personalverantwortlichen
spielen sie als Rekrutierungsquelle die wichtigste Rolle. An
zweiter Stelle kommen Personalvermittlungsagenturen mit
36%. Weiterhin sind auch persönliche Kontakte und Empfehlungen im Unternehmen mit jeweils einem Viertel der
Nennungen wesentliche Bestandteile der Kandidatensuche.
Social-Media-Kanäle haben einen hohen Stellenwert für die
Recherche nach neuen Jobchancen.
Ausländische Arbeitgeber zahlen in der Regel etwas mehr
als einheimische Firmen, meist handelt es sich um einen Aufschlag von 5% bis 10%. Von größerem Interesse sind für lokale Angestellte jedoch die nicht monetären Vergünstigungen. So gewähren internationale Firmen tendenziell mehr
Urlaub, verlangen weniger Überstunden, zahlen oftmals auch
im Krankheitsfall und bieten darüber hinaus eine größere Arbeitsplatzsicherheit.
Für internationale Unternehmen sind zumeist ausländische Angestellte der größte Kostenfaktor im Personalbudget.
Zwischen einem Expatriate und einer einheimischen Kraft
besteht ein starkes Lohngefälle, was sich insbesondere aus
dem Mietzuschuss begründet. Die Immobilienpreise ziehen
seit Ende 2009 in einem atemberaubenden Tempo an. Für
Wohnungen über 60 qm Nettogrundfläche sind Nettokaltmieten von 50 Euro/qm keine Seltenheit. Hinzu kommen
andere Leistungen wie Dienstwagen, Flugtickets für Heimatbesuche, Schulgelder oder Clubmitgliedschaften. Für die
Entsendung einer Fachkraft muss daher mit einem vier- bis
fünfstelligen Monatsbetrag kalkuliert werden.
Gehalt orientiert sich am ortsüblichen Niveau
Allerdings wird immer weniger ein volles Expat-Paket gewährt. Die Firmen setzen häufig auf Lokal-Plus-Verträge,
bei denen sich das Gehalt am ortsüblichen Niveau orientiert, ein geringerer Mietzuschuss oder beispielsweise kein
Schulgeld gewährt werden. Auch sind junge Kandidaten für
kostengünstige Entsendungen beliebt, da für sie häufig kein
Familien­anhang zu Buche schlägt. Entsprechend sind die Gehaltspakete für das mittlere Management 2014 im Schnitt um
42.000 US-Dollar gefallen und liegen nun bei 273.000 USDollar und damit niedriger als in Festlandchina, so ECA.
Seit 2013 ist es schwieriger geworden, entsandten ausländischen Arbeitnehmern ein Arbeitsvisum in Hong Kong
zu verschaffen. Die Behörden sind nach außen zu keiner
Stellungnahme bereit. Firmenvertreter berichten, dass für
Kandidatenprofile, die früher kein Problem dargestellt hätten, nun das Visum verweigert würde. Problematisch sind
beispielsweise ein fehlender Studienabschluss oder das Weglassen der Bezeichnung „Management“ in der Positionsbeschreibung. Eine Begründung von Sprachkenntnissen, zum
Beispiel Deutsch, wird dagegen als unbedeutend zur Visums­
erteilung angesehen.
Die Entwicklung ist insofern verwunderlich, da in Hong
Kong ein Mangel an qualifizierten Kräften offen diskutiert
wird und praktisch Vollbeschäftigung herrscht. Doch offensichtlich will die Regierung die Chancen der Einheimischen
besonders für höher qualifizierte Positionen verbessern. Generell heißt Hong Kong ausländische Beschäftigte aber willkommen. Der Lokalisierungstrend findet sich nur bedingt.
Dies liegt zum einen daran, dass in wichtigen Positionen eine
direkte Bindung zum Mutterhaus erwünscht ist. Zum anderen sehen multinationale Firmen die zeitweise Entsendung
als Personalentwicklungsinstrument. Im pulsierenden Herzen Asiens gelegen, ist Hong Kong hierfür sehr attraktiv. :::
13
c o v e r- st o ry : Auslandsentsendungen
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Zwischen Karriere und Heimweh
Obwohl die Familie bei Entsendungen eine tragende Rolle spielt, unterschätzen
Unternehmen diesen Faktor häufig. Um bestmögliche Voraussetzungen für den
Auslandsaufenthalt zu schaffen, sollten sie daher auch die Bedürfnisse der
mitreisenden Angehörigen beachten.
Der „Global Mobility
Trends Survey“ zeigt jedes Jahr, welche Praktiken sich in den
Mobilitätszentren internationaler Unternehmen wachsender
Beliebtheit erfreuen. Eine der aktuellsten Tendenzen ist, dass
Mitarbeiter immer öfter ohne ihre Familie ins Ausland entsendet werden. Während noch 2009 lediglich 14% aller in
einer Partnerschaft lebenden Expatriates allein den Schritt in
die Fremde gewagt hatten, entschieden sich im vergangenen
Jahr bereits 22% für den Arbeitsplatz fern der Familie. Das
entspricht einer Steigerung von über 50% innerhalb von nur
fünf Jahren. Dabei sind vor allem Pendler-Regelungen, bei
denen der Expatriate ohne Anhang ins Ausland geht, dafür
aber vom Arbeitgeber regelmäßige Heimflüge spendiert bekommt, in internationalen Unternehmen momentan sehr beliebt. Verständlich, denn der Arbeitsort des Mitarbeiters wird
zwar vorübergehend verlagert, Partner und Kinder können
jedoch ihren gewohnten Alltag im vertrauten Lebensumfeld
beibehalten. Das Modell klingt risikoarm, weniger aufwendig
und vor allem sehr kosteneffizient. Doch wie wirkt sich diese
Praxis eigentlich auf die Entsendungserfolge aus?
von Constance Grunewald-Petschke :::
Familie ist eine wichtige Stütze
Forschungsergebnisse zeigen, dass das seelische Wohlbefinden im Gastland bei Familien häufig höher ist als bei Alleinreisenden. Die Anwesenheit des Partners und gegebenenfalls
der Kinder geben dem Neuling in der Fremde von Anfang
an Sicherheit, Stabilität und einen vertrauten Rückzugsort.
Der Mitarbeiter ist ausgeglichener, motivierter und stressresistenter. Eine Studie von Dr. Claudia Kuller an der University of Surrey mit deutschen alleinreisenden Expatriates
belegt außerdem, dass der „fehlende“ Partner ein wichtiger
Abbruchgrund sein kann. Entsandten ohne Partner oder Familie fällt die Veränderung oft besonders schwer. Sie führt
dies darauf zurück, dass bei Familienentsendungen der mitreisende Partner im Ausland dafür sorgt, dass neue Kontakte
entstehen – beispielsweise in der Expatgemeinschaft. So kann
der Verlust des alten Freundes- und Bekanntenkreises schneller kompensiert werden und die Integration im Gastland verläuft problemloser.
Abgesehen von den emotionalen Aspekten des Lebens
fern der Familie fühlen sich alleinreisende Expatriates auch
durch die doppelte Haushaltsführung gestresst. Denn oftmals
führt häufiges Pendeln auf die Dauer nicht nur zu Entfremdung von der eigenen Familie, sondern auch zu ausgeprägten
Stresssymptomen und Erschöpfung bis hin zum Burn-out.
Dementsprechend sind Entsendungen ganzer Familien im
Regelfall langfristiger als die von Alleinreisenden – und dürf-
Immer mehr Auslandsentsendungen finden ohne
die Familie statt. Im Austausch zahlt der Arbeitgeber
regelmäßige Heimflüge. Was nach einem lohnenden
Konzept klingt, kann auf Dauer aber zu Stress und
Entfremdung führen.
ten somit auch für das entsendende Unternehmen rentabler
werden.
Ein ausgeglichenes Familienleben lässt sich mit einer
Waage vergleichen: In der einen Waagschale liegen mögliche Stressfaktoren, die im Familienalltag auftreten können:
ein neuer Arbeitsplatz, ein Umzug oder ein Schulwechsel der
Bild: Nadezhda1906, Shutterstock
14
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
Kinder. In der anderen Waagschale liegen die Ressourcen,
die der Familie zur Verfügung stehen, um den entstehenden
Stress zu reduzieren: vertraute Rituale, gemeinsame Freizeit­
aktivitäten oder die Unterstützung durch das soziale Netzwerk. Im gewohnten Alltag besteht ein Gleichgewicht zwischen Stressfaktoren und Ressourcen – das Familiengefüge
gilt als ausbalanciert.
Ein Auslandsaufenthalt verändert praktisch alle Bereiche des Familienlebens und bedeutet eine geballte Ladung
Stress für alle Familienmitglieder.
Gleichzeitig brechen
stabilisierende Ressourcen
abrupt weg. Die
sensible Balance
gerät in Schieflage und die Angehörigen werden
zum Risikofaktor
für den Erfolg des
Auslandseinsatzes.
Susan
Salzbrenner, Organisationspsychologin
und Entsendungsexpertin erklärt:
„Besonders
die
mitreisenden
Partner
leiden
häufig unter der
Veränderung ihres
Alltags, einer ungewohnten Rolle
oder dem Verlust
ihrer
Berufstätigkeit im Heimatland. Daraus
entsteht Unzufriedenheit, und nicht
selten sind familiäre Spannungen,
Demotivation des Mitarbeiters oder sogar der Abbruch des
Aufenthaltes die Konsequenz. Dramatisch nicht nur für die
Familie selbst, sondern auch für die entsendenden Unternehmen, denn die Situation kann zur Fluktuation hochqualifizierter Fach- und Führungskräfte führen und langfristig
sogar die Mitarbeitermobilität verringern und das Unternehmensimage schädigen.“ Um dies zu verhindern, sollten
Personalverantwortliche Familienentsendungen möglichst
nachhaltig gestalten.
cover- st ory : Auslandsentsendungen
position ein. Etwas mehr als die Hälfte der Arbeitgeber unterstützt die mitreisenden Partner immerhin mit interkulturellen Trainings, und jedes dritte Unternehmen sponsert die
Stellensuche im Gastland.
Die aktuellen Studienergebnisse der anerkannten Entsendungsexpertin Yvonne McNulty zeigen jedoch, dass gerade
die Maßnahmen, die bei Personalverantwortlichen am beliebtesten sind, von den Angehörigen als kaum relevant für
die Zufriedenheit der Familie im Gastland eingestuft werden.
Ihre Ergebnisse sind überraschend: So halten beispielsweise
zwar 71% der Angehörigen vorbereitende Maßnahmen wie
interkulturelle Trainings oder Sprachunterricht für wichtig.
Ganze 85% der Befragten erachten diese jedoch erst dann als
sinnvoll, wenn sie nicht nur zur Vorbereitung, sondern auch
während des Auslandsaufenthaltes stattfinden.
Nicht nur Vorbereitung, sondern Betreuung vor Ort
Im Bereich Karriere empfinden 76% der mitreisenden Partner eine Unterstützung durch das Unternehmen grundsätzlich als wünschenswert. Davon favorisiert jedoch nur knapp
die Hälfte eine finanzielle Hilfe für das Aufnehmen einer bezahlten oder ehrenamtlichen Tätigkeit. Dies scheint für die
Zufriedenheit der Familien im Gastland nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Nach Meinung von 90% der Befragten würde insbesondere ein ganzheitliches Coaching- oder
­Mentoren-Programm einen nicht unwesentlichen Einfluss
auf die erfolgreiche Eingewöhnung der Familie im Gastland
haben. Gerade das ist aber in der heutigen Unternehmenspraxis eine absolute Seltenheit. McNultys Studie beweist, was
viele Experten seit Langem wissen: Zur langfristigen Zufriedenheit benötigen entsendete Familien ein kontinuierliches,
ganzheitliches und nachhaltiges Unterstützungskonzept.
Angebote für mitreisende Partner gibt es viele. Eine Komplettlösung bietet das Düsseldorfer Unternehmen Abroad.
Der Spezialist für internationale Mitarbeiterentsendungen
bietet seit Januar unter www.how-to-create-my-life-abroad.
com ein webbasiertes Coachingprogramm an, das mitreisende Partner während ihrer Auslandsentsendung begleitet und
in allen Lebensbereichen umfassend unterstützt. Ein Team
aus entsendungserfahrenen Coaches und Trainern begleitet
mitreisende Partner mit interaktiven Selbstlerneinheiten,
Onlineworkshops und länderspezifischen Einzelcoachings
während des gesamten Auslandsaufenthaltes – und bei Bedarf sogar danach. Darüber hinaus ermöglicht eine weltweite
Community den Austausch und hilft beim Kontakteknüpfen
im Gastland. :::
Vom Sprachkurs bis zur Hilfe bei der Jobsuche
Constance Grunewald-Petschke ist zertifizierte interkulturelle Trainerin
Entsendende Unternehmen scheinen das Risiko auf den ersten Blick erkannt zu haben und treffen umfangreiche Vorkehrungen, um die mitreisenden Familien zu unterstützen.
Dabei nehmen Sprachkurse seit Jahren die absolute Spitzen-
und Coach. Gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Gyöngyi Varga sorgt
sie dafür, dass eine Auslandsentsendung für mitreisende Angehörige zur
bereichernden Erfahrung wird. Kontakt: [email protected], www.how-to-create-my-life-abroad.com
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C o v e r- S t o ry : Auslandsentsendungen
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
„In die Führungsetage geht es nur übers Ausland“
Wer bei BASF eine zentrale Führungsaufgabe
übernehmen will, benötigt internationale
Erfahrung. Hans-Christian Marxen, Leiter der
Personalabteilung von BASF in Asien-Pazifik,
erklärt, warum ein Auslandsaufenthalt so
wichtig für die Karriereentwicklung ist und
wie das Unternehmen seine Mitarbeiter dabei
unterstützt.
chinesische Festland – gefolgt von Hong Kong und Singapur.
Wenn es allerdings nach der Beliebtheit geht, liegen Hong
Kong und Singapur als Delegationsziele aufgrund der Attraktivität der Standorte klar vorn.
Wo liegen die geografischen Schwerpunkte von BASF in
Asien?
» Asien-Pazifik ist eine wichtige Wachstumsregion für BASF.
Zu unserem Produktionsnetzwerk dort gehören mehr als 100
Standorte. Beispielsweise betreiben wir in Nanjing/China
und Kuantan/Malaysia große Verbundstandorte. In der gesamten Region haben wir Kunden in mehr als 16 verschiedenen Märkten. Unser regionaler Hauptsitz in Asien-Pazifik
befindet sich in Hong Kong. China mit Shanghai als Schwerpunkt ist der Standort mit den meisten Mitarbeitern. In China machen wir auch den größten Umsatz in der Region.
Wie schätzen Sie die Bereitschaft der Mitarbeier ein, vorübergehend in einem anderen Land zu arbeiten?
» Mobil zu sein ist für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
überall eine Herausforderung, so auch in Asien. In Kombination mit klar kommunizierten Entwicklungsperspektiven
sind die Mitarbeiter in den allermeisten Fällen aber bereit,
in anderen Ländern Erfahrungen zu sammeln. Internationale Erfahrung ist mittlerweile eine Voraussetzung für obere
Führungspositionen bei BASF und damit auch ein Schlüsselelement der Personalentwicklung.
Schon vor der Delegation wird über
„Mobilität ist überall
mögliche Positionen nach der Rückkehr gesprochen oder diese bereits
auf der Welt eine
verbindlich festgelegt.
Wo bewerben sich die meisten Mitarbeiter in der Region?
» Die meisten asiatischen MitarbeiHerausforderung“
ter bewerben sich in China und hier
Wann setzen Sie lokale Mitarbeiter
wiederum in Shanghai. Dies liegt
ein, wann Delegierte?
allerdings auch auf der Hand, da – auf die gesamte Region » Grundsätzlich streben wir an, eine möglichst hohe Anzahl
bezogen – mehr als ein Drittel unserer Mitarbeiter in China von lokalen Mitarbeitern zu haben. Ausnahmen gibt es zum
arbeitet und hier insbesondere in den Ballungsgebieten. Auch Beispiel, wenn die internationale Entwicklung von Potenzialder Großteil unserer Kunden kommt aus China. Außerdem kandidaten im Vordergrund steht. Potenzialkandidaten sind
haben wir mehrere Hundert Delegierte in Asien-Pazifik. Un- Mitarbeiter, denen wir zutrauen, eine obere Führungsposigefähr die Hälfte davon sind internationale Delegierte, das tion bei BASF zu übernehmen. Da sich diese Art der Nachheißt, die Mitarbeiter stammen aus anderen Regionen als wuchsförderung mehr und mehr zu einem globalen Ansatz
Asien, insbesondere aus Europa. Die restlichen Mitarbeiter entwickelt und es auch in Asien entsprechende Kandidaten
sind innerhalb der Region Asien-Pazifik an einen anderen gibt, gilt dies für beide Richtungen – das heißt, wir schicken
Standort entsandt. Die meisten Delegationen gibt es auf das Potenzialkandidaten aus Asien in andere Regionen und vice
Bild: BASF
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ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
versa. Auch wenn an einem Standort ein bestimmtes Wissen
gefragt ist, für das es in einem anderen Land bereits Experten
gibt, kann eine Delegation sinnvoll sein.
cover- st ory : Auslandsentsendungen
sowie bei Jobsuche und Weiterbildungsmaßnahmen für den
Ehepartner. Auch ein Budget für Heimflüge und das Finden
einer adäquaten Schule für die Kinder gehören zu unseren
Leistungen.
Von welchen Erfahrungen berichten Delegierte bei ihrer
Rückkehr?
Welche Hindernisse können Unternehmen bei der Perso» Wer eine Zeit lang ins Ausland geht, arbeitet dort mit Kol- nalsuche vor Ort erwarten?
legen zusammen, die unterschiedliche Hintergründe und Er- » Wir haben bei BASF keine grundsätzlichen Probleme, offahrungen haben. Dadurch gewinnen die Mitarbeiter nicht fene Positionen zu besetzen. Aber natürlich haben auch wir
nur Einblicke in die Geschäftstätigkeit im Gastland, sondern manchmal Schwierigkeiten, Spezialisten mit großer Erfahlernen auch andere geschäftliche Gepflogenheiten sowie die rung kurzfristig zu finden und an das Unternehmen zu binlokalen Bräuche und die Kultur vor Ort kennen. Delegationen den. In China haben Bewerber zum Beispiel oft ausschließlich
geben Mitarbeitern die MöglichErfahrungen innerhalb ihres eigenen Lankeit, ihre persönliche Perspektive
des gesammelt. Für bestimmte Positionen,
„Wir fördern
zu erweitern, ihr Netzwerk zu
die globale oder regionale Erfahrungen vovertiefen und das BASF-Geschäft
raussetzen, kann es daher sinnvoll sein, zudie Ausreise mit
in anderen Ländern oder gar auf
nächst einen Mitarbeiter aus Deutschland
Familie nachhaltig“
anderen Kontinenten besser keneinzusetzen. Dessen Aufgabe ist es dann
nenzulernen. Fast alle unserer
unter anderem, einen lokalen Nachfolger
Delegierten weltweit geben an, dass die Delegation eine wich- zu entwickeln. Gleichzeitig haben wir eine Vielzahl von Protige Erfahrung für ihre persönliche Entwicklung gewesen sei. grammen ins Leben gerufen, um Talente aus Asien-Pazifik zu
Trotzdem kann es insbesondere zu Beginn einer Delegation identifizieren und für uns zu gewinnen.
zu Problemen kommen, beispielsweise durch unterschiedliche Arbeitsweisen oder die Sprachbarriere. Wir versuchen, Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
dies durch geeignete Maßnahmen wie zum Beispiel interkul- » Ein Beispiel ist unser Traineeprogramm, das sich an Abturelles Training, Sprachkurse und Coaching weitestgehend solventen richtet: Hier bieten wir die Möglichkeit der JobRotation, das heißt, die Trainees werden in verschiedenen
zu begrenzen.
Einheiten und Teams eingesetzt und lernen so das UnternehWie bereiten sich die Mitarbeiter bei BASF auf einen Aus- men und unser Geschäft aus unterschiedlichen Blickwinkeln
kennen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, dass Mitarbeiter
landsaufenthalt vor?
» Vor der Abreise wird zum Beispiel ein interkulturelles Trai- für kürzere Zeit ins Ausland gehen und in globalen oder rening durchgeführt, das Einblicke in Gemeinsamkeiten und gionalen Projekten mitarbeiten, um ihre Fähigkeiten und ihr
Unterschiede zwischen Heimat- und Gastland ermöglicht. Unternehmensnetzwerk auszubauen.
Wir ermutigen und unterstützen unsere Mitarbeiter auch, so
früh wie möglich vor dem Auslandsaufenthalt mit dem Erler- Wie profitiert BASF von einem Auslandsaufenthalt der Mitnen der Sprache zu beginnen. Außerdem bieten wir unseren arbeiter?
Delegierten zusammen mit ihrem Partner vor der Abreise » Es ist für uns als Unternehmen wichtig, dass sich unsere
einen „look and see trip“ an, um mehr über die Arbeits- und Mitarbeiter auf internationalem Terrain bewegen und ErLebensbedingungen vor Ort herauszufinden und eine Unter- fahrungen in fremden Ländern sammeln. Die Mitarbeiter
kunft sowie eine Schule für die Kinder zu finden. Weiterhin kommen mit neuen Ideen und einer globalen Perspektive im
bekommen sie eine Unterweisung, um sich auf die Sicher- Gepäck zurück nach Hause. Das eröffnet neue Möglichkeiheitslage im Gastland einstellen zu können. Im Land bauen ten für ihre Karriereentwicklung. Im vergangenen Jahr hatwir dann vor allem auf die Unterstützung und Hilfe durch ten etwa 83% unserer oberen Führungskräfte internationale
erfahrene Kolleginnen und Kollegen vor Ort und die Betreu- Erfahrung – Tendenz steigend. ::: die Fragen stellte Annika
ung durch unsere Personalabteilungen in den Regionen und Hartmann
Joint Center for Innovation Resaearch
Ländern.
BASF in Asien-Pazifik
Senden Sie Ihre Mitarbeiter in der Regel mit oder ohne die
Familie ins Ausland?
BASF ist seit 130 Jahren in Asien-Pazifik aktiv. Zwi» BASF ist davon überzeugt, dass unsere Mitarbeiter nur
schen 2013 und 2020 investiert das Unternehmen
dann ihre dauerhaft beste Leistung abrufen können, wenn
rund 10 Mrd. Euro, um sein Produktionsnetzwerk in
sie sich auch privat und während ihrer Freizeit wohlfühlen.
der Region weiter auszubauen. Im vergangenen Jahr
Daher unterstützen wir die Ausreise mit Familie nachhaleröffnete BASF zum Beispiel einen neuen Produktig. Prinzipiell sind alle Mitarbeiter, die über einen längeren
tionsstandort in Dahej (Indien) und feierte die InbeZeitraum von mehr als einem Jahr im Ausland leben, mit ihtriebnahme der ersten Anlage der Pflanzenschutzren Familien dort. BASF unterstützt zum Beispiel beim UmSparte von BASF in Asien-Pazifik in Rudong (China).
zug der Angehörigen, bei der Bereitstellung von Wohnungen
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C o v e r- st o ry : Auslandsentsendungen
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Den Durchblick bewahren
Um Mitarbeiter rechtssicher im Ausland einzusetzen und um ihre Fürsorgepflicht zu
erfüllen, müssen Unternehmen das Sozialversicherungsrecht genau beachten. Von
der chinesischen Renten- und Arbeitslosenversicherung kann der Entsandte meist
befreit werden.
VON Simone Richter und Omer
::: Grundsätzlich gelten
bei der Sozialversicherung die
Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, also im Falle eines Auslandseinsatzes in China
die chinesischen Rechtsvorschriften. Fast alle deutschen
Arbeitnehmer machen gegenüber ihrem Arbeitgeber den
Verbleib in der deutschen Sozialversicherung zur zwingenden
Voraussetzung, um eine Entsendung anzutreten. Dies vereinfacht die Rückkehr nach dem
Auslandseinsatz – beispielsweise
kann im Falle einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit nach dem
Auslandseinsatz der Mitarbeiter
Arbeitslosengeld erhalten und
im Falle der Erwerbsunfähigkeit Invalidenrente.
Zwischen Deutschland und
China besteht genau zu diesem
Zweck ein Sozialversicherungsabkommen (SVA), das sich ausschließlich auf die Renten- und
Arbeitslosenversicherung
erstreckt. Die anderen drei Zweige – Kranken-, Pflege- und
Unfallversicherung – müssen gesondert betrachtet werden.
Dotou
Befreiung rechtzeitig beantragen
Erfüllen Mitarbeiter deutscher Unternehmen während
einer Beschäftigung in China die Voraussetzungen der
Entsendung nach dem bestehenden SVA, so haben sie die
Möglichkeit, sich für die ersten 48 Kalendermonate von
der chinesischen Renten- und Arbeitslosenversicherung
befreien zu lassen. Der Begriff Entsendung ist nach dem
SVA nicht näher bestimmt, sodass hier die Bestimmungen
des deutschen Sozialrechts gelten. Eine Entsendung liegt
demnach dann vor, wenn sich ein Mitarbeiter auf Weisung
seines deutschen Arbeitgebers vorübergehend für einen befristeten Zeitraum in ein anderes Land begibt und dort für
diesen im Rahmen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses tätig wird. In diesem Fall können dann weiterhin
die deutschen Rechtsvorschriften in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Mitarbeiter gelten. Um von die-
Expatriates müssen sich nach den Rechtsvorschriften
des Landes, in dem sie arbeiten, versichern. Aber
auch Ausnahmen und Sonderabkommen finden sich
im Versicherungsdschungel.
ser Möglichkeit Gebrauch zu machen, muss der entsendende Arbeitgeber bei dem für den Arbeitnehmer zuständigen
Träger (der gesetzlichen Krankenkasse oder dem Deutsche
Rentenversicherung Bund) den Vordruck VRC/D 101 beantragen. Dieser ist zusammen mit dem Antrag auf Befreiung
von der chinesischen Renten- und Arbeitslosenversicherung
vom Arbeitgeber (bei entsandten Expatriates ist es der lokale, in China der niedergelassene Betrieb) bei der lokal zuständigen chinesischen Behörde innerhalb einer Frist von
30 Tagen nach Erhalt der Arbeitserlaubnis zu stellen. Nur
dann ist die Befreiung von der Entrichtung der Beiträge in
diesen beiden Zweigen rückwirkend zum Beginn der Be-
Bild: qoppi, Shutterstock
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cover- st ory : Auslandsentsendungen
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
schäftigungsaufnahme in China möglich. Wird der Antrag
nicht innerhalb dieser Frist gestellt, wirkt die Befreiung erst
vom Tag der Vorlage der Vordrucks VRC/D 101 an.
Liegen die Voraussetzungen für eine Entsendung nicht
vor, etwa weil das inländische Beschäftigungsverhältnis ruhend gestellt und ein Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft in
China geschlossen wurde oder die Entsendung länger als 48
Monate dauert, so kann eine Ausnahmevereinbarung gemäß
Artikel 8 des deutsch-chinesischen SVA zur Weitergeltung
der deutschen Rechtsvorschriften in der Renten- und Arbeitslosenversicherung beantragt werden. Folgende Kriterien müssen für eine Ausnahmevereinbarung erfüllt sein:
•
•
•
Die Entsendung ist zeitlich auf maximal fünf Jahre
befristet (eine anschließende Verlängerung von maximal drei Jahren ist möglich),
während der Beschäftigung des Arbeitnehmers besteht eine arbeitsrechtliche Bindung (zum Beispiel in
Form eines ruhenden Arbeitsverhältnisses) zum Arbeitgeber in Deutschland fort und
Arbeitnehmer und Arbeitgeber stellen gemeinsam einen begründeten Antrag für den Verbleib des Arbeitnehmers in der deutschen Sozialversicherung.
Der Antrag auf die Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit wird an den GKV-Spitzenverband, die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA), gerichtet. Diese entscheidet
zusammen mit dem Chinesischen Ministry of Labor and Social Security über den Antrag. Zusammen mit dem Antrag
muss eine Erklärung des Arbeitnehmers und gegebenenfalls
eine Begründung der Beschäftigungsdauer eingereicht werden. Diese Begründung ist dann Bestandteil des Antrages,
sollte der Arbeitnehmer in den letzten fünf Jahren vor Beginn des Antragszeitraumes im Ausland gearbeitet haben und
inklusive des aktuellen Antragszeitraums länger als fünf Jahre
im Ausland tätig werden. Für die Begründung der Beschäftigungsdauer gibt es keinen Vordruck, somit bleibt die Form
dem Unternehmen überlassen.
Wird dem Antrag stattgegeben, stellt die deutsche Krankenkasse das Formular VRC/D101 aus. Auch hier müssen
Vordruck und Antrag auf Befreiung von der chinesischen
Renten- und Arbeitslosenversicherung vom Arbeitgeber innerhalb einer Frist von 30 Tagen bei der lokal zuständigen
chinesischen Behörde eingereicht werden.
Neues Gesetz kann zu Doppelversicherung führen
Die Entrichtung der Beiträge in den Sozialversicherungszweigen, die nicht vom Abkommen erfasst sind (chinesische
Kranken-, Arbeitsunfall- und Mutterschaftsversicherung),
ist durch das am 15. Oktober 2011 in Kraft getretene neue
Sozialversicherungsgesetz in China unumgänglich. Unter
Umständen kann es also zur Doppelversicherung kommen,
da sowohl in China als auch in Deutschland für die nicht vom
Abkommen erfassten Sozialversicherungszweige (auf deutscher Seite: Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung) Beiträge gezahlt werden müssen. Dies ist vor allem dann der Fall,
wenn für den Expatriate parallel zur Versicherungspflicht in
China auch die deutschen Rechtsvorschriften in diesen Sozialversicherungszweigen weiter gelten – sei es durch die
sogenannte Ausstrahlung oder durch eine freiwillige Weiterversicherung in Deutschland. Eine Entsendung im Sinne der
Ausstrahlung gemäß §4 SGB IV liegt unter folgenden Voraussetzungen vor:
•
•
•
Es handelt sich um eine Entsendung (der Arbeitnehmer wird auf Weisung des Arbeitgebers für diesen im
Ausland tätig).
Der Einsatz findet im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses statt (der
Schwerpunkt der Beschäftigung liegt weiterhin in
Deutschland, beispielsweise ist der Arbeitnehmer
dort noch eingegliedert und sein Arbeitgeber hat weiterhin das Weisungsrecht über Ort, Dauer, Zeit und
Art der Arbeit).
Die Dauer des Einsatzes ist im Voraus zeitlich begrenzt.
Sollte weder das SVA greifen noch dem Antrag auf eine
Ausnahmevereinbarung stattgegeben werden, müssen hinsichtlich der Renten- und Arbeitslosenversicherung alternative Möglichkeiten gefunden werden. Hier gibt es zwei
Möglichkeiten: Es kann für beide Sozialversicherungszweige unter Einhalten bestimmter Voraussetzungen ein Antrag
auf ein Versicherungspflichtverhältnis gestellt werden, sodass
der Mitarbeiter weiterhin Pflichtbeiträge in die Renten- und
Arbeitslosenversicherung einzahlt. Eine andere Möglichkeit
wäre, den Fall der Arbeitslosigkeit sowie die Rente privat abzusichern. Welche Lösung hier für den Mitarbeiter vorteilhafter ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab und sollte
individuell geprüft werden.
Da grundsätzlich für den Mitarbeiter im chinesischen
Sozialversicherungssystem für die chinesische Kranken-,
Arbeitsunfall- und Mutterschaftsversicherung Beiträge zu
leisten sind, besteht in diesen Zweigen für den Mitarbeiter
ein Versicherungsschutz in China. Inwieweit dieser für den
Mitarbeiter ausreichend ist, hängt von der Situation und den
Bedürfnissen des Mitarbeiters sowie den in den chinesischen
Provinzen teils sehr unterschiedlichen Leistungen ab. Es
sollte individuell geprüft werden, inwiefern dem Mitarbeiter der gebotene Schutz ausreicht; bei Entsendungen nach
China kann es schnell zu Versorgungslücken kommen, die
wiederum zur Haftung des Arbeitgebers führen können. Zur
Prüfung des jeweiligen Sachverhalts sollten diesbezüglich
Experten zurate gezogen werden. :::
Simone Richter ist Young Professional der Unternehmensberatung
und Internationalen Mitarbeiterentsendung bei der BDAE Gruppe.
Omer Dotou ist Leiter der Abteilung. Kontakt: [email protected],
[email protected]
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Bu sin e ss : Pakistan
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Nur wer Geld hat, kommt unters Messer
Patienten zahlen ihre Behandlungen meist aus eigener Tasche. Die pakistanische
Regierung will Defizite dieser Art nach und nach angehen und erhöht in diesem
Jahr das Budget für Gesundheitsausgaben. Schritt eins: Ausbau und Modernisierung
der Krankenhäuser.
Von Ulrich Binkert, gtai ::: Nach Beobachtung
von Technikanbietern baut das Militär seine
Gesundheitseinrichtungen kräftig aus und
auch die Privatwirtschaft investiert mehr. Die
Behörden gingen den Nachholbedarf im Sektor absehbar entschlossener an, was besonders
dem großen armen und schlecht versorgten
Teil der Bevölkerung zugutekommen dürfte. Gleichzeitig gebe es mehr medizinische
Nachfrage vonseiten wohlhabenderer Pakistani, die wegen Visaerschwernissen nicht mehr
so leicht ins Ausland reisen könnten.
Bei den Investitionen geht es eher um Erweiterungen und Modernisierungen als um
den Bau großer neuer Krankenhäuser. So will
das private Indus Hospital in Karachi die Zahl
seiner Betten in drei Phasen auf 1.500 verzehnfachen. Die Regierung von Gilgit-Baltistan arbeitet an Ausbauplänen für die Krankenhäuser ihres Gebiets. Computertomografen
(CT) kauft nach Brancheninformationen das
Lahore General Hospital. Ausschreibungen
für die Beschaffung solcher CT und anderer
teurer bildgebender Systeme planen oder veröffentlichten bereits das Pakistan Institute of
Medical Sciences in Islamabad, MSD Quetta,
die Dow University of Health Sciences und
andere Kunden.
Kaum Mittel für Investitionen
Die gesamten öffentliche Gesundheitsausgaben sind nach
einem Tiefpunkt von 42 Mrd. Rupien laut Budgetplanung
im Fiskaljahr 2013/14 immerhin wieder auf 102 Mrd. Rupien (rund 1 Mrd. US-Dollar) gestiegen. Etwa drei Viertel
davon waren allerdings für laufende Ausgaben vorgesehen
und kamen für Investitionen nicht in Betracht. Die Zentralregierung hat für das laufende Haushaltsjahr ein leicht gestiegenes Gesundheitsbudget ausgewiesen und auch die nach
Bevölkerung zweitgrößte Provinz Sindh plant mit insgesamt
44 Mrd. Rupien ein Fünftel mehr ein. Um das Gesundheitswesen kümmern sich staatlicherseits hauptsächlich die Provinzen und nachgeordnete Behörden. Das zentrale Ministry
of National Health Services Regulation and Coordination in
Islamabad ist nach der Auflösung des Vorgängerministeriums
2011 operativ kaum tätig. Öffentliche Beschaffungen werden ausgeschrieben über die Public Procurement Regulatory
Authority.
Neben kostenintensiven Anschaffungen für Computertomografen und andere bildgebende Geräte erhöhen die
Hospitäler auch die Zahl der Betten.
Wichtigster bilateraler Geber unter den ausländischen
Entwicklungsorganisationen dürfte die Agentur USAID
sein. Sie weist für die fünf Jahre bis September 2014 eine
Unterstützung des pakistanischen Gesundheitswesens durch
insgesamt 236 Mio. Dollar aus. Die deutsche KfW Entwicklungsbank bezuschusst den Sektor mit jährlich rund 10 Mio.
Euro. Rund ein Drittel davon fließt in die Beschaffung von
Technik. In der Provinz Asad Jammu und Kaschmir unterstützt die KfW den Wiederaufbau von Einrichtungen nach
dem Erdbeben von 2005. Dort sind drei Krankenhäuser in
Muzaffarabad, Bagh und Kahuta im Bau. In einer zweiten,
Bild: Military Health, Flickr
20
ru brik : Pakistan
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
mit 8 Mio. Euro finanzierten Projektphase sind die Ausstattung dieser Häuser und der Wiederaufbau eines Hospitals in
Muzaffarabad geplant. Die Beschaffung der medizinischen
Ausrüstung mit einem Budget von rund 2,5 Mio. Euro soll
Ende 2015 ausgeschrieben werden.
Krankenhäuser fragen deutsche Produkte nach
Die Kfw wundert sich über das geringe Interesse deutscher
Firmen an ihren Ausschreibungen, die auch die Beschaffung
und Wartung teurer Geräte wie Kernspintomografen umfassen. Den
Zuschlag sicherten sich
meist pakistanische Handelshäuser mit Produkten
verschiedener Hersteller.
Zum Zuge kam in den
vergangenen Jahren demnach Technik auch von
GE, aber von keiner deutschen Firma – obwohl die
pakistanischen
Nutzer
oft ausdrücklich deutsche
Produkte wünschten.
Daneben berät die
Deutsche Gesellschaft für
internationale
Zusammenarbeit pakistanische
Behörden bei der Entwicklung des Gesundheitssystems und unterstützt sie bei den Themen
reproduktive Gesundheit
und Familienplanung.
Hersteller von Medizintechnik aus Deutschland steigerten ihre Lieferungen nach Pakistan
im vergangenen Jahr laut
Eurostat um rund 23%
auf 26,6 Mio. Euro. Auch die Branchenexporte aus anderen
EU-Ländern legten zu, während die USA ihre einmal dominante Stellung bei elektrodiagnostischen und radiologischen Geräten noch nicht wieder ganz einnehmen konnten.
Deutsche Anbieter verkaufen ihre Produkte vorwiegend über
pakistanische Handelshäuser. Eine Ausnahme stellt Siemens
dar. Khurram Jameel, Chef von Siemens Healthcare Pakistan and Afghanistan in Lahore, sieht sein Unternehmen als
einziges der ganz Großen seiner Branche mit Direktvertrieb
im Land.
Der öffentliche Sektor trägt in Pakistan nur etwa 36% der
gesamten Gesundheitsausgaben, so Angaben der National
Health Accounts (NHA) zuletzt für das Fiskaljahr 2011/12.
Die NHA basieren allerdings auf Makrodaten und Stichprobenbefragungen und kommen auf öffentliche Finanzierungen, die deutlich höher sind als die von den Regierungsbudgets ausgewiesenen Mittel. Die Weltgesundheitsorganisation
WHO beziffert den Anteil der privaten Dienstleister an der
pakistanischen Gesundheitsversorgung auf 70% bis 80%.
Von den gesamten öffentlichen Gesundheitsausgaben
fließt laut NHA lediglich ein Fünftel über zentralstaatliche
Behörden und davon wiederum rund 40% über das Militär.
Der Sektor privater Gesundheitsdienstleister ist in viele kleine Einheiten zersplittert, die WHO schätzt die Zahl „privater Kliniken“ auf 20.000. Die wenigsten davon können sich
teure Technik leisten, es gibt allerdings auch große und moderne private Krankenhäuser. Studien bescheinigten privaten
Einrichtungen im Schnitt – außer in der Hauptstadt Islamabad – eine bessere Qualität als staatlichen Häusern, etwa in
Lahore.
Als führender privater Gesundheitsdienstleister gilt die
Aga Khan Foundation. Daneben zählt die WHO allein für
die Provinz Sindh mit der Metropole Karachi 18 große NonProfit-Häuser wie das Indus Hospital. Laut einem landesweit
tätigen Handelshaus für Medizintechnik kommen im modernen Sektor in Karachi vier private Krankenhausbetten auf ein
öffentlich finanziertes. In Punjab sei das Verhältnis ausgewogen, in Islamabad gibt es etliche gut ausgestattete Militärhospitäler.
Nur ein kleiner Teil der Kosten wird erstattet
Rund 55% der gesamten Gesundheitsausgaben entfallen
nach den NHA-Daten auf Selbstzahlungen der Patienten.
„Wer unters Messer will, muss sein OP-Besteck selbst mitbringen“, erklärt ein Beobachter. Der Finanzierungsanteil
privater Krankenversicherungen ist laut NHA mit nur 0,6%
verschwindend gering, eine allgemeine öffentliche Versicherung gibt es noch nicht. Krankenversichert ist bisher nur ein
kleiner Personenkreis, der beinahe ausschließlich aus städtischen Angestellten von Behörden und großen Betrieben besteht.
Trotzdem erhoffen sich manche Beobachter von einer
breiteren Abdeckung durch Versicherungen mehr Geld für
das Gesundheitssystem. Tätig sind bislang nur einige Betriebskrankenkassen und private Krankenversicherungen.
Dazu gehören die Firmen New Jubilee, Adamjee, Asia Care,
Askari und Shaheen. Bereits seit 2000 ist das Joint Venture
Allianz EFU am Markt; Alfalah und Pak-Qatar Family Takaful haben Anteilseigner vom Golf.
Pakistans Gesundheitswesen rangiert in internationalen
Vergleichslisten weit hinten und hinkt auch den Nachbarn
in Südasien hinterher. Die WHO gibt die Lebenserwartung
für 2012 mit 65 Jahren an und die Gesundheitsausgaben pro
Kopf mit 77 Dollar, was lediglich 2,7% des BIP entsprach. Im
Jahr 2013 waren 111.953 Betten in medizinischen Einrichtungen verfügbar oder 0,6 pro Einwohner. :::
Kontakte Public Procurement Regulatory Authority
Tel.: +92-51-9205728
E-Mail: [email protected]
Internet: www.ppra.org.pk
KfW Entwicklungsbank
Tel.: +49 (0)69-7431-4918
E-Mail: [email protected]
Internet: www.kfw-entwicklungsbank.de
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Bu sin e ss : China
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Die Strukturen neu bemessen
Häufen sich in China zu viele Tochtergesellschaften ausländischer Investoren, kann eine
Verschlankung der Unternehmen ratsam sein. Welche Form des Zusammenschlusses
gewählt wird, hängt vom Ziel der Fusion ab.
VON Susanne Rademacher ::: Viele ausländische Investoren stellen nach ihrem
teils langjährigen Engagement in China
fest, dass nun eine Verschlankung der
bestehenden
Unternehmensstrukturen vor Ort geboten scheint. Oftmals
hat sich über die Jahre, teils sogar über
Jahrzehnte, ein Reihe von Tochtergesellschaften „angesammelt“, die nun
aufgrund steigenden Kostendrucks,
sinkender Margen und verbesserter nationaler Infrastruktur nicht mehr notwendig erscheint. Während die Schließung einzelner Einheiten eine Lösung
sein kann, ist sie nicht in jedem Fall die
einzige oder die beste Option, um die
Unternehmensstruktur zu verändern.
Ähnliche Anforderungen können sich
aus einer strategischen Neuausrichtung
ergeben, etwa durch eine Umstellung
von einer produktions- auf eine entwicklungs- oder vertriebsorientierte
Struktur.
Neben dem Ziel, eine verschlankte
Struktur der in China ansässigen Unternehmen zu erreichen, spielen oft
auch andere Überlegungen wie etwa
der Erhalt vorhandener chinesischer
Lizenzen, Lieferantenqualifikationen
oder konzerninterne Strukturen eine
Rolle. Dazu kann auch die Bereinigung
von „Altlasten“, wie zum Beispiel Compliance-Themen im Bereich Personal,
Sozialversicherung und Steuern, ein
wichtiger Faktor für die geplante Veränderung sein.
Verschmelzung mehrerer Firmen
Eine Restrukturierungsoption kann in diesen Fällen in einer
Fusion von Unternehmen liegen, ob nun innerhalb der eigenen Konzerngruppe oder über Konzerngruppen hinweg.
Derartige Zusammenschlüsse können in China in der Form
erfolgen, dass ein oder mehrere Unternehmen auf ein anderes Unternehmen verschmolzen werden, sodass am Ende
des Prozesses nur eine Firma erhalten bleibt. Parallel dazu
können dann rechtlich unselbstständige Niederlassungen des
fortgeführten Unternehmens errichtet werden, um den Geschäftsbetrieb der im Rahmen der Verschmelzung beendeten
Unternehmen ganz oder teilweise weiterzuführen.
Vor einer Fusion sollte eine Firma genauestens prüfen,
ob sie durch den Zusammenschluss ihre chinesischen
Lizenzen und Lieferantenqualifikation behält.
Ein solcher Zusammenschluss eignet sich insbesondere
dann, wenn die Geschäftsbereiche des fortgeführten Unternehmens und der darauf zu verschmelzenden Unternehmen
gleich oder ähnlich sind. Sind sie unterschiedlich, sollen aber
trotzdem in ihrer Gesamtheit erhalten bleiben, ist zu prüfen,
ob das fortgeführte Unternehmen rechtlich in der Lage ist,
seinen Geschäftsbereich zu erweitern, sodass auch die Geschäftsbereiche der zu verschmelzenden Unternehmen übernommen werden können.
Bild: XiXinXing, Shutterstock
22
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
Rechtlich hat dieser Vorgang zur Folge, dass das fortgeführte Unternehmen alle Rechte und Pflichten der verschmolzenenen Firmen übernimmt. Falls sich das Unternehmen im Zuge dieses Prozesses dazu entscheidet sich von
bestimmten Unternehmensteilen, Unternehmenseigentum
oder Mitarbeitern der nicht fortgeführten Unternehmen zu
trennen, ist sorgfältig zu entscheiden, ob dies im Voraus geschehen soll oder erst dann, wenn das fortgeführte Unternehmen die Verschmelzung
abgeschlossen hat.
Weitere Überlegungen, die bei einer
solchen Fusion relevant sein können, sind
beispielsweise Fragen von Steuervorzugsbehandlungen. Falls etwa die zu verschmelzende Firma über den Status „High-New
Technology Enterprise“ verfügt und das
fortgeführte Unternehmen diesen Status
nicht erlangt hat, ist zu prüfen, ob es diesen
Status überhaupt erlangen kann, und wenn
ja, wann, da eine (vorübergehende) Steuererhöhung das Betriebsergebnis beeinflussen
wird.
Ebenso ist bei Firmen, die nach dem
Foreign Investment Guidance Catalogue
den Status „gefördert“ genießen, zu prüfen,
ob Produktionsmittel zur Eigennutzung im
Rahmen dieses Status zollfrei eingeführt
wurden und sich noch in der Zollüberwachungsphase befinden, da eine Verschmelzung unter Umständen zu einer nachträglichen Verzollungspflicht führen kann.
Im Rahmen dieses gesamten Verfahrens
ist unter anderem eine spezielle Verschmelzungsbilanz vorzulegen, die in der Regel bei
Einreichung nicht älter als sechs Monate
sein darf und den „aktuellen“ Zustand der
Unternehmen widerspiegeln muss.
Vorabgenehmigungen beachten
Der Prozess des Zusammenschlusses richtet sich nicht zuletzt auch nach den lokalen
Bestimmungen und der lokalen Verwaltungspraxis der beteiligten Behörden. Bestimmte Fusionen bedürfen der kartellrechtlichen Genehmigung beziehungsweise einer Vorabgenehmigung durch
die lokal zuständige National Development and Reform
Commission. Danach – oder als erster Schritt, falls der vorgenannte Punkt im Einzelfall entbehrlich ist – beantragt das
nicht fortzuführende Unternehmen eine Vorabgenehmigung der Verschmelzung bei der lokal zuständigen Commerce Commission (CC). Sodann stellt das fortgeführte
Unternehmen einen Antrag auf Genehmigung der Verschmelzung. Zuständig ist hierfür die ursprünglich für das
fortgeführte Unternehmen zuständige CC, es sei denn, dass
die Gesamtinvestitionssumme dieser Firma nach der Verschmelzung derart erhöht ist, dass eine höherrangige CC
zuständig wird.
Bu siness : China
Wenn die CC der Verschmelzung grundsätzlich zustimmt,
sind die Gläubiger aller beteiligten Unternehmen öffentlich
zu unterrichten. Falls innerhalb der gesetzlich bestimmten
Fristen kein Gläubiger Einwände gegen den Zusammenschluss erhoben hat, entscheidet die CC endgültig über die
Genehmigung der Verschmelzung. Anschließend stellt das
nicht fortzuführende Unternehmen einen Antrag auf Löschung bei der lokal zuständigen CC. Soweit beabsichtigt ist,
dass das fortgeführte Unternehmen eine Niederlassung am
Sitz des zu verschmelzenden Unternehmens gründet, muss
geprüft werden, ob dies gemeinsam oder bereits vor diesem
Löschungsantrag geschehen soll. Weitere Löschungsanträge
sind darüber hinaus bei Steuerbehörden, Zoll und Banken
erforderlich. Am Ende steht die De-Registierung bei der lokal zuständigen Administration of Industry and Commerce
(AIC) mit der Rückgabe der Geschäftslizenz des verschmolzenen Unternehmens. Als letzter großer Meilenstein gilt
dann die Registrierung der Verschmelzung bei der AIC am
Sitz des fortgeführten Unternehmens mit der Erteilung der
neuen Geschäftslizenz. Abhängig davon, ob und wenn ja,
welches Unternehmensvermögen der zu verschmelzenden
Firma übertragen wird, sind auch Umtragungen der entsprechenden Eigentumszertifikate notwendig.
Bei Kündigungen fallen Abfindungszahlungen an
In Bezug auf Personalthemen ist danach zu unterscheiden,
ob Mitarbeiter im Zuge der Verschmelzung entlassen oder
weiterbeschäftigt werden sollen. Erfolgt eine Weiterbeschäftigung, sind in der Regel keine Abfindungen zu zahlen, allerdings sind Dienstzeiten, die im abgewickelten Unternehmen
angefallen sind, vom fortgeführten Unternehmen anzuerkennen. Soweit Entlassungen erfolgen sollen, kann eine
Verschmelzung einen tauglichen Kündigungsgrund seitens
des Arbeitgebers begründen, allerdings sind dann zwingend
Abfindungen zu zahlen und teils auch sogenannte Employee
Settlement Plans im Rahmen der Genehmigung der Verschmelzung vorzulegen.
Eine Alternative zu Zusammenschlüssen kann die rein
schuldrechtliche Übertragung einzelner Unternehmensvermögensgegenstände auf das fortgeführte Unternehmen sein,
bei der anschließend eine formale Liquidation des aufzulösenden Unternehmens erfolgt. Diese Möglichkeit kann dann
wünschenswert sein, wenn keine Übernahme aller Rechte
und Pflichten des aufzulösenden Unternehmens durch das
fortgeführte Unternehmen erfolgen soll oder keinerlei besondere Lizenzen im Namen des aufzulösenden Unternehmens bestehen, die erhalten werden sollen. Auch wenn es
kein Problem darstellt, dass erhebliche Barzahlungen für die
schuldrechtliche Übertragung einzelner Unternehmensvermögensgegenstände durch das fortführende Unternehmen
zu leisten sind, kann diese Alternative sinnvoll sein. :::
Susanne Rademacher ist Partnerin der Kanzlei Beiten Burkhardt und
leitet deren Büro in Beijing. Kontakt: [email protected]
23
b u sin e ss : ASEAN
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Mehr als nur niedrige Lohnkosten ...
... könnten Investoren bald in die ASEAN-Länder locken. Noch prägen zu
viel Bürokratie und Korruption das Bild der deutschen Unternehmen, aber
die Wirtschaftsunion AEC verheißt neue Geschäftsmöglichkeiten.
Von Roland Rohde, gtai ::: Ende dieses Jahres
startet offiziell die ASEAN Economic Community (AEC). Doch viele deutsche Unternehmen können mit diesem Begriff kaum etwas anfangen und wissen nicht genau, was sich
zum Stichtag eigentlich ändert. Selbst Firmen
innerhalb der zehn Mitgliedsländer sind nur
bedingt vorbereitet.
Tatsächlich wird sich zum Jahreswechsel kaum etwas ändern. Offiziell können zu
dem Datum alle Waren innerhalb der sechs
fortschrittlichsten Länder der AEC – den sogenannten ASEAN-6, bestehend aus Brunei
Darussalam, Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand – komplett
zollfrei gehandelt werden. Laut dem in Jakarta
beheimateten ASEAN-Sekretariat lag jedoch
Ende vergangenen Jahres die entsprechende
Quote bereits bei 99%.
Interessanter ist da schon die geplante
sukzessive Öffnung der nationalen Dienstleistungssektoren. Investoren aus der ASEAN
können sich künftig in 128 Sparten mit bis
zu 70% an einem Joint Venture beteiligen, allerdings nicht
gleich zum Stichtag. Betroffen sind zunächst der Finanz-,
Tourismus-, Logistik- und Gesundheitssektor.
Zudem soll es für acht Berufsgruppen eine großzügigere
Niederlassungsfreiheit innerhalb der ASEAN geben. Beispielsweise könnte dann ein Arzt aus Singapur oder Malaysia in Indonesien praktizieren. Doch allzu einfach dürfte die
Sache nicht werden, so müssen die Akteure vorher mehrere
Prüfungen, unter anderem in der Landessprache Bahasa, erfolgreich absolvieren.
den klassischen „Billiglohnländern“ Myanmar, Vietnam,
Kambodscha und Laos sowie im immer noch relativ günstigen Indonesien neue Fabriken bauen beziehungsweise bestehende Kapazitäten ausweiten.
Marktzugang dürfte leichter werden
Deutsche Firmen hadern mit Rahmenbedingungen
Bei den europäischen Unternehmen gab es in Sachen AEC
noch keinen Ruck. Dies liegt unter anderem daran, dass sie
in der Region im Vergleich zur japanischen Konkurrenz noch
unterrepräsentiert sind. Doch die in Südostasien bereits vertretenen deutschen Unternehmen nehmen die Chancen, die
sich aus der AEC ergeben, sehr genau wahr. Das ergab eine
Studie der dortigen deutschen Auslandshandelskammern zusammen mit der Unternehmensberatung EY (früher Ernst &
Young) und der Deutschen Botschaft in Jakarta. Laut Einschätzung der befragten deutschen Unternehmen wird die
AEC die Attraktivität des ASEAN-Marktes durch erleichterte Marktzugänge erhöhen.
Nach ihren Investitionsplänen gefragt, ergab sich ein sehr
aussagekräftiges Bild: Die meisten Unternehmen wollen in
Doch um die Rahmenbedingungen in der ASEAN steht es
– mit Ausnahme von Singapur – derzeit nicht besonders gut.
Die Länder leiden allesamt unter einer ausufernden Bürokratie und Korruption. Dabei gilt die Regel: je weniger entwickelt, desto korruptionsanfälliger. Im Corruptions Perception Index aus dem vergangenen Jahr liegen Kambodscha,
Laos und Myanmar im weltweiten Maßstab auf den hintersten Rängen. Vietnam und Indonesien schneiden nur geringfügig besser ab. Thailand und die Philippinen tummeln sich
im Mittelfeld. Die unsicheren politischen und administrativen Rahmenbedingungen werden in diesem Zusammenhang,
wie auch die Korruption, von den deutschen Unternehmen
als größtes Investitionshindernis in der ASEAN wahrgenommen. :::
Ausländische Unternehmen sind in der Region
eher an den geringen Fertigungskosten als
am Absatzpotenzial ihrer Produkte interessiert.
Bild: ILO in Asia and the Pacific, Flickr
24
I ndus t rie p o l it ik
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St äd t ep lan u n g
Firmen sind skeptisch
Werften investieren wieder
Tokio im Sog von Olympia
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AB-S pe cia l 7 / 8 :2 0 1 5
„Deutschland und Japan:
Ferne Gefährten?“
::: Das Verhältnis zwischen Deutschland und Japan wird immer
wieder mit dem Begriff der „fernen Gefährten“ beschrieben. Doch
trifft dieses traditionelle Bild noch zu?
Regierungen und Unternehmen handeln selten nach Gefährtentum, sondern nach Interessen. Im Falle Japans liegen diese geostrategisch und wirtschaftlich vor allem im Pazifikraum; im Falle
Deutschlands in der EU sowie in einigen Wachstumsmärkten wie
China. Für Konsumenten und Lifestyle-Produkte gilt dies noch
stärker: Hier zählen heute Marken, nicht nationaler Ursprung.
Japan sucht durchaus die Nähe zu Deutschland, etwa in Sachen
Technologie und Wissenschaft. Das liegt im Interesse von Regierung, Forschern oder Unternehmen. Schließlich laden gleiche Herausforderungen bei Energie, Mobilität, IT oder Demografie zur
Zusammenarbeit ein.
Eine gemeinsame Interessenlage besteht auch bei der Globalisierung. Japan verfolgt vehement Infrastrukturprojekte auf der „Großbaustelle Asien“, wachsende Zukunftsmärkte der Megacitys in der
Region sowie den Ausbau seiner Rohstoff-, Lebensmittel- und Energieversorgung. Dies bedeutet zwar zunächst Wettbewerb, birgt aber
auch großes Potenzial für Zusammenarbeit. Eindrucksvolle Beispiele belegen, dass das eine das andere nicht ausschließt. Eine Reihe von
in Japan und Asien aktiven und erfahrenen deutschen Unternehmen
hat dieses Zukunftspotenzial erkannt und neue Geschäftsmodelle
dafür entwickelt.
Titel: BartlomiejMagierowski, Shutterstock
Oft wenig sichtbar, gibt es weit mehr Zusammenarbeit, als man
wahrnimmt. Für diese Gefährten spielt auch die Entfernung heute
keine Rolle mehr. :::
Manfred Hoffmann
Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Japan
SPECIAL : Japan
III
S p e c ia l : Japan
AB - Sp ec ia l 7/ 8: 2015
Die Renaissance der Atomkraft
Japan grübelt über künftigen Pläne zur Stromversorgung. Neben erneuerbaren Energien
steht auch die Kernkraft wieder hoch im Kurs. Befürworter betonen neben Kostenvorteilen
auch die überschaubaren Treibhausgasemissionen – und stoßen dabei auf Widerstand in
der Bevölkerung.
Von Michael Sauermost, gtai ::: Trotz der Einwände von Bürgern und Umweltorganisationen zieht die Regierung in Erwägung, im Jahr 2030 etwa ein Fünftel der Stromversorgung
durch Atomkraft sicherzustellen. Offiziell gab ein Expertenteam unter der Federführung des Ministry of Economy,
Trade and Industry (METI) eine Zielvorgabe von 20% bis
22% am zukünftigen Energiemix bekannt. Dazu müssten
etwa ein Dutzend der stillgelegten Kraftwerke wieder mobilisiert werden. Unter Beachtung der neuen Sicherheitsvorschriften ist dies möglich.
Der Anteil des durch erneuerbare Energien erzeugten
Stroms soll sich in diesem Zeitraum auf etwa 22% bis 24%
mehr als verdoppeln. Die Solarenergie erhält in der für 2030
anvisierten Aufteilung 7% und damit knapp weniger als Wasserkraft mit 8,8% bis 9,2%. Unter den erneuerbaren Energien finden ferner Biomasse mit 4,6%, Windenergie mit 1,7%
sowie Geothermie mit 1% bis 1,1% Berücksichtigung. Die
fossilen Energielieferanten Erdöl und Erdgas könnten auf
Anteile von jeweils über einem Viertel der gesamten Stromversorgung kommen.
Ziel: CO2-Ausstoß um ein Viertel verringern
Das METI geht davon aus, dass der angestrebte Energiemix
die Treibhausgasemissionen Japans bis 2030 im Vergleich zu
Bild: IAEA Imagebank, Flickr
IV
AB-S p e cial 7 / 8 : 2 0 1 5
2013 um 21,9% reduzieren könnte. Es sind sogar bis zu 26%
im Gespräch. Für diese Zielmarke spielt das Festhalten an
der Kernkraft eine entscheidende Rolle. Kritiker monieren,
dass anstelle von 2013 ein viel früheres Datum als Referenzgröße genommen werden sollte, wie dies auch in anderen Industrienationen praktiziert wird.
Ursprünglich hatte sich Japan darauf eingelassen, bis zu
80% der Treibhausgasemissionen von 2005 bis 2050 zu kappen. Vor der Dreifachkatastrophe von Fukushima hatte die
japanische Regierung den Plan gehabt, den Kernkraftanteil
im Energiemix von rund 29% auf 54% im Jahr 2030 zu erhöhen. Die damalige Zielvorgabe für die Erneuerbaren belief
sich allerdings ebenfalls schon auf über 20%. Die geplanten
Atomkraftanteile sollten mit einer Reduzierung in den Segmenten Erdöl und Erdgas einhergehen.
Mehr Kohle für Kraftwerke
Durch die Katastrophe im Jahr 2011 verschwand diese Zielvorgabe allerdings von der Agenda – nachdem von Atomkraft
wieder verstärkt auf Kohle und Erdgas umgesattelt werden
musste. Investitionen in neue Kohlekraftwerke werden wieder getätigt, auch wenn dabei umweltfreundlichere Technologien zum Einsatz kommen sollen. Diese Entwicklung ließ
die Treibhausgasemissionen im Jahr 2013 um 1,2% gegenüber dem Vorjahr steigen.
Der Kostenfaktor spreche ebenfalls klar für eine weitere
Nutzung der Atomkraft, kalkuliert das METI. Eine Energie­
expertengruppe des Ministeriums hatte in einer Studie errechnet, dass im Jahr 2030 1 kWh Atomstrom für durchschnittlich 10,1 Yen (rund 0,08 Euro) erzeugt werden könne.
Bei Kohle, Erdgas, Solarenergie, Windkraft, Geothermie
und Wasserkraft lägen die Kosten deutlich höher.
Bei diesem Kalkül seien die notwendigen Investitionen
der Kernkraftwerke für die künftig einzuhaltenden schärferen Sicherheitsstandards mit eingerechnet, heißt es. Im
Durchschnitt veranschlagte das METI für erforderliche Sicherheitsmaßnahmen etwas mehr als 60 Mrd. Yen pro Anlage. Unberücksichtigt blieben jedoch weiterhin die Kosten
für den erforderlichen Abbau, wird kritisiert. Bei den erneuerbaren Energien ist dagegen zu beachten, dass es sich um
Durchschnittswerte handelt und die tatsächlich entstehenden
Kosten maßgeblich von der Projektgröße abhängen.
Kritiker bemängeln darüber hinaus, dass die Regierung
einen landesweiten Stromverbrauch von 981 Mrd. kWh als
Referenzgröße für 2030 zugrunde lege. Dabei blieben ein zukünftig steigendes Energiebewusstsein der Bevölkerung und
die Verwendung energieeffizienterer Geräte und Produktionsanlagen unberücksichtigt. Tatsächlich könnten Energieeinsparungen in den kommenden Jahren zu einem Stromverbrauch in der Größenordnung von etwa 700 Mrd. kWh
führen.
Öffnungstendenzen am Energiemarkt
Wie das METI berichtet, haben immer mehr Unternehmen,
die ursprünglich nicht dem Versorgungsbereich angehörten,
begonnen, sich im Stromsektor zu registrieren. Auslöser dafür ist die bevorstehende Liberalisierung des Energiemark-
SPECIAL : Japan
tes. Ab 2016 können neue Stromversorger für private und
gewerbliche Kunden zugelassen werden. Für das vergangene Jahr meldete das Ministerium 468 Neuregistrierungen –
mehr als zweieinhalbmal so viele wie noch im Vorjahr. Einer
Untersuchung des Marktforschungsinstituts Tokyo Shoko
Research zufolge handelt es sich dabei zur Hälfte um Produzenten im Ausrüstungssegment. Ein Großteil davon seien
kleinere Firmen beziehungsweise Zulieferer aus dem Bereich
der Solarenergie.
Generell ist im Bereich der Erneuerbaren eine Diversifizierung zu beobachten. Die Energiemarktöffnung erweitert
die Geschäftsmöglichkeiten beträchtlich. Beispielsweise plant
das Unternehmen Hitachi Zosen den Verkauf von durch
Müllverbrennungsanlagen generiertem Strom an verschiedene lokale Regierungsbezirke. Die Verbrauchsgenossenschaft
Co-op Sapporo will ab dem Fiskaljahr 2016 in das Geschäft
mit sogenanntem grünen Strom einsteigen.
Allerdings bleibt der Verkauf von umweltfreundlichem
Strom in Japan weiterhin schwierig, nicht zuletzt aufgrund
der hohen Durchleitungsgebühren, die für Privathaushalte
rund 40% der Stromrechnung ausmachen können. Die großen Stromversorger wie Tepco beginnen, ihren Geschäftsbereich für erneuerbare Energien als separate Einheit zu organisieren.
Problemlösungen im Bereich der Stromübertragung
dürften im Zuge der Liberalisierung gefragt sein. Vor diesem
Hintergrund einigte sich das schweizerische Unternehmen
ABB mit Hitachi Ende 2014 auf eine technologische Partnerschaft. Gemeinsam sollen vor Ort Energieverteilungssysteme vertrieben werden. Dabei geht es unter anderem um die
HGÜ-Anbindung (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) von erneuerbaren Energien.
Zukunftstechnologie soll Erneuerbare fit machen
Was das Problem der schwankenden Energieversorgung
durch erneuerbare Energien angeht, wird fleißig an Zukunftslösungen gearbeitet. Beispielsweise öffnete das National Institute of Advanced Industrial Science and Technology im vergangenen Jahr das Fukushima Renewable Energy
Institute. In einem Industriepark in der Provinz Fukushima
werden neue Möglichkeiten der Fluktuationsbekämpfung bei
der Solar- und Windstromerzeugung über Brennstoffzellen
erforscht. Überschüssige Energie soll durch ein Elektrolyseverfahren für die Erzeugung von Wasserstoff verwendet und
dann in Flüssigform zwischengelagert werden.
Weitere Fortschritte werden von Unternehmen im Bereich der drahtlosen Energieübertragung in Angriff genommen. Über neue Erfolge berichtet das Unternehmen
Mitsubishi Heavy Industries (MHI) nach einer Testphase
in einer Anlage der Kobe Shipyard and Machinery Works.
Im Gegensatz zu der bislang meist verwendeten induktiven elektromagnetischen Übertragung will MHI mithilfe
von Mikrowellen den Abstand zwischen Energiesender und
-empfänger vergrößern. Diese kostenträchtigen Problemlösungen könnten sich allerdings erst in ferner Zukunft nachhaltig auf die effizientere Nutzung erneuerbarer Energien
auswirken. :::
V
S p e c ia l : Japan
AB - Sp ec ia l 7/ 8: 2015
Auf den Lorbeeren ausgeruht
Japans Industrieministerium galt als Inbegriff eines neuen Kapitalismus. Nach dem
Platzen der Blasenwirtschaft verblasste der Glanz jedoch rasch. Mittlerweile halten
viele Branchen eher Abstand zu ihm. Heutzutage konzentriert sich die Industriepolitik
auf den Energiesektor und die Finanzierung von Unternehmensinitiativen.
Von stafan lippert ::: In
den 1980er Jahren als „almighty MITI“ gefürchtet und gefeiert, verlor Japans Industrieministerium nach dem Platzen der Bubble Economy 1991 rasch sein Renommee. Mitte der 1990er
Jahre fand ein Paradigmenwechsel statt; an die Stelle
von Staat und Planung traten Markt und Deregulierung. Globalisierung und Technologie wurden zu
Schlüssel-Wachstumstreibern. Japan tat sich zunächst
schwer mit der Anpassung an die neuen Umstände.
Der 2000 publizierten, weltweit beachteten Studie
„Can Japan Compete?“ zufolge war Japans Industriepolitik größtenteils ineffektiv oder kontraproduktiv.
Seit der Krise 2008/09 ist Industriepolitik jedoch wieder auf der Agenda.
In den 1950er und 1960er Jahren wurde Japan zum
Pionier des asiatischen Wachstumsmodells. Sowohl die
vier Tiger Südkorea, Taiwan, Hong Kong und Singapur als auch China folgten Nippons Erfolgsmodell.
Unter den asiatischen Flächenstaaten ist und bleibt
Japan das einzige Land das auf Pro-Kopf-Basis zu den
führenden Industrienationen des Westens aufschließen
konnte. Auch ist Japan das einzige Land, in dem das für
Industriepolitik zuständige Ministerium, das Ministry
of International Trade and Industry (MITI; seit 2001
METI), ein weltweites Renommee aufbauen konnte.
Der traditionelle Ansatz des MITI bestand darin, knappe Ressourcen – Kapital, Talent, Wissen, Kontakte – an
ausgewählte Firmen und Branchen zu geben, um Japan einen
Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Aufstieg des Landes schien unaufhaltsam
Der Selbstorganisationsprozess des Marktes, so der verbreitete Glaube, war dazu nicht in der Lage; nur Elite-Bürokraten
konnten sich einen objektiven Überblick verschaffen und rationale Entscheidungen treffen, die dem Ganzen dienten, ohne
dem Einzelnen zu schaden. Der Fokus verschob sich in den
1970er Jahren zugunsten von wissensgetriebenen Industrien,
insbesondere Halbleiter und Elektronik. In den 1980er Jahren, als Ezra Vogels Buch „Japan as Number One“ zum internationalen Bestseller avancierte, war das MITI eine weltweit
hochangesehene Institution. Es stand für eine scheinbar neue
Form des Kapitalismus: gelenkt und doch effizient, weniger
aggressiv als Reaganomics und dynamischer, globaler als das
rheinische Modell der alten Bundesrepublik. Japanische Firmen dominierten mehr und mehr weltweite Branchenrankings. Der Mythos des „almighty MITI“ fand globales Interesse. Japan schien die magische Formel gefunden zu haben,
Die Zukunft der traditionellen Industriepolitik des
Landes dürfte in der Energiepolitik liegen. Mit
900 Mrd. Yen stellt das Energiebudget den
größten Ausgabenposten des METI dar.
um die Wirtschaftsleistung des Westens – insbesondere der
Vereinigten Staaten – nicht nur auf Pro-Kopf-Basis, sondern
auch absolut zu überholen. Der Aufstieg schien unaufhaltsam
zu sein, und Vergleiche mit einem wirtschaftlichen Tsunami, der die Welt zu überfluten drohte, machten die Runde.
Hightechbranche nur Spitze des Eisbergs
An den Abgrund getrieben von übermächtiger japanischer
Konkurrenz, standen Hightech-Ikonen wie Intel und IBM
kurz vor dem Aus. Vor dem Hintergrund der Japan-Hysterie,
die an den China-Hype der Gegenwart erinnert, fanden aber
Verschiebungen statt, die von Medien und Politik zunächst
Bild: Sean Pavone, Shutterstock
VI
SPECIAL : Japan
AB-S pe cia l 7 / 8 :2 0 1 5
nicht wahrgenommen wurden – weder in Japan noch im
Westen. Die Fälle Intel und IBM bieten interessante Einsichten. Beide Firmen hatten den japanischen Wettbewerb
lange Zeit nicht ernst genommen – wer konnte schon den
amerikanischen Ikonen des Computerzeitalters das Wasser
reichen? Doch als es fast zu spät war, als Intel und IBM die
Geschäftsmodelle wegbrachen, gingen beide Unternehmen
radikal neue Wege: Intel setzte auf Mikroprozessoren und
ließ den DRAM-Markt den Japanern (und später Südkoreanern), IBM konzentrierte sich
auf Systemlösungen und Beratung anstelle von MainframeComputern. Im Siegesrausch
realisierten NEC, Hitachi, Toshiba, Fujitsu und das hinter
ihnen stehende MITI nicht,
dass sie die Schlacht gewonnen,
den Krieg aber verloren hatten.
Die Hightechbranche, von
Japanern gern als „sangyô no
kome“ (Reis der Industrie) bezeichnet, stellte nur die Spitze
des Eisbergs dar. Zahlreiche
andere Branchen, Industrie und
Dienstleister, begriffen erst, als es
zu spät war, dass billiges Kapital
weder nachhaltige Wettbewerbsvorteile verschafft noch scharfes strategisches Denken und
konsequentes Implementieren
à la Intel und IBM ersetzt.
Mitte der 1990er Jahre hatte das „almighty MITI“ seinen
Glanz an die aufstrebenden
Stars des Silicon Valley verloren.
Japan, fokussiert auf die hinterlassenen Schuldenberge der
Bubble-Zeit, tat sich zunächst schwer mit der Anpassung an
die neuen Schlüsseltrends Globalisierung und Technologie,
insbesondere das Internet. Wer in den 1990er Jahren in Japan war, weiß, wie hartnäckig sich das Faxgerät als StandardKommunikationstool hielt.
Unternehmen sehen Industriepolitik skeptisch
Richard Katz’ 1998 erschienene Studie „Japan: The System
That Soured“ stand am Anfang einer Lawine von Publikationen, die erklärten, warum Japan Inc. nicht (mehr) funktionierte. International, aber auch in Japan selbst bildete
sich langsam ein nüchterner Konsens heraus, dass die Industriepolitik der Nachkriegszeit teils vorteilhaft, teils ineffektiv und teils kontraproduktiv war. Die Frage ist natürlich,
welche Prozentwerte konkret mit „teils“ gemeint sind, und
hier schieden und scheiden sich die Geister. Weitgehend
unumstritten ist, dass das MITI in der Nachkriegszeit Branchen wie Stahl, Schiffbau, Elektrik und Textil effektiv unterstützt und ihnen den Weg auf den Weltmarkt gebahnt, dann
aber zu lange an ihnen festgehalten hat. In den Branchen,
in denen Japan bis heute extrem wettbewerbsstark auf dem
Weltmarkt ist – Automobil-, Maschinen- und Anlagenbau,
Halbleiterproduk­tionstechnologie, Spezialchemie, Optik –
war der Einfluss des MITI eher begrenzt, und Gespräche mit
Insidern indizieren, dass die Spitzenunternehmen in diesen
Branchen, darunter viele „Hidden Champions“, Distanz zum
Industrieministerium als Erfolgsfaktor sehen. Diese Spitzenunternehmen sehen Industriepolitik tendenziell skeptisch
und wollen im Prinzip in Ruhe gelassen werden, um sich ganz
und gar ihren Märkten und Technologien zu widmen.
Seit dem Jahr 2001 heißt das MITI nun Ministry of Economy, Trade and Industry (METI). Die Industriepolitik des
METI ruht auf vier Säulen:
•
•
•
•
·Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen (und damit im WTO-relevanten Bereich operieren),
werden auf Branchenbasis unterstützt. Das METI nutzt
primär die Branchenassoziationen als operative Plattform, um mit den – untereinander im Wettbewerb stehenden japanischen Firmen – zu kommunizieren. Die
Schlüsselzielsetzungen dieses gern als „horizontal“ bezeichneten Ansatzes sind Innovationskraft und globale
Wettbewerbsfähigkeit.
·Kleinere und mittlere Unternehmen werden als Branche
aber auch individuell gefördert; das METI argumentiert,
dass diese Unternehmen ausschließlich im Heimatmarkt
tätig seien und daher nicht im internationalen Wettbewerb stünden.
·Der mit Abstand größte Einzelposten des METI ist die
Energiepolitik. Nur die Sicherheitsprüfungen der Kernkraftwerke obliegen der administrativ zum Umweltministerium gehörenden Nuclear Regulation Authority.
·Seit 2011 ist das METI zuständig für die Dekommissionierung des Fukushima-Kernkraftwerks und für den
Wiederaufbau der Fukushima-Region.
Das Gesamtbudget des METI beläuft sich gegenwärtig auf
rund 1,5 Bill. Yen (etwa 12,5 Mrd. Euro). Das Energiebudget stellt mit rund 900 Mrd. Yen den weitaus größten Posten
dar. Diese Zahlen klingen moderat, repräsentieren aber nur
die halbe Wahrheit, da Japans heutige Industriepolitik sich
zunehmend auf die Finanzierung von Unternehmensinitiativen konzentriert, und diese läuft über finanzstarke Akteure:
staatliche Banken – Japan Bank for International Cooperation, Development Bank of Japan und Shoko Chukin Bank
– und halbstaatliche Investmentfonds – insbesondere Innovation Network Corporation of Japan und Regional Economy
Vitalization Corporation of Japan.
Die Zukunft der traditionellen Industriepolitik Japans
dürfte primär in der Energiepolitik liegen. In allen anderen
industriellen Sektoren wird Industriepolitik im Wesentlichen
aus finanzieller Unterstützung durch staatlich kontrollierte
Banken und Fonds bestehen. :::
Stefan Lippert ist Professor an der Temple University, Fox School of
Business in Tokio. Kontakt: [email protected]
VII
S p e c ia l : Japan
AB - Sp ec ia l 7/ 8: 2015
Partnersuche
in China
40 Mrd. Yen wendet Japans
größter Schiffbauer für ein
neues Trockendock auf. Auch
andere große Unternehmen
investieren wieder. Dabei sind
sie offen für Joint Ventures
im Ausland, denn sie hoffen
dadurch die Konkurrenz in
Schach halten zu können.
Von Michael Sauermost, gtai ::: Japans
Schiffbauindustrie steuert nach einem durch
die Finanzkrise ausgelösten mehrjährigen
Gegenwind wieder erfolgreicheren Zeiten
entgegen. Dies vermitteln zumindest die
angekündigten Investitionspläne der Branchengrößen. Zwar zeichnet sich in der neuesten verfügbaren Statistik der Japan Ship
Exporters’ Association bislang lediglich eine
deutliche Erholung der Auftragseingänge
im Tankersegment ab, und die Konkurrenzsituation mit China und Südkorea bleibt
unverändert. Dennoch sehen die Aussichten
weitaus besser aus als noch vor zwei Jahren.
Der größte Hersteller, Imabari Shipbuilding, kündigte im Januar an, bis Oktober
kommenden Jahres in Marugame, Präfektur
Kagawa, mit einer Investitionssumme von
40 Mrd. Yen (rund 311 Mio. Euro) ein neues Trockendock zu errichten. Das Hafenbecken soll mit einer Hubkapazität von 3.600 t
ausgestattet werden. Der derzeit schwache
Yen und die damit verbundene gestiegene Wettbewerbsfähigkeit haben dem Vernehmen nach zu dieser Entscheidung
beigetragen.
Größtes Projekt seit mehr als 15 Jahren
In der Anlage sollen elf 400 m lange Containerschiffe entstehen, die ab 2018 an den taiwanischen Konzern Evergreen
Marine ausgeliefert werden. Der Gesamtwert dieses Auftrags
beläuft sich Pressemeldungen zufolge auf insgesamt 210 Mrd.
Yen. Das Trockendock stellt die erste Investition dieser Größenordnung des in Japan führenden Erzeugers seit 16 Jahren
dar.
Um der starken Konkurrenz von Werften aus China sowie
Südkorea in Zukunft Paroli bieten zu können, sind heimische
Firmen auch weiterhin an Joint Ventures im Ausland interessiert. So investiert beispielsweise Kawasaki Heavy Industries
(KHI) bis Oktober 2017 insgesamt rund 30 Mrd. Yen in das
seit 2007 in der chinesischen Hafenstadt Dalian existierende Joint Venture Dacks. Partner ist China Ocean Shipping
(Cosco). Diese Investition ist die erste größere Kapitalanlage
von KHI in diesem Segment seit 2008. Unter anderem geht
es dabei um ein neues Hafenbecken und eine Stahlverarbeitungsanlage.
Durch das neue Vorhaben soll die Produktion von Massengutfrachtern und Containerschiffen erhöht werden. Das
jährliche Volumen von Dacks könne dadurch von 540.000 t
im Jahr 2013 auf etwa 1,5 Mio. t steigen, heißt es vonseiten
des Unternehmens. Darüber hinaus sollen LNG-Tanker zu-
Bild: Studio, Shutterstock
VIII
SPECIAL : Japan
AB-S p e cial 7 / 8 : 2 0 1 5
Der Zusammenschluss zahlt sich
aus: Kawasaki Heavy Industries baut
die Kapazitäten zu erhöhen. Ab 2017 sollen auf der Strecke
zwischen Asien und Europa sechs neue Frachter unterwegs
sein, die jeweils 20.000 20-Fuß-Container laden können. Bislang haben die größten für die Reederei im Einsatz befindlichen Schiffe ein Fassungsvermögen von 14.000 Containern.
Dadurch könnten die jährlichen Transportkosten um etwa
30 Mrd. Yen gedrückt werden, heißt es.
zusammen mit seinem Partner Cosco
in China ein neues Hafenbecken und
Auftrag für Containerschiffe geht nach Südkorea
eine Anlage zur Verarbeitung von Stahl.
Eine Gesamtsumme von rund 100 Mrd. Yen will MOL in
die sechs Containerschiffe investieren – allerdings auf einer
langfristigen Leasingbasis. Bestellungen erhielten Pressemeldungen zufolge die Imabari Shipbuilding sowie der südkoreanische Konkurrent Samsung Heavy Industries. Aus der
Maßnahme lassen sich jedoch keinesfalls optimistische Geschäftserwartungen ableiten. Die größeren Schiffe sollen in
erster Linie zur Energieeinsparung anstelle der bestehenden
Flotte eingesetzt werden.
Parallel kündigte MOL zu Jahresbeginn an, bis zu 50
Mrd. Yen in zwei LNG-Tanker zu investieren. Zu diesem
Zweck wurde ein Joint Venture zu gleichen Anteilen mit dem
Handelshaus Itochu etabliert. Die Tanker mit einer Kapazität von jeweils 180.000 cbm wurden bei der südkoreanischen
Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering in Auftrag gegeben und sollen in der zweiten Jahreshälfte 2018 zur Verfügung stehen. MOL dominiert mit einer Flotte von derzeit
66 LNG-Tankern diesen Markt. Insbesondere in Erwartung
einer steigenden Nachfrage von LNG-Verschiffungen nach
Europa plant das Unternehmen, die Flotte bis 2020 auf mehr
als 100 Tanker zu vergrößern. :::
künftig stärker in den Fokus rücken. KHI und Cosco betreiben bereits seit gut zehn Jahren ein ähnliches Joint Venture
im chinesischen Nantong in der Provinz Jiangsu mit einem
derzeitigen Fertigungsvolumen von jährlich etwa 1,3 Mio. t.
Dieses soll sich allerdings in Zukunft verstärkt auf die Herstellung von kleinen und mittelgroßen Schiffen konzentrieren. KHI war 2013 mit einem Output von insgesamt circa
1,94 Mio. t im In- und Ausland der viertgrößte japanische
Schiffbauer.
Werften stocken die Produktion auf
Auch Nomura Shipbuilding, derzeit drittgrößter Hersteller
des Landes, will seine Produktion steigern. Im Fiskaljahr
2016 sollen 30 Schiffe die Werft verlassen. Das wären vier
mehr als im vergangenen Jahr. Dies wird durch eine Kapazitätserweiterung bei Sasebo Heavy Industries (SHI) erfolgen,
einem Unternehmen, das im vergangenen
Jahr übernommen wurde. ModernisieExport-Auftragsbestand
rungsinvestitionen und Technologietransfer seien erforderlich, um SHI in die Lage
zu bringen, große Tanker herzustellen.
Imari Shipyard & Works, die Hauptwerft
Auftragsbestand Fiskaljahr 2013
von Nomura Shipbuilding, wird vorerst
bei ihrer Kapazität von 20 Schiffen bleiben
Neubestellungen Fiskaljahr 2014
und sich weiter auf kleine bis mittelgroße
Auslieferungen Fiskaljahr 2014
Frachttransporter konzentrieren.
Mitsui Engineering reagiert indes auf
Korrekturen
die steigende Nachfrage aus Südostasien
Gesamt
und will insgesamt 17 Mrd. Yen in die lokale Produktion von Hafenkränen und in
Davon: Übergabe
die Wiederinbetriebnahme eines Hafenbeckens investieren. Im Fiskaljahr 2014
Fiskaljahr 2015
gingen dem Vernehmen nach KranbestelFiskaljahr 2016
lungen im Wert von rund 50 Mrd. Yen ein.
Das waren 20 Mrd. Yen mehr als noch zwei
Fiskaljahr 2017
Jahre zuvor. In Indonesien engagiert sich
Fiskaljahr 2018
hingegen die Tsuneishi Holdings. Dort sollen Wartungsarbeiten für Fähren und Conspäter als Fiskaljahr 2019
tainerschiffe, möglicherweise in Kooperati* Compensated Gross Tons =
on mit der lokalen Kalla Group, angeboten
gewichtete Bruttoraumzahl
werden.
Quelle: JSEA
Derweil setzt die größte Reederei, Mitsui O.S.K. Lines (MOL), ihren Plan durch,
(Stand: Ende März 2015)
Anzahl
Bruttotonnage
(in 1.000 GT)
Bruttotonnage
(in 1.000 CGT*)
658
27.672,3
13.083,8
272
12.881,6
6.285,4
-282
-11.764,8
-5.461,5
-1.147,3
-408,8
632
27.641,7
13.498,9
298
11.586,6
5.829,7
184
8.088,4
3.868,5
126
6.268,1
2.852,8
23
1.555,6
845,4
1
143,0
102,5
IX
S p e c ia l : Japan
AB-Spec ia l 7 / 8 : 2 0 1 5
Am Puls der Zeit
Tokio präsentiert sich mit Blick auf die Olympischen Spiele als innovative Weltstadt und
investiert in verschiedene Vorzeigeprojekte. Ob Wasserstoffdorf, Magnetschwebebahn
oder moderne Business-Hubs: Die Entwicklung der Metropole ist nicht zu bremsen.
VON achim haug, gtai ::: Trotz einer leicht schrumpfenden Bevölkerung bleibt der Großraum Tokio mit rund 37,8 Millionen
Einwohnern eine der größten Städte der Welt. Gleichzeitig
wird der Metropole ein Vorzeigestatus in Sachen Funktionalität und Sicherheit attestiert. Vor allem das öffentliche Verkehrssystem gilt weltweit als einzigartig. Etwa 40 Millionen
Passagiere nutzen täglich die U-Bahnen oder Regionalzüge
der elf staatlichen und privaten Betreiber. Trotz überfüllter
Züge während der Rushhour schätzen Fahrgäste die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der im Minutentakt verkehren-
den Linien. Private Pkw oder Motorräder sind für Tokioter
Berufspendler von vergleichbar minimaler Bedeutung.
Günstiger Zeitpunkt zur Realisierung von Projekten
Mit steigendem Druck bereitet sich Tokio auf die Austragung der Olympischen Sommerspiele sowie der Paralympics
2020 vor. Dabei geht es nicht nur um die mit dem Großevent
direkt in Zusammenhang stehenden Baumaßnahmen. Auch
Vorhaben, die sich unabhängig von der Olympiade in der
Pipeline befinden, haben derzeit bessere Chancen, durchge-
Bild: Sean Pavone, Shutterstock
X
AB-S p e cial 7 / 8 : 2 0 1 5
drückt zu werden. Tokio nimmt die Spiele zum Anlass, sich
als technisch fortgeschrittene, innovative und internationale
Metropole der Weltöffentlichkeit zu präsentieren.
Im Zusammenhang mit den Olympia-Investitionen rechnen die Beteiligten mit unterschiedlichen Zahlen. Die Development Bank of Japan veröffentlichte im Juli vergangenen
Jahres eine grobe Projektliste mit öffentlichen Vorhaben im
Wert von 2,8 Bill. Yen (rund 20,9 Mrd. Euro). Das Mizuho
Research Institute kalkuliert direkte und indirekte Kapitalanlagen im Wert von 12,3 Bill. Yen.
Im Bereich der Ökotechnologien steht die zukünftige
Etablierung einer sogenannten Wasserstoffgesellschaft im
Vordergrund. Das Olympische Dorf für die Athleten, in
Harumi in der Bucht von Tokio vorgesehen, ist dazu als ein
Vorzeigeprojekt auserwählt. Dort sollen Strom und Warmwasser ausschließlich aus Wasserstoff generiert werden. Bis
2020 dürften rund 6.000 mit Wasserstoff betriebene Pkw sowie 100 Fuel-Cell-Busse auf Tokios Straßen unterwegs sein.
Nach der Olympiade ist Harumi als Stadtbezirk für etwa
10.000 Bewohner eingeplant.
Tokio zählt zu den speziellen Wirtschaftszonen (National
Strategic Special Zones), die im Zuge des Reformprogramms
der Regierung eingerichtet werden. Dort sollen bürokratische Hürden für internationale Investoren tiefer gelegt und
Arbeitsbedingungen für ausländische Fachkräfte vereinfacht
werden. Daneben locken Steuererleichterungen sowie weitere Subventionen. Insbesondere soll der Standort als asiatisches Headquarter oder als Forschungszentrum an Bedeutung gewinnen. Automatisch werde dann Tokio wieder als
Finanzdrehscheibe Asiens wahrgenommen, wird spekuliert.
Bis zum Fiskaljahresende 2016/17 könnten sich durch die
für Investoren freundlichere Landschaft 500 ausländische
Unternehmen zusätzlich in Tokio niederlassen, lauten die
Erwartungen. Wirtschaftseinnahmen in der Größenordnung
von 14,6 Bill. Yen sowie die Schaffung von 930.000 Arbeitsplätzen, so lautet das optimistische Kalkül. Zwar gibt es keine
Begrenzung für Sektoren, jedoch liegen beispielsweise Prioritäten bei Medizintechnik, Chemie und Informationstechnologie.
Von Tokio nach Osaka in nur 67 Minuten
Tokio will in den kommenden Jahren zunehmend seinen
Charakter als „Megalopolis“ unter Beweis stellen. Bis 2027
soll die Hochgeschwindigkeits-Magnetschwebebahn zwischen Shinagawa und Nagoya im Einsatz sein, bis 2045 ist
die Streckenerweiterung nach Osaka geplant. Die Distanz
von etwa 440 km könnte dann in 67 Minuten bewerkstelligt
werden. Auch in der Hauptstadt selbst wird das Schienennetz
ausgebaut. Insbesondere soll der öffentliche Nahverkehr zwischen den internationalen Flughäfen Narita und Haneda und
der Innenstadt weiter ausgebaut werden. Daneben existieren
neue Bahnhofsprojekte, die in erster Linie mit vorhandenen
städtischen Baumaßnahmen in Verbindung stehen.
Zahlreiche städtische Entwicklungs- und Sanierungsprojekte befinden sich in der Umsetzungsphase. Neben dem Sky
Tree, dem mit 634 m zweithöchsten Turm der Welt, der seit
SPECIAL : Japan
2012 im Osten der Stadt in den Himmel ragt, entstehen weitere beeindruckende Wahrzeichen – wie beispielsweise im
Sommer 2014 das 247 m hohe Toranomon-Hills-Gebäude
im Geschäftsbezirk Toranomon. Modernere Business-Hubs
sind in verschiedenen Stadtvierteln in der Umsetzungsphase. Anstehende Projekte mit den größten Volumina stehen in
Hamamatsucho und vor allem rund um den Shibuya-Bahnhof an.
Neue Richtlinien für „grünes“ Bauen
Vier Trends dürften sich in Zukunft auf Bauvorhaben in Tokio auswirken. Zum einen sorgt die alternde Bevölkerung dafür, dass Projekte für altersgerechtes Wohnen sowie spezielle
medizinische Einrichtungen entstehen. Zum anderen sollen
zahlreiche Kindertagesstätten eingerichtet werden, um Frauen stärker in das Arbeitsleben zu integrieren. Außerdem werden sogenannte grüne Gebäude langsam zum Thema: Eine
Verschärfung der Öko-Standards wird sich auf Bauprojekte
nachhaltig auswirken. Sämtliche neuen gewerblich genutzten
Vorhaben müssen mit Baubeginn ab 2017 MLIT-Plänen zufolge strengeren Energieeffizienzstandards genügen. Nicht
zuletzt spielt bei den Baumaßnahmen in der erdbebengefährdeten Metropole auch der Katastrophenschutz eine entscheidende Rolle.
Was die Entwicklung von Smart Grids anbelangt, so galt
Japan bis zur Fukushima-Dreifachkatastrophe 2011 eher als
Nachzügler. Mittlerweile wurden zahlreiche Initiativen unter
Federführung des Ministry of Economy, Trade and Industry
gestartet, die verschiedene Smart-City-Projekte beinhalten.
Während der Großraum Tokio in dieser, von der Regierung
angegangenen Entwicklungsphase noch nicht im Vordergrund steht, sorgte dort die Eröffnung der Panasonic Smart
City im vergangenen Jahr für Schlagzeilen. Die Fujisawa Sustainable Smart Town soll – circa 50 km westlich von Tokio in
der Präfektur Kanagawa gelegen – nach Fertigstellung 2018
insgesamt 3.000 Einwohnern einen komplett nachhaltigen
Lebensstil ermöglichen.
Die Stromversorgung in Tokio dürfte sich merklich ändern, wenn die Deregulierung des Marktes zum Ende des
Fiskaljahres 2016/17 vollzogen wird. Der Großraum Tokio
macht schließlich in etwa ein Drittel des gesamten japanischen Stromverbrauchs aus. Derzeit werden dort Erzeugungskapazitäten von etwa 40.000 MW eingesetzt. Weiterer
Investitionsbedarf ist gegeben, denn dem Vernehmen nach
entfällt etwa die Hälfte davon auf Anlagen, die 35 Jahre alt
oder älter sind. Durch die Marktderegulierung ist davon auszugehen, dass sich Investoren in diesem Bereich verstärkt auf
die Erzeugung von Billigstrom konzentrieren.
Bereits jetzt haben Energieunternehmen aus anderen Regionen begonnen, den Tokioter Raum ins Visier zu nehmen.
So plant Kyushu Electric zusammen mit Idemitsu Kosan und
Tokyo Gas die Errichtung eines Kohlekraftwerks in der Präfektur Chiba. Eine Summe von 200 Mrd. bis 300 Mrd. Yen
soll investiert werden, um Kapazitäten von 1.000 MW bis
2.000 MW aufzubauen. Parallel will das Unternehmen Osaka Gas mit Marubeni Trading in der Präfektur Ibaraki circa
30 Mrd. Yen in ein kohlebefeuertes Kraftwerk investieren. :::
XI
b u sin e ss : Malaysia
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Der Preis muss stimmen
Endlich kommt der Raffinerie- und Petrochemiekomplex Rapid in die Bauphase.
Bei dem Projekt in zweistelliger Milliardenhöhe hoffen deutsche Firmen auf lukrative
Aufträge. Wettbewerbsfähige Angebote und Kooperationen erhöhen die Chancen.
Von Rainer Jaensch, gtai ::: Angesichts
des gefallenen Ölpreises stutzt Malaysias nationaler Energiekonzern Petronas seine Kapitalausgaben um 10% bis
15% und verschiebt einige Projekte.
Das Raffinerie- und Petrochemie­
vorhaben Refinery and Petrochemicals Integrated Development Project
(Rapid) in Pengerang am Südzipfel der
Halbinsel ist jedoch davon nicht betroffen. Das derzeit größte Investitionsvorhaben geht nun von der jahrelangen
Planungs- in die Bauphase über. Dazu
gehören erste Grundsteinlegungen für
Kraftwerksanlagen,
Vorbereitungen
der Grundstücke und die Arbeitsaufnahme großer Teams.
Wichtigster Project Management
Contractor ist das amerikanische Unternehmen Fluor Daniel International
in einem Joint Venture mit der französischen Technip, das bereits stark vertreten ist. Zusammen koordinieren und
überwachen sie mehrere asiatische und
europäische Kontraktoren für Engineering, Procurement,
Construction and Commissioning, kurz EPCC genannt.
Diese wiederum sind für verschiedene Pakete des Projekts
zuständig.
Zusätzlich ist Fluor Daniel zusammen mit Technip in
einem Joint Venture und in Kooperation mit Petronas für
die Planung, die Beschaffung und den Bau der Versorgungs­
infrastruktur und der Einrichtungen außerhalb des eigentlichen Rapid-Vorhabens verantwortlich.
Siemens baut Gaskraftwerk
Das Gesamtprojekt – von der Versorgungs- und Logistik­
infrastruktur bis zum Raffinerie-, Cracker- und Petrochemie­
komplex – bietet umfangreiche Liefermöglichkeiten. Davon
dürfte ein beträchtlicher Teil an deutsche Firmen gehen,
schätzen Beobachter. Einen ersten Auftrag hat Siemens an
Land ziehen können und hierfür bereits den Grundstein gelegt. Es ist das 1.220-MW-Gaskraftwerk, das in Pengerang
zur Versorgung des Vorhabens gebaut wird. Das Kraftwerk
namens Petronas Pengerang Cogeneration Plant wird neben
Elektrizität auch 1.480 t Gas pro Stunde liefern.
Auch der Bau der Versorgungsinfrastruktur ist bereits angelaufen. Dazu gehören neben Kraftwerken auch die Wasserund Gasversorgung sowie Hafeneinrichtungen. Zusammen
mit Rapid bilden sie den Pengerang Integrated Complex. Bis
Für die Petrochemieanlage ist Petronas auf
hochentwickelte Technologie aus dem Ausland
angewiesen. Aber auch Ingenieurdienstleistungen
sind gefragt.
zum ersten Quartal 2019 soll er fertiggestellt werden. Die
Gesamtkosten sind mit 27 Mrd. US-Dollar angesetzt. Davon
entfallen rund 6 Mrd. auf die unterstützende Infrastruktur.
Herz- und Kernstück ist Rapid mit Raffinerie, Cracker und
Petrochemie-Anlage. Die Fläche umfasst 4,5 bis 6,5 qkm und
wird zur Zeit für den Bau vorbereitet. Teuerste Komponente
ist mit 9,5 Mrd. Dollar die Raffinerie mit einem Durchlauf
von 300.000 t. Es folgt die Petrochemie mit 6 Mrd. Dollar.
Die Versorgungseinrichtungen innerhalb des Areals schlagen
mit rund 4 Mrd. und der Cracker mit 1,5 Mrd. Dollar zu
Buche.
Petronas lässt Kontraktoren weitgehend freie Hand
Das Großvorhaben hat der Eigentümer Petronas nun in nahezu ein Dutzend Einzelpakete aufgeteilt, die dann wieder
in kleinere Lots aufgebrochen werden. Die Beauftragungen
hat der Konzern schon zum großen Teil an internationale
EPCC-Kontraktoren vergeben. Jeder von ihnen wird für die
Bild: BG Gov Photos, Flickr
26
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
Beschaffung und die Installation von Maschinen und Anlagen im Wert von 1 Mrd. bis 3 Mrd. Dollar verantwortlich
sein. Dabei hat er weitgehend freie Hand. Petronas hat den
EPCC-Kontraktoren seine Lieferantenliste zur Verfügung
gestellt. Auf dieser befinden sich alle namhaften Ausrüster,
und aus ihrem Kreis wählen die Kontraktoren die Zulieferer.
Die Aufträge erteilen sie direkt. Dabei ist es ihnen freigestellt,
über Ausschreibungen oder Direktplatzierungen zu gehen.
Lediglich bei dem Paket für Fluor und Technip, das beide
zu gleichen Anteilen halten, erfolgt die Beauftragung in enger Kooperation mit Petronas. Die Auftragsvergaben für die
Raffinerie und den Cracker gingen an die EPCC-Kontraktoren TR Engineering (Spanien), Chiyoda (Japan), Sinopec
(China) und Petrofac (Dubai). Als Nächstes steht der Petrochemiekomplex an.
Pumpen und Kompressoren sind gefragt
In der Petrochemieanlage steckt viel hochentwickelte Technologie, sodass sie für deutsche Hersteller interessant sein
dürfte. Im Hinblick auf die bisherigen Vergaben sollten sich
diese am ehesten an den spanischen und den japanischen
Kontraktor wenden. Von dem Gesamtkuchen können sich
bu siness : Malaysia
deutsche Unternehmen ein beträchtliches Stück sichern,
wenn die Preise stimmen, schätzen Branchenkenner. Chancen sehen sie bei Pumpen und Kompressoren. Bei Hydrocarbon-Pumpen dürften Japan und Deutschland vorne liegen.
Im Gegensatz zu amerikanischen und japanischen Firmen
haben deutsche Produkte auch im Hinblick auf Kontrollund Steuerungssysteme Vorteile. Weitere Möglichkeiten bieten sich bei allen höherwertigen Fertigungsteilen. Im HighEnd-Bereich, vor allem bei Nischen- und Spezialprodukten,
haben deutsche Erzeugnisse gute Chancen. Hierbei sind es
aber nicht die großen Mengen, die angeschafft werden. Um
den teuren deutschen Produkten neue Wege zu öffnen, bieten sich erweiterte Angebote an. Dazu könnten hochwertige
Ingenieurdienstleistungen, Anlagen- und Sicherheitsmanagement sowie Wartung und Ausbildung gehören.
Ein weiteres Aufgabenfeld ist die reibungslose Ersatzteilversorgung vor Ort. Kooperationen mit einheimischen oder
anderen asiatischen Unternehmen könnten darüber hinaus
helfen, die Kosten zu senken. Schließlich zielt das Vorhaben stark auf Kosteneffizienz, ohne jedoch Kompromisse bei
Qualität und Sicherheit einzugehen. :::
27
Bu sin e ss : China
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Cash Pooling
nicht nur
für Banken
Bisher wissen die
wenigsten deutschen
Firmen in der Shanghai
Pilot Free Trade Zone
von den neu gewonnenen
Freiheiten im Cash
Managment. Höchste
Zeit, dies zu ändern!
::: Seit Kurzem
ist es allen ausländischen Unternehmen in der Shanghai Pilot Free Trade
Zone (SFTZ) erlaubt, Cash Pooling
über ein besonderes Bankkonto, den
Free Trade Bank Account, bei einer zugelassenen Bank zu
betreiben. Das heißt, ein ausländisches Unternehmen in der
SFTZ darf Geld aus dem Ausland leihen, sofern dieser Betrag
nicht das eingezahlte Gründungskapital übersteigt. Möglich
ist auch, Geld an verbundene Unternehmen im Ausland auszuleihen, wobei die Mittel jedoch nicht aus dem Gründungskapital oder durch die Aufnahme von Schulden stammen
dürfen.
Zusammen mit der regionalen Erweiterung der SFTZ
ist heute eine große Anzahl deutscher Unternehmen zu dem
grenzübergreifenden Cash Pooling berechtigt – so zum Beispiel auch alle Unternehmen, die im German Center Shanghai
angesiedelt sind. Es gibt aber kaum deutsche Mittelständler,
die davon wissen, geschweige denn davon Gebrauch machen.
Denn deutsche Banken in China sind dazu nicht berechtigt
und kommunizieren somit die neu entstandenen Freiheiten
im Cash Management nicht. Bisher dürfen nur wenige internationale Großbanken, darunter HSBC, für ihre Kunden ein
Cash-Pooling-Geschäft in China durchführen. Alle chinesischen Großbanken hingegen sind dazu berechtigt.
Von Kuang-Hua Lin
Entrusted Loan kann entfallen
Auch das sogenannte Domestic Cash Pooling ist von Interesse, denn chinesische Gesetze verbieten die Vergabe von
direkten Darlehen zwischen Unternehmen. Im Klartext bedeutet das für Firmen: Wenn ein deutsches Unternehmen in
China zwei Tochtergesellschaften hat und eine Tochter ein
Darlehen an die andere geben will, muss nach chinesischem
Gesetz eine Bank dazwischengeschaltet werden. Dieser Vorgang nennt sich Entrusted Loan. Dabei gibt das kreditgebende Unternehmen das Geld der Bank. Diese gibt den Betrag
Bankentürme von Pudong: Darlehen
zwischen Unternehmen dürfen nach
chinesischem Recht nicht direkt vergeben
werden. Stattdessen muss ein Geldhaus den
Vorgang regeln. In der Sonderwirtschaftszone
gilt dieses Gesetz nun nicht mehr.
an Kreditnehmer mit einem Zinsaufschlag beziehungsweise
einer Gebühr weiter. Dieses indirekte Darlehen entfällt künftig, wenn eine der beteiligten Gesellschaften ihren Sitz in der
SFTZ hat.
Weitere Neuerungen
Seit dem 27. April 2015 ist die SFTZ um die Distrikte ­Lujiazui
(Financial District), Zhangjiang (High-Tech ­District) und
Jinqiao (Fabrikstandort) erweitert worden. Dies bringt zwei
bedeutende Implikationen für deutsche Unternehmen vor
Ort mit sich. Zum einen ist in der Zhangjiang High-Tech
Zone das German Center in Shanghai angesiedelt. Somit sind
alle Mieter des German Center zu dem oben beschriebenen
International and Domestic Cash Pooling zugelassen. Außerdem ist Jinqiao ein Standort, an dem auch Produktion erlaubt
ist. In der SFTZ, beispielsweise im Distrikt Waigaoqiao, ist
dies untersagt. Durch diese Erweiterung ist eine Fabrikgründung innerhalb der SFTZ nun ebenfalls möglich. :::
Kuang-Hua Lin ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung AsiaPacific Management Consulting GmbH, Kontakt: [email protected]
Bild: Fuyu Liu; donvictorio, Shutterstock
28
Bu siness : Indonesien
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
Schwierige Zeiten für Investoren
Indonesiens Regierung bereitet es offenbar keine Probleme, internationale Firmen zu
vergraulen. Das könnte sich als fatal erweisen, denn zwei Drittel aller Investitionen
stammen aus dem Ausland.
Von Roland Rohde, gtai ::: Seit Indonesiens Wirtschaft 2010
real um fast 7% zulegte, hat sich die Konjunktur langsam,
aber stetig eingetrübt. Im vergangenen Jahr rutschte die BIPZunahme dann auf 5% ab. Dabei handelt es sich zwar immer
noch um einen ansehnlichen Wert. Viele Staaten in Europa
wären froh, wenn sie nur halb so schnell wachsen könnten.
Doch im größten Land Südostasiens herrschen andere Maßstäbe.Noch gehen viele Prognosen davon aus, dass das BIP in
diesem Jahr real um 5,2% bis 5,7% zulegt. Allerdings mehren
sich Anzeichen dafür, dass wohl eher eine Vier vor dem Komma stehen wird. Unternehmen berichten seit Kurzem – noch
unter vorgehaltener Hand – von einem jähen Umsatzrückgang und ersten Entlassungen.
Allgemein herrscht seit Frühjahr – insbesondere unter
ausländischen Firmen – ein Klima der Enttäuschung. Vom
im Oktober angetretenen Präsidenten Joko Widodo hatte
man sich ein wahres Reformfeuer verspochen. Stattdessen
setzt seine Administration auf die Protektionismus-Karte.
Verstärkt sind nationalistische Töne zu vernehmen. Diese
finden ihren Ursprung in der Angst vor der zum Jahreswechsel startenden Zollfreiheitszone Asean Economic Community, AEC. Indonesische Firmen und Arbeitgeber fürchten sich
vor der künftigen Konkurrenz.
Sozusagen in letzter Minute werden neue Vorschriften
erlassen, um das Land vom internationalen Wettbewerb ab-
zuschirmen. So fällt ein neues Halal-Gesetz etwa strenger aus
als in zahlreichen arabischen Ländern. Selbst Container zählen demnach, wenn sie nur ein einziges Mal Schweinefleisch
oder Alkohol transportiert haben, für immer als nicht koscher. Autohersteller müssen demnächst nachweisen, dass die
Ledersitze ihrer Kraftfahrzeuge „halal“ sind. Auch Anbieter
aus der pharmazeutischen und Kosmetika-Branche sind von
den neuen Regulierungen betroffen. Zum 1. Juli ist zudem
ein Gesetz in Kraft getreten, demzufolge jeglicher inländischer Zahlungsverkehr in einheimischer Währung Rupiah
abzuwickeln ist. Dabei handelt es sich um einen schweren
Eingriff in die Vertragsfreiheit. Viele Unternehmen benutzen
im täglichen Geschäft vorzugsweise den US-Dollar.
Arbeitsvisa werden nur noch eingeschränkt vergeben
Weitere Regelungen zielen auf einzelne Branchen. So
dürfen etwa internationale Logistikfirmen in Zukunft
ihre ­Luftfracht nicht mehr am Airport durchleuchten und
­kontrollieren. Möglicherweise dürfen Frachtflugzeuge
dann auch nicht mehr in Europa oder in den USA landen.
In ausländischem Besitz befindliche Banken und Versicherungen sollen zudem einen Teil ihrer bisherigen Anteile an
einheimische Firmen verkaufen. Zudem fand die WidodoAdministration ein besonders effizientes Instrument, um
­internationalen Investoren einen Knüppel zwischen die
­Beine zu werfen: Sie beschränkt die Anzahl
der Arbeitsvisa für ausländische Fachkräfte. Diese Maßnahme wird von der einheimischen Bevölkerung durchaus begrüßt.
Außerdem will man den Verkauf und Konsum von Alkohol weitgehend verbieten.
Zynische Zungen behaupten nun,
­Widodo verbreite tatsächlich eine Aufbruchsstimmung. Womöglich werden
sich seine Berater schon bald verwundert
die Augen reiben: Wenn internationales ­Kapital ausbleibt, droht eine weitere
Konjunktur­eintrübung. Schließlich kommen laut ­Investitionsbehörde BKPM zwei
Drittel aller getätigten Investitionen aus
dem Ausland. :::
Neue Gesetze belasten die Wirtschaft.
Sogar für Container gelten die neuen
Halal-Vorschriften.
29
Bu sin e ss : Indien
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Karnataka auf dem Weg nach oben
Noch steht der südliche Bundesstaat im Schatten seiner Hauptstadt Bangalore. Damit
sich das bald ändert, treibt die Region die Entwicklung von Investitionszonen voran.
Dadurch könnte sie schon bald in die Mitte der „Make in India“-Kampagne rücken.
Von Nishant Dixit ::: Karnataka zählt insgesamt 62 Millionen
Einwohner und ist einer der industrialisierten Bundesstaaten
Indiens. Die Stadt Bangalore dominiert die ausländischen
Direktinvestitionen in Karnataka. Zwischen 1993 und 2005
haben sich dort 90% der gesamten ausländischen Direktinvestitionen der Region konzentriert. Obwohl Karnataka am
meisten für seine IT-Branche bekannt ist, verfügt der Staat
auch über Fertigungskapazitäten in den Bereichen Elek­
tronik, Bekleidung, Luft- und Raumfahrt, Automobil, Biotechnologie und Stahlproduktion. Allerdings hat er in den
vergangenen Jahren Investitionen an etablierte IndustrieBundesstaaten wie Maharashtra, Gujarat und Tamil Nadu
verloren. Mit weniger als 1% wuchs das produzierende Gewerbe Karnatakas zwischen den Jahren 2005 und 2011 nur
marginal.
Industrieinfrastruktur soll Unternehmen anlocken
Heute befindet sich die Region in der Aufholjagd mit anderen wichtigen Produktionszentren und setzt dabei auf eine
groß angelegte Industrieinfrastruktur, um ausländische In-
vestitionen anzuziehen. Gut 40.000 ha hat der Staat in seiner
Hypothekenbank, die die Basis der industriellen Infrastruktur bilden soll.
Karnataka steht in Indien an der Spitze der Entwicklung
von Nationalen Investitions- und Fertigungszonen (National
Investment and Manufacturing Zone, kurz NIMZ), die riesige
Stadtgebiete darstellen und die Produktionen der Weltklasse
fördern. Auch in Tumkuru, Bidar, Kolar und Kalburgi wird
der Bundesstaat NIMZ einrichten. Die Regierung Karnatakas gab in ihrer Industriepolitik 2014–2019 bekannt, dass sie
im Einklang mit der zentralen Fertigungspolitik die Zonen
als integrierte Industriestadtgebiete mit hochmoderner Infrastruktur, Flächennutzungsplänen auf der Basis von Zoneneinteilung und Kompetenzentwicklungszentren entwickeln
wird. Diese Maßnahmen sollen Investoren anlocken, die in
der Regel vor Indiens schlechter Infrastruktur und schwierigen Grunderwerbsregelungen zurückschrecken.
Kleine und große Hersteller arbeiten in den NIMZ nebeneinander. Dieser Aufbau dürfte eine einfache Zusammenarbeit zwischen Unternehmen in einer starken Wertschöp-
Bilder: The World according to Marty; Asian Development Bank, Flickr
30
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
Bu siness : Indien
Zuletzt hat Karnataka Investoren an andere
indische Regionen wie Maharasthra und
Gujarat verloren. Nun möchte sich der
Bundesstaat seinen Ruf als wichtiges
Produktionszentrum zurück erobern.
fungskette ermöglichen und dazu beitragen, die Kosten
und Einführungszeit zu senken, Größenvorteile zu erzielen und den Technologietransfer fördern.
KMU erhalten Unterstützung
Auch bieten die NIMZ für Unternehmen eine Reihe von
Vorteilen, wie beispielsweise zinsgünstige Darlehen und
Investitionszuschüsse, staatlichen Vorzugserwerb sowie
eine 50%-ige staatliche Unterstützung für internationale
Patentanmeldegebühren. Weiterhin zählen die zentrale
Zollanmeldung, Steuerbefreiungen wie eine Ausnahme
von der Kapitalertragssteuer und Anreize für den Erwerb
„grüner“ Technologie zu den Vorzügen Karnatakas. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) erhalten im
Falle einer Entscheidung für umweltbewusste Alternativen
einen Fonds für die Akquise von Technologie mit bis zu
2 Mio. Rupien – das entspricht rund 30.000 Euro.
KMU sind ein wichtiger Teil der Fertigungslandschaft Indiens. Sie machen fast die Hälfte der indischen
Industrieproduktion und 40% der Gesamtexporte aus. Die
KMU-Landschaft in Karnataka wird von der Textilindustrie dominiert, dicht gefolgt von der Lebensmittel- und
Getränkeindustrie. Seit 2012 beträgt die Höhe der Investitionen im KMU-Sektor in Karnataka 22 Mrd. US-Dollar,
wobei der Großteil in Bangalore angesiedelt ist.
Um die Investitionen von KMU zu fördern, bietet Karnataka eine ganze Reihe von Anreizen, einschließlich der
Kostensenkung für den Aufbau des Geschäfts, steigender
Steuervorteile und garantierten Grund und Boden. Seit ­April
hat der Staat die Anmeldegebühren für die Gründung eines Gewerbes um 50% gesenkt. Der aktuelle Gebührensatz
reicht von 30.000 bis 3.000.000 Rupien. Darüber hinaus hat
Karnatakas Ministerpräsident Siddaramaiah Steueranreize
für KMU vorgeschlagen.
Indien eröffnet 500 neue Gründerzentren
Die aktuelle Industriepolitik des Bundesstaats reserviert
ein Minimum von 20% bis 30% des belegten Lands für die
­industrielle Entwicklung der KMU. Darüber hinaus arbeitet
Karnataka mit der Zentralregierung zusammen, um die Zahl
der Gründerzentren im Land zu erhöhen. Erst vor Kurzem
wurde bekannt, dass ihre Anzahl im Bundesstaat von vier auf
zehn erhöht wird. Über die Grenzen von Karnataka hinaus
werden etwa 500 Gründerzentren von der Regierung eröffnen.
Auch ist die Region eines der wichtigsten Produktionszentren für die Verteidigungs- und Luftraumindustrie, denn
der Staat produziert hier mehr als ein Viertel der indischen
Flug- und Militärfahrzeuge. 70% der industriellen Aktivität
im Verteidigungs- und Luftraumsektor finden in Karnataka
statt. In diesem Sektor findet bereits eine Expansion außerhalb Bangalores statt. Die indische Hindustan Aeronautics
Limited hat angekündigt, 64 Mio. US-Dollar in die Entwicklung eines leichten Mehrzweckhubschraubers in einer
Produktionsanlage in Tumkuru zu investieren.
Außerdem drängt Karnataka in der IT-Branche auf den
Ausbau weniger entwickelter Städte. Die IT-Richtlinien des
Staates bieten Anreize und Freistellungen für bereits existierende und neue Firmen, die Entwicklungszentren für Softoder Hardware in Städten wie Belgaum, Gulbarga, Hubli,
Mangalore und Mysore errichten wollen. Sie beinhalten eine
Stempelsteuerbefreiung, Zugeständnisse bei Stromgebühren
und eine Befreiung von staatlichen Arbeitsgesetzen unter
dem Industriebeschäftigungsgesetz. :::
Nishant Dixit ist Marketing Assistant bei Dezan Shira & Associates Delhi.
Kontakt: Fabian Knopf, Co-Head of German Desk & Senior Associate
International Business Advisory, [email protected]
31
Bu sin e ss : China
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Asien wurde zum Sprungbrett
„Schi Fu“ – „Sieben Mal Glück“ – der chinesische Firmenname hat sich für den
deutschen Werkzeug- und Formenbauer Siebenwurst ausgezahlt, ist er doch für
das Unternehmen zum Programm geworden. Aber für den Geschäftserfolg in Fernost
bedarf es mehr als nur einer glücklichen Fügung.
Von Annika hartmann ::: Beratung, Wartung
und Reparaturen der eigenen Werkzeuge: So
lautete das Konzept der „Tool Doctors“, als
Siebenwurst vor fünf Jahren den Schritt nach
China wagte. Denn schnell war klar, dass die
Firma aus Dietfurt vor Ort vertreten sein
musste, wollte sie am Boom der asiatischen
Länder teilhaben. Doch einmal vor Ort angekommen, kam alles ganz anders als erwartet.
„Die Asiaten wollen nicht für Service bezahlen“, weiß Christian Walter, Geschäftsführer
der Siebenwurst Asia Holding, heute. „Chinesen haben eine strikte Kostenvorlage. Geht ein
Gerät oder eine Maschine kaputt, investieren
sie in neue preisgünstige Anlagen, aber nicht
in Dienstleistungen.“ So beschreibt Walter das
Warten und Instandhalten von Werkzeugen
rückblickend als ein sehr deutsches Phänomen.
Erfolg bei der Entsendung von Spezialisten
Nach vier Monaten mangelte es dem Formenbauer an Aufträgen vonseiten chinesischer Unternehmen. Stattdessen
kamen immer mehr deutsche Firmen auf „Schi Fu“ zu und
fragten Beratungen zu ihren Maschinen nach, die sie in der
Heimat erworben hatten. Das Geschäftskonzept musste
angepasst werden und eine Lösung war durch die enorme
Nachfrage nach Serviceleistungen sogleich gefunden: Ob
Ingenieur, Projektleiter für die Entwicklung eines neuen Autos, Konstrukteur oder Werkzeugmacher: Braucht der Kunde – insbesondere in der Anlaufphase – Unterstützung, stellt
Siebenwurst ihm qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung.
Inzwischen arbeitet ein Großteil der Siebenwurst-Angestellten direkt beim Kunden. „Hier in Deutschland hätten
wir nie gedacht, dass dieser Bedarf überhaupt besteht, aber
durch den Fachkräftemangel in China sind diese Leistungen
sehr gefragt“, berichtet Walter. Während die großen deutschen Autobauer wie BMW, VW, Daimler und Audi schnell
zu den größten Kunden Siebenwursts in China zählten, dauerte es hingegen vier Jahre, bis auch die chinesischen Automotive-Lieferanten überzeugt werden konnten. Als Schlüssel
hierfür nennt Walter die chinesischen Mitarbeiter, die im
Gegensatz zu den deutschen Arbeitskräften die Sprache und
Denkweise ihrer Landesgenossen besser verstehen. Mittlerweile macht „Sieben Mal Glück“ allein in Asien 5 Mio. Euro
Umsatz pro Jahr und beschäftigt 30 Mitarbeiter.
Das Abenteuer in Fernost begann für die Firma zunächst
in Shanghai, da dort die meisten potenziellen Kunden über
eine Niederlassung verfügten und sich die Metropole somit
gut als Plattform anbot. Doch durch die unerwartete, aber
erfreuliche Entwicklung war schnell klar, dass Siebenwurst
seinen Standort in Richtung seiner Auftraggeber verlagern
musste. So weitete „Schi Fu“ seine Tätigkeiten zunächst
nach Beijing und schließlich nach Shenyang aus. Um sein
Netzwerk weltweit weiter auszubauen, ging Siebenwurst im
vergangenen Jahr zudem eine Kooperation mit dem japanischen Formenbauer Tatematsu ein. Das Unternehmen verfügt neben Standorten in China und Japan auch über Niederlassungen in den USA, die nun gemeinschaftlich genutzt
werden können.
Siebenwurst nimmt Erfahrung mit nach Mexiko
„Die Gründung in China hat in unserem Hause eine Kettenreaktion ausgelöst“, erklärt Walter. Siebenwurst hat sich
zum Ziel gesetzt, noch stärker zu internationalisieren, und
ist inzwischen auch in Mexiko vertreten. Die Geschäftsstrategie lässt sich auf den neuen Markt durchaus übertragen.
Von einer Mastervorlage kann aber keine Rede sein: „Patentrezepte gibt es nicht. Man muss viele Kundengespräche
führen und die Augen und Ohren offen halten.“ Dennoch
lasse sich aus der Erfahrung lernen und Wissen übertragen:
„Vor allem in rechtlicher Hinsicht sehen wir uns mit denselben Phänomenen wie vor unserem Markteintritt in China
konfrontiert: Wie sieht es mit der Buchhaltung aus? Wie mit
der Versteuerung? Diese Fragen nehmen wir jetzt mit nach
Mexiko.“ Eines hat Siebenwurst aber gewiss schon gelernt
und unter Beweis gestellt: die eigene Strategie an den lokalen Markt anzupassen. :::
Bild: Siebenwurst
32
bu siness : News
ASIA BR I D G E 7
3 /:280:21021 5
China
Japan
BASF beginnt mit Bau der neuen World-Scale-Anlage
Sharp plant Umstrukturierung
::: BASF hat den Grundstein für eine
neue World-Scale-Anlage zur Herstellung von Chemiekatalysatoren am
BASF-Standort auf dem Chemieindus­
triepark Shanghai in Caojing gelegt.
Die neue Anlage –
die erste Prozesskatalysatoren-Produktion von BASF im
Raum Asien-Pazifik
– wird Nichtedelmetallkatalysatoren,
kundenspezifische
Katalysatoren
sowie
Adsorbentien
produzieren. Diese
Katalysatoren kommen unter anderem
bei der Herstellung
von Fettalkoholen,
Schwefelsäure und Butandiol sowie bei
der Entfernung von Verunreinigung aus
Olefinen zum Einsatz, gab das Unternehmen in einer Pressemitteilung bekannt. „Die neue Anlage wird in unsere
globale Infrastruktur für die Produktion
von Chemiekatalysatoren eingebunden.
Dadurch können wir der starken regionalen Nachfrage gerecht werden und
gleichzeitig unsere Fertigungskapazität sowie Produktivität steigern“, sagte
Detlef Ruff, Senior Vice President bei
BASF. Mit Erreichen der vollen Produktionskapazität werden in der Anlage
75 Arbeitsplätze geschaffen.
Das Anlagenkonzept sieht eine
hochautomatisierte und energieeffiziente Produktionsanlage vor, die Mög-
::: Der angeschlagene japanische Elektronikkonzern Sharp hat einen Zeitplan
für die vorzeitige Entlassung von 3.500
Beschäftigten in Japan vorgelegt. „Wir
haben uns mit den Gewerkschaften geeinigt“, teilt das Unternehmen mit. Zwischen dem 27. Juli und dem 4. August
soll das Entlassungsverfahren demnach
eröffnet werden, das für die betroffenen
Beschäftigten dann am 30. September
wirksam werden soll.
Die Maßnahme ist Teil einer großangelegten Umstrukturierung des
Konzerns, um massiven Verlusten im
vergangenen Geschäftsjahr zu begegnen. Im Zuge dieser Umstrukturierung
ist auch die Streichung von weiteren
Hunderten oder Tausenden Stellen im
Ausland geplant, Details nannte Sharp
bislang aber nicht. Konzernchef Kozo
Takahashi hatte im Mai jedoch von einer geplanten Reduzierung der Belegschaft um 10% weltweit gesprochen.
Sharp beschäftigt derzeit knapp
50.000 Mitarbeiter und ist ein wichtiger
Zulieferer für den US-Technologiekonzern Apple und für dessen Bildschirme
für Smartphones und Tabletcomputer.
Das Unternehmen steckt jedoch in
einer Krise, vor allem die FernseherSparte leidet unter der Billigkonkurrenz. ::: AFP
lichkeiten für eine spätere Erweiterung
bietet. Zudem gibt die Anlage BASF die
Flexibilität, sich in den nächsten Jahren
an neue kundenspezifische Produktionsanforderungen anzupassen. :::
China
Schlemmer Group expandiert
::: Im Rahmen einer feierlichen Eröffnung hat Ningbo Schlemmer Automotive Parts seine erweiterten Produktionsflächen in Zhongshan in Südchina
eingeweiht. Neben Schlemmer-CEO
Josef Minster, CFO Christian von der
Linde und dem lokalen Geschäftsführer
Xianxiong Hu nahmen auch Verantwortliche der chinesischen Administration an der Feier teil. Auf rund 12.500 qm
werden in dem Werk in Südchina jetzt
Kabelschutzsysteme, medienführende
Systeme und andere Komponenten hergestellt, hauptsächlich für die regional
ansässige Automobilindustrie. :::
Indien
Bild: BASF, Flickr
Softbank will groß in erneuerbare Energien investieren
::: Der japanische Telekomkonzern
Softbank will im indischen Wachstumsmarkt für erneuerbare Energien Fuß
fassen. Dazu gründete Softbank mit
der indischen Bharti Enterprises und
dem Apple-Zulieferer Foxconn ein Gemeinschaftsunternehmen namens SBG
Cleantech, das rund 20 Mrd. US-Dollar
in Solar- und Windenergie investieren
soll. Die Investments sollen in einer
Stromerzeugung von insgesamt 20 GW
münden.
Indien will bis 2022 bis zu 100 GW
Strom aus Solarenergie erzeugen. Gegenwärtig sind es gerade mal magere
3 GW.
Softbank hat schon eine Reihe von
Investments in Indien getätigt, darunter
das Start-up Snapdeal.com. Nach den
Worten von Softbank-Chef Masayoshi
Son will der japanische Telekommunikations- und Internet-Gigant in den
kommenden Jahren gut 10 Mrd. Dollar
in Indien investieren. ::: Dow Jones
Indonesien
Garuda kauft Boeing-Maschinen
::: Die indonesische Fluggesellschaft
Garuda will 60 Flugzeuge des USHerstellers Boeing kaufen. Das teilte
die staatliche Airline mit Sitz in Jakarta
auf der Pariser Luftfahrtschau mit. Der
Auftragswert beläuft sich nach Listenpreis auf 10,9 Mrd. US-Dollar.
Üblicherweise erhalten Kunden bei
Großaufträgen großzügige Rabatte auf
den Listenpreis. Garuda kauft demnach 30 Maschinen des Typs Dreamliner 787-9 und weitere 30 Flugzeuge
des Typs 737Max. Laut Boeing hat die
Airline eine entsprechende Kaufzusage
abgegeben. Details müssten aber noch
erarbeitet werden, hieß es. Die Auslieferung der Maschinen ist nicht vor 2020
geplant. ::: Dow Jones
33
m e sse n & k o ngr esse : Indien
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Die Not macht erfinderisch
Die Weltbevölkerung wird nach Schätzungen der UN bis Mitte des Jahrhunderts um
knapp drei Milliarden Menschen wachsen. 80% der Krankheiten in Entwicklungsländern sind laut der Organisation auf schlechte Wasserversorgung zurückzuführen.
Auf der „Internationalen Fachmesse für Abwassertechnik“ (IFAT) in Mumbai stellen
Firmen Technologien vor, mit deren Hilfe die Wasserqualität verbessert werden soll.
::: Technologien rund um die Trinkwassergewinnung und Abwasserbehandlung – und damit verbunden
auch Pumpen aller Art – gehören
zu den zentralen Ausstellungsbereichen der „IFAT India“. Die
führende Umwelttechnologiemesse des Landes findet vom
13. bis 15. Oktober zum dritten
Mal im Bombay Exhibition Centre in Mumbai statt und führt
erneut Entscheider und Anwender mit den internationalen
Anbietern moderner Produkte
und Dienstleistungen zusammen. Organisator der Ausstellung ist die Messe München.
Das Rahmenprogramm besticht
insbesondere durch seine außerordentliche thematische Bandbreite. Erfahrene Praktiker,
nationale und interna­tionale
Verbände sowie Behörden und
Ministerien machen die Messe
zu einem besonderen Highlight.
Sie eröffnet laut den Veranstaltern wie keine andere neue Sichtweisen und Perspektiven,
die für Messe- und Marktteilnehmer zukunftsweisend sind.
Mit ihrem Rahmenprogramm ist die „IFAT India“ die
Messe­ der Meinungen, Erkenntnisse und Erfahrungen, des
Wissens und der Visionen. Bühne dafür sind die Foren mit
Unternehmens- und Podiumsveranstaltungen, die Länderspecials, Fachdiskussionen und Sonderveranstaltungen. In
diesem Jahr können Aussteller den Fachbesuchern zudem
erstmals ihre Maschinen und Fahrzeuge im Rahmen von
Live-Demonstrationen vorführen. Dafür wird in Angrenzung an die Ausstellungshalle eine zusätzliche Freifläche
geschaffen. Hier können auch größere­ Exponate präsentiert
werden.
Von marian Pawelka
Hohe Internationalität der Aussteller
Im vergangenen Jahr nahmen rund 5.000 Fachbesucher
an Indiens führender Umwelttechnologiemesse teil. Dabei
betonten die Aussteller besonders die Professionalität der
Besucher. Insgesamt präsentierten 123 Aussteller aus 18
Die German Water Partnership wird wieder mit
einem Gemeinschaftsstand vor Ort sein. Ziel
der Organisation ist es, das große Potenzial der
deutschen Wasserbranche zu bündeln.
Ländern ihre Produkte und Lösungen in den Segmenten
Wasser, Abwasser, Abfall und Recycling. Mit 5.000 qm Ausstellungsfläche war die Halle erneut gut belegt. Rund 63%
der ausstellenden Firmen kamen von außerhalb Indiens, so
zum Beispiel aus Großbritannien, Italien und den USA. Weiter zeichnete sich das internationale Interesse an der „IFAT
India“ durch Länderbeteiligungen aus China, Deutschland,
Österreich und der Schweiz ab.
Experten sehen auf dem indischen Markt ein großes
Wachstumspotenzial für Umwelttechnologien. Immerhin
leben dort knapp 18% der weltweiten Bevölkerung. Das
entspricht knapp 1,3 Milliarden Menschen. Trotzdem verfügt Indien nur über etwa 4% der Frischwasservorkommen.
Bild: German Water Partnership
34
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
Es herrscht also eine erhebliche Inkongruenz zwischen der
Nachfrage und dem Angebot.
Wasserinfrastruktur gilt als Investitionsschwerpunkt
Laut der indischen Regierung wird der Wasserbedarf bis
zum Jahr 2025 sogar noch um 22% steigen. Aber nicht nur
die fehlenden Vorkommen bringen Indien in eine prekäre
Situation. Es mangelt zudem an einer intakten Wasserinfrastruktur. Ressourcen können aufgrund lückenhafter Versorgungsnetze und mangelhafter Technologien nicht in ausreichendem Maße gespeichert und verteilt werden. Besondere
Investitionsschwerpunkte legt die indische Regierung deshalb auf die Bereiche Prozesstechnik, Flussreinigung und
Wasseraufbereitung. Und genau hier bieten sich deutschen
Unternehmen gute Geschäftschancen. Gerhard Gerritzen,
stellvertretender Geschäftsführer der Messe München, weiß:
„Im Hinblick auf Umwelttechnologien liegt in Indien viel
Potenzial. Mit der neuen Regierung und den geplanten Investitionen in den Umweltsektor kann die Branche zuversichtlich nach vorne blicken“.
Speziell asiatische Staaten werden daher einen bedeutenden Anteil an der zukünftigen Nachfrage nach modernen
Pumpenlösungen haben. So geht das Beratungsunternehmen
Frost & Sullivan zum Beispiel davon aus, dass die in China
mit Verdrängerpumpen erzielten jährlichen Einnahmen von
rund 1,19 Mrd. US-Dollar im Jahr 2013 bis zum Jahr 2018
auf etwa 2,01 Mrd. Dollar steigen werden. Dies entspricht
einer jährlichen Wachstumsrate von 11%.
Geschäftschancen durch neue Entsalzungsanlagen
Für Indien prognostiziert das internationale Marktforschungs- und Consultingunternehmen TechSci Research bei
den Wasserpumpen ein durchschnittliches jährliches Marktwachstum von 12% zwischen 2015 und 2020. Zu den wichtigsten Motoren dieser Entwicklung zählen die Analysten
die indische Landwirtschaft, die für Bewässerungszwecke
zunehmend auf Grundwasser zurückgreift. Weiterhin kurbeln die bereits erwähnten staatlichen Bemühungen um eine
landesweite Verbesserung der Wasserinfrastruktur und der
Trinkwasserversorgung das Geschäft an. Last, but not least
sorgt auch der industrielle Sektor für eine merkliche Nachfrage auf dem Pumpenmarkt des Subkontinents, namentlich
in Kraftwerken, Chemieunternehmen sowie Wasser- und
Abwasseraufbereitungsanlagen. Der Report von TechSci
nennt in diesem Zusammenhang die derzeit schnelle Verbreitung von Entsalzungstechnologien in Indien. Demnach
sollen in den kommenden Jahren rund 15 entsprechende
Anlagen in Betrieb gehen, bei denen leistungsstarke Pumpensysteme unverzichtbar sind. Der Pumpenmarkt in Indien
birgt also durchaus gute Geschäftschancen – hervorragende
Voraussetzungen für die Aussteller und Besucher der „IFAT
India“.
German Water Partnership mit Gemeinschaftsstand
Um an diesem Wachstumsmarkt zu partizipieren wird die
German Water Partnership wieder mit einem Gemeinschaftsstand vor Ort vertreten sein. In diesem Netzwerk haben sich
mess en & kong ress e : Indien
private und öffentliche Unternehmen aus dem Wasserbereich, Fachverbände und Institutionen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung zusammengeschlossen. Unterstützt
wird diese Initiative von den Bundesministerien für Umwelt,
Forschung, Entwicklung, Wirtschaft sowie dem Auswärtigen
Amt. Ein Ziel ist es, die Wettbewerbsposition der deutschen
Industrie im Ausland zu verbessern. Die Bundesregierung
hat deshalb die Gründung dieser Plattform unterstützt, die
sich mittlerweile zu einer internationalen Marke entwickelt
hat und mehr als 330 Institutionen vereint. Die Organisation
soll dabei helfen, das große Potenzial der deutschen Wasserbranche zu bündeln und im internationalen Wettbewerb zu
nutzen. Zugleich will Deutschland damit einen Beitrag zur
Lösung der weltweiten Wasserprobleme leisten. Außerdem
wird die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall sowie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit auf der Ausstellung zugegen sein.
Die deutschen Firmen Macherey-Nagel, Brock Company
Kehrtechnik sowie Trios Mess- und Datentechnik werden
auf dem Gemeinschaftsstand ausstellen. Die Unternehmen
RKW Agri und HAMMEL Recyclingtechnik sind mit einem
eigenen Messestand vor Ort.
Letztgenanntes ist seit über 20 Jahren in den Bereichen
Zerkleinerungstechnik und Recyclinganlagen präsent. In
diesem Jahr stellt HAMMEL Recyclingtechnik bereits zum
zweiten Mal auf der Messe aus. Dadurch kann der Konzern
die eigene Marke, die umfassende Produktpalette und die
neuesten Entwicklungen öffentlichkeitswirksam präsentieren. Die Messe bietet der Firma darüber hinaus die Möglichkeit, Kontakt mit Kunden zu pflegen und neue mit na­
tionalen und internationalen Interessenten zu knüpfen.
Dabei sammelte HAMMEL nach eigener Auskunft im vergangenen Jahr durchweg positive Erfahrungen auf der Messe, da die Teilnahme von den Kunden sehr begrüßt wurde.
Grund dafür ist nach Unternehmensangaben das enorme
Interesse an Zerkleinerungstechnik. Gerade der indische
Markt ist für das Unternehmen von großer Bedeutung. So
gebe es vor allem im Bereich Müllrecycling großes Potenzial, die eigene Technik zu platzieren. Der Konzern scheut sich
aber auch nicht vor der asiatischen Konkurrenz. Durch das
nach eigener Aussage weltweit bekannte „HAMMEL-ZweiWellen-Prinzip“ entwickelt das Unternehmen besonders
leistungsfähige Maschinen. Die umfassende Produktpalette,
mit individuellen Lösungen für die Kunden bietet einen entscheiden Vorsprung gegenüber Herstellern aus Japan oder
China, teilte das Unternehmen mit. Und diesen Wettbewerbsvorteil will der Konzern mit der erneuten Teilnahme
an der „IFAT India“ weiter zementieren. :::
IFAT India
13.–15. Oktober 2015
http://www.ifat-india.com
35
T rans p o rt & Lo gisti k : Asien
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Deutsche Firmen zieht es zu den Hotspots
Um Zukunftsmärkte mit erheblichen Wachstumspotenzialen in Asien zu bedienen,
sind viele regionsspezifische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Bei der Festlegung der richtigen Standortstrategie helfen Methoden und Vorgehen wie etwa der
„Total Landed Cost (TLC)“-Ansatz, der alle Standortkriterien berücksichtigt.
:::
Multinationale Unternehmen agieren in asiatischen Ländern mit unterschiedlichen Motiven. Hauptsächlich
sind hierbei die Beschaffung von Rohstoffen beziehungsweise Produkten in
Asien, die Bedienung der asiatischen
Absatzmärkte und die kostengünstige
Produktion in asiatischen Low-CostLändern anzuführen.
Hinsichtlich der ausländischen
Produktionskapazität deutscher Unternehmen belegt Asien derzeit hinter
dem EU-Ausland Position zwei. Asiatische Märkte stellen einen Taktgeber
des globalen Wirtschaftswachstums
dar und ermöglichen zudem eine stetig
wachsende Qualität von Produkten und
Dienstleistungen. Für Unternehmen
mit globaler Wachstumsstrategie und
globalem Footprint nimmt Asien eine immer wichtigere Rolle
ein – sei es im Zuge der regionalen Marktbearbeitung oder reiner Sourcing-Strategien.
Von Michal Riha und André Krysiak
Qualitätsniveau der Wertschöpfung wird unterschätzt
Hinsichtlich der Lokalisierung von Geschäftstätigkeiten lassen sich verschiedene Stufen unterscheiden. Häufig wird zunächst eine reine Vertriebsstrategie gewählt. Erst im nächsten
Schritt werden einfache „Semi Knocked Down (SKD)“- oder
„Completely Knocked Down (CKD)“-Montageumfänge von
Follow-me-Produkten verlagert oder als zusätzliche Produktionskapazität etabliert. Das Qualitätsniveau der Wertschöpfung
wird in einigen Branchen in Asien zum Teil unterschätzt. Beispiele hochqualitativer Wertschöpfung sind Halbleitertechnologien, Schienenfahrzeuge und Automotive Commodities. Die
Herstellung solcher Produkte hat längst die Entwicklung von
einem Standortrisiko zu einem Wettbewerbsvorteil bei der Erzeugung von Pionierprodukten vollzogen. Vielmehr steigt die
Bedeutung Asiens bei der Verlagerung von Forschungs- und
Entwicklungstätigkeit deutscher Unternehmen. Studien des
Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung
belegen, dass – bei weiterhin starker Heimatbindung – circa
50% solcher Verlagerungen das Ziel Asien haben. Insbesondere technologische Hotspots sind hierbei interessant.
Neben den lokalen Geschäftstätigkeiten zur Bedienung asiatischer Märkte kann eine Global-Distribution-Strategie ebenfalls zu einer Standortentscheidung im asiatischen Raum führen.
Im Zuge der Foreign Trade Policy wurden
in Indien Sonderlogistikzonen, zum Beispiel
nahe Mumbai, eingerichtet. Sie locken
Unternehmen unter anderem mit Steuerund Zollvergünstigungen an.
Je größer der Umfang der zu etablierenden Wertschöpfungsaktivitäten ist, desto wichtiger wird die Standortstrategie. Ein Kontinent, der etwa ein Drittel der
gesamten Landmasse des Planeten einnimmt und circa
60% der Weltbevölkerung beheimatet, weist naturgemäß
eine hohe Vielfalt auf. Neben kulturellen und politischen
Aspekten trifft dies auch auf infrastrukturelle und wirtschaftliche Bedingungen zu, die in regionalen Provinzen
eine gewisse Homogenität aufweisen. Diese regionsspezifischen Rahmenbedingungen sind bei der Ableitung von
Standortstrategien zwingend zu berücksichtigen. Letztlich sind sie Ausprägungen von Entscheidungskriterien,
die im Zuge der Bewertung von Handlungsoptionen zusammengeführt werden müssen. Logistikrelevante und
regionsspezifische Rahmenbedingungen bilden hierbei
eine Teilmenge und müssen im Zentrum der Betrachtungen stehen. Zu den politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen zählen unter anderem öffentliche Förderungen
für die Ansiedlung, steuerliche Vergünstigungen, Anrei-
Bild: KishoreJ, Shutterstock
36
T ransp ort & Log istik : Asien
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
ze für Investitionsgüter sowie Betriebs- und
Qualifizierungsförderung.
Auch Transportvorschriften wie die maximale Gesamtlast von Verkehrsmitteln sind
hier anzuführen. Während in Indien beispielweise bis zu 14 t Lkw-Zuladung möglich sind, beschränkt China diese auf 10 t.
Abgesehen davon ist es in China üblich,
dass Lizenzen von Lkw-Fahrern nur für
bestimmte Provinzen gelten. Zu nennen ist
weiterhin der Grad an Wirtschaftsprotektionismus, der sich in regionalen Handelshemmnissen äußert, die wiederum direkte Auswirkungen auf die Logistikkosten
haben.
Gewählte Markteintrittsform (MEF)
Zuordnung
„Nicht-direktinvestive“ MEF
„Direktinvestive“ MEF
Sonstige
Export
33,1%
–
–
Repräsentanzen
20,0%
–
–
Vertragliche Kooperation
7,7%
–
–
100% Tochter (WFOE*)
–
25,4%
–
Joint Venture
–
11,5%
–
Beschaffung
–
–
2,3%
60,8%
36,9%
2,3%
Summe
Quelle: Hanslik, Artus (2013): Internationaler Markteintritt von kleinen und mittleren Unternehmen in China. Eine transaktionskostentheoretische Modellierung; Springer Fachmedien, Wiesbaden. *WFOE: Wholy foreign-owned enterprise
Steuern bei der Überschreitung von Provinzgrenzen
Im Zuge der Foreign Trade Policy 2004–09 wurden in Indien Free Trade Warehousing Zones, zum Beispiel nahe
Mumbai und Chennai, eingeführt, also Sonderlogistikzonen,
die Steuer- und Zollvergünstigen bieten. In einigen Staaten
Asiens sind ferner Steuern und Abgaben bei der Überschreitung von Provinzgrenzen zu beachten.
Zu den regionalen Handelshemmnissen gehören unter
anderem Local-Content-Anforderungen. Um diese zu erfüllen und damit Zollvergünstigungen für Importteile zu
sichern, ist eine Beschaffungsstrategie mit lokaler Lieferantenstruktur auszugestalten. Diese birgt neben der Erreichung des originären Zieles, des Local Content, weitere
Potenziale. Local Sourcing führt zu reduzierten Lieferzeiten und damit zu einer Reduzierung des Versorgungsrisikos. Zudem können Beschaffungskosten verringert werden
– sowohl aufseiten der Logistikkosten als auch aufseiten der
Material- beziehungsweise Produktkosten. Letzteres eröffnet zudem Möglichkeiten bei der Beschaffung für andere
Unternehmensstandorte.
Die infrastrukturellen Rahmenbedingungen stellen
wichtige logistische Entscheidungskriterien dar, wirken sie
sich doch im Falle der Verkehrsinfrastruktur direkt auf den
Transport aus. Die Verkehrsnetze in Asien weisen beispielweise regional unterschiedliche quantitative und qualitative
Ausprägungen auf. Staaten wie Japan, Südkorea, Malaysia
oder Singapur verfügen über ein flächendeckend ausgebautes Straßennetz. In anderen Ländern sind insbesondere
Metropolregionen beziehungsweise Wirtschaftszonen hervorragend infrastrukturell angebunden. Enorme Verkehrsinfrastrukturprojekte, vergleichbar mit der Golden Quadrilateral im Rahmen des National Highways Development
Project Indiens, werden zukünftig zu signifikanten Verbesserungen im Transport führen. Zudem sind bei der geografischen Ansiedlung unter anderem die Erreichbarkeit von
Lieferanten und Kunden, gegebenenfalls die Tauglichkeit
baulicher ­Infrastruktur und die kontinuierliche Ressourcenversorgung zu bewerten.
Auch Umweltbedingungen beeinflussen Standortentscheidungen. Neben klimatischen Verhältnissen und deren
Auswirkung auf Transportgüter ist das Risiko von Naturka-
tastrophen und Produktions- und Versorgungsausfällen zu
berücksichtigen. Die Präsenz in Asien verbessert aber auch
den Zugang zu Rohstoffen, was im Falle rohstoffabhängiger
Wertschöpfung detailliert beleuchtet werden sollte.
Um die Standortauswahl zu ermöglichen beziehungsweise eine Standortstrategie abzuleiten, müssen die oben
angeführten Beispiele logistischer Rahmenbedingungen in
ein Zielsystem überführt werden. Neben Punkt- und Nutzenbewertungsverfahren ist der TLC-Ansatz ein geeignetes
Instrument. Ausgehend von einer detaillierten Analyse der
Rahmenbedingungen entlang der Supply Chain werden die
Distributionsprozesse an Kunden, die Vernetzung der Wertschöpfung sowie die Beschaffungsprozesse bei Lieferanten
betrachtet. Die Wertausprägungen der einzelnen Handlungsoptionen werden monetisiert und zu Gesamtkosten
zusammengefasst. Auf Basis der bewerteten Szenarien lassen
sich nun Distributions-, Sourcing- und Standortstrategie ableiten. Neben den oben genannten Kriterien können weitere
Faktoren, wie zum Beispiel der asiatische Logistiksektor, eine
Rolle spielen.
ASEAN treibt die wirtschaftliche Integration voran
Asiatische Märkte werden auch in Zukunft wachsen. Dabei
wird der Fokus nicht mehr auf dem Export liegen, sondern
verstärkt auf der Binnennachfrage. China steht sinnbildlich
für diese Entwicklung. Obgleich in einigen Ballungszentren
heute schon nicht mehr von einem Niedriglohnniveau die
Rede sein kann, überwiegen doch die Chancen. Regionale
staatliche Kooperationen wie die ASEAN stehen für stärkere innerasiatischen Verflechtungen und wirtschaftliche Integration. Beachtliche Infrastrukturprogramme werden zu
nachhaltigen Verbesserungen in Transport und Verkehr führen und bieten einigen Branchen überdies die Möglichkeit
direkt in Form von Aufträgen davon zu profitieren. :::
Michal Riha ist Senior Manager und Mitglied der Geschäftsleitung der
PROTEMA Unternehmensberatung. Kontakt: [email protected];
André Krysiak ist Senior Berater und Teamleiter der PROTEMA Unternehmensberatung. Kontakt: [email protected], www.protema.de
37
R e c h t & Steuer n : China
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Shanghai übernimmt die Vorbildfunktion
Die fortschreitende außenwirtschaftliche Öffnung der Volksrepublik China wird vor
allem anhand der ausgewiesenen Freihandelszonen an den Küsten des Landes deutlich.
Im April wurden die neuen Rahmenbedingungen der Freihandelszonen in Guangdong,
Fujian und Tianjin veröffentlicht. Besonders Guangdong überzeugt aufgrund der
geografischen Lage.
VON Joffre Castilla Breininger und
Hanno Rademacher ::: Erst im Dezember genehmigte der chinesische
Ministerpräsident Li Keqiang die
drei neuen Wirtschaftsbereiche. Mit
der Pilot-Freihandelszone in Shanghai, die nun auf das Finanzviertel in
dem Disktrikt Lujiazui ausgeweitet werden soll, existieren nun vier
Freihandelszonen. Jeder dieser neuen Distrikte verfügt über besondere geografische, regulatorische und
wirtschaftsstrukturelle Besonderheiten. Bei der Festlegung der Rahmenbedingungen orientieren sich die
Planer jedoch an der Pilot-Freihandelszone in Shanghai. Wesentliche
Merkmale sind hierbei die Liberalisierung des Devisen- und Aktienhandels, die Senkung der finanziellen
Schwellenwerte für ausländische Firmengründungen sowie Anreizsysteme für ausgewiesene Branchen.
Einführung einer Negativliste
Der wichtigste Punkt ist jedoch der
Ansatz der sogenannten Negativliste.
Sie basiert auf dem Handelskatalog
für ausländische Investitionen und
wurde im April veröffentlicht. Darin werden jene Wirtschaftszweige
aufgeführt, in denen ausländische Investitionen nur unter Einschränkung oder gar nicht möglich
sind. Für Unternehmen, deren Branchen und Geschäftsfelder nicht darin enthalten sind, ergibt sich ein vereinfachter
Registrierungs- und Lizenzvergabeprozess, da sie wie chinesische Firmen behandelt werden. Konzerne, deren Branche
sich auf der Negativliste wiederfindet, müssen allerdings weiterhin mit recht aufwendigen Prüfungsverfahren rechnen.
Das bisher sehr zeitintensive und undurchsichtige Prüfungsverfahren wird durch verschiedene staatlichen Behörden nun unter dem Dach der Administration for Industry and
Commerce (AIC) gebündelt und beschleunigt. Die Firmenregistrierung und der nachfolgende Schritt der Lizenzbeantragung können über die „One-step Application Processing
Platform“ der AIC organisiert werden.
Die besten Rahmenbedingungen bietet die Freihandelszone in Guangdong. Bei der Eröffnungszeremonie wies der
Gouverneur der Provinz, Zhu Xiaodian, explizit auf die geografische Nähe zu Hong Kong und Macau als Standortvorteil
hin. Nach Aussage des Gouverneurs haben sich bereits rund
6.500 ausländische Unternehmen aus diesen beiden administrativen Sonderregionen sowie aus dem Ausland bei der AIC
registriert. Guangdong gilt als zentrales Element des außenwirtschaftspolitischen Makro-Konzepts der neuen maritimen
Seidenstraße. Dazu wurden eine Vielzahl von Beschränkungen aufgehoben. So ist es nun zum Beispiel Dienstleistern
erlaubt, internationale Transportunternehmen zu gründen.
Des Weiteren dürfen Investoren aus Hong Kong oder Macau
spezialisierte und hochwertige medizinische Dienstleistungen
Bild: stherpoon, Shutterstock
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Rech t & Steu ern : China
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
anbieten. Ein deutsches Unternehmen, das eine Holdinggesellschaft in Hong Kong für die Steuerung der China-Aktivitäten gründet, könnte so vom bevorstehenden Boom des
medizintechnischen Marktes in China – mit einer stetig älter
werdenden Bevölkerung – profitieren.
Mit Blick auf die gleichzeitig vorangetriebene Integration des asiatischen Wirtschaftsraumes im Zuge des Freihandelsabkommens der Volksrepublik mit den ASEAN-Staaten,
das die innerasiatischen Handelsbarrieren erheblich reduziert, ergeben sich vielfältige Chancen gerade für deutsche
Unternehmen. Dies betrifft
die Erschließung von Absatzund
Beschaffungsmärkten
und die grenzübergreifende
Distribution von Gütern und
Dienstleistungen. Gleichzeitig hat sich der Finanzsektor
in Guangdong nach außen
Die Öffnung des Finanzsektors in Qianhai umfasst zusätzlich folgende Punkte:
•
•
•
•
· ankfremde Finanzinstitute können nun grenzüberB
schreitende Zahlungen in Yuan durchführen.
·Zugelassene ausländische Kreditgeber können nun
Banken eröffnen.
·Qualifizierte internationale Geldinstitute können ein
Joint Venture mit chinesischen Unternehmen innerhalb
der Freihandelszone gründen.
·Zugelassene Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler mit Firmensitz in Hong Kong oder
Macao können nun Zweigniederlassungen in Qianhai
eröffnen.·
Weiterhin gilt zu beachten, dass steuerliche Vorteile der
einzelnen Entwicklungszonen nicht auf die gesamte Freihandelszone anwendbar sind.
Unternehmen bestimmter Branchen, wie etwa
dem Gesundheitswesen, müssen in der Zhuhai
Die Freihandelszone in Shenzhen ist
Hengqin New Area nur 15% statt der üblichen
an das Modell Hong Kongs angelehnt.
25% Körperschaftsteuer zahlen. Ähnlich ist dies
Sie setzt daher vor allem auf die
in Qianhai. Hier sind es vor allem die Bereiche
Finanzindustrie und den IT-Sektor.
Technologie, moderne Logistik, Kultur- und Krea­
tivindustrie sowie Informationsdienstleistung, die
bis zum Jahr 2020 in den Vorteil einer reduzierten
hin geöffnet. Unternehmen Körperschaftsteuer kommen. Die Wahl des richtigen Standund Finanzinstitute können ortes hängt somit von der anvisierten Branche ab.
nun Kredite in Yuan auch
bei
Übersee-Kreditgebern Weitere Sonderwirtschaftszonen sollen entstehen
aufnehmen. Zusätzlich ist es Zusammenfassend ist es positiv zu betrachten, dass sich die
für eine in Hong Kong oder Freihandelszonen über die Grenzen Shanghais entwickeln,
Macao ansässige Mutterge- auch wenn für die nächste Zeit eine gewisse Unsicherheit besellschaft mit einer Tochter- züglich der Verwaltung von Gesellschaften in diesen Zonen
gesellschaft in Guangdong bestehen bleiben wird. Durch den Anschluss der bestehenden
möglich,
Yuan-Anleihen Zonen Qianhai und Hengqin an die Freihandelszone in Guin China auszugeben. Die angdong soll die Verwaltung der Wirtschaftszonen in China
Freihandelszone
umfasst vereinfacht werden. Dadurch soll ein leichterer Zugang zum
insgesamt eine Fläche von chinesischen Markt für ausländische Investoren ermöglicht
116,2 qkm und besteht aus werden.
Die mittelfristige Entwicklung wird dahingehen, dass die
drei bereits existierenden
vier Freihandelszonen regulatorisch zunehmend als Einheit
Entwicklungszonen.
zu betrachten sind und weitere Freihandelszonen geschaffen
werden. Bei einer integrierten Betrachtung der innerasiatiGrenzüberschreitende Zahlungen in Yuan möglich
Dazu gehört zum einen die Guangzhou Nansha New Area, schen Freihandelsdynamik, der Außenwirtschaftsstrategie
einschließlich des Zollhafens. Dort prosperieren hauptsäch- der Seidenstraße sowie des Netzwerks der Freihandelszolich der Transport- und Logistiksektor sowie die Finanz­ nen kann man feststellen, dass China wirtschaftlich gesehen
industrie, der internationale Handel und die High-End-Fer- einen zukunftsweisenden Entwicklungsschritt durchführt.
Deutschen Firmen bieten sich vielfältige Möglichkeiten, sei
tigung.
In der Zhuhai Hengqin New Area sind der Tourismus, die es nun für neue Marktteilnehmer oder für bereits etablierte
Bildungsindustrie sowie die Produktion von hochtechnologi- Konzerne, die durch organisatorische Umstrukturierungen
neue Potenziale nutzen können. :::
schen Gerätschaften die führenden Wirtschaftszweige.
Die Finanzindustrie und den IT-Sektor besser mit Hong
Kong zu verzahnen ist das Ziel der Entwicklungszone
­Qianhai in Shenzhen. Zu diesem Zweck können bankfremde Joffre Castilla Breininger ist Associate, International Business Advisory &
Finanzinstitute, die dort ansässig sind, grenzüberschreitende Marketing der Unternehmensberatung Dezan Shira & Associates
Zahlungen in Yuan durchführen.
Hanno Rademacher ist Freier Redaktuer
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s e rvic e : Termine
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
A k t u e l l e b u c h ti pps
Um es gleich zu sagen: Dies ist kein Lehrbuch, sondern ein Buch über
das Chinesische. Kurzweilig und pointiert erklärt die Sinologin nicht
nur die grundlegenden Strukturen, sondern auch Fragen, die sich
dem Lernenden unweigerlich stellen: Wie findet man ein Zeichen im
Wörterbuch? Wieso birgt die Übersetzung ausländischer Namen so
großes Fettnäpfchen-Potenzial? Und stimmt es, dass es im Chinesischen keine Grammatik gibt? Weil das Buch auf sperrige Fachbegriffe verzichtet, kann man es getrost auch in der Badewanne lesen.
Françoise Hauser: Gebrauchsanweisung Chinesisch. So funktioniert
die meistgesprochene Sprache der Welt, 12,95 Euro, 203 Seiten,
Reclam Verlag, erschienen: Mai 2015
Jeder, der sich mit Delegationsbesuchen auseinandersetzen muss,
wird für dieses Buch dankbar sein. Schon in der Frage, was ein gutes
Hotel ausmacht, sind sich die Kulturen keineswegs einig: Lieber klein
und fein? Oder groß und protzig? Wenn es gelingt, das Wohl der asiatischen Geschäftspartner in Deutschland durch die richtige Vorbereitung zu steigern, stehen auch die Verhandlungen unter einem guten
Stern. Anders gesagt: Über Erfolg und Misserfolg wird nicht immer
am Verhandlungstisch, sondern am Frühstücksbuffet entschieden.
Celine Chang, Susanne Droux, Axel Gruner: Internationale Gäste,
32 Euro, 200 ­Seiten, Matthaes Verlag, erschienen: April 2015
China erlebt einen großen gesellschaftlichen Umbruch. Doch wer sind
die Menschen, die dahinterstehen und was ist ihnen wichtig? Woran
glauben sie? Lange Jahre berichtete Evan Osnos für den „New
Yorker“ aus China, traf Self-made-Millionäre, Glücksritter, gesellschaftliche Auf- und Absteiger, Künstler und Dissidenten. Die daraus
entstandenen Portraits sind unterhaltsam und tiefgründig zugleich –
ein echtes Muss für sinophile Menschen.
Evan Osnos: Große Ambitionen. Chinas grenzenloser Traum,
24,95 Euro, 533 Seiten, Suhrkamp Verlag, erschienen: April 2015
Asien-Termine
7.–10.09.2015, Singapur
Geschäftsanbahnung
Schlüsseltechnik Photonik
Zentrale Elemente des Programms sind
die fachbezogenen Unternehmenspräsentationen der deutschen Teilnehmer
vor potenziellen Geschäftspartnern im
Rahmen einer ganztätigen Präsentationsveranstaltung sowie die individuell
vorbereiteten Erstkontaktgespräche der
deutschen Unternehmen zur gezielten
Geschäftsanbahnung.
AHK Singapur
Jens Martin
Tel. +65 (0) 64-3353-40
[email protected]
www.sgc.org.sg
14.–18.09.2015, Tokio
Energieeffizienz in
japanischen Gebäuden
Die Informationsveranstaltung soll den
Teilnehmern insbesondere den Energiemarkt, den Energieeffizienzmarkt
sowie Marktpotenziale und -barrieren
hinsichtlich des Energieeffizienzmarktes im japanischen Gebäudesektor
darstellen. Ein Mitarbeiter der AHK
Japan, ein japanischer Experte sowie
ein Unternehmen, das erfolgreich im
Zielmarkt aktiv ist, werden in Vorträgen
von ihren Erfahrungen berichten.
OAV
Falk Woelm
Tel. +49 (0) 403-57559-33
[email protected]
www.oav.de
21.07.2015, Frankfurt am Main
Effektive Zusammenarbeit
mit chinesischen Lieferanten
Das Seminar richtet sich an Fach- und
Führungskräfte aus den Bereichen Einkauf und Global Sourcing. Ziel der
Veranstaltung ist es, die chinesischen
Lieferanten besser verstehen zu lernen,
um so den Beschaffungserfolg in China
zu optimieren. Die Teilnehmer erhalten
wertvolle Tipps für ihre Verhandlung.
23.07.2015, Nürnberg
Asien Pazifik Forum Bayern
Im Mittelpunkt der Vorträge und
Workshops stehen die Leitthemen
„Trends erkennen“, „Global vernetzen“
und „Verantwortlich handeln“. Dabei
spielt der Netzwerkgedanke eine zentrale Rolle. In Fachvorträgen aus der
Praxis werden fachkundige Referenten
wertvolle Impulse zu aktuellen Trends
und Entwicklungen in Asien liefern.
23.–27.11.2015, Bangalore
Dezentrale Strom- und
Wärmeversorgung mit Erneuerbaren
Die indische Regierung hat ein Programm verabschiedet, dass zu neuen
Investitionen in Solaranlagen anregen
soll. Eine Konferenzveranstaltung ist zu
Beginn in Bangalore geplant. Anschließend werden vorab organisierte Gesprächstermine mit Unternehmen und
Entscheidungsträgern stattfinden.
BME Akademie
Dorit Stelz
Tel. +49 (0) 69-30-838-250
[email protected]
www.bme.de
IHK Nürnberg
Melanie Kreß
Tel.: +49 (0) 911-1335-424
[email protected]
www.asien-pazifik-forum-bayern.de
AHK Indien
Julia Seibert
Tel. +49 (0) 211-360-597
[email protected]
www.export-erneuerbare.de
service : Termine
ASIA BR I D G E 7 / 8 :2 0 1 5
f e i e rta g e im J u l i und August 2015
Hong Kong
Indien
Indonesien
Japan
Laos
Malaysia
Mongolei
Myanmar
Nordkorea
Philippinen
Singapur
Sri Lanka
Südkorea
Thailand
1.7. Tag der Übergabe
Hong Kongs an China
18.7. Idu’Fitr
15.8. Unabhängigkeitstag
16.–18.7. Ende des islamischen Fastenmonats
17.8. Unabhängigkeitstag
20.–21.8. Ende des islamischen Fastenmonats
20.7. Tag des Meeres Umi no Hi
13.8. Tag der freien Laos
18.–19.7. Ende des islamischen Fastenmonats
31.8. Nationalfeiertag
11–13.7. Nadaam
1.7. Waso Vollmond
19.7. Tag der Märtyrer
27.7. Waffenstillstandsvereinbarung
15.8. Unabhängigkeitstag
21.8. Ninoy-Aquino-Tag
31.8. Tag der Nationalhelden
17.7. Ende des islamischen Fastenmonats
19.8. Nationalfeiertag
1.7. Adhi-Esala Poya–Vollmondtag
18.7. Ramazan Festtag
31.7. Esala Poya-Vollmondtag
29.8. Nikini Poya–Vollmondtag
15.8. Unabhängigkeitstag
30.7. Asanha Bucha
12.8. Geburtstag der Königin
Quelle: gtai
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::: Cover-Story
Chemieindustrie
ASIA BRIDGE
Bild: kongsky, Shutterstock
IM SEPTEMBER
::: China
Deutsche Botschaft warnt vor Internetbetrügern
::: Taiwan
Vernetzte Autos liegen im Trend
Druck: Strube Druck & Medien OHG
Stimmerswiesen 3, 34587 Felsberg
Asia Bridge stützt sich neben umfangreicher Eigenbericht­
erstattung auch auf Dow Jones Newswires und weitere Nachrichtenagenturen sowie auf Berichte der gtai – Germany Trade
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t rav e l & l i fest y le : Sri Lanka
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
Der Zahn des Buddha
Der Name erinnert an englische Süßigkeiten, doch Kandy hat in den vergangenen
200 Jahren auch bittere Momente erlebt. Heute ist die ehemalige Königsstadt
ein Besuchermagnet auf Sri Lanka.
Von Michael Scholten ::: Der historische Name Kanda-udapas-rata heißt übersetzt „das verborgene Königreich in den
Bergen“, doch die britische Kolonialmacht machte daraus
kurz und griffig den Namen Kandy. Der Ort, der fast in der
geografischen Mitte Sri Lankas liegt, war die dritte königliche Hauptstadt der Insel, bis die Briten im Jahr 1815 den
letzten König Sri Vikrama Raja Simha stürzten. Damit fand
die 2300 Jahre währende Herrschaft der singhalesischen Dynastie ein Ende.
Im Zentrum Kandys dominiert ein künstlicher See, der
von einer weißgetünchten und mit Zinnen besetzten Mauer
eingerahmt wird. Am Ufer steht der Tempel Dalada Maligawa, der heiligste buddhistische Ort Sri Lankas. Hier wird
ein Eckzahn Buddhas aufbewahrt, der in einem mit Gold,
Schmuck und Ketten verzierten Schrein liegt. Diese wichtigste Reliquie der Insel ist für die Öffentlichkeit nur zweimal am
Tag zu sehen, wenn eine Puja-Zeremonie von frenetischem
Trommeln und regelmäßigen Gongschlägen begleitet wird.
Zuvor müssen Besucher mehrere Kontrollen passieren.
Denn Sicherheit wird großgeschrieben, seit ein Mitglied
der Tamilischen Tiger hier am 26. Januar 1998 einen Selbst-
mordanschlag verübte. Er lenkte einen Lastwagen mit 250
Kilogramm Sprengstoff an Bord in die Tempelanlage. Acht
Menschen starben und der Tempel wurde schwer beschädigt.
Nur der Bereich rund um die Reliquie blieb weitgehend verschont.
Ein jährlicher Festzug ehrt die Reliquie
Einmal pro Jahr, Ende Juli oder im August, steht Buddhas
Eckzahn im Mittelpunkt einer prunkvollen Prozession
durch Kandy. Die sogenannte Esala Perahera ist das größte
und bunteste Fest Sri Lankas und zugleich eine der größten
buddhistischen Prozessionen der Welt. Elefanten, Tänzer,
Akrobaten, Musiker und geistliche Würdenträger aus dem
ganzen Land nehmen an diesem Festzug teil. Der Eckzahn
beziehungsweise dessen Kopie, die inzwischen aus Sicherheitsgründen zum Einsatz kommt, wird zehn Tage und zehn
Nächte lang auf dem größten der etwa 100 teilnehmenden,
geschmückten Elefanten durch Kandy getragen.
Vielleicht wird diese Ehre auch einem der Dickhäuter
zuteil, die in Pinnawela, knapp eine Autostunde von Kandy
entfernt, im Elefantenwaisenhaus leben. In der weltweit ein-
Bilder: Michael Scholten
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In einem Tempel am See wird das größte
Heiligtum des Landes aufbewahrt. Es darf
zweimal am Tag unter Trommelwirbeln von
den Touristen bestaunt werden.
T ravel & Lifest yle : Sri Lanka
überhaupt kein Interesse an Sri Lanka hatten, werteten das
als Zeichen, dass ihre Versorgungsschiffe angegriffen werden
sollten, die auf dem Weg zur japanischen Armee in Burma
waren. Deshalb griffen japanische Bomber am 5. und 9. April
1942 die Schiffe der Alliierten an.
Vom Kriegsschauplatz zum Drehort
maligen Einrichtung, die 1975 von der Regierung ins Leben
gerufen wurde, leben derzeit circa 90 Elefanten. Anfangs
wurden nur die Jungtiere hierhergebracht, die ihre Mutter
oder den Anschluss an die Herde verloren hatten. Doch weil
sich die Tiere nicht mehr auswildern lassen, wenn sie einmal
die Fütterung durch Menschen gewohnt sind, blieben auch
die erwachsenen Exemplare im Waisenhaus und vermehrten sich. Mehr als 50 Babys kamen hier schon in Gefangenschaft, nach 22-monatiger Schwangerschaft, zur Welt.
Viele Jungtiere werden inzwischen an Zoos in aller Welt
verschenkt, einige bleiben aber für den Rest ihres Lebens
in Pinnawela.
Die größte Attraktion für die stetig wachsende Zahl von
Touristen sind die Badezeiten im Fluss Maha Uya von 10
bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr. Am Ufer, das mit Restaurants und Souvenirshops zugebaut ist, stehen und staunen
die Beobachter. Im Wasser und auf den Felsen baden die
Elefanten und werden von ihren Hütern, den Mahouts, geschrubbt. Zwar verbieten Schilder, eine bestimmte Sicherheitslinie zu überschreiten, doch viele Touristen halten sich
nicht daran und lassen sich mutig mit den nassen Dickhäutern fotografieren.
Postkarten aus Elefantendung
Nach dem Vormittagsbad trottet die Herde durch eine kleine Gasse zum eigentlichen Waisenhaus. Die Ladenbesitzer
bringen links und rechts ihre Souvenirs in Sicherheit, Juweliere lassen vorsichtshalber die Rollläden ihrer Schaufenster
herunter. Denn wenn sich 90 große Tiere
dicht an dicht bewegen, könnte jederzeit
einer ausscheren und zum Elefant im Souvenirladen werden. Neben Armbändern aus
extrem hartem Elefantenhaar und Dickhäutern als Holzpuzzle bieten die Shops auch
Glückwunschkarten, deren Papier aus Elefantenmist hergestellt wurde. Bleibt die Frage, was der Beschenkte dazu sagt ...
Die Rückfahrt nach Kandy lässt sich mit
einem Besuch des Soldatenfriedhofs verbinden: 203 Gräber erinnern an die im Jahr
1942 gefallenen Soldaten, die zur Hälfte aus
Großbritannien stammen, zur anderen Hälfte aus Kanada, Sri Lanka, Ostafrika, Italien
und Frankreich. Der Grund für ihren Tod
war so seltsam wie überflüssig: Aus Angst,
die Japaner könnten den Plan schmieden,
Sri Lanka einzunehmen, wurden sieben
Brigaden in den Häfen von Colombo und
Trincomalee stationiert. Die Japaner, die
Der Wahnsinn dieses Krieges wurde 1957 auch für den
Holly­wood-Klassiker „Die Brücke am Kwai“ bildstark in
Szene gesetzt. Das Schicksal meist westlicher Kriegsgefangener, die von den Japanern zum Bau einer Eisenbahnlinie
zwischen Thailand und Burma gezwungen wurden, entstand
nicht am thailändischen Originalschauplatz, sondern in Kitulgala, 60 km von Kandy entfernt. Heute erinnern nur noch
ein paar Betonpfeiler und ein kleines Privatmuseum an die
Dreharbeiten zum Oscar-prämierten Kriegsepos.
Weitere Szenen wurden im Botanischen Garten von
Redadeniya, einem Vorort von Kandy, gedreht. Die Anlage
beeindruckt durch ihre prächtige Orchideensammlung und
durch alte Weiden mit gigantischen Ausmaßen. Die verwinkelten Äste eines Rekordexemplars berühren den Boden und
wirken wie das Gerüst eines riesigen Zirkuszelts. Besonders
findige Menschen haben ausgerechnet, dass unter dieser
Baumkrone 1.200 Menschen gleichzeitig Platz finden. Wie
viele Elefanten sich dort unterbringen lassen, hat aber noch
niemand ermittelt. :::
Im Elefantenwaisenhaus leben nicht nur
Jungtiere. Auch die älteren Dickhäuter
genießen dort ihr tägliches Bad.
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t rav e l & l i fest y le : Ausgesprochen asiatisch
ASIA B RIDGE 7/ 8: 2015
„Konflikte lösen Inder durch Improvisation“
Die spontane Bereitschaft, sich auch komplizierten
Situationen zu stellen, bewundert Heinrich Brüllau
an den Asiaten. Denn dafür kommen sie gern auf
die Erfahrung der Älteren zurück. Eine Begegnung
mit dem Dalai Lama steht beim Geschäftsführer
von Schmersal India allerdings noch aus.
Das erste Mal in Asien war ich, ... 1995 auf meiner Hochzeitsreise nach Goa in Indien.
Anders, als ich erwartet hätte war ... das Alltagsleben noch
sehr einfach, Technik und Konsumgüter kaum vorhanden.
Die Inder lebten in ihrem eigenen Kosmos aus Riten und
Traditionen, gekrönt von einer korrupten Bürokratie.
Am meisten verändert hat sich seit damals ... die Urbanisierung mit enormem Tempo, die Explosion von Straßenverkehr und Kommunikation. Heute sitzt der Bauer auf seinem
Ochsenkarren mit dem Handy am Ohr und lässt sich die aktuellen Preise durchgeben.
Bei „interkulturellen Unterschiede“ denke ich spontan
an ... den Respekt vor dem Alter. Wird man in Europa jenseits
der 50 schon langsam aussortiert, gilt der Rat der Älteren in
Z u r P e rs o n
• Bereits seit den 1980er Jahren hat Heinrich Brüllau in verschiedener Form Geschäftskontakte nach Asien, besonders nach Indien.
• 2004 hat er sich als Consultant mit der Firma KB TechTransfer GmbH selbstständig gemacht und arbeitet seit 2007 für verschiedene Unternehmen in Indien, darunter für eine Tochterfirma von VW.
•Brüllau betreut seit 2012 als COO den Aufbau eines
Werkes für die Wuppertaler Firma Schmersal in Pune.
Mit mehr als acht Jahren Landeserfahrung gehört er zu
den Veteranen der deutschen Wirtschaft in Indien.
Indien als hoher Wert, ohne den man kaum etwas unternehmen würde.
In das größte Fettnäpfchen getreten bin ich ... bisher noch
nicht. Ich respektiere andere Kulturen und habe viel zu diesem Thema studiert. Indien ist ein Land, in das man nicht
unvorbereitet kommen sollte.
An den Asiaten schätze ich besonders ... ihre Kunst des
Überwindens von Schwierigkeiten durch Improvisation. Es
gibt in Indien keine Probleme, sondern nur Herausforderungen. Das ist ein wohltuender Unterschied zur deutschen
Art des überplanten Handelns, das kaum Abweichungen zulässt.
Wenn ich in Asien bin, bin ich am liebsten ... unterwegs zu
den uralten Kultstätten und Tempeln, Zeugen der jahrtausendealten Kulturen.
Asien-Reisende sollten ... unbedingt abseits der ausgetretenen Pfade das Land erkunden. In den Dörfern auf dem
Lande gehen die Uhren anders. Dort findet man das ursprüngliche, gastfreundliche und unaufdringliche Asien.
Kennenlernen würde ich gern einmal ... den Dalai Lama,
da er das Wissen der uralten Philosophie mit der modernen Wissenschaft zu verbinden versucht – ein ausgesprochen
friedfertiger, weiser und humorvoller Mann.
Wenn ich in die Zukunft blicke, denke ich, dass wir noch
einmal überrascht sein werden von ... der Dynamik der
Entwicklung. Indien steht erst jetzt am Anfang der Entdeckung des eigenen Potenzials. Das Durchschnittsalter der
indischen Bevölkerung liegt bei 24 Jahren. Da braut sich viel
jugendliche Energie zusammen.
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bekomme, die auf der Website www.maerkte-weltweit.de zu lesen oder herunterzuladen sind. Alle genannten Preise verstehen sich monatlich zzgl. gesetzlicher Mwst.
Versandkosten werden zusätzlich berechnet, Inland 3 € pro Monat, Ausland je nach Entfernung. Dieses Angebot ist gültig bis zum 30. September 2015.
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